Karl Ulrich Voss, Burscheid: meine Leserbriefe im Jahre 2000

 

11.12.2000
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt: 15.12.2000
Präsidentenwahl in den USA

Die Bewertung der US-Präsidentenwahl sollten wir eigentlich den Amerikanern überlassen. Eigentlich. Aber das immer wieder ruckweise weiterlaufende Wahlkarussell hat viel mit dem Verständnis von Demokratie in unserer amerikanischen Leitkultur zu tun – und dann auch mit deutscher "Leitkultur".

Am verblüffendsten erscheint mir: Der Streit tobt im Wesentlichen zwischen zwei Privatmännern. Bush und Gore kämpfen für ihre höchst eigenen Ambitionen – und bedienen sich dabei mancher loyaler Hilfen aus Regierung
oder Justiz. Der Wähler selbst scheint kein sehr effizientes Forum zu haben, um zu klären, wie es seiner zentralen demokratischen Stimme ergangen ist. Vielleicht sagt man dem Souverän am Ende sogar, der Kampf der Titanen habe die von der Verfassung verordnete Zeit der Einsprüche verbraucht; nun müssten endlich wieder Ruhe und Ordnung herrschen.

Man sollte zwei Rechtssätze in Erinnerung rufen: Zweideutigkeit geht zu Lasten des Gestalters. Und: Schäden sollte immer derjenige tragen, der am effizientesten Schadensverhinderung betreiben kann. Will sagen: Wenn der Staat offensichtlich fehlleitende Wahlprozeduren verursacht hat, muss im Verhältnis Wähler/Staat eben der Staat die erforderlichen Verfahren zur Überprüfung und Korrektur gewährleisten. Ein Vertrösten auf rechtliche Nachbesserungen – vielleicht – vor der nächstfolgenden Wahl reicht nicht. Gerichte sind auch nicht damit überfordert, in den nun erkannten Problemgruppen verfassungsgemäße Kriterien für die Stimmbewertung festzulegen. Diese Kriterien wären selbst im Normalfall geboten, wenn die Differenz der offiziell gezählten Stimmen größer wäre als die potenzielle Irrtums-Marge.

 

22.11.2000
DIE ZEIT
Diskussion über die "Leitkultur" (DIE ZEIT Nr. 47 v. 16.11.2000: Josef Joffe "Lust auf Leit")

Vielleicht ist es das wirklich eine mögliche Form der Leitkultur: Zu bestimmen, was gerade nicht dazugehört ("Fremde jagen; Synagogen anzünden, Obdachlose töten"). Dann möchte ich gerne den entscheidenden Schritt weiter gehen: Leitkultur kann auch sein, keine Leitkultur heraus zu hängen.

Kultur ist immer auch Code und Symbolik mit dem Zweck – oder zumindest mit der Wirkung – drinnen und draußen abzugrenzen. Gerade das wichtigste Element friedlichen Zusammenlebens kann von lauter Kultur leicht zugeschüttet werden. Es ist die Erfahrung gemeinsamen Menschseins jenseits ethnischer, kultureller und ökonomischer Färbung, das Erlebnis der Identifikation mit vorher Fremdem.

 

12.10.2000
DIE ZEIT
Streit über das Urheberrecht an der deutschen Einheit (DIE ZEIT Nr. 41 v. 5.10.2000: Robert Leicht "Der Spalter der Einheit")

Der Streit um das geistige Eigentum an der Wiedervereinigung ist so unsinnig wie schädlich: Schädlich, weil der eher reaktive Anteil Westdeutschlands den handhaften Mut des Ostens überdecken könnte.

Die prickelnde Frage ist für mich übrigens nicht, ob die SPD in ihrer damaligen Oppositionsrolle die Wiedervereinigung zu betulich wollte oder gar nicht. Interessanter ist doch die Frage: Wie hätten CDU und SPD damals mit vertauschten Rollen gehandelt – also: wenn SPD regiert und CDU opponiert hätte?

Überwiegend wahrscheinlich hätte auch die SPD die Gunst der staatsmännischen Stunde genutzt. Als Macher der Einheit hätte sich auch die SPD der Gunst der neuen ostdeutschen Wähler sicher sein können. Die SPD hätte ferner den wichtigsten Einflussgrößen dienen können – sowohl dem Interesse der USA an einer Arrondierung in Mitteleuropa als auch den Begehrlichkeiten der westdeutschen Wirtschaft an neuen Märkten. Und die CDU? Die CDU hätte pflichtschuldigst die Kassandra gespielt, hätte vor einer Destabilisierung der bewährten Ordnung gewarnt, vor der Relativierung der europäischen Einheit und vor dem Überdehnen der westdeutschen Finanzkraft. Insgeheim hätte sie die ewige Opposition gefürchtet – bei so vielen jahrelang als linkslastig eingeschätzten Neuwählern!

 

21.09.2000
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 27.9.2000
Direkte Demokratie (Günter Bannas: "Fast alles oder nichts", F.A.Z. v. 19.9.2000)

"Alles oder nichts" mag spannend sein für Quizsendungen. Für die politische Evolution der Bürgerbeteiligung taugt es nicht. Auch die Emanzipation eines Kindes geschieht – wenn sie denn gelingen soll – nicht durch abrupte Konfrontation mit nie erlebter Verantwortung, sondern in einzelnen befähigenden Schritten.

Es gibt viele und alte Befürchtungen. Gerade in Deutschland wirkt die Angst vor einer Pöbelherrschaft wie eine historische Klammer. Sie reicht herüber aus der Kaiserzeit in eine wieder offen Demokratie-kritische Haltung spätestens seit Ende der Zwanziger Jahre. Der Argwohn gegen die Bürgermenge setzte sich fort in einer elitär-autoritären Tendenz selbst des deutschen Widerstandes und mündete in eine betont stabile, technokratische und bürgerferne Form, unsere repräsentative Demokratie. Die totalitäre Phase mit ihrer Verachtung aller bürgerlichen Rechte hat sogar langfristig die Kluft zwischen Bürgern und Staat verfestigt – und gleichzeitig die Bürger traumatisch entpolitisiert.

Mancher mag sich klammheimlich darüber freuen, wenn heute Grüne die Außenpolitik vor Volkes Mitwirkung bewahren wollen oder Rote die staatlichen Finanzen. Aber sind es wirklich die großen Fragen, die sich für Diskussion und Willensbildung der Bürger am wenigsten eignen? Verheugens Verbindung von politischer Mitwirkung, Kompetenzgewinn und Mitverantwortung der Bürger für die Gestaltung Europas ist völlig schlüssig. Dissonant erscheint dies höchstens vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Fundamentalfragen Europas immer ohne Bürgerbeteiligung entschieden worden sind. Und die Steuern? Vielen ist entfallen, dass die herrschaftliche Steuerbitte an die Stände, die vom 13. bis 17. Jahrhundert gebräuchliche "Bede", eine mitteleuropäische Wurzel der Demokratie ist. Oder dass in unserer hochkomplexen Zeit die Schweizer mit ihrer direkten Demokratie auch zu Steuerfragen für eine Arbeitslosigkeit unter 4 % gestimmt haben!

Ich möchte für die Emanzipation der Bürger werben und für eine wirkliche politische Willens- und Verantwortungsbildung. Traut euch!

 

29.05.2000
DIE ZEIT, abgedruckt: 8.6.2000
Kommissionsbericht "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr" (DIE ZEIT Nr. 22 v. 25.5.2000: M. Geis "Scharpings Stunde der Wahrheit"; J. Joffe "Mut, Herr Minister")

Die Weizsäcker-Kommission greift dort zu kurz, wo es staatsrechtlich brisant wird. Sie stellt das neue Aufgabenspektrum der Bundeswehr – die Basis aller folgenden Überlegungen zu Umfang, Struktur und Finanzierung – praktisch als gegeben dar, ohne diejenige inhaltliche und verfahrensgebundene Konkretisierung, die ein Rechtsstaat bei wesentlichen Eingriffen in die Rechte von Bürgern und auch von Ausländern zu leisten hat:

Der Kommissionsbericht nennt einige sicherheitspolitische Ziele, u.a. den leiblichen Schutz der Bürger, die Bewahrung der staatlichen Ordnung, den Schutz zentraler Interessen, die Förderung von Demokratie und von Humanität. Auch zitiert er vergleichbar dehnbare Überlegungen der Bundesregierung zum Bundeswehrauftrag aus dem Jahre 1992. Das ist zu wenig – es ist für den Rechtstaat sogar ohne Relevanz. Ein tragendes Element demokratischer Verfassungen ist der Vorbehalt des Gesetzes, eine Forderung schon der Aufklärung. Der Gesetzesvorbehalt schützt den Bürger vor obrigkeitlicher Willkür und intransparenten Interessen. Er zwingt den Staat, jeden Eingriff in zentrale Rechte vorab durch abstrakte und generelle Regeln zu definieren – für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen und Adressaten. Kurz: alle wesentlichen Eingriffe sind dem Gesetzgeber und der Form des Gesetzes vorbehalten. Vom Wesentlichkeitsgebot hörte man häufig bei der Rechtschreibreform (!) und noch im vergangenen Jahr hat der Verfassungsgerichtshof NRW die Verschmelzung von Innen- und Justizministerium gerade am Wesentlichkeitsgebot scheitern lassen. Menschen, die im Inland oder Ausland von einer militärischen Einsatzentscheidung berührt werden, sind unzweifelhaft sehr intensiv in ihren Grundrechten betroffen. Zum Vergleich: Bei der Vorstellung des Kommissionsberichts hat von Weizsäcker auch schon die Frage der bloßen Wehrpflicht als "scharfen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des jungen Mannes" gewertet.

Was exakt steht nun neben der traditionellen Verteidigung des Staates auf der Tagesordnung: Soll die Bundeswehr bei humanitären Krisen eingreifen? Mit welchem Grad internationaler Legitimation? Soll sie weitgespannt die Versorgung sichern und die Absatzwege? Noch weitergehend: Versorgung und Absatz zu uns sinnvoll erscheinenden wirtschaftlichen Konditionen? Erst nach diesen Festlegungen, an denen insbesondere die Bündnis-Grünen intensiv interessiert sein sollten, ist eine seriöse Wehrstrukturreform möglich. Einzelfall-Entscheidungen eines Parlaments gewährleisten hier keinen annähernd ausreichenden Schutz.

Merz dringt auf eine breite öffentliche Debatte und hat Recht damit. Zur Historie muss man allerdings nüchtern ergänzen: Bereits seit Anfang der Neunziger Jahre – und ohne jedes demokratische Fundament – laufen die langfristigen Investitionen der Bundeswehr auf die Unterstützung "krisenreaktiver Kräfte" zu, namentlich im Flottenbauprogramm: Der damals neue Flottenbefehlshaber Admiral Boehmer bestand schon im Frühjahr 1993 auf "einem begrenzten Auftrag bei unbegrenztem Horizont". Die Schiffe dafür wurden und werden mit Volldampf gebaut.

 

29.05.2000
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt: 1./2.6.2000
Kommissionsbericht "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr"

Am Bericht der Weizsäcker-Kommission fällt mehreres auf: Zum einen enthält der Bericht zwar vage skizzierte sicherheitspolitische Ziele wie z.B. den Schutz zentraler deutscher Interessen (Nummer 17) und die ebenso wenig konkreten Überlegungen der Bundesregierung zum Bundeswehrauftrag aus dem Jahre 1992 (Nummer 63). Aber er entwirft keine präzise Aufgabenstellung, die dem staatsrechtlichen Gebot genügen könnte, wesentliche Eingriffe in die Rechte der Bürger ausschließlich gesetzlich zu regeln. Das vor zwei Jahren von der SPD angekündigte Bundeswehraufgabengesetz scheint also wieder von der Tagesordnung zu sein. Dies ist ein rechtsstaatlich wie demokratisch sehr kritischer Punkt.

Sodann der so häufig genutzte, betörende Gegensatz Material / Mensch: Wie schon seit einigen Jahren bei den Streitkräften der USA ist die attraktive Beschaffung von high tech offenbar nur durch drastische personelle Einsparungen zu "finanzieren", Einsparungen, die auch den zivilen Bundeswehr-Bereich und über die starke Verringerung von Standorten auch die umgebende Wirtschaft und Bevölkerung treffen. Das beseitigt sehr viele dauerhafte Arbeitsplätze und ungewollt gilt von Weizsäckers Satz gerade hier: "Sparen kostet". Die Gästeliste der Kommission in Anhang 2 des Berichts liest sich in weiten Teilen wie ein "who is who in Wehrtechnik und Beschaffung".

Der Bericht betont sehr stark die außenpolitischen Verpflichtungen. Sie prägen schon den Titel ("Gemeinsame Sicherheit..."), sie wurden von Weizsäcker bei der Vorstellung hervorgehoben und scheinen jeden Gedanken an eine inhaltliche Mitgestaltung der Wehrverfassung zu verbieten. Nur: außenpolitische Verpflichtungen sind das Ergebnis nationaler Willenserklärungen und auch diese müssen demokratisch legitimiert sein. Diplomatie ist keine Ausnahme von Demokratie. Und: es ist ein sehr würdiges diplomatisches Ziel, Deutschland und vielleicht auch weitere Staaten des Westens durch eine konkretisierte, unmissverständliche Wehrverfassung für andere Staaten berechenbarer zu machen. Nach einer Phase ambitionierten Hinausschiebens unseres militärischen Aktionskreises muss dies entspannend und konfliktmindernd wirken.

 

25.05.2000
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt: 29.5.2000
Vorstellung des Kommissionsberichts "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr" (FAZ v. 22./24.5.2000)

Im Rahmen der Möglichkeiten hat die Weizsäcker-Kommission einen runden Bericht präsentiert. Aber es ist gerade der Rahmen, genauer: der Aufgabenkreis der neuen Bundeswehr, der die ernsten Fragen hervorruft. Ein solcher Rahmen in der rechtsstaatlich gebotenen Qualität ist die zwingende Basis einer Wehrstrukturreform. Er steht nach zehn Jahren des Herantastens immer noch aus.

Der Kommissionsbericht deutet dieses Aufgabenspektrum vage an. Er nennt in seiner Nr. 17 sicherheitspolitische Ziele, u.a. den leiblichen Schutz der Bürger, die Bewahrung der staatlichen Ordnung, den Schutz zentraler Interessen, die Förderung von Demokratie und – neuer, aber auch nicht konkreter – von Humanität. Ergänzend und mit vergleichbar dehnbarer Formulierung sind unter Nr. 63 die Überlegungen der Bundesregierung zum Bundeswehrauftrag von 1992 zitiert. Dies genügt weder im Verfahren noch im Inhalt einem Strukturprinzip der modernen Verfassungen: dem im Wesentlichkeitsgebot verdichteten Vorbehalt des Gesetzes.

Das Wesentlichkeitsgebot schützt den Bürger vor administrativer Willkür und zwingt den Staat, jeden Eingriff in zentrale Rechte durch abstrakte und generelle Regeln anzukündigen. Ist eine intensivere Grundrechtsbetroffenheit als die derjenigen Menschen vorstellbar, die durch einen militärischen Einsatz berührt werden?

Ad-hoc-Entscheidungen eines Parlaments gewährleisten hier keinen annähernd ausreichenden Schutz, selbst Plebiszite vermöchten dies nicht. Es ist eine sehr politische Pflicht, die neuen Einsatzfelder der Bundeswehr rechtsstaatlich sauber festzulegen und daran die internationalen Bindungen zu orientieren: Erst dann ist eine seriöse Wehrstrukturreform möglich.

 

14.01.2000
Frankfurter Allgemeine; abgedruckt 20.1.2000
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bzgl. der Gleichstellung von Mann und Frau beim Dienst an der Waffe (FAZ v. 12.01.2000, Kommentar Nm auf S. 14)

Der Europäische Gerichtshof hat am 11.1.2000 den deutschen Mann und die deutsche Frau an und vor der Waffe gleichgestellt; hierzu zwei Bemerkungen:

Die Entscheidung macht einerseits das deutsche Verfassungsgericht arbeitslos, darauf hatte die FAZ hingewiesen. Das bereitet mir auch einige demokratische Kopfschmerzen: Unser Grundgesetz mag zwar mangels anfänglicher Bestätigung durch das Volk nicht als Musterbeispiel demokratischer Verwurzelung gelten. Aber - so jedenfalls die überwiegende Betrachtung - das Volk hat es durch eine Abfolge von vielen demokratischen Wahlen zu seinem eigenen gemacht. Nun schickt sich Europa an, das Grundgesetz und damit das grundlegende Recht eines seiner Völker zu gestalten. Ein Europa, das nach ebenso überwiegender Auffassung bisher nur eine schwache demokratische Legitimation besitzt und bei den Bürgern am ehesten als Veranstaltung der nationalen Administrationen bekannt ist.

Der zweite Punkt betrifft die fast reflexhafte Reaktion der Bündnis-Grünen und vermittelt gleichzeitig die Tiefenwirkung der Luxemburger Entscheidung: Nun aber endlich auch die deutsche Wehrpflicht abschaffen! Ich kann dem nicht folgen. Haben die Grünen nicht eben erst die staatliche militärische Gewalt als im Einzelfall sinnvolles, ja moralisch gebotenes Handeln entdeckt? Authentische Politik heißt für mich, als politische Ziele nur diejenigen zu präsentieren, die man selbst - mit einer beeindruckenden Zahl der eigenen Leute oder Wähler - vor Ort umzusetzen bereit ist. Ich sehe das als eine Ausprägung des Kant'schen kategorischen Imperativs an in Verbindung mit dem elften Gebot, das Moses über seinem beschwerlichen Abstieg von Gott zum Volk menschlicherweise wieder vergessen hatte: Du sollst nicht Wasser predigen und Wein saufen!

 

12.01.2000
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 17.1.2000
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bzgl. der Gleichstellung von Mann und Frau beim Dienst an der Waffe (KStA v. 12.01.2000)

Zwei Bemerkungen zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 11.1.2000, die Mann und Frau an und vor der Waffe gleichstellt:

Ich halte den Vorgang für demokratisch schwer gewöhnungsbedürftig: Ein Europa, das keinerlei Legitimation durch eine konstitutionelle Volksabstimmung erfahren durfte und praktisch die Geburt der Verwaltungen der Mitgliedstaaten ist, kann aus meiner Sicht schwerlich die Verfassung und damit das grundlegende Recht eines seiner Völker gestalten.

Die Bündnis-Grünen sehen nun die Wehrpflicht als nicht mehr haltbar an. Ich kann dem nicht folgen, denn ich halte nur eine authentische Politik für eine gute Politik. Die Grünen haben gerade die militärische Gewalt als im Einzelfall sinnvolles, ja moralisch gebotenes Handeln entdeckt. Zur politischen Glaubwürdigkeit rechne ich aber auch, dass die politischen Mütter und Väter eines Auslandseinsatzes den kühnen Plan mit einer gewichtigen Zahl ihrer Parteiangehörigen oder Wähler auch handfest verwirklichen helfen. Auf eine willig verfügbare Söldner-Truppe lässt sich locker delegieren. Aber vielleicht meldet sich nun eine große Zahl grüner Frauen freiwillig und setzt energisch und nachvollziehbar die neue grüne Militärpolitik in die Praxis um. Dann gäbe ich mich geschlagen.

 

und, viele Leserbriefe vorher:

 

29.09.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt: 02.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (KStAnz. v. 29.09.1992)

Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.

Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch ausdrücklich verwahrt.

Der Vorschlag war, wenn auch der Count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.

 

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