Karl Ulrich Voss, Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahre 2008
Stand:
Dezember 2008
(40)
12.12.2008
SPIEGEL
Krise der Landesbanken; "Alarmstufe Rot" v. Beat Balzli und anderen,
(SPIEGEL 50/2008 v. 8.12.2008, S. 68ff)
Schlimm
ist schon, dass die Politik Maschinen unterhält, die mal Geld spucken und mal
Geld fressen. Schlimmer ist noch, wenn sie sich aus diesen Quellen persönliche
Feste vergolden lassen, wie weiland ein davon völlig überraschter und tief
gerührter Ministerpräsident. Am schlimmsten aber ist, dass sie diese schicke
Hasard-Mentalität auch den ganz normalen Menschen als Beispiel gegeben haben, bei
denen keine bürgerfinanzierte Apanage den nasskalten Lebensabend beschirmt.
Und
schade ist, dass man die bleibenden Nutznießer der gegenwärtigen Krise so wenig
erkennen kann - diejenigen, die bis vor kurzem den Finanzschrott mit
erheblichen Margen und nachhaltigem Gewinn an den (Staats-)Mann gebracht haben.
Denn bevor das ganze Geld verbrannt ist, sind dafür veritable, feuerfeste
Gegenwerte über den Tisch geschoben worden.
P.S.
zu dem überraschten Ministerpräsidenten
http://www.welt.de/print-welt/article593011/WestLB_bezahlte_auch_Raus_Geburtstagsfeier.html
(39)
19.11.2008
SPIEGEL
Finanzkrise; "Der Bankraub" v. Beat Balzli und anderen (SPIEGEL
47/2008 S. 44ff)
Der
Titel erinnert an Brechts Tipp, Bankern eine prominente Position im
Raub-Tatbestand einzuräumen.
Erschreckender
noch als das Stundenbuch der verdrängten Krise ist: Alle aktuellen Konzepte
versuchen offenbar, eine geplatzte Blase schleunigst zu flicken und eifrig
wieder groß zu pumpen - mit Hochleistungs-Verbrauchern, am gefragtesten
scheint's mit Vollgas hinter dem Volant, vor rotglühenden Stahlschloten.
Angesichts der heute bekannten Leitplanken bei Ressourcen und Senken sehe ich
einen nachhaltigeren Weg: Wir erklären "Konsum" und
"Verbraucher" zu den Unworten der Dekade und
"Finanzprodukte" gleich mit.
(38) 17.11.2008
Newsweek
Wahl von Barack Obama (Newsweek of November 17, 2008, "44.")
So the invisible man has finally
surfaced, and basically out of his own strength. I can clearly see Ralph
Ellison up in the skies, dancing and receiving rich κῦδος from any god around.
(37) 12.11.2008
TIME
Wahl von Barack Obama; "Passing the torch" by Joe Klein (Time Nov.
17, 2008, p. 22f)
Being a true believer in Disney's
tales and characters since the fifties I knew it for sure: After an impressing
row of white presidential ducks a mighty cool, community minded black mouse was
bound to grab the torch. This indeed is very startling for the remaining fauna
- of the States and of the world.
Old Walt himself may not have dreamt
of that consequence, though.
(36)
12.11.2008
DIE WELT
Krieger-Denkmal im Bendler-Block; Kommentar "Der Soldat und der Tod"
von Ansgar Graw (WELT v. 12.11.2008, S. 1)
Richtig,
ein Denkmal für die heutigen Soldaten muss sein! Aber Juristen müssen es
meißeln, aus absolut wetterfestem Grundgesetz-Marmor. Dort muss
herausgearbeitet werden, was genau den Tod deutscher Bürger wert ist - denn
Bürger sind und bleiben auch unsere Bewaffneten am Hindukusch.
Sonst
könnte selbst ein Denkmal vom Kaliber der "Neuen Wache" keinen Trost
spenden. Ebenso wenig wie es der alles- und damit nichts sagende Abschnitt 1.2
des Bundeswehr-Weißbuchs 2006 vermag. Dieser breitet sämtliche Risiken und
Herausforderungen einer neuen globalisierten Zeit wie ein diffuses
Schreckensgemälde aus und deckt fast jedes Eingreifen - selbst für betont
ökonomische Interessen - im Voraus ab.
P.S.:
Zufällig stand ich gestern spätabends an der "Neuen Wache" in Berlin.
Zu der Aufzählung der verschiedenen Opfergruppen ging mir durch den Kopf, wie
äußerst dürftig unsere heutige Rechtsgrundlage für auswärtige Gewalt ist -
übrigens auch für die zivilen Opfer von Auslandseinsätzen, deren Rechte wir ja
im Grunde nur stärken wollen.
Ein besonders nachdenklich stimmendes Kriegerdenkmal ist das am Tor-Turm von
Marbach/Neckar; es versucht das Massen-Opfer des ersten Weltkrieges mit einem
Zitat von Marbachs berühmtestem Sohn zu rechtfertigen. Wenn ich Schillers Werk
richtig verstehe, würde er sich darob in seinem - unbekannten - Grab rasend
herumdrehen.
(35)
31.10.2008
Kölner Stadt-Anzeiger
Afghanistan-Konflikt; "Besserer Rechtsschutz für Soldaten" und
Kommentar von Markus Decker "Notwendiger Rückhalt für Soldaten" (KStA
v. 30.10.2008, S. 5 u. 4)
Dass
ein fürsorglicher Rechtsschutz des Dienstherrn für Soldaten auch klug wäre, ist
auf den ersten Blick nicht selbstverständlich. Könnte es nicht nur bemänteln,
dass der afghanische Krieg im achten Jahr immer weniger in Ehren zu führen ist?
Und erscheint es nicht grob widersinnig, den deutschen staatlichen
Strafanspruch durch eine juristische Drachenhaut für potenzielle Täter zu
relativieren? Ähnlich wie wir es beim Schutz von US-Militärs gegen den
Internationalen Strafgerichtshof empfunden haben oder etwa bei den
Vertuschungen nach der Seilbahn-Katastrophe von Cavalese?
Aber
auf eine recht vertrackte Weise ist der Rechtsschutz konsequent und zu
unterstützen. Die Soldaten selbst und natürlich die zivilen Opfer sind in einer
tragischen Situation: Häufig genug aus sozialen Gründen an die Front geführt –
die arbeitslosen Landstriche Deutschlands sind am Hindukusch deutlich
überrepräsentiert – haben die Soldaten selbst keine realistische Möglichkeit,
Einsatzbeschlüsse juristisch anzugreifen, etwa wegen unzulässigen Eingriffs in
ihre eigenen Grundrechte. Und die eigentlichen Zweckveranlasser eines immer
verfahreneren Projekts – die Außen- und Sicherheitspolitiker in Berlin – sind
rechtlich nicht haftbar. Auch den ausländischen Opfern oder ihren Angehörigen
stehen keine tauglichen Rechtsmittel zu Gebot.
Vielleicht
muss man die Regelkreisläufe der auswärtigen Gewalt durch persönliche
Verantwortung der Planer anpassen. Im Falle der aus dem Amt gehenden
US-Administration könnte es ja genau dazu kommen und wir könnten hier vom
Westen lernen.
P.S.:
Zu
Ansprüchen ausländischer Opfer (oben Abs. 2)
http://www.nato-tribunal.de/varvarin/BGH_Urteil.pdf
Zu
etwaigen Klagen gegen George W. Bush wg. Irak (oben Abs. 3)
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/1844101_0_2147_vincent-t-bugliosi-anklage-wegen-mordes-gegen-george-w-bush.html
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Prosecution_of_George_W._Bush_for_Murder
(34)
29.20.2008
SPIEGEL
Afghanistan-Konflikt; zu Herfried Münklers Essay "Der asymmetrische
Krieg" im SPIEGEL 44/2008 S. 176
"Asymmetrischer
Krieg" und "postheroische Gesellschaft" sind zwar aparte,
gleichwohl leichtgewichtige - weil keine bessere Prognose erlaubende -
Wortmarken. Schlimmer noch: Es schwingt des Autoren kaum verhohlener
"Heul-doch!"-Vorwurf mit, ein Annehmlichmachen von Dekadenz,
schwachem Mut und fehlender Durchhaltefähigkeit, neudeutsch auch resilience genannt.
Dabei
ist Asymmetrie im Konflikt recht trivial. Sie ist die Hoffnung und aufreißende
Propaganda jedes ambitionierten Strategen, und heroische wie
"postheroische" Situationen wechseln auf allen Seiten ständig ab.
Polen-Feldzug, Flächenbombardement, V2, Hiroshima, Napalm, cluster-bombs und Drohnen waren oder sind postheroisch, danach
kehrten sich die Vorzeichen teilweise um. Und es gibt heroische Kleinklimata:
Meines Vaters Kriegstagebücher beschreiben die Heimatfront im Ruhrgebiet über
Jahre erstaunt und erschreckt als weit muterprobter und aufopfernder als seinen
zunächst völlig angstfreien Frontabschnitt in Russland.
Auch
Berufsarmee gegen Miliz bedeutet übrigens stramme Asymmetrie. Gerade da sollten
wir ansetzen und allen Berufsgruppen, selbst unseren wissenschaftlichen und politischen
Willensträgern ein repräsentatives, heroisches Kriegserlebnis bescheren.
(33)
9.10.2008
DIE WELT
Änderung von Art. 35 GG; Thomas Jungholt "Merkels Macht bröckelt"
(DIE WELT 9.10.2008, S. 4)
Die
stürmische Abstimmungsphase eines komplexen Gesetzesprojekts ist die Zeit der
hastigen Klebografie, neudeutsch des cut&paste,
und mancher emsig Beteiligte weiß schon nach Jahresfrist kaum mehr, was genau
er wohl gewollt haben soll.
Den
Vätern einer etwaigen Grundgesetzänderung zu Art. 35 Abs. 2 hätte das weit
schneller widerfahren können, denn da fügte sich schon jetzt rein gar nichts:
Die bisher als schicksalhaft verstandenen Unglücksfälle und Katastrophen des
Art. 35 passen nicht zu den jetzt vielfach beschworenen terroristischen
Szenarien, die aktiven, ja sogar eilkompetenten „Abwehr“-Maßnahmen nicht zu den
bisher erfassten Großunglücken mit primärem Nachsorgebedarf, von der unscharfen
Relativierung von Grundrechtsgarantien einmal ganz abgesehen.
Drum
sollte man gar nicht erst auf einen tatendurstigen Bundesrat warten. Wegen
Gefahr im Verzug für die Verfassung - oder für die Macht - würde ich das
merkwürdige Projekt unverzüglich beerdigen.
(32)
9.10.2008
DIE ZEIT
Änderung von Art. 35 GG; Heinrich Wefing "Ab an die Heimatfront" (DIE
ZEIT Nr. 42 v. 9.10.2008, S. 10)
Art.
35 träumt einen Dornröschentraum, schon seit Jahrzehnten. Unter dem Staub reiz-
und tatenloser Jahre arbeitet sich der führende Kommentar noch immer mit einer
ganzen Randnummer an der Frage ab, ob Amtshilfe denn auch der DDR geschuldet
sei (aber nein, das zeige auch das Wörtchen „sich“ in seinem Abs. 1).
Nun
aber will eine Schar von Großkoalitionären alles wachküssen und – wie mir
scheint – auch gleich vergewaltigen. Denn zu dem zumindest anfänglichen
Verständnis einer amtshelfenden Folgenbeseitigung bei Naturkatastrophen und
vergleichbarem Unglück passt die gewaltsame „Abwehr“ nicht und noch weniger die
nun hineinprojizierten terroristischen oder aufrührerischen Szenarien. Diese
gehören sachlich zu dem Fall der inneren Unruhe bzw. des inneren Notstandes,
den die Notstandsverfassung noch sauber abgegrenzt in Art. 91 Abs. 1 gelegt
hatte.
Besser,
man ließe die Verfassung an dieser Stelle sanft ruhen und investierte die Säfte
der Edlen in die viel wichtigere Frage, wie denn die aktive Außen- und
Sicherheitspolitik dieser Tage in das Spannungsfeld aus Bündnisfähigkeit (Art.
24), Verteidigungsbegriff (Art. 87a), Verbot des Angriffskrieges (Art. 26) und
Schutz existenzieller Rechte (Artt. 2, 19) rechtsstaatlich eingepasst werden
kann. Z.B. bei einem unbestimmt andauernden und wachsenden Engagement am
Standort Hindukusch.
(31)
8.10.2008
Frankfurter Allgemeine
Änderung von Art. 35 GG; Peter Carstens u. Reinhard Müller "Einigung im
Vagen" u. Kommentar "Mü." "Undeutlich" (F.A.Z. v.
8.10.2008, S. 8 u. 10)
Ein
schwerer Unglücksfall wäre es nicht, bliebe unserem höchsten Gesetz die
Einfügung der Streitkräfte in Art. 35 Abs. 2 – ausgeschmückt noch durch die
Eilkompetenz eines unbestimmten Ministers – erspart. Das würde in dieser Form
auch kaum Sinn machen, höchstens als letztmögliche Ego-Trophäe aus einer
Legislaturperiode mit verfassungsändernden Mehrheiten.
Dazu
lohnt auch ein Blick in die Geschichte des Grundgesetzes. Erst in den
Schlussberatungen der Notstandsverfassung von 1968 hatte man den anfangs
zusammengefassten äußeren und inneren Notstand getrennt und den inneren
Notstand nochmals bewusst in die inneren Unruhen (Art. 91 i.V.m. Art. 87a) und
den Katastrophenschutz (Art. 35) aufgeteilt. Die politische Motivlage mag sogar
ähnlich gewesen sein wie heute: Entpolitisierung durch gemessenen Schritt.
Damit
passt aber das katastrophenmäßige Unglück, wie es auch der normale
Sprachgebrauch versteht, wenig bis gar nicht zu einem terroristischen oder
allgemein kriminellen Hintergrund, wie er einigen heutigen Befürwortern als
Anwendungsfall vor Augen schwebt. Der Staat kann ein Unglück in aller Regel
auch nicht aktiv "abwehren" bzw. präventiv oder gar präemptiv bannen.
Er kann bestenfalls vorsorgen bzw. die Folgen mildern und mit der nicht schussfähigen
Infrastruktur der Bundeswehr dabei helfen. Das aber ist schon heute möglich.
Oder? Darum bleibt der Argwohn, dass mit diesem Schritt weitere vorbereitet
sein sollen, und ich kann nur ermutigen, das Projekt zu stoppen, damit auch
jeder weiteren Verdünnung des Grundrechtsschutzes vorzubeugen.
(30)
29.9.2008
Kölner Stadt-Anzeiger
„Absatzminus treibt Spritpreis“ (KStA v. 27./28.9.2008, S. 1, 10)
Ich
schlage BP und dessen Deutschland-Chef für den kommenden Wirtschaftsnobelpreis
vor, denn dort hat man gerade die Nachfrage-Theorie genial abgerundet: Neben
der Nachfrage treibe auch die Nicht-Nachfrage zuverlässig den Preis.
Das
erinnert fatal an die alte Bauernregel, nach der jeder rechte Landwirt immer
drei Nothelfer braucht: Einen für Miss-Ernten, einen für Über-Ernten und einen
für die Fälle dazwischen. Vielleicht aber sieht sich BP auch schon als eine Art
Versorgungsstaat, für dessen bloßes Dasein, das unseren Nachtschlaf beruhigt,
wir Bürger gerne laufend zur Kasse gebeten werden.
(29)
10.9.2008
SPIEGEL
"K wie Krieg", Konstantin von Hammerstein, Susanne Koelbl, Alexander
Szandar u. Sami Yousafzai (SPIEGEL 37/2008, S. 114) der nachfolgende Leserbrief
Die
deutsche Illusion ist m.E. nicht, "den Krieg gegen den Terror vor allem
mit friedlichen Mitteln" führen zu können; ohnehin wird seit Jahren der
Löwenanteil der Ressourcen in schnell verrauchenden Militaria angelegt. Das
fatale Wunschdenken ist vielmehr, westliche Werte robust und nachhaltig auf den
Hindukusch projizieren zu können. Ein Blick zurück: Schon im Juni 2003 hatte
das U.S. Council on Foreign Relations einen alarmierenden Bericht
veröffentlicht, "Afghanistan: Are we losing the Peace?" Wesentliche
Daten sind seither nicht besser, sie sind schlechter geworden, vom boomenden
Drogengeschäft einmal abgesehen. Mehr vom Gleichen verspricht da kaum Erfolg.
Jedenfalls dies kann man noch von den Sowjets lernen.
Nun
ist seit einiger Zeit ein deutsches Denkmal für Opfer bei Auslandseinsätzen im
Gespräch. Wenn es errichtet wird, so müssten fairerweise - zumindest auf der
Rückseite - auch diese Namen erscheinen: Farah Abdullah, † 22.1.1994 bei Belet
Huen / Somalia; Sanja Milenkovic, † 30.5.1999 bei Vavarin / Serbien; Bibi
Khanum, † 28.8.2008 mit zwei Kindern bei Kundus / Afghanistan. Solche Anstöße,
die den Zivilisten und Wählern die brutalen Kriegsfolgen für Mit-Zivilisten
persönlich nahe bringen, könnten am Ende weiter führen.
(28)
7.9.2008
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 20./21.9.2008
Afghanistan-Mandat; Tod dreier Zivilisten unter Mitwirkung deutscher Soldaten;
Peter Blechschmidt "Deutschland entschädigt afghanische Familie"
(Süddeutsche v. 4.9.2008, S. 5)
"Wie
eine Parabel erinnert der Bericht v. 4.9.2008 an einen vergleichbaren Vorgang
ganz am Anfang der so genannten aktiven Außenpolitik Deutschlands: Am 22.1.1994
war der junge Somali Farah Abdullah
um ca. 2 Uhr früh von Wachen des deutschen Camps bei Belet Huen erschossen
worden. Auch damals hatte die Bundeswehr der Familie - ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht - Entschädigung geleistet; kurze Zeit später brach die
gemeinschaftliche UNOSOM-Mission zusammen und auch die Deutschen verließen
hastig das Land.
Ein
weiteres namentlich bekanntes Opfer der neuen Außen- und Sicherheitspolitik war
ein fünfzehnjähriges Mädchen, Sanja
Milenkovic. Sie war mit anderen Insassen eines zivilen Busses am frühen
Nachmittag des 30.5.1999, an einem Sonntag mit gutem Wetter und klarer Sicht,
bei einem Luftangriff auf die einzige Brücke umgekommen, die zu der kleinen
serbischen Stadt Vavarin führte. Hier allerdings weigerte sich die Bundesregierung
standhaft gegen Ersatzleistungen - und das entspricht nach Erkenntnis des
Bundesgerichtshofes (III ZR 190/05)
auch dem - hier ganz
traditionell gebliebenen - Stand des Rechts: Die deutsche Regierung
hätte, wenngleich Waffenbruder der "Täter", keine unmittelbare Kenntnis von dem
schädigenden Eingriff gehabt, drum bräuchte sie hier nicht zu zahlen.
Es
ist wichtig, die Opfer des Krieges greifbar zu machen. Vielleicht brauchen sie
- auch wenn dies aller Tradition widerspricht - sogar eher ein Denkmal als die
Soldaten, für die es heute wieder viele fordern. Denn in ihrer Schutzlosigkeit
sind diese Bürger uns ähnlicher, als es die Soldaten sind, und wir Bürger
legitimieren mit unserer Wahl und mit den von uns beigestellten Ressourcen die
Politik. Und wo wir mitgemacht haben, sollten wir auch in jedem Fall mithaften.
Das ist das Geringste, was die Ehre gebietet."
(27)
21.8.2008
TIME Magazine
Georgien-Konflikt; "Staring down the Russians" by Zbigniew Brzezinski
(TIME August 25, 2008, p. 18)
Brzezinki's advices sound a bit
shrill bearing in mind the dialogue whilst a 1998 interview published in the
French Nouvel Observateur: "Q: And neither do you regret having supported
the Islamic fundamentalism, having given arms and advice to future terrorists?
B: What is most important to the history of the world? The Taliban or the
collapse of the Soviet empire? Some stirred-up Moslems or the liberation of
Understandably he now seems
disappointed about the course of the Great Game: He now has Talibanism and
Putinism, while the moral values of the West are lying openly shattered in
Iraq. Some of it is clearly imputable to himself.
P.S.
The original part of the interview
"LES REVELATIONS D’UN ANCIEN CONSEILLER DE CARTER - Oui, la CIA est entrée
en afghanistan avant les Russes..." (Le Nouvel Observateur, Paris, 15-21
Jan. 1998) was:
N. O. - Vous ne regrettez pas non
plus d’avoir favorisé l’intégrisme islamiste, d’avoir donné des armes, des
conseils à de futurs terroristes?
Z. Brzezinski - Qu’est-ce qui est le
plus important au regard de l’histoire du monde? Les talibans ou la chute de
l’empire soviétique? Quelques excités islamistes ou la libération de l’Europe
centrale et la fin de la guerre froide?
The complete interview in an English
translation is to be found under: http://www.globalresearch.ca/articles/BRZ110A.html
(26) 7.7.2008
New Scientist
brain research; Linda Geddes "Are autistic savants made, not born?"
(NewScientist 7.6.2008, p. 10)
The findings of the Thioux approach
may reach a lot beyond the closer field of autistic abilities. They may show
that outstanding properties are sometimes more due to dedicated practice than
to a genomic imprinting, as it was only recently shown for top chess players.
Strange enough: It seems that quite
opposing characters like Thomas Mann and Adolf Hitler shared some “savant”
features. Both are said to have memorized complex readings with high accuracy
even after years – which gave Hitler several simultaneous teleprompters for his
demagogic speeches. And both shall have had a talent for effectively analysing
characters just seconds after a first encounter. In the case of Hitler it is
said that his special form of petrified memory contributed to the disaster of
WW II. For up to the very end he adhered to a coinage and to conclusions dating
back to the time of his early adolescence.
It would be very interesting to know
the circumstances favourable to those special traits.
P.S.
As for the top-chess-players'
analysis, see
Philip E. Ross, The
Expert Mind, Scientific American, August 2006.
The findings to Mann / Hitler are
derived from Manfred
Koch-Hillebrecht „Homo Hitler – Psychogramm des deutschen Diktators“ (1999),
see http://www.amazon.de/Homo-Hitler-Psychogramm-deutschen-Diktators/dp/3442756030
(25)
26.6.2008
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 3.7.2008
Krieg und Gewalt gegen Frauen; zu Kathrin Kahlweit "Kriegsziel Frau"
(Süddeutsche v. 24.6.2008, S. 4)
„Kriegführende
Parteien, die sexuelle Gewalt gegen zivile Opfer als Waffe einsetzen, haben, so
zynisch es klingen mag, nur Vorteile: Traumatisierte, verstümmelte Frauen
erregen weniger Aufsehen als Leichenberge“, schreibt Kathrin Kahlweit in ihrem
Leitartikel.
Gewalt
gegen Frauen ist pervers. Kulturell pervers ist aber zuallererst die Kriegssituation
selbst. Noch enger verknüpft als sex&crime sind war&sex, wo archaische
Traumata aus Todesgefahr und eigenen Tabu-Brüchen mit ebenso gewalttätigem Sex
kompensiert werden können.
Und
zwar auch in der westlichen Kriegsführung und mit beachtlichem logistischem
Aufwand. Es fällt leicht aus unserem Blick, dass der Korea- und der
Vietnam-Krieg die Prostitution u.a. in Saigon und Bangkok flächenhaft
verbreitet haben - diese soziale Degradation macht sich noch der heutige
westliche Sex-Tourismus in Südostasien nachhaltig zunutze. Auch die Soldaten im
Kosovo, im Irak und in Afghanistan darf man wohl nicht durch die Bank als
Vorboten abendländischer Höflichkeit und Ritterlichkeit verstehen. Selbst dort
nicht, wo sie als Friedenstruppen auftreten.
P.S.:
Vgl. nur zu Skandalen um die Friedenstruppen im Kosovo
http://de.wikipedia.org/wiki/Blauhelme
(24)
24.6.2008
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 3.7.2008
Schillers Schädel (Michael Hagner: "Jetzt ist doch jeder verdächtig",
F.A.Z. v. 15.5.2008. S. 33; "Schillers Schädel, Pietät und Mythos",
Leserbrief in der F.A.Z. v. 23.6.2008, S. 8)
Kulturell
irritierend und auch ein wenig unchristlich bleibt der hoch-invasive Hang zu
reinen, dauerhaften und zweifelsfreien Knochen, der auch Goethe einige Monate
seiner Totenruhe gekostet hatte; die F.A.Z. hatte vor Jahren über die Umstände
der Mazeration berichtet. Noch aus dem kämpferischen Leserbrief von
Wissenschaftlern des Schiller-Projektes bricht dieser haptische Drang hervor,
eine Haltung, die ein wenig ausblendet, dass die Messung den zu untersuchenden
Prozess manchmal schädigen oder gar unumkehrbar zerstören kann. Die zum letzten
Ausleuchten entschlossene Haltung des Schiller-Decodier-Teams hatte übrigens in
der - erstmals - hochauflösenden Dokumentation des MDR ihr passendes mediales
Bild.
Wer
hat nun mehr Recht in diesem neuen Geister-Streit? Nach der Psychologie
enttäuschender Projektverläufe setzen sich Sackgassen-Depressionen bisweilen in
eine immer klarer definierte innovative Gewissheit um, gerne auch unter
Einreißen von Tabus und Denkgrenzen. Alles fügt sich plötzlich, wie ein Puzzle.
Außenstehenden bleibt das neue gemeinschaftliche Glück zumeist zunächst
verschlossen. Eine mögliche Erklärung für das Fehlen des echten
Schiller-Schädels, das nach unerwarteten Arabesken erst sehr spät im
Projektverlauf ganz gewiss wurde, ist die Schädelfälschung. Die einzig denkbare
Erklärung muss sie aber beileibe nicht sein; zu Recht verweist Hagner auf den
zweifelhaften Nutzen und die beträchtlichen gesellschaftlichen Risiken für die
durchweg gut etablierten "Verdachtspersonen". Und hätten sich
Schillers Schädel und der so genannte "Schiller-Schädel" tatsächlich
geglichen wie ein Ei dem anderen, dann hätte der ursprünglich auf Bestätigung
gepolte Anatom Welcker - der auch kein Stümper war - wohl kaum die tiefen
Zweifel herausgearbeitet, die 1911 zu der Grabungskampagne unter Froriep dem
Jüngeren den Anlass gegeben hatten.
Das
einzig Erfreuliche an diesem nun schon in mehrfacher Hinsicht unappetitlichen
Prozess: Schiller selbst hat sich einmal mehr hinweg eskamotiert und dem
physischen Begreifen entzogen.
P.S.:
Ich bin Nachfahre des Weimarer Bürgermeisters Carl Leb(e)recht Schwabe, der
Schiller glühend verehrte, ihn 1805 zu Grabe getragen hatte und 1826 versucht
hatte, den Schiller-Schädel zu bergen. Ich habe mich in der Familientradition
bemüht, den Ablauf zu beschreiben, notwendigerweise hier und da subjektiv
geprägt: http://www.vo2s.de/0030schw.htm.
P.P.S.:
Der oben erwähnte Beitrag über die Mazeration Goethes stammt von Thomas
Steinfeld: "Sonderakte Goethe. Eine Trophäe für den Sozialismus: Wie die
DDR die Überreste Johann Wolfgang von Goethes unsterblich mache wollte." (F.A.Z.
v. 18.3.1999, S. 49, 51)
(23)
24.6.2008
Frankfurter Rundschau
Afghanistan-Einsatz; zu Thomas Kröter: "Im afghanischen Schlamm"
(Frankfurter Rundschau v. 23.6.2008, S. 11)
Acht
Fragezeichen und die zusätzliche Frage nach Sinn und Erfolg am Hindukusch -
Thomas Kröter schreibt in bester Tradition des Bundespräsidenten, der am
10.10.2005 den "Einsatz für Freiheit und Sicherheit" gar mit 26
bohrenden Fragezeichen unterlegt hatte, damals zum 25. Geburtstag der
Bundeswehr. Wo aber bleibt bis heute die zusammenhängende gesellschaftliche
Debatte der aktiven Außen- und Sicherheitspolitik und wo bleiben die dafür
fundamentalen Hausaufgaben der Regierung: Abgrenzbare Eingriffsgründe und eine
offene Evaluation der Missionen nach 1993 - nach Zielen und Werten, nach
Erfolgen und Lasten?
Die
Afghanistan-Parole der Bundesregierung erinnert an eine verzweifelte
Selbsthypnose und Denkstarre. Paul Watzlawick hat in seiner "Anleitung zum
Unglücklichsein" eine Beharrlichkeit, die in immer weitere Verstrickung
führt, treffend unter "Mehr desselben" analysiert.
P.S.
Das Syndrom, das Paul Watzlawick sehr einfühlsam beschrieben hat, ist das einer
doppelten Blindheit:
"Erstens dafür, dass die betreffende Anpassung (Bezug: eine früher
sinnvolle Überlebensstrategie, es gilt aber für alle Projekte und Pläne) eben
nicht mehr die bestmögliche ist, und zweitens dafür, dass es neben ihr schon
immer eine Reihe anderer Lösungen gegeben hat, zumindest nun gibt. Diese
doppelte Blindheit hat zwei Folgen: Erstens macht sie die Patentlösung immer
erfolgloser und die Lage immer schwieriger, und zweitens führt der damit
steigende Leidensdruck zur scheinbar einzig logischen Schlussfolgerung, noch
nicht genug zur Lösung getan zu haben. Man wendet also mehr derselben
"Lösung" an und erreicht damit genau mehr desselben Elends."
(Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper, 16. Aufl. 1997, S.
28f).
(22)
20.6.2008
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 7.7.2008
Napoleons Höhe (zum Streiflicht v. 17.6.2008)
Nichts
ist mir schmerzlicher, als das Streiflicht zu kritisieren. Es ist die Freude
meiner allabendlichen Rückentwicklung vom Büro- zum Familienmenschen, ein
unendlicher Quell von Anknüpfungspunkten und Lautmalereien, eines der wenigen
Formate, das mich immer wieder drängt, es anderen prustend zum Besten zu geben.
Drum liegt, was ich hier schreibe, subjektiv schon nahe bei einem
maiestas-Delikt.
Aber
das Streiflicht vom 17.6. schimpft wohl irrenderweise Napoleon einen kleinen
und dicklichen Kaiser. Was den Kleinen lange zum Trost gereichen konnte und den
körperlich Größeren immer noch einen kleinen Triumph erlaubte, war nach
gewachsener Überzeugung so etwas wie ein dämlicher Umrechnungsfehler, einer der
Art, wie sie Raumsonden schon mal die Existenz kosten und Fernrohre die
Sehschärfe. Tatsächlich soll Napoleon mit etwa 170 cm sogar einen leicht
überdurchschnittlichen Überblick über seine zeitgenössischen Landsleute
genossen haben.
(21)
16.6.2008
Kölner Stadt-Anzeiger
EU-Referendum in Irland (Thorsten Knuf: "Die Törichten von der Insel"
und Sibylle Quenett: "Furcht vor weiteren Sündenfällen", KStA v. v.
14./15.6., S. 4 u. v. 16.6.2008, S. 4)
Es
war offenbar noch nicht das "Europa der Bürger", das Irland erlebt
hat - nicht nach ihrer Beteiligung und schon gar nicht nach ihrer Zustimmung.
Vielleicht ist das beste Gegenmittel aber nicht das Verdammen einer
bauchfühlenden oder gar sündigen Peripherie oder deren vorläufige Vertreibung
aus dem Paradies.
Vielleicht
ist das Mittel der Wahl eher eine Prozedur, die jedem Eurokraten die Haare
gleichzeitig weiß bleichen und starr abstehen ließe: Art. 1 der EU-Verfassung
würde lauten: "Diese Verfassung bedarf der Zustimmung der Bürgerinnen und
Bürger in allen derzeitigen und künftigen Mitgliedstaaten." Dass eine neue
Verfassung oder eine grundlegende Verfassungsänderung durch Referendum
bestätigt wird, ist Wesensmerkmal aller erwachsenen Demokratien. Gleichzeitig
führt es in der Regel zu einer heilsamen Verkürzung und bürgerfreundlichen
Konkretisierung des Textkörpers. Auch wenn es manchmal etwas länger dauert,
sich kurz zu fassen.
(20)
29.5.2008
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 30./31.5.2009,
also bereits ein Jahr später
Wahl des Bundespräsidenten; Kandidaturen Hort Köhler / Gesine Schwan (KStA v.
27.-29.4.2008, u.a. Franz Sommerfeld "Mit Gesine Schwan nach links",
KStA v. 27.5.2008, S. 4)
Entscheidend
ist, so weiland ein großer Kanzler, was hinten raus kommt. Mehr Demokratie
kommt raus, wenn bei einer Wahl die Wahl besteht. Das andere haben wir früher -
meist nach Osten blickend - gerne als "Abnicken" verspottet und
versuchen es selbst im Miniaturmaßstab der Schuldemokratie nach Kräften zu
vermeiden.
Und
die Gefahr durch die ewig Linken? Na ja, wenn man böse Ränke und abgekartete
Spiele fürchtet oder wenn man ein barockes Theater von mehr als tausend
wohlbestallten Spesenrittern von Herzen verhindern will, dann gibt es doch eine
ganz natürliche Lösung: Die Wahl des obersten Bürgers durch die Bürger selbst.
Wäre sicher auch die bessere Remedur gegen deren nachhaltige Verdrossenheit.
(19)
8.5.2008
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 21./22.5.2008
Schillers Schädel; Burkhard Müller: “Großer Geist, leerer Sarg” (Süddeutsche v.
5.5.2008, S. 11)
Was
hat die Klassik-Stiftung dazu getrieben, mit hoch invasiven und im Ergebnis
letztlich verwüstenden Methoden Wissen zu schaffen? Hellmuth Seemann nannte in
der abschließenden Pressekonferenz als Wahlspruch für seine Arbeit das
Leitmotiv der Aufklärung „sapere aude!“. In der Tradition Schillers kann man
dies aber nicht als begieriges, bedingungs- und rücksichtsloses Wissenwollen
verstehen. Schiller hatte es im 8. Brief seiner Abhandlung „Über die
ästhetische Erziehung des Menschen“ von 1795 so übersetzt: „Erkühne dich, weise
zu sein.“ Und der ästhetischen Erziehung dienen m.E. nicht das Schaufeln an
Gräbern, die über Jahrhunderte unberührt waren, das Sägen, Bohren und Raspeln an
Knochen und Zähnen. Und auch nicht ein nun inhaltsloser Sarg, nachträglich und
scheinbar klassisch zum Kenotaph umgewidmet. Alles dies ist kein Ausweis von
Weisheit.
Zugute
halten will ich der Stiftung: Im Grunde hat sie das ähnlich explorative und
aggressive Projekt des Carl Leberecht Schwabe nur verlängert. Schwabe hatte
1805 – noch Freundschaftsdienst – aus dem Stand einen respektablen Leichenzug
organisiert und wollte dann 1826 – schon Bärendienst – Schillers Schädel als
eine Art kulturelle und lokale Trophäe aufsuchen. Dabei war er aber mit nun
einiger Wahrscheinlichkeit einem noch Entschlosseneren, einem Grabjäger und
Schädelfälscher aus der Schar der Gall-Jünger aufgesessen. Er hielt wohl damals
ein besonders makabres Kuckucksei in Händen, dessen sich der heutige
Nestbesitzer, die Stiftung, nach höchst wechselhaftem Verlauf des
jahrhundertelangen Nachforschungsprojekts nun entledigt.
In
jedem Fall ist dies der perfekte Anlass für eine Zeitreise in die damalige
Weimarer Atmosphäre: Die Wiege der Klassik war exzellent vernetzt zu den damals
gesellschaftlich gefragtesten Wissenschaftlern. Die Gall’sche Schädellehre –
seit 1801 in seiner österreichisch-katholischen Heimat als materialistisch und
das Jenseits leugnend verboten – geisterte durch die Salons Europas und hatte
in Weimar hochintellektuelle Sympathisanten, auch in Goethe und Froriep. Gall
hat zwar aus heutiger Sicht mit ganz und gar untauglichen Mitteln gearbeitet.
Seine Hypothese eines arbeitsteilig organisierten und strukturierten Denkapparats
ist aber heute längst Gemeingut geworden. Goethe sah den Menschen in seiner
ganzheitlichen Betrachtungsweise bereits als Mitwesen in der Schöpfung an;
Darwin erkannte darin später verwandte Sichten. Die Weimarer Stimmung war
avantgardistisch und prometheisch, kirchenfern und hochmodern – mit allen
post-paradiesischen und inhumanen Nebenfolgen faustischen Fortschritts. Wir
blicken auch auf uns selbst.
P.S.:
Sehr bereichernd beschreibt Albrecht Schöne die geisteswissenschaftlichen und
historischen Kontexte. Schöne interpretiert Goethes Terzinen mit einem
profunden historischem und literarischen Hintergrund („Schillers Schädel“,
Beck, 2. Aufl. 2002, S. 55-78), dabei auch die besondere Schreibweise
„Gott=Natur“ (Schöne a.a.O., S. 72), die in der Süddeutschen abgewandelt und
den Sinn leicht verändernd mit „Gott-Natur“ wiedergegeben ist.
P.P.S.:
Mein vertieftes Interesse rührt daher: Carl Leberecht Schwabe, der Schiller
1805 den Freundschaftsdienst und 1826 den Bärendienst erwiesen hatte, ist einer
meiner Vorfahren mütterlicherseits, s. auch http://www.vo2s.de/0030schw.htm.
(18)
29.4.2008
Kölner Stadt-Anzeiger
Olympia / Tibet; Boris Kartheuser: "Finanzstarke Verbündete der
Tibeter" (KStA v. 29.4.2008, S. 3)
Es
ist nicht überraschend, dass die durchorganisierte amerikanische Rechte die
Pro-Tibet- und Anti-China-Proteste nutzt und stützt. Als Arbeitsgrundlage kann
man annehmen, und zwar ganz unabhängig von der mehr oder minder freiheitlichen
Selbstdefinition eines Gemeinwesens: (a) Der innere Menschenrechtsstatus aller
machtreichen Staaten ist vergleichbar gefährdet. (b) Er wird im Zuge
technologischer Entwicklung nicht sicherer. (c) Bei der allfälligen
Destabilisierung von Konkurrenten nehmen alle Staaten selbst krisenhafte
Entwicklungen, die die Menschen andernorts zusätzlich gefährden, gerne
billigend in Kauf.
Damit
liegt man, auch wenn es zynisch klingt, wohl zumeist richtig. Die Römer nannten
das immer neue Kräfteschöpfen aus dem Unglück anderer: "Teile und herrsche!"
Und man braucht auch kein Prophet zu sein um einzuschätzen: Der
Nahost-Konfliktherd wird uns in wenigen Jahren als vergleichsweise
bedeutungslos erscheinen, die dort eingesetzten militärischen Ressourcen gar
als unnötiger Aufwand. Was den Menschen dort wiederum nutzen könnte.
(17)
23.4.2008
DER SPIEGEL, abgedruckt 5.5.2008
Gesunder Körper ► gesunder Geist; Jörg Blech „Faul macht dumm“ (SPIEGEL
17/2008 v. 21.4.2008, S. 146)
Gegen
schütteren Geist nehmen Sie Einrad, am besten täglich. Mann kann es lebenslang
erlernen – jedenfalls noch mit Mitte Fünfzig – und hakt dann freudig und
nachhaltig das Kreislauf-Schwächeln, die Adipositas, den Wackel-Rücken und das
eingefallene Sitzfleisch gleich mit ab. Trauen Sie sich ruhig und Sie erfahren
mit einfachen Mitteln physische wie psychische Balance.
Zur Anschauung: www.vo2s.de/1rat.htm.
(16) 22.4.2008
Süddeutsche Zeitung
Clifford Krauss "Despite Polluting the Air, Coal Powers Word Economy"
(Süddeutsche v. 21.4.2008, Beilage "The New York Times", S. 5)
Was
wir sehen sollen, es ist nicht immer das was ist. Die beeindruckend schöne Wand
aus 24 Meter Kohle gibt es jedenfalls so in Wirklichkeit nicht. Sie ist wie so
vieles heute Ergebnis schöpferischer Bildgestaltung. Die beiden
wiederkehrenden, leicht an die Umrisse Amerikas erinnernden Gesteinsformationen
ca. 5 cm und 18 cm entfernt vom linken Bildrand (dabei jeweils ca. 3 cm vom
oberen Bildrand) verraten es, auch einige andere recyclierte Bildelemente.
Das
Motiv für soviel professionelle Kreativität steckt sicher in dem hier
vermutlich ebenso hinzugedichteten, nachhaltig blau-weißen Himmel über der
Kohle: "Money and Business". Soviel zur Kohle.
P.S.:
Einige der angesprochenen Bildelemente finden Sie in der beigefügten Datei markiert.
Eine Anregung: Können Sie nicht mit der Ethik und der investigativen Strenge
der freien Presse von Ihrer Bezugsquelle das unretuschierte Originalbild
verlangen und dann einmal synoptisch abdrucken? Das hätte sicher einen
sowohl pädagogischen, Ihre Leser zur Aufmerksamkeit mahnenden Effekt wie auch
eine spezial-präventive Wirkung gegenüber Ihrem Lieferanten.
Reaktion der New York Times:
Dear Mr. Voss
My name is Darcy Eveleigh and I'm
the Photo Editor of the Business section at The New York Times. You have a very
sharp eye, excellent catch. I didn't see cloning and I'm trained to search for
these things.
I spoke with the Peabody Company
spokespeople today. Their response was an assurance that they didn't alter the
size, shape, or proportions of the image. In fact the wall of coal is several
hundred feet longer than the photo actually shows. However, they did explain
that a directive came to them from their CEO to "clarify" areas so
that the image appeared crisp for printing. They apologized to me for any
confusion this may have caused. Had we known that any alteration was done, it
would not have been published. It is Times policy NOT to use photographs that
have been tampered with.
Thank you for calling this to our
attention.
Regards
Darcy Eveleigh
Photo Editor
The New York Times
(15) 29.2.2008
TIME
Michael Elliott's article „A Call to Arms“ (TIME Feb. 25, 2008, p. 19)
German political élites should
definitely discuss repositioning foreign policy. They should discuss that item
especially with their voters. President Koehler correctly insisted on the
democratic aspect in
Further on we must a.s.o.p. adjust
international and domestic law, including the American War Powers Act, to new
realities. Doing so we should thoroughly und verifiably enumerate the cases for
military interference. Choices are: e.g. military aggression, gross
inhumanities, and organized terrorism. Choices are not: supposed shortages of
supply. The rule of law does say “legislate first, shoot later” and it only
works according to the "golden rule", i.e. reciprocal. Nothing else
can make this world a safer place - especially not the notion of vested interests
coerced by brute power.
(14)
29.2.2008
DIE WELT
Erfindung des Computer-Grundrechts; Kommentar / Portrait von Thorsten Jungholt
"Karlsruhes Klugheit" / "Hüter der Verfassung" (WELT v.
28.2.2008, S.1 / 29.2.2008, S.9)
Geht
es um das Inland, da wehrt sich die Rechtsordnung kunstvoll und abwägend gegen
die Angst-gesteuerte Aushöhlung der Grundrechte. Sie schließt notfalls Lücken
durch brillante Innovationen wie das nun entwickelte Recht auf die
Computer-Privatsphäre - soweit meine volle kollegiale Anerkennung!
Geht
es aber um das Ausland und dann vornehmlich um Ausländer, da bleiben selbst
kardinale Grundrechte und Gesetzesvorbehalte wie beim Lebensrecht nach Art. 2
unserer Verfassung unentdeckt, da wird Verteidigung ohne differenzierbare
gesetzliche Eingriffsgrundlage nun uferlos in alle Welt getragen, koste es
nebenbei Leben, wo es wolle.
Als
Kinder haben wir beigebracht bekommen: Woanders benimmt man sich nochmal besser
als zu Hause. Gilt das im Großen nicht auch? Vielleicht kann Hans-Jürgen Papier
in seinen verbleibenden zwei Jahren diesen offenen Werte-Widersprüchen noch
abhelfen. Das würde sicher nicht langweilen.
(13)
22.2.2008
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 29.2.2008
1933/1968; Götz Alys Gastbeitrag "Erst 1933, dann 1968" (KStA v.
22.2.2008, S. 23) der nachfolgende Leserbrief:
Das
Radikale verband schon in den Zwanziger und Dreißiger Jahren links und rechts,
auch die Wege zur Mobilisierung der Jugend. Als Avantgarde verstanden sich immer
beide Extreme, gerade während sie einander attackierten; darin liegt für mich
kaum Neues.
Außer
in den Formen sehe ich aber nichts in der Sache Verbindendes zwischen den
33'ern und den 68'ern. Die materiellen Unterschiede dürften objektiv größer sein,
und die bedingten auch die Durchschlagskraft. Wohl schon zum Zeitpunkt der
höchst lesenswerten Rede Hitlers vor dem Düsseldorfer Industrieclub am
27.1.1932, allerspätestens aber mit der "Nacht der langen Messer" -
der Ausschaltung der sich sozialistisch verstehenden SA-Führung vom 30.6. bis
zum 2.7.1934 - hatte die NS-Führung die sozial-revolutionäre Phase für beendet
erklärt. Die Universitäten sind nie Brut- oder Schaltstellen der damaligen
Bewegung geworden. Sie sind bestenfalls schwungvoll konvergiert. Das fiel den
Bürgerkindern nicht schwer. Ihren Führungsnachwuchs hat die NS-Bewegung ohnehin
andernorts und lebensjünger heranzüchten wollen, etwa an den besser steuerbaren
Napolas.
Die
bürgerliche Unterstützung für die NS-Weltanschauung ist schon vor 1933, aber
selbst bis in die Fünfziger Jahre hinein immer so groß gewesen, dass die 68er
davon nur haben träumen können.
Einen
weiteren erfolgsrelevanten Unterschied sollte man nicht ausblenden: Zwar haben
die 68’er ihre Protestformen aus den USA entlehnt, von den sit-ins bis zu den happenings
der Anti-Vietnam-Bewegung. Aber eine signifikante Ermutigung durch die die
bürgerlichen Eliten des Westens gab es nie. Und genau das ist anders als in den
Zwanziger und Dreißiger Jahren etwa durch den amerikanischen Militär-Attaché
Truman Smith, den einflussreichen Deutsch-Amerikaner Ernst Franz Sedgwick
Hanfstaengl, den Atlantikflieger Charles Lindbergh, wohl auch durch den
zeitweiligen US-Botschafter in London, Joseph Kennedy, und durch den Auto-König
Henry Ford, der noch 1938 zu seinem 75. Geburtstag das Großkreuz zum Deutschen
Adlerorden annahm.
P.S.:
· Aufschlussreich ist der Lebensweg des kultivierten Ernst Hanfstaengl, der u.a. Franklin und Theodore Roosevelt, Randolph Hearst, Charlie Chaplin und Winston Churchills Sohn Randolph (http://de.wikipedia.org/wiki/Randolph_Churchill_(Sohn) gut kannte und mit der amerikanischen Bürgerkriegs-Legende John Sedgwick verwandt war (http://en.wikipedia.org/wiki/John_Sedgwick), detailliert festgehalten unter http://en.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl.
·
Aussagekräftig
sind auch die in Buchform herausgegebenen Memoiren von Truman Smith:
"Berlin Alert, The Memoirs and Reports of Truman Smith." Edited
by Robert Hessen. Stanford:
(12)
20.2.2008
DER SPIEGEL
Bündnispolitik; Gespräch mit Henry Kissinger, SPIEGEL 8/2008 S. 110 („Die
Europäer wollen nicht verstehen“)
Es
ist die vertraute Selbstlüge: Allianzen vermittelten den Eindruck von
Zustimmung, von Mehrheit, von Wahrheit. Nicht als Besatzung, ja geradezu als
Rettung müssten sie erscheinen. Die Besetzten würden am Ende beglückter Teil
einer wiederum größeren Allianz für Freiheit.
Leider
kennt das kollektive Gedächtnis auch die andere Seite der Geopolitik, funkelnd
etwa in Kissingers Zynismus-Essenz aus dem ersten Golfkrieg: „Too bad they
can’t both lose!“ In der Endphase hatten die USA beide Seiten des
Irak-Iran-Konfliktes militärisch gestützt, bis zum Ausbluten. Seitdem haben
alle Seiten verloren, auch unsere. Und wenn Kissinger unbeirrt weiter global
für vitale Interessen des Westens kämpfen will, dann meint er am ehesten:
Kämpfen – und sterben – lassen.
·
zur
parallelen waffentechnischen Unterstützung von Irak und Iran im ersten
Golfkrieg eingehend Kerstin Dahmer,
"Parlamentarische Kontrolle der auswärtigen Gewaltanwendung",
Frankfurt/Main 1998, S. 168ff, 174f in Fn.332, 248, 261ff, 256; auch dort zu
dem zitierten Stoßseufzer
·
zum
Kissinger-Zitat siehe auch http://coat.ncf.ca/our_magazine/links/issue51/articles/51_30-31.pdf
(11)
7.2.2008
DIE ZEIT; abgedruckt 21.2.2008
Xenophobie; zum ZEIT-Aufmacher "Ich mach dich fertig" auf der Nr. 7
v. 7.2.2008 und zur Titelgeschichte "Vergiftet" auf der ZEIT Nr. 5 v.
24.1.2008
Angelehnt
an Ihren Artikel "Vergiftet" vom 24.1.2008: DIE ZEIT ist ein fähiges
Blatt. Aber mit Aufmachern wie am 7.2. darf keine Zeitung Kasse machen. Ohnehin
finden bei weitem nicht alle, die den suggestiven Titel willig aufnehmen, zu
den Differenzierungen im Inneren.
Und
da war doch neulich das ähnlich eingängige Seite-1-Bild von Ahmadinejad als
Bomben-Reiter. Zum Glück noch präemptiv gegenüber einem massiven
Präventivschlag der ZEIT-Leser haben es die vereinten amerikanischen Dienste im
National Intelligence Estimate vom November 2007 als grobe Fälschung entlarvt.
P.S. link zum National Intelligence
Estimate v. Nov. 2007 („
(10)
5.2.2008
Kölner Stadt-Anzeiger
Afghanistan und die Bündnissolidarität; zu den dynamisch anschwellenden
Forderungen nach Verstärkung des deutschen Afghanistan-Engagements (u.a. Jan.
W. Brügelmann "Klartext über Kriegseinsätze" im KStA v. 1.2.2008, S.
4; Thorsten Knuf "Geduld der Amerikaner ist erschöpft", Sibylle
Quenett "Die Stunde der Wahrheit rückt näher", Karl Feldmeyer
"Gemeinsam rein, gemeinsam raus" im KStA v. 2./3.2.2008, S. 2, 4, 10)
Leben
wir in einer post-demokratischen Gesellschaftsform? Die Projekte der neuen
westlichen out-of-area-Doktrin nach 1990 sind doch heute reihenweise
notleidend, jedenfalls viel schwerer in Ehren zu beenden als versprochen.
Politiker, Militärs und Bündnisstrategen haben unser globales Ansehen und
Drohpotenzial über Jahre leichtfüßig auf's Spiel gesetzt. Sie setzen sich nun
gegenseitig unter massiven Druck, auf den Fluren wie hinter verschlossenen
Türen, mehr vom Gleichen in den Topf zu werfen, um eine persönliche Schlappe
abzuwenden oder hinauszuzögern.
Das
Gebot der Stunde ist tatsächlich Klartext über Kriegseinsätze, nüchterne
demokratische Transparenz durch Audit und Evaluation, damit: politische
Rechenschaft über das heute Erreichte und realistischerweise noch Erreichbare.
M.E. keinen Bedarf haben die Bürger dagegen an der diskreten Gruppendynamik und
an dem institutionellen Korpsgeist eines seit 1990 zunehmend frei flottierenden
Bündnisses. Dieser Pakt hat seine Knackigkeitsgrenze siegreich überschritten.
Wir sollten ihn mit seiner epochalen Lebensleistung in den verdienten Ruhestand
entlassen, bevor er sich und seine Herausforderer abermals neu erfindet.
Und
das heute wieder so häufig beschworene "Mitmachen, um mitreden und das
Schlimmste verhüten zu können" ist bei Licht besehen eine hoffnungslos
erbärmliche Strategie, siehe die Erfahrungen vor 1945.
(9)
24.1.2008
DIE ZEIT
Ho-Yeol Ryus Foto-Kollage "Flughafen" und Karin Ceballos Betancurs
begleitender Kommentar (ZEIT Nr. 5 v. 24.1.2008, S. 55)
Eine
stärker berührende Kollage als Ho-Yeol Ryus Komposition eines aufflatternden
Flugzeug-Schwarms habe ich noch nie gesehen. Sie holt bei mir eine
vergleichbare Traum-Erinnerung herauf wie bei Karin Ceballos Betancur. Ein
Tipp: Ganz unerwartet hatte ich ebensolche Assoziationen des Aufwärtsfallens
immer wieder, als ich vor kurzem das Einrad-Fahren lernte.
Meine
Einrad-Erfahrungen: http://www.vo2s.de/1rat.htm
/ http://www.vo2s.de/1rat_gb.htm
(8)
14.1.2008
DER SPIEGEL
Machtergreifung 1933 (Georg Bönisch u. Klaus Wiegrefe: "Triumph des
Wahns", SPIEGEL 3 / 2008, S. 32ff, Gespräch v. Karen Andresen u. Georg
Bönisch mit Andreas Wirsching aaO S. 44ff)
Der
Gegensatz zwischen Demokratien und Autokratien in den Zwanziger und Dreißiger
Krisenjahren ist m.E. überzeichnet. Auch in den verbleibenden Demokratien waren
autoritärere Formen und Regime damals zunehmend hoffähig geworden - auch als
Schutzwall gegen die manisch befürchtete Bolschewisierung. Hier ist der Kontakt
zwischen dem damaligen amerikanischen Militärattaché Truman Smith und dem
kultivierten Deutsch-Amerikaner Ernst Franz Sedgwick Hanfstaengl kaum zu
unterschätzen: Der einflussreiche Hanfstaengl führte auf einen Tipp Smiths hin
einen damals in München recht unbekannten Burschen ab 1922 in die Münchener
Schickeria ein, gewährte ihm nach dem 1923er Putsch Zuflucht, erleichterte
seine Festungshaft, ko-finanzierte die Startauflage seiner Propagandaschrift
und späteren Millionenquelle "Mein Kampf" sowie des NSDAP-Blattes
"Völkischer Beobachter". Hanfstaengl diente später der Partei als
sehr effizienter Auslandspressechef. Truman Smith und Ernst Hanfstaengl hatten
übrigens einen schillernden Bekannten, der später für Hitler-Deutschland
eintrat und mit dem zeitweiligen US-Botschafter in London, Joseph Kennedy,
antisemitische Tendenzen teilte: Charles Lindbergh.
Man
kann es auch so sehen: Die mörderischen Schützling-Todfeind-Zyklen, die wir bei
Stalin oder Saddam kennen, haben in Hitler einen Vorläufer. Das war naturgemäß
nicht allein ursächlich, hat aber in einer historischen Phase, in der der
Zeitfaktor wesentlich war, stark beschleunigt.
P.S.
Überblick über den wechselhaften Lebensweg Hanfstaengls: http://en.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfst%C3%A4ngl
(7)
11.1.2007
DIE ZEIT
US-amerikanische Vorwahlen (insbesondere Interview von Jan Ross mit Robert
Kagan: "Tut mir leid: Das ist Amerika" und Artikel v. Martin Klingst
/ Patrik Schwarz: "Prosa gegen Poesie", ZEIT Nr. 3 v.
10.1.2008, S. 2, 3)
Selbst
rückwärts gelesen klingt "Obama" noch inspirierend poetisch. Kagans
zynische Skepsis zur Chance einer Tendenzwende in der Außen- und
Sicherheitspolitik teile ich übrigens nicht. Zumindest steckt in Obamas
lesenswertem "Audacity of hope" vieles, was eine entspannende
Abwärtsspirale fördern kann. Und Obama repräsentiert jugendliche Neugier,
Lernwillen und Begeisterungsfähigkeit, die vielleicht weniger Resonanz im
alternden Europa anstimmen mag, dafür umso mehr in den jungen Regionen, die
heute den Part des Herausforderers einnehmen. Über diesen Reflex könnte sich
auch Amerika ganz unverspannt neu positionieren.
(6) Jan. 10, 2008
TIME
For Obama, an ever unpredictable
(5)
8.1.2008
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 23.1.2008
amerikanische Vorwahlen (Stefan Kornelius, "Oh je, Obama!",
Süddeutsche v. 8.1.2008, S. 4)
Die
größeren Ähnlichkeiten sehe ich zwischen Bush dem Jüngeren und Hillary Clinton,
die klarere Alternative zwischen beiden und Barack Obama. Für die Kandidaten
habe ich einen einfachen Gütetest: Könnte sie/er die farewell address Eisenhowers vom 17.1.1961 unterschreiben, mit
ihren hellsichtigen Mahnungen zur Nachhaltigkeit und zur Militärpolitik? Das
traue ich eher Barack Obama zu, gerade auch wegen der breiten Streuung seiner
Wahlkampf-Ressourcen. Wer bezahlt, bestellt die Musik. Dass Hillary Clinton
besser ins professionelle, institutionelle Gefüge passt, gäbe eher die Aussicht
auf "Mehr vom Gleichen".
Anm.:
Quelle zu der zitierten Rede Eisenhowers: http://en.wikisource.org/wiki/Eisenhower's_farewell_address
(4)
8.1.2008
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 18.1.2008
Gewalttätigkeitsdebatte (aktuell: "Bosheit ist kein Lebenszweck", Edo
Reents in der F.A.Z. v. 8.2.2008, S. 31)
Danke
für die einfühlsamen Ableitungen aus Max und Moritz! Busch wollte mit seiner
comic-haft geschnitzten Gewalteskalation sicher früher, pädagogischer ansetzen
als Koch ("Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon
allein").
Möglicherweise
übersehen wir aber einen kollateralen Nutzen der Erziehungscamps. Wohin denn
eigentlich, wenn die gewaltbereiten Übeltäter erst einmal in Körperkraft,
Gruppengeist und Autoritätsliebe trainiert sind? Doch bitte nicht in die
Zivilgesellschaft, welche Verschwendung auch! Wäre doch ihre überschüssige
Angriffslust wunderbar zu kanalisieren für out-of-area. Gerade nun, wo der
Bundeswehr die früher so verlässliche Rekrutenlese in den Neuen Ländern zu
versiegen droht.
Es
gibt sogar ein passgenaues historisches Modell: Die Janitscharen, Christensöhne
aus den unterworfenen Provinzen, wurden an den acemi-oglan-Schulen der Osmanen
mit strikter Disziplin und harter Arbeit zu Elite-Kämpfern geschmiedet. Sie
stellten auch die verlässlichsten Palastwachen. Janitscharen bedeutet
"neue Truppe", acemi oglan etwa "unerfahrene Knaben".
Vielleicht sehen wir hier ja auch auf eine mittelfristige Lösung zum Schutz der
Herrschaft Roland Kochs.
(3)
8.1.2008
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 13.1.2008
Debatte um Ausländer-Gewalttätigkeit ("Stur und ignorant", KStA v.
8.1.2008 und die ergänzende Berichterstattung)
Stur
ist auch Koch. Ignorant ist er wohl weniger, denn er kann es besser wissen: Die
Gewalttätigkeit junger Ausländer unterscheidet sich nach allen verfügbaren
Analysen um kein Jota von derjenigen der deutschen Halbstarken (!) in gleicher
sozialer Lage. Und Migranten mit gutem Kindergarten machen vergleichbare
Bildungskarrieren wie Urdeutsche.
Nur
verdienen die Welschen wohl keine Weichheiten. Weg damit! Auf Stiefel-Lager für
deutsche Sextouristen, Gammelfleischer, Kredithaie oder ausgerastete Jäger ist
Koch dagegen nicht gekommen. Oder auf einen massiven Förderschwerpunkt bei
Patenschaften von Bildungs-Deutschen für bildungsferne Kinder. Zum Vergleich:
Über uns hängt eine weitgehend arbeitslose Raumstation für 100 Milliarden Euro.
Was man mit Steuern alles steuern könnte!
(2)
8.1.2008
DER SPIEGEL
Debatte um Ausländer-Gewalttätigkeit ("Exempel des Bösen", SPIEGEL 2
/ 2008, S. 20ff)
Wenn
wir ihre Mädels erst entschleiert oder entblättert haben und ihre Jungs im
Lager, dann feiern wir Integrationstag. Und nennen ihn Rolandstag, nach unserem
rechten Recken. Der weiland um die Wahl herum die Rechtssprache schon kraftvoll
um Fußballerisches bereichern konnte. Der sich weiter unermüdlich abarbeiten
muss, die Feindbilder außer Landes zu treiben. Denn diese sind ewig, währen
länger doch als tausend Jahre, schöpfen neue Kraft aus seinen Taten.
Und
Koch will er sein, nicht Kellner.
(1) Jan. 7, 2008
Newsweek
It's just that variety of views through
different cultural prisms that makes for
und, viele Leserbriefe vorher:
29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt: 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (KStA. v.
29.9.1992)
Hätten wir am Deutschlandtag die
Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert.
Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme
legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale
Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum
Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt
worden sind.
Demgegenüber ist der vorgebliche
Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun
begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu
absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne
auch ausdrücklich verwahrt.
Der Vorschlag war, wenn auch der
count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine
verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und
unserer Repräsentanten im Inland.