Bürgermeisterwahl und Ratswahl 2009 in
Burscheid
Karl Ulrich Voss: Was zu
tun ist - und was eben nicht
Die Ausgangslage
Burscheid ist eine nette und sehr musikalische ältere Dame im Grünen. Aber
sie ist auf den Hund gekommen. Geschieht kein Wunder, hat die Stadt nach den
Zahlen des Nothaushalts in drei Jahren das gesamte Vermögen verbraucht und
leistet den „Offenbarungseid“. Einen kommunalen Konkurs gibt’s aber gar nicht
und beim Geld hören bekanntlich die Wunder auf. Konsequent dann weiter gedacht:
Für Burscheid können die netten Tage als selbstständige Gemeinde bald dahin
sein. Das 200-Jahre-Jubiläum würde die Stadt nicht mehr feiern und die nächste
kommunale Neugliederung würde unser Burscheid als Opfer erleben. Vorher schon - und ohne jede demokratische
Einwirkungsmöglichkeit - wird die Kommunalaufsicht die so genannten
freiwilligen Leistungen kappen, ohne die z.B. ein Bad, eine Bücherei und
ein Jugendzentrum
nicht existieren können. Die Aufsicht hat bei Überschuldung keine andere
Wahl.
Wunder? Die stehen auch von guten Freunden bei Land und Bund
erfahrungsgemäß nicht zu erwarten. Schwarzmalerei? Leider ist das beklemmender
Realismus und wer mit offenen Augen z.B. durch das untere Stadtzentrum geht,
der sieht, dass dort etwas grausam schief läuft. Wie bei einer alten Fabrik,
die nicht produziert und die sich nicht mehr gegen Verfall und Vandalismus
verteidigen kann. Es fehlt Geld oder Engagement oder beides. Burscheid hat im
Kreis die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung. Kein Triumphgeschrei: Den ersten
Platz (Overath = 2.708,34 €) und den zweiten (Burscheid = 2.704,26 €) trennen keine 5 €.
Zum Vergleich: Odenthal hat jeden
Bürger mit nur 992,63 € belastet,
Langenfeld mit Null-Komma-Null; Zahlen jeweils vom Statistischen Landesamt mit
Stand 31.12.2008.
Gründe der massiven und chronischen Schieflage kann man außen wie innen identifizieren:
·
Eine Steuerverteilung
im Gesamtstaat, die klar zu Lasten der Gemeinden geht,
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die desaströse
Steuer- und Schuldenentwicklung Burscheids, mit Landeskrediten an die Kommune nach der Havarie die Goetze-AG,
die noch heute abzutragen sind, und
– zuletzt, aber nicht zumindest –
·
Burscheider Projekte der jüngeren und ferneren
Vergangenheit, die selbst dann noch wie Blei auf unserem Haushalt liegen, wenn
sie überhaupt nicht realisiert wurden! Der Traum von einem Wellenfreibad hat mehr als eine halbe Mio. € Planungskosten
verursacht, die wir heute gedanklich mit ca. 30.000 €/p.a. verzinsen dürfen.
Zum Friedhof habe ich keine
konkreten Zahlen. Es dürfte noch deutlich mehr sein als beim Kostenwellenbad,
was wir für dieses Projekt laufend zu zahlen haben. Ein Projekt, das von den
Bürgern nie wirklich angenommen worden ist und teils zur Verwahrlosung des
Friedhofs führte.
Es gibt der Beispiele mehr - und selbst einige aktuelle Wahlkampfthemen kann man getrost dort einreihen. Oder
hoffen, dass nicht die Realisierung droht. Denn die Wirtschaftskrise wird die
Talfahrt des Haushalts aller Erwartung nach weiter beschleunigen. Anmerkung: Es
mag ja nicht ganz schlau von mir sein, den Spiegel so hinzuhalten – aber das
ist die natürliche Rolle des Externen!
Meine Positionen
Nun zu Punkten, die im laufenden Wahlkampf hochgezogen oder vereint flach
getrampelt worden sind. Und zu denen, die man sehr ernsthaft weiterverfolgen
müsste, auch wenn sich der Wahl-Schlachtenstaub mal kurz wieder gelegt haben
wird:
·
Gymnasium
oder gymnasiale Oberstufe
Der Wahlkampf-Evergreen schon der vergangenen
Wahl-Turniere. Warum ist nichts daraus geworden? Recht einfach: Wir sind von guten
Schulen umzingelt und können uns - ganz anders als das hochrentierliche
Odenthal mit seinen reichen Wohnbürgern - weder Schule noch Schulzweig leisten.
Auch fehlt es völlig an untereinander passfähigen Schulen.
Aber wir können etwas anderes tun - ohne Kosten und mit breiterem Erfolg:
Wir schaffen durch Bürger-Engagement für alle Burscheider Mädchen und Jungen
bessere Chancen, durch viele persönliche Patenschaften, die Vorbereitung,
Einstieg, Abschluss und Übergang
unterstützen. Andere Städte können das - warum nicht wir? Dazu näher weiter
unten unter „Einbettung“.
·
Rastanlagen
für Burscheid
So positiv lautete mal eine Überschrift im Stadt-Anzeiger zu Beginn 2009.
Inzwischen sind die Rastanlagen durch ultimative Resolution des Burscheider
Rates fast flach getrampelt. Aber es ist eine seriöse Debatte über Lasten und Chancen hochnötig, z.B. über den im Zuge des Baus verbesserten (!!!) Lärmschutz für die
Burscheider, über Steuern, über Arbeitsplätze, über Stadtwerbung - z.B. mit
einer Themen-Raststätte “Montana” oder “Zuccalmaglio”. Ganz schnell jedenfalls
sollten wir die Wunderwaffe gegen vertrauensvolle regionale Zusammenarbeit
fallen lassen, nämlich den Rat an die Leverkusener, die Rastanlagen doch
gefälligst in ihren Bürgerbusch zu fräsen. Noch ein Gedankenspiel: Würde der
Rat heute über eine Bergische Autobahn oder auch nur über einen
Autobahnanschluss beraten, ich sähe schwarz. Zum Glück haben wir beides schon.
·
Kunstrasen
für alle?
Ein moderner Belag wäre für die weitere sportliche Karriere Hilgens wohl hilfreich. Aber leider
liegen die Fakten überhaupt noch nicht haushaltsreif auf dem Tisch. Es dürfte
so kommen, dass die schon angeforderten Mittel aus dem Konjunkturpaket II nicht
ausreichen - vor allem nicht für zwei Plätze
- und dass das Defizit weder durch die Kommune (s.o.) noch durch Sponsoren
gedeckt werden kann. Wobei ich Sponsorentum und Private-Public-Partnership
instinktiv als schräg und als Mittel undurchsichtiger Einflussnahme ansehe.
Offene Kommunikation zwischen Gemeinde und Betrieben ist nötig - nicht aber,
ständig auf dem warmen Schoß zu sitzen und zu schmusen.
Hier aber eine innovative Idee, die den wichtigen Leistungsgedanken
besonders achtet: Die beiden Burscheider Vereine tragen am Vorabend der Wahl
ein Lokalderby aus. Wer gewinnt, bekommt
den Kunstrasen; der andere muss noch mal trainieren.
·
Vom
Fernradwanderweg zum Alleenradweg
Die Route führte anfangs mal fast von Helgoland zur Zugspitze, mit
Burscheid als einzigem touristischem Vesperplatz zwischendrin. Heute ist der Radweg
aus der Länge quasi in die Breite gewachsen, geht nur noch bis Kuckenberg, aber
als Allee. Irgendwie knüpft das emotional an den jahrzehntelangen Wahlkampf-Hit
vom “Balkan-Express” an. Aber im Ernst: Auch wenn alles wie von Zauberhand
immer billiger zu werden scheint: Selbst
dieses Geld hat Burscheid nicht locker und der reale Nutzen für die Bürger
ist eher fadenscheinig und ab Dämmerung wohl vollends gleich Null. Noch weniger
kann und will ich dem Gedanken folgen, gleich mit dem Radweg eine neue Umgehungsstraße zu realisieren oder
sich jedenfalls die Option nach Ende der Bindungsfrist zu sichern. Klares Nein!
·
Verkehrssicherheit
in Burscheid – mit uns Bürger/innen
Das war ein zentrales Thema während meiner Tippeltour für
Unterstützungsschriften: Die Bürger
fühlten sich und ihre Kinder an vielen Stellen nicht sicher, z.B. in
Kuckenberg, Dierath und Grünscheid, an der B 232 und der K 2. Die meisten
hatten auch einen frustrierenden Ämter-Parcours hinter sich und fühlten sich
als dumm abgetan. Die gleichen Erfahrungen habe ich auch gemacht, als ich mich
wie auch andere für eine 30 km/h-Begrenzung in unserer schmalen,
Gehweg-losen Wohnstraße eingesetzt hatte. Die 30 km/h gab’s dann
irgendwann auch einmal, nicht aber physische Schranken gegen Raser, die wir
sogar selbst beigesteuert hätten. Dto. ganz frisch und fruchtlos mein Versuch,
eine vor kurzem entfernte Tempobegrenzung an der Kreuzung Industriestraße / B
232 zurückzubekommen. Ich bin daher dafür, an den vielen neuralgischen Punkten
eine systematische Verkehrsbefragung durchzuführen
und ein transparentes Konzept für unsere Gemeinde zu etablieren, das sodann mit
dem Kreis zu verhandeln ist. Meine Überzeugung: Die Verwaltung kann rein
statistisch nicht klüger sein als die Bürger und muss deren Erfahrungen im Zweifel
ernst nehmen. Die Bürger sollten auch als “Sorger”
ermuntert werden, sofort einen kritischen Zustand an die Verwaltung zu melden,
z.B. einen sichthindernden Grasbewuchs – oder eben den Verlust von
Verkehrszeichen.
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Einbettung
von Menschen - durch uns Bürger/innen
Der Jungbrunnen der alten Dame Burscheid sind die Kinder - und das sind viele Kinder mit (wie man neudeutsch sagt)
Migrationshintergrund, etwas positiver ausgedrückt: mit Integrationspotenzial,
und das bezieht auch bildungsferne inländische Kinder mit ein. Diese
Kinder werden in hoffentlich großer Zahl selbstständig, werden bei der Stadt
arbeiten, im Rat sitzen, Bürgermeister und auch Altenpfleger werden. Was wir
ihnen geben, das behalten wir. Oder: Was wir ihnen nicht geben, das verlieren
wir. Die Sozialkosten - ohnehin bei uns deutlich überproportional - würden nur
weiter steigen.
Grundsteine legt man ganz unten. Darum sollten möglichst viele Bürger/innen
private, frühe Patenschaften
übernehmen, die den Kindern zu gleichen Chancen verhelfen, beim Weg in
Kindergarten und Schule, in der Berufsausbildung und bei der zweiten Schwelle,
beim Berufseintritt. Andere Städte moderieren bereits erfolgreich solche
Patensysteme und Burscheid könnte das auch.
·
Was
ist spannend an Burscheid?
Z.B. das Grüne, die Künste, bergische Häuser und Kirchen, Industrie
(wenn auch mit zu engem Spektrum), gute Verkehrsverbindungen. Aber das
kann’s nicht alleine sein. Ich kann mir mein Burscheid noch stärker
identifikationsfähig, anregend und begeisternd vorstellen. An diesem Ort wird
auf seriöser Informationsgrundlage über Themen
der Zeit diskutiert, können vielleicht sogar frische Impulse in die
Republik gegeben werden. Hierfür können Stadt und Politik mit aktiver
Unterstützung der Bürger/innen eine erste Veranstaltungsreihe organisieren und
attraktive Referenten rekrutieren. Spannende Themen gibt es mehr als genug:
Demographischer Wandel, Globalisierung, Altersvorsorge, Energieversorgung /
nachhaltige Technologien, Außen- und Sicherheitspolitik, Pandemien etc.
Gute Ansätze, die über die Wahlphase weitergeführt werden müssen, sind der Bürger-Stammtisch und die 1000-Wünsche-Box und ihre Themen
sollten jeweils schnell transparent gemacht werden. Mal ein kleiner Vorschlag
aus dem Bereich Musik, vielleicht gibt’s aber schon Ähnliches: Burscheid
bekannt machen mit Wochenendkursen in Komposition,
gfs. auch kulturenübergreifend.
Stärker einbeziehen muss man Bürger aber auch bei Planungsprozessen. Ein guter Weg ist
das vom Wuppertaler Forscher Prof. Peter Dienel entwickelte Bürgergutachten; es
ist in anderen Städten schon bewährt: Bürger werden nach Zufallsverfahren (wie
Schöffen) in eine befristete Planungsgruppe berufen und dort zunächst mit dem
Grundlagenwissen versorgt. Sie formulieren dann einen begründeten und zu veröffentlichenden Entscheidungsvorschlag an den Rat, von dem dieser wiederum nur mit
guten Gründen Abstand nehmen wird. Das fördert Transparenz und Akzeptanz. Ein
Burscheider Industrieansiedlungskonzept
wäre ein gutes Thema zum Einüben.
Unverklüngelt? Wo bleibt mein Realitäts-Check?
Bleibt eine brennende Frage, die mir einige Bürger gestellt haben: Als Unabhängiger kann man ja vielleicht
besser die Bürger einbinden und repräsentieren.
Aber kann man denn in Rat und Verwaltung einen Stich machen?
Oder ist Burscheid schicksalhaft an die gewöhnlichen Verdächtigen gekettet? Nun,
ich bin sehr zuversichtlich, dass Burscheid eine echte Wahl hat, und das aus mehreren guten Gründen:
·
Der Rat
wird aller Wahrscheinlichkeit nach in sechs Gruppierungen geteilt sein,
keine davon mit einer angestammten, verlässlichen Mehrheit. Wir werden jeweils
sachbezogene Entscheidungen suchen müssen, häufig für jede Frage neu. Als
unabhängiger Kandidat war ich am vergangenen Streit nicht beteiligt. Folglich
wird mir die Moderation entscheidend unvoreingenommener und leichter fallen als
der Konkurrenz. Unabhängigkeit wird bei der Rückkehr zur vertrauensvollen
Zusammenarbeit helfen, nicht
schaden.
·
Und die Verwaltung?
Lassen Sie sich nicht bange machen: Soweit mir bekannt ist, habe ich mehr
Verwaltungserfahrung als die drei weiteren Kandidaten gemeinsam, z.B. auch
mehrere Jahre als Organisationsleiter des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung. Auf Bundesebene habe ich an den wesentlichen Kampagnen der
Verwaltungsmodernisierung mitgewirkt, vom “Schlanken Staat” über den
“Aktivierenden Staat” bis derzeit zur Einführung des “Standard-Kosten-Modells”.
Ich habe dazu Humor und eine ausgeglichene Straßenlage und garantiere eine
entspannt-produktive Arbeitsatmosphäre. Ohnehin gehe ich trotz der ernsten
Haushaltslage von einem nicht aus:
Dass der Bürgermeister jeden Abend bei Kerzenschein auf’s Neue die Gemeinde
rettet. Diese Rettung ist kein Job für einen Einzelkämpfer. Sie gelingt nur in
nachhaltiger, einfühlsamer Kooperation mit denen, die seit Jahren engagiert und
professionell die Arbeit der kommunalen Verwaltung bewältigen.
In diesem Sinne bis zum 30.
August!
Burscheid, 13. August 2009
Dr. jur. Karl Ulrich Voss
Kuckenberg 34, 51399 Burscheid
Tel. 02174 / 8791 | uli@vo2s.de
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