Jugend 2000: Leistungsorientierung Ost/West und Politik-Bezug

Ergebnisse der 13. Shell Jugendstudie, vorgestellt am 27.3.2000 in Berlin

http://www.shell-jugend2000.de/

 

(Hervorhebungen von mir)

 

Ost-West: Konvergenz und Divergenz

http://www.shell-jugend2000.de/html/ergebnis07.htm

Hier sind es zwei zentrale Ergebnisse, die uns überraschten. Zum einen ist im Vergleich zur letzten Studie festzustellen, daß in fast allen untersuchten Themenbereiche die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Jugendlichen größer und nicht kleiner werden. Jugendliche im Osten erleben ihre Situation im Vergleich zu Westdeutschen als belasteter, z.T. auch bedrückender.

Zum anderen finden wir jedoch in den neuen Bundesländern eine Teilgruppe, darunter besonders viele junge Frauen, die sich auf den Weg gemacht hat, mit den Anforderungen der Situation und dieser Gesellschaft zurechtzukommen. Ihre Leistungsbereitschaft ist deutlich höher als im Westen, die genußorientierte Lebenshaltung ist schwächer ausgeprägt. Eigene Individualität und eigene Interessen werden stärker betont, Bereitschaft zu Mobilität und beruflicher Selbständigkeit signalisiert. Die Folgerung liegt nahe, daß es sich hierbei um differenzierte Anpassungsprozesse an unterschiedliche Ausgangsbedingungen zwischen Ost und West handelt, die besonders bei jungen Frauen zu beobachten sind.

Die Schwierigkeiten der Lebens- und Zukunftsgestaltung, die von vielen Jugendlichen in den östlichen Landesteilen konstatiert werden, ergeben sich folglich nicht aus einer mangelnden Bereitschaft zu Anstrengung und Leistung. Sie erwachsen aus den "objektiv" unterschiedlichen Lebensverhältnissen. Aufs Ganze gesehen sind die ostdeutschen Jugendlichen nämlich einsatzbereiter, höher motiviert und leistungsorientierter als die westdeutschen Jugendlichen.

 

Politik: Teils erdrutschartige Vertrauensverluste

http://www.shell-jugend2000.de/html/ergebnis06.htm

Diesmal war der Bereich Politik kein Schwerpunkt. Dennoch haben wir einige Fragen zum politischen Verhalten und zu politischen Einstellungen fortgeschrieben. Es ist durchaus überraschend zu sehen, daß sich in relativ kurzer Zeit viele Veränderungen ergeben haben:

Das politische Interesse auf Seiten der Jugendlichen sinkt weiter. Das gilt für alle verschiedenen Untergruppen. Es hat zum einen damit zu tun, daß Jugendliche mit dem Begriff Politik die Landschaft von Parteien, Gremien, parlamentarischen Ritualen, politisch-administrativen Apparaten verbinden, der sie wenig Vertrauen entgegenbringen. Zum anderen empfinden Jugendliche die ritualisierte Betriebsamkeit der Politiker als wenig relevant und ohne Bezug zum wirklichen Leben. Zu erinnern ist: Unsere Daten wurden vor jener Kette von Ereignissen erhoben, die inzwischen "Parteispendenskandal" genannt wird.

Im Vergleich zur vorhergehenden Studie ist das Vertrauen zu den Institutionen im staatlich-öffentlichen Bereich leicht angestiegen, zu jenen im Bereich der nichtstaatlichen Organisationen deutlich gesunken. Schlußlicht sind aber nach wie vor die politischen Parteien. Gerade bei den nichtstaatlichen Organisationen reißen große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland auf; in den neuen Bundesländern haben sie erdrutschartig an Vertrauen verloren. Die Jugendlichen lassen sie links liegen, weil sie meinen, sie hätten nichts mit ihrem gegenwärtigen und zukünftigen Leben zu tun.

Das Ausmaß der erlebten Distanz zur Politik hängt davon ab, inwieweit die Jugendlichen glauben, mit ihrer Zukunft zurechtzukommen (und kaum mit Sozialisationseinflüssen). Je belasteter ihnen ihre Zukunft erscheint, desto mehr lehnen sie den Politikbetrieb ab. Konzepte der politischen Bildung, die auf das "Einüben" von Demokratie abstellen, müssen deshalb eher wirkungslos bleiben. Entscheidend ist vielmehr, den Jugendlichen Ressourcen und Unterstützung zu bieten, ihre Zukunft zu meistern.

Zum Zeitpunkt unserer Erhebung (vor der Skandalserie) war die Zahl der Sympathisanten für die CDU/CSU angestiegen. Ihr war es gelungen, junge Menschen, die an Technik interessiert, an MODERNITÄT und KLARER LEBENSPLANUNG orientiert sind, um sich zu versammeln. Die Grünen dagegen haben in dramatischem Umfang Anhänger in der jungen Generation verloren. Für einen anwachsenden organisierten Rechtsradikalismus gibt es in unserer Studie keine Anhaltspunkte (was nicht als Beruhigung mißverstanden werden sollte).

Die Skala ERLEBTER GEGENSATZ DER GENERATIONEN differenziert nur bei den Interessierten und Gebildeten. Er setzt offenbar Information, Verständnis für Zusammenhänge und Weitblick in die Zukunft voraus. Deutlich aber baut sich hier ein Kontrast zu den partnerschaftlich-unterstützenden Generationenerfahrungen im Kreis der Familie auf.