Schwäbisches Tagblatt v. 9.3.2004

VOLKER RITTBERGER

 

Klare Regeln für Auslandseinsätze

 

Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte haben seit den 90er fahren nicht nur zugenommen, sie dauern auch länger. Ihr Einsatzgrund ist freilich nicht die Landes- oder Bündnisverteidigung. Vielmehr sind diese Einsätze dazu bestimmt, Frieden und internationale Sicherheit zu wahren oder zu stärken. Bisher ermangeln sie einer befriedigenden rechtlichen Grundlage. Die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 geforderte Beteiligung des Deutschen Bundestages krankt daran, dass sie sich auf Einzelmaßnahmebeschlüsse konzentriert. An deren Stelle sollte ein Bun~ desgesetz die Voraussetzungen umreißen, bei deren Vorliegen die Bundesregierung ermächtigt ist, den Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte zu beschließen.

Über die Nichtverteidigungs-Aufgaben, zu deren Erfüllung ein Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in Betracht kommen kann, ist in der Öffentlichkeit bisher nicht gründlich diskutiert worden. Deutsche Streitkräfte nehmen Nichtverteidigungs-Aufgaben im Ausland wahr, und sie werden es auch künftig tun. Die Fixierung der Bedingungen in Form eines Bundesgesetzes würde ein Akt demokratischer Selbstvergewisserung darüber darstellen, welche Risiken der Souverän allgemein und für die Angehörigen der Streitkräfte im besonderen vorhersehbar einzugehen gewillt ist. Darüber hinaus würde sich in einem solchen gesetzgeberischen Akt beweisen, für welche angebbaren Zwecke Deutschland seine Streitkräfte verfügbar zu machen bereit ist.

Solche Zwecke können sich vor allem aus der Satzung der Vereinten Nationen ergeben, wenn der UN-Sicherheitsrat zur Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit militärische Zwangsmaßnahmen beschließt. Dazu werden insbesondere die Verhinderung oder Beendigung von humanitären Notsituationen wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie der Aggression zählen. Inwieweit weitere Auslandseinsätze rechtfertigende Tatbestände in ein Streitkräfteaufgabengesetz Eingang finden werden, wird Gegenstand öffentlicher Diskussion sein müssen. Dabei ist zu berücksichtigen: Militärische Zwangsmaßnahmen sind meist nur stumpfe Mittel der Zielerreichung, nicht selten sind sie begleitet von unerwünschten Nebenfolgen, oder sie zeitigen gar dem gesetzten Ziel zuwider laufende Wirkungen; daher gilt unbedingt der Vorrang ziviler Krisen-, Eskalations- und Gewaltprävention, in friedensgefährdenden Konflikten.

 

Volker Rittberger ist Politik-Professor an der Universität Tübingen mit den Schwerpunkten Außenpolitik und internationale Beziehungen.