Burscheid, Stand 10.5.2013

Einzelbewerber, „andere Kreiswahlvorschläge“ und Direktkandidaten

Ich bewerbe mich im Wahlkampf 2013 für den 18. Bundestag als Einzelbewerber. Aber was ist das überhaupt? Hat das Chancen? Und: Was ist dann das Motiv?“

 

1.      Was ist das?

Gesetzlich sind Einzelbewerber/innen nicht definiert; § 20 Bundeswahlgesetz / BWG und § 34 Bundeswahlordnung / BWO sprechen von „anderen Kreiswahlvorschlägen“ und ihren Voraussetzungen. So heißt es in § 20 BWG: Andere Kreiswahlvorschläge müssen von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.“

Alles klar? Nein? „Andere“ bedeutet nach BWG: Nicht von Parteien eingereichte Wahlvorschläge. Oder in klarem Deutsch: Für freie, in aller Regel auch parteifreie Bewerber. Was das Gesetz – trotz des urdemokratischen Einschlags dieses Instruments – nicht mit einem eigenen Begriff nennen mag, dafür hat das Amtsdeutsch fürsorglich den Begriff „Einzelbewerber“ gefunden. Anmerkung: „Direktkandidat“ wirkt etwas weniger einsam und scheint mir die persönliche Initiative etwas besser zu beschreiben; drum nenne ich mich jetzt einfach im Weiteren so. Und merke: Direktkandidaten werden nach der Struktur unseres Wahlsystems ausschließlich mit der Erststimme, mit der „Personen-Stimme“ gewählt. Dort erscheinen sie auf dem Wahlzettel, wenn das 200er Quorum erreicht ist, s.o. § 20 BWG.

 

2.      Ja, aber hat denn eine freie Kandidatur für den Bundestag überhaupt Chancen? Nein und ja.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit „Nein“, was das bloße Gewählt-Werden anbelangt. Seit Beginn der Republik ist genau einer durchgekommen, und zwar ganz am Anfang: Der parteilose Unternehmer Richard Freudenberg zieht i.J. 1949 als Direktkandidat mit 43,7% der Stimmen in den ersten Deutschen Bundestag ein. Mit der Konsolidierung der Parteien nimmt die Zahl von 117 Direktkandidaturen i.J. 1949 schnell und signifikant auf Werte um 10 ab, steigt im Wahljahr 1969 (!) mal etwas untypisch auf 19 an, hat einen Zwischengipfel 1987 durch plötzliche 261 Kandidaturen incl. 245 der damaligen Friedensliste, fällt sodann wieder ab auf Werte unter 100. Bei der Bundestagswahl 2009 sind es schließlich 166 Direktkandidaten, allerdings 83 davon auf der Grundlage verbundener Initiativen (zu den Zahlen im Einzelnen siehe Wikipedia).

Ebenso heißt es mit hoher Wahrscheinlichkeit „Nein“, was die Erstattung von Wahlkampfkosten anbetrifft. Denn dazu müsste man zunächst einmal mindestens 10% der Stimmen holen, § 49b Abs. 1 BWG. Und auch das ist seit Beginn unserer Zeitrechnung nur insgesamt sechs Bürgern geglückt, wenn auch einem von ihnen gleich dreimal, nämlich dem bemerkenswerten Bürgerrechtler und Nonkonformisten Helmut Palmer i.d.J. 1969, 1987 und 1990. Eine Liste der „über 10%“ Kandidaten ist auf der bereits zitierten Wikipedia-Seite aufgestellt, und da fällt auf: Alles Männer (na gut, das kann ich) und praktisch alle aus Süddeutschland. Anm.: Ich habe keine Daten aus der ehemaligen DDR – nehme aber mal an, dass der real existierende Sozialismus zumindest keine höhere Sympathie für freie Kandidaten offenbarte als die westliche Schwesterrepublik. Zusammengefasst dann höchstwahrscheinlich „Einschließlich Moos nix los“?

Okay, das gilt wohl für die Wahl- und Wahlspesen-Chancen. Aber da ist ja noch mehr: Ich habe mich in den letzten 20 Jahren intensiv für die gesellschaftliche Debatte eines Themas eingesetzt, das an Aktualität und auch an demokratischen Defiziten leider überhaupt nichts eingebüßt hat: die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Gerade heute ist die Kanzlerin zu einem nicht angekündigten Blitzbesuch in Afghanistan. Als Wähler sind die Chancen erfahrungsgemäß eher gering, die Wahl-Agenda zu beeinflussen und eine trennscharfe Beschreibung der Einsatzgründe oder eine Evaluation der bisherigen Einsätze findet sich leider bisher nirgends bei den Parteien. Als Kandidat könnten die Chancen aber besser sein, ein Thema „hochzuziehen“, vor allem, wenn man mit den Bürger/innen und vielleicht einem Teil der Öffentlichkeit ins Gespräch kommen kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

3.      „Was ist das Motiv?“

Wenn ich schon in einer Demokratie lebe, dann will ich sie auch spüren. In der Demokratie-Theorie steht der Wahlprozess ganz oben auf der Liste der Instrumente, die einen Staat charakterisieren, weit vor Fragen der Form der Repräsentanz, der Administration oder sogar des Rechtswesens. Dann will ich auch beim Wahlprozess dabei sein. Dazu werde ich ab heute herumziehen, um erstens meine mindestens 200 Unterstützungsschriften für die Aufnahme auf den Wahlzettel einzuwerben und um zweitens mein „Wahlprogramm“ zu konkretisieren. Die Gespräche und den „programmatischen Fortschritt“ werde ich versuchen, auf meinem Wahlblog zu dokumentieren, ebenso das, was mir über den Wahlkampf am Wegesrand so auffällt oder zugetragen wird.

Diese Themen würden mich reizen:

1.      Bundeswehr
Ich bin für die Festlegung konkreter Einsatzgründe und eine unabhängige Evaluation der bisherigen Einsätze.

2.      Staatsangehörigkeit
Ich bin für die breite Akzeptanz doppelter Staatsangehörigkeit und weiß nicht, was dagegen spräche.

3.      Euro- und Finanzkrise
Ich bin dafür, die Importe z.B. aus Griechenland bewusst zu stärken und Exporte zu erschweren, speziell bei volkswirtschaftlich kontraproduktiven Gütern wie Rüstungsprodukten.

4.      Parlamentarismus
Ich bin dafür, MdB’s für maximal zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden zu wählen.

5.      Kommunalfinanzen:
Ich bin für einen Finanzausgleich der Gebietskörperschaften, der wirksam an den Einwohner-bezogenen Kennzahlen orientiert ist und nicht von gewerbesteuerrechtlichen Zufälligkeiten oder Gestaltungsmöglichkeiten abhängt

6.      Didaktik der Zahlen
Ich bin dafür, im Schulunterricht die nicht den Größenordnungen folgende Sprechweise (Hunderter/Einer/Zehner) in eine Fehler-vermeidende Wiedergabe (Hunderter/Zehner/Einer) zu ändern, so wie es im Kreditgeschäft üblich ist.

 

Noch ein wenig Anleitung zu Unterstützungsschriften

-        Handschriftlich und persönlich!
Bei dem Vordruck, den Sie auch als pdf aus dem Netz herunterladen können, sind leider ein paar Förmlichkeiten einzuhalten: Jeder „Unterstützer“ muss alle offenen Positionen

(1) Familienname + (2) Vornamen + (3) Geburtsdatum (Vorsicht, wird häufig übersehen, wohl weil es weiter rechts außen steht!) + (4) Straße/Hausnummer + (5) Ort/Datum + (6) Unterschrift

handschriftlich und persönlich ausfüllen. Negativ-Beispiel: Ein Familienmitglied macht die Vordrucke bis auf die Unterschrift schon einmal für mehrere andere fertig und die anderen unterschreiben dann nur noch. Dann wären alle einzelnen Unterstützungsschriften ungültig und würden nicht gezählt. Pech für uns!

-        Unterstützung ist nicht Wahl
Das Ausfüllen einer Unterstützungsschrift bedeutet übrigens nicht, dass Sie den Unterstützten bei der Bundestagswahl dann auch wählen (wollen). Es besagt nur: „Ich unterstütze die Aufnahme des Unterstützten auf den Wahlschein, etwa weil ich mir davon einen besseren, interessanteren Wahlkampf verspreche. Was ich am Ende wähle, das kann ich mir noch vorbehalten.“

-        Variante: persönlicher Antrag auf Wahlrechtsbescheinigung
Das Formular sieht standardmäßig vor, dass auf dem gleichen Vordruck auch die Bescheinigung des Wahlrechts erfolgt; siehe dazu den untenstehenden, dann im weiteren Verlauf von der Wohnsitzgemeinde auszufüllenden Kasten. Das ist auch der für die „Unterstützer“ einfachere Weg.

Wer eine Unterstützungsschrift ausfüllen will, kann aber alternativ auch die Wahlrechtsbescheinigung auf einem gesonderten Vordruck selbst einholen, müsste dann aber beides gemeinsam zurück an mich senden. Das wird sicher eher die Ausnahme sein; ich möchte aber immerhin auf diese Variante hinweisen. Als pdf ist der Vordruck hier herunterzuladen.

-        Unterstützung immer nur für einen Kreiswahlvorschlag möglich
Schließlich: Nach dem BWG dürfen Sie für eine Wahl immer nur einen Kreiswahlvorschlag unterstützen, siehe auch den Hinweis ganz oben auf dem Formblatt. Wie gesagt, es spielt hier keine Rolle, was Sie am Ende wählen. Es geht nur darum, dass ein und die gleiche Person nicht gleichzeitig mehrere Vorschläge wie den meinen befürwortet. Aber ich gehe auch davon aus: Den wenigsten Bürgern werden für ein Wahlverfahren mehrere Kreiswahlvorschläge vorgelegt, und wenn, dann würden sie sich jedenfalls an eine frühere Unterschrift erinnern.

K. U. Voss

Dr. jur. Karl Ulrich Voss
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