Was halten Sie von meiner Zeichnung ganz oben auf der Index-Seite? Thema ist das für mich groteske und nicht glaubwürdige Missverhältnis zwischen der kraftstrotzenden, wohlgenährten und voranstürmenden Militärtechnik und der sympathischen, aber klapprigen humanitären Hilfe, die - und dieses Schicksal teilt sie mit der Konfliktforschung - nur einen verschwindenden Bruchteil der staatlichen Mittel des Westens erhält. Gleichzeitig aber ist die humanitäre Hilfe seit zehn Jahren schubkräftiges Vehikel einer neuen ambitionierten Außenpolitik des Westens und wesentlicher Garant zum Aufrechterhalten militärischer, militärtechnischer und militärwirtschaftlicher Strukturen.
Das Bild datiert von 1993. Im November habe ich einen Diskussionsabend zu
den neuen Aufgaben der Streitkräfte in meiner Heimatstadt Burscheid initiiert;
das Bild war der optische Aufmacher für den Einladungszettel:
Bundeswehr -
wohin?
Was soll, was
kann die Bundeswehr künftig leisten?
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!
MdB Dr.
Eberhard Brecht, stellvertretender
außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
MdB Jörg van Essen, Vors. Landesfachausschuss f. Außen- und
Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski, außenpolitischer
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst-Christian Stolper, Sprecher LAG Europa-,
Friedens- und Außenpolitik, Bündnis '90 / DIE GRÜNEN NRW
Hptm. Olaf
Holzhauer, Pressezentrum der Luftwaffe
in Köln/Wahn
Pfarrer Olaf Jellema, Landespfarrer für
Zivildienstleistende NRW
Flotillenadmiral a.D.
Elmar Schmähling
Donnerstag, 25, November 1993
20.00 Uhr
Aula der Friedrich-Goetze-Grundschule in Burscheid
Auf dem Schulberg
Ehrlich: es ist von 1993 und von mir. Es ist nicht von 2003, als Präsident Bush
in seiner Rede vom 26.2.2003 ('President Discusses the Future of Iraq') u.a. ausführte:
'The
first to benefit from a free
Bringing
stability and unity to a free
If we must use force, the
Das ist doch genau der schimmernde Panzer mit dem sympathischen Planwagen,
oder?
Nähmen wir den humanitären Auftrag wirklich ernst, würden wir die Budgets und Ressourcen von Militär und humanitärer Hilfe gegeneinander austauschen. Und die wahren Helden eines erwachsen gewordenen Deutschland wären Krankenschwestern, die in Kenntnis der Gefahren für Gesundheit und Leben in Afrika Menschen geholfen haben und teilweise an Ebola gestorben sind; keine Helden wären dagegen die schwerbewaffneten Soldaten, die am 21.1.1994 in Belet Huen den 20-jährigen Somali Abdullahi Farah Mohamed wegen eines möglichen Einbruchsversuchs erschossen haben. Dieser junge Mann wurde soweit bekannt der erste menschliche collateral damage im Rahmen der Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebietes nach 1992, näher nachzulesen in der Antwort der Bundesregierung vom 8.3.1994 auf eine parlamentarische Anfrage der GRÜNEN. Keine Helden sind für mich auch Präsidenten, die sich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit in feschem, militärischem Tuch oder kriegerischem Kontext zeigen, z.B. souverän auf einem Flugzeugträger einschwebend. Die aber, wenn der nachträgliche Nachweis von Unwahrheiten die heroische Pose als Pappmachèe zu degradieren drohen, blitzschnell auf ihre Zuträger weiter weisen. Welche wiederum kaum anderes geliefert hatten, als von ihnen erwartet wurde.
Für die oben zitierte 1993'er Diskussions-Veranstaltung habe ich ein Thesenpapier
geschrieben, das noch ganz schön frisch ist. Gerade was die im Jahre 2020 -
also mehr als 25 Jahre danach - noch immer ausstehende öffentliche Debatte zu
den Aufgaben der Bundeswehr angeht. Weil's so endlos lange dauert, habe ich selbst
einen ausführlich begründeten Gesetzentwurf
mit kurzer Pressemitteilung
geschrieben ('Na also - geht doch!'). Seien wir ehrlich: Derzeit kann sich kaum
eine Bürgerin und kein Bürger vorstellen – nicht einmal Soldatinnen und
Soldaten, und die sollten es als Erste wissen: Welche Krise und welcher
Konflikt gehört denn zur Palette der Bundeswehr? Und wichtiger noch: Welche
nicht? In der Sache kann aber nicht diskutiert werden, ohne dass Fallgruppen und abgrenzende Merkmale,
also justiziable Definitionen benannt wären. Und ein 'Schau'n wir mal!-Verfahren' oder: 'Entscheiden wir doch einfach, sobald die
Dinge auf uns zukommen!' steht vielleicht einer Bananenrepublik gut an, nicht aber einer rechtsstaatlich verfassten
Bundesrepublik. Dort gingen wir jedenfalls
für die ersten 40 Jahre davon aus: Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger dürfen
in Kernfragen der Grundrechte bzw. zu den Regeln ihrer Einschränkung vorher mitsprechen.
Apropos Bundeswehr: Berthold Kohler hatte mit aufrichtigem Erstaunen
in einem Kommentar für die Frankfurter Allgemeine am 22.5.2003 auf S.1 bemerkt:
'Schon Strucks Feststellung im Dezember, die
Sicherheit Deutschlands müsse auch am Hindukusch verteidigt werden, war
angesichts der langen Tradition deutscher Selbstbeschränkung auf die reine
Landesverteidigung so revolutionär, dass man sich fragen muss, ob es schon
deswegen keine Revolutionen in Deutschland geben kann, weil niemand sie
bemerken will. Die von Struck nun vorgelegten Richtlinien (Anm.: link zum
download der damaligen Richtlinien ist hier)
lassen das jedoch nicht mehr zu: Sie begründen und beschleunigen den seit
Jahren laufenden Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit nutzbaren
Interventionsarmee.'
Genau über die Ziele muss demokratisch effizient debattiert werden. Das kann
und muss auch pragmatische Fragestellungen einschließen: Denn dass jede der in
den letzten 25 Jahren jeweils ad hoc
beschlossenen Missionen – zu Beginn des Jahres 2020 sind es bereits mehr als 200 Einsatzbeschlüsse – die
politischen Erwartungen und die strategische Richtung bestätigt habe oder: ein
glänzendes Erfolgsprojekt war, das behauptet derzeit m.W.
niemand. 'Siegreich' beendet ist darunter nur die Evakuierungs-Operation
'Libelle' aus Tirana/Albanien. Aber selbst dort ist immerhin intensiv zu
diskutieren, ob der Eingriff notwendig bzw. nicht durch frühzeitige
konsularische Warnung der Mitarbeiter der Deutschen Welle mit völlig
friedlichen Mitteln abwendbar gewesen wäre.
Somalia, das mit Abdullahi Farah Mohamed am 21.1.1994 das erste
amtlich bekannte Zivilopfer eines out-of-area-Einsatzes
sah (s.o.), wurde inzwischen bereits zum zweiten Mal verlassen, ohne dass die militärischen
Ziele erreicht worden wären. Also – was außer Spesen ist gewesen?
Es gibt viel Demokratisches zu tun - packen wir's an!