Karl Ulrich Voss, Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahre 2009

Stand: Januar 2010

 

(51) 31.12.2009
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 6.1.2010
vereitelter Anschlag auf Passagierflugzeug am 25.12.2009; Leitartikel von Peter Pauls ("Ein Scanner zur Ablenkung", KStA 31.12.2009, S. 4)

Völlig zu Recht mahnt der Leitartikel zu nüchternem Augenmaß: Hier wird wieder einmal ein milliardenschweres Ausrüstungsprogramm losgetreten, teils als bedingter Reflex, teils als Kalkül. Die Lasten für die Bürger werden groß sein und der Nutzen gering - so wie wenn man in ein Lehmhaus eine videoüberwachte Hochsicherheits-Stahltür einbauen würde.

Vor allem: Wo bleibt - neben den notorischen High-Tech-Angeboten - eine breite, lang anhaltende und intelligent abgestimmte Initiative des Westens gegenüber allen zivil und friedfertig gesonnenen Menschen islamischen Glaubens, nicht nur in der Türkei, aber auch dort? Dass es diese Menschen gibt, zeigt gerade dieser Fall. Allerdings hat dieser wohl nachhaltigere, preiswertere, authentischere und letztlich christlichere Weg, der mit Obamas Kairoer Rede einmal kurz aufblitzte, weniger mit Technik zu tun und mehr mit den bei uns schon fast aus der Mode gekommenen Geisteswissenschaften. Schade!

P.S.: Niederschrift zu Barack Obamas Rede in Kairo am 4.6.2009: http://www.whitehouse.gov/the_press_office/Remarks-by-the-President-at-Cairo-University-6-04-09/

 

(50) 30.12.2009
DIE WELT
Position von Margot Käßmann zum Krieg in Afghanistan; Thomas Schmid "Gott und Frieden und Krieg" (DIE WELT 30.12.2009, S. 6)

Mir wäre wohler, stünden wir nicht bald acht Jahre in Afghanistan und hätten wir nicht schon verschiedenste Strategien versucht. Und wären unsere Ziele klarer - klarer jedenfalls als: nicht als Verlierer abziehen. Und gäbe es nicht dieses Schwarz in unserer Flagge, die Grundfarbe des Lützow'schen Freikorps. Das war eine nicht nur aus Sicht der Franzosen höchst aufständische Farbe. "Insurgents" würde man neudeutsch zu Lützows patriotischem Haufen sagen.

Schließlich zum Vergleich Nazis / Taliban und zur Kompromisslosigkeit, die dem Westens so schicksalhaft aufgegeben sein soll: Besser, es hätte nicht diese hochrangigen amerikanischen Sympathien und Anschubhilfen für den aufkeimenden Nationalsozialismus gegeben, etwa in Gestalt eines Henry Ford, Truman Smith oder Ernst Franz Sedgwick Hanfstängl. So wie viel später die Schützenhilfe für Saddam Hussein gegen Khomeini oder für die islamistischen Mujaheddin gegen die Sowjets. Wäre all das nicht gewesen, man könnte die Zwangsläufigkeit und Legitimität eines korrigierenden militärischen Eingriffs viel überzeugender vortragen und bräuchte nicht - wie nun Margot Käßmann - ganz schlüssig eine durchaus mutige Wegänderung vorschlagen, statt immer mehr Desselben.

P.S.:

·         zur Herkunft von Schwarz-Rot-Gold:
http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCtzowsches_Freikorps

·         zu Smith / Hanfstängl:
http://en.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl,

·         zu Henry Ford und zu amerikanischen Schriften, die für junge Nazis wegweisend wurden:
http://en.wikipedia.org/wiki/The_International_Jew

·         zur Schützenhilfe für afghanische Islamisten:
http://hebdo.nouvelobs.com/hebdo/parution/p19980115/articles/a19460-.html bzw. http://www.globalresearch.ca/articles/BRZ110A.html; siehe auch: http://www.globalsecurity.org/org/news/2001/011002-attack03.htm

·         zu "mehr Desselben":
Paul Watzlawick beschreibt in seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" eine Beharrlichkeit, die in immer weitere Verstrickung führt, treffend als Syndrom einer doppelten Blindheit: "Erstens dafür, dass die betreffende Anpassung (Bezug: eine früher sinnvolle Überlebensstrategie) eben nicht mehr die bestmögliche ist, und zweitens dafür, dass es neben ihr schon immer eine Reihe anderer Lösungen gegeben hat, zumindest nun gibt. Diese doppelte Blindheit hat zwei Folgen: Erstens macht sie die Patentlösung immer erfolgloser und die Lage immer schwieriger, und zweitens führt der damit steigende Leidensdruck zur scheinbar einzig logischen Schlussfolgerung, noch nicht genug zur Lösung getan zu haben. Man wendet also mehr derselben "Lösung" an und erreicht damit genau mehr desselben Elends." (Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper, 16. Aufl. 1997, S. 28f)

Später beigefügt:

·         Wortlaut der nachfolgenden Neujahrspredigt von Margot Käßmann
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afghanistan/kaessmann2.html

 

(49) 23.12.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Thomas Kröter "Was tun wir in Afghanistan?" (KStA 22.12.2009, S. 4)

Auch "erst einmal massiv militärisch hereingehen" kann eine Illusion sein, jedenfalls ein Vabanque-Spiel. Richtig ist: Eine Verstärkung zielt hier nicht auf Sieg - wie sollte der in einem Bürgerkriegs-Szenario auch definiert sein? Wenn überhaupt, zielt Verstärkung auf einen gesichtswahrenden Abgang.

Und genau da sind wir beim wesentlichsten Punkt, beim deutschen Gesicht. Der letzte Krieg war uns ein gewalttätiger Lehrmeister. Er hat Deutschland aber auch eine neue, in der Welt breit akzeptierte Identität als Zivilstaat verschafft, er hat die Deutschen eine gehörige Skepsis vor der Staatsräson gelehrt und gleichzeitig den im Weltvergleich besonders ausgefeilten ersten Teil der Verfassung erzeugt, den zu den global verpflichtenden Grund- und Lebensrechten. Darum sollte die vom Kommentator zu Recht angemahnte offene gesellschaftliche Debatte auch die Frage umfassen, ob deutsche Soldaten überhaupt Krieg führen müssen. Mag auch in vielen Bundestagsdebatten nach 1993 - unter markigem Schulterklopfen der heutigen Verbündeten - von der Mehrzahl der Abgeordneten bereits eine neue militärische Normalität der Deutschen gefeiert worden sein.

Diese hatten vielleicht etwas sehr Zentrales schon wieder vergessen, was in Kundus erneut auf dem Lehrplan steht.

P.S.:
Die vielen Fragezeichen des Beitrages erinnern an die mehr als 20 bis heute unbeantworteten Fragen aus der sehr einsichtsvollen Rede des Bundespräsidenten am 10. Oktober 2005 zum Fünfzigjährigen der Bundeswehr
(http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_630701/Rede-Kommandeurtagung.pdf).

 

(48) 17.12.2009
SPIEGEL
Umweltfolgen der Bombardierung am Kundus-Fluss (Ulrike Demmer u.a. "Schatten auf der Lichtgestalt", SPIEGEL 51/2009 v. 14.12.2009, S. 18ff)

Man konnte es sich denken und das Bild im SPIEGEL (S. 19 rechts) zeigt es besser als andere: Das Zerschießen und Abfackeln von betankten und hochgefüllten Tankwagen in einer Hauptwasserader eines Entwicklungslandes ist gleichzeitig eine einschneidende Umweltkatastrophe. Wie Kriege ohnehin Schäden verursachen, die gerade in trockenen Regionen kaum vernarben. Für die Folgenbeseitigung wird das PRT allerdings – trotz eines garantiert ausgefeilten Lager-Abfall-Entsorgungskonzeptes – kaum gerüstet sein.

Anm.: Ausbuchstabiert bedeutet PRT Provincial Reconstruction Team. Die PRT‘s sollen den Wiederaufbau der afghanischen Infrastruktur unterstützen und sie schützen. Aber das ist nun wohl eher Euphemismus oder politischer Flecktarn.

P.S. zu PRT’s: http://de.wikipedia.org/wiki/Provincial_Reconstruction_Team

 

(47) 15.12.2009
Rheinischer Merkur, abgedruckt 14.1.2010
Kundus; Lothar Rühl " Melden macht frei" (MERKUR 2009/50 v. 10.12.2009, S. 7)

"Melden macht frei" gilt nicht nur im Militärischen, sondern auch im Demokratischen. Das wäre, wenn die Politik den Bürgern reinsten Wein zu ihren Zielen, zu Nutzen und Lasten der aktuellen Außen- und Sicherheitspolitik einschenken würde. Der Bundespräsident hat genau das in seiner Rede zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr im Oktober 2005 angemahnt, einer Rede mit mehr als zehn ausdrücklichen Fragezeichen, ähnlich wie Lothar Rühl sie nun setzt. Just wenige Tage vor dem Tanklaster-Zwischenfall hat Herr Köhler nochmals politische Übersetzungsarbeit zum Afghanistan-Einsatz gefordert, einem Einsatz, den eine Mehrheit der Bürger heute bereits mit Misstrauen verfolgt.

Der Ball liegt bei der Politik. Primat der Politik sollte aber im Interesse der Soldaten nicht so verstanden werden, dass Einsätze primär den poltischen Akteuren nutzen sollten. Sondern, dass die Missionen den nach demokratischen Spielregeln identifizierten Interessen der Bürgerinnen und Bürger dienen müssen. Das bedeutet auch, dass Deutschland verstärkt nationale, demokratisch von unten nach oben vermittelte Interessen und Identifikationen in Bündnisentscheidungen einbringen muss, also sich nicht etwa von Bündniszwängen treiben lässt. Auch das setzt mehr offenen Dialog voraus.

Und Herrn Rühls abschließende Prognose, dass nur das Erfolg Versprechende sich am Ende als angemessen erweisen werde, verstehe ich nicht im Sinne von Mitteln, die durch den Zweck geheiligt werden, sondern als weiteren Ansporn zu einer nüchternen Evaluation von Kosten und Lasten bisheriger und künftiger Missionen. Als Lasten und Risiken wären auch die nicht unmittelbar sichtbar werdenden Fernwirkungen einzubeziehen, etwa den wahrscheinlichen Konnex zwischen der irrtümlichen Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad und der späteren chinesischen Militärreform, die im Westen wiederum große Besorgnis ausgelöst hat.

 

(46) 14.12.2009
DIE WELT
Kundus; Jaques Schuster ""Himmel und Orkus" (DIE WELT 14.10.2009, S. 1)

Richtig, es ist nicht sehr fair, Herrn zu Guttenberg für die Frucht eines lange vernachlässigten Feldes verantwortlich zu machen. Seit Jahren fehlt die anspruchsvolle gesellschaftliche Debatte über Lasten und Nutzen einer neuen Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie der Bundespräsident auf der Kommandeurtagung 2005 angemahnt hatte. An die Erklärungspflicht der Politik speziell zu Afghanistan hatte unser oberster Bürger noch am 28.8.2009 erinnert, nur wenige Tage vor dem Angriff am Kundus-Fluss.

Besonders überraschend allerdings wirkt der sehr geringe Informationsgrad der politischen Spitzen gerade in einer Phase, in der das Projekt Afghanistan auf der Kippe steht. Die signifikante Änderung der Strategie - das gezielte Ausschalten hochrangiger Funktionsträger des Widerstandes - deute ich als weitgehendes Scheitern des bisherigen, eher empathischen Ansatzes. Und dass diese Eskalation zweifelsfrei verfassungskonforme Verteidigung ist, das dürfte schon unter Juristen kaum zu beweisen sein und gegenüber den inzwischen in Mehrheit misstrauischen Bürgern noch viel weniger.

P.S.:

·        Grundsatzrede des Bundespräsidenten am 10.10.2005:
http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_630701/Rede-Kommandeurtagung.pdf

·        Truppenbesuch des Bundespräsidenten am 28.8.2009: http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4k3cQsESUGY5vqRMLGglFR9b31fj_zcVP0A_YLciHJHR0VFAFBC9EY!/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfRF8zM1E2?yw_contentURL=%2FC1256F1200608B1B%2FW27VFARM867INFODE%2Fcontent.jsp<http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4k3cQsESUGY5vqRMLGglFR9b31fj_zcVP0A_YLciHJHR0VFAFBC9EY%21/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfRF8zM1E2?yw_contentURL=%2FC1256F1200608B1B%2FW27VFARM867INFODE%2Fcontent.jsp>

 

(45) 14.12.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Kundus; Christian Rath "Im Krieg ist Töten vom Mandat gedeckt" (Kölner Stadt-Anzeiger 14.12.2009, S. 6)

Die Überschrift des Beitrags erinnert mich an eine Fußnote aus einer Bibel, die im ersten Weltkrieg gedruckt wurde. Ein langjähriger Pfarrer unserer Gemeinde und früherer Wehrmachts-Seelsorger hatte sie mir i.J. 1993 einmal gezeigt. Er triumphierte dabei sogar ein wenig, weil er anders als ich nicht an dem damaligen Somalia-Einsatz zweifelte. Die Fußnote war am fünften Gebot angebracht und lautete kurz und bündig: "Gilt nicht im Kriege!"

Wäre die Bundeswehr als Parlamentsarmee im Einsatz, hätte eine Eskalationsstufe wie das systematische Ausschalten von höherrangigen Gegnern mit dem Parlament insgesamt abgestimmt werden müssen, § 3 Parlamentsbeteiligungsgesetz / ParlBG. Ohne Gefahr im Verzug war dies übrigens auch kein Fall nachträglicher Zustimmung gem. § 5 Abs. 1 ParlBG und völlig eindeutig hat es an der generellen Information des Bundestages nach den § 5 Abs. 2 bzw. §  6 ParlBG gefehlt. Nach der derzeitigen Nachrichtenlage besteht allerdings der Eindruck, als wäre weder das Verteidigungsministerium noch das Kanzleramt selbst - ob willentlich oder unwillentlich - in den relevanten Informationsstrang eingebunden gewesen. Auch wenn ich dies kaum glauben möchte: Die Bundeswehr wäre dann in Afghanistan keine Parlamentsarmee, nicht einmal eine Regierungs- oder Kanzlerarmee, sondern am ehesten eine weitgehend eigengesetzlich operierende Bündnisarmee, die auch nicht wehrt, sondern stoßartig attackiert - wie in einer taktisch ähnlichen Situation die mittelalterlichen Assassinen.

Darüber hinausgehend bezweifele ich sehr ernsthaft, ob eine Strategie des "decapitating" bzw. der Menschenjagd jemals mit dem Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes und mit der Friedensorientierung in den Artikeln 87a und 26 vereinbar sein könnte. Für mich wäre das eine andere Republik.

P.S.: Zu den Assassinen
http://de.wikipedia.org/wiki/Assassinen
http://de.wikipedia.org/wiki/Raschid_al-Din

 

(44) 6.12.2009
DER SPIEGEL
Debatte um den Einsatz in Afghanistan (SPIEGEL Nr. 49 v. 30.11.2009, S. 22ff)

Ohne Worte (Titelbilder 47/2006 und 49/2009):
 

P.S.:
Mein Leserbrief v. 23.11.2006 zum SPIEGEL 47/2006 hatte gelautet:

„DER SPIEGEL titelt und schreibt mit dem unwiderstehlichen Charme der Feldjägerei, die auch im Angesicht epochalen Scheiterns die letzten Mutlosen und Feigen an die Front treibt. Zumindest scheinen die Autoren ein blutreicheres deutsches Engagement als schicksalhaft alternativlos zu erleben. Man kann auch anders. Mitte der Neunziger hat Rudolf Augstein die raumgreifende neue Militärdoktrin nüchtern als zeitgenössische "Strafexpeditionen des Westens" eingeordnet. Wie es aussieht, steht das Konzept des Westens für Afghanistan - wenn es denn je eines gab - vor dem Ende. Toten soll man keine Lebenden hinterherwerfen; das gilt vielleicht auch für die NATO.“

P.P.S.
Zur rapide weiter zurückgehenden Unterstützung des Einsatzes in Afghanistan bei Bürgerinnen und Bürgern und zum wachsenden Misstrauen hinsichtlich der Informationspolitik der Bundesregierung siehe dimap-Umfrage v. 30.11.-2.12.2009
, http://www.infratest-dimap.de/uploads/media/dt0912_bericht.pdf.

 

(43) 3.12.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Debatte um das Schweizer Minarett-Verbot (Peter Pauls "Unbehagen in der Tabuzone", KStAnz. v. 2.12.2009, S. 4; Leserbriefe unter der Überschrift "Die Schweizer haben gut entschieden", ebd. S. 28)

Der Kommentator hält der aktiven Rolle des Stadt-Anzeigers zu Gute, dass die lange wabernde Kölner Debatte Akzeptanz und Toleranz für Minarette gefördert hat. Das mag man auch bezweifeln. Zwar muss ein Leserforum nicht repräsentativ sein. Aber am 2.12.2009 sprach der Schweizer Entscheid jedenfalls elf von zwölf regionalen Stimmen geradezu aus dem Herzen. Die verbleibende eine, abwägend kritische Position hatte dem Namen nach Migrationshintergrund und kam von weit her, aus Frankfurt. Die Kölner könnten die Schweizer also locker in den Schatten stellen, etwa im Verhältnis eines Domturms zu einem Minarett.

Ich habe nichts gegen Volksentscheide, beileibe nicht. Sie lassen sich ja im Lichte weiterer Erfahrungen auf dem gleichen Wege revidieren. Aber man darf nicht verkennen: Auch Plebiszite können politisch gesteuert und instrumentalisiert sein, wie hier in der Schweiz. Und: Im konkreten Fall richtet sich - wie schon im Falle des Kopftuches - eine diffuse, im Grunde ausschließlich medial vermittelte Angst mangels veritabler Gegner des täglichen Lebens gegen Symbole. Die vielen sehr bürgerlichen, wackeren und ordnungstreuen Mitmenschen türkischer Herkunft sind sicher keine aktuellen Gegner. Aber wäre ich ein Türke, ich hätte es schon bei den Leserbriefen zur Kölner Moschee mächtig mit der Angst zu tun bekommen. Für mich und meine Kinder und Enkel.

 

(42) 29.11.2009
Bonner General-Anzeiger
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 4.11.2009 (Ihr Artikel: Volksverhetzung bleibt verboten, General-Anzeiger v. 18.11.2009, S. 4)

Das ist ein sehr schöner und auch beruhigender Gedanke, den das    Bundesverfassungsgericht am 4.11.2009 gegen die Heß-Gedenk-Veranstaltung formuliert hat: Die Verfassung ist ein historisches Lehrstück, ein kollektives Gedächtnis und Gewissen, das - ausgedrückt im Aufbau und in vielen Details - jede Wiederholung des nationalsozialistischen Unrechts ein für alle Mal ausschließen soll (BVerfG Rn. 65). Das menschenverachtende Regime hat - wie das BVerfG hier auch ausführt - unermessliches Leid über Europa und die Welt gebracht. Ziel und seine zentrale Handlungsform der Führung war ja gerade der Angriffskrieg, ohne den auch der Holocaust niemals seine historisch einzigartige, nicht zu bewältigende Dimension erhalten hätte. Sichtbare konstitutionelle Reflexe dieser kollektiven Erfahrung sind das Verbot von Angriffskriegen und die ausdrückliche Selbstbeschränkung auf Verteidigung.

Wenn diese Haltung zum Krieg für Deutschland Identifikations-stiftend ist, dann möchte man sich für die Frage, unter welchen konkreten Umständen ein Krieg Verteidigungskrieg ist, eine ebenso stabile Haltung der Republik wünschen wie die zu den rechtsradikalen Aufmärschen. Es sollte nicht der Exekutive überlassen sein, Krieg und Nicht-Krieg oder mögliche Zwischenformen zu definieren. Dies sollte entweder in der Verfassung selbst angelegt sein - viele Juristen sehen durch die Auslandseinsätze die Grenzen des wohlerwogenen Verfassungswortlauts längst überschritten - oder der Handlungsrahmen sollte zumindest in einem materiellen Gesetz rechtsstaatlich konkretisiert werden. Das wäre eine angemessene Lehre aus dem Krieg - und aus der aktuellen Rechtsprechung.

P.S.: link zu BVerfG v. 4.11.2009, Az. 1 BvR 2150/08: www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20091104_1bvr215008.html

 

(41) 17.11.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Debatte um Steuersenkungen und die etwaige Auswirkung auf die Finanzlage speziell der Kommunen

Interessant im Zusammenhang mit einer Steuersenkung und zu der Ankündigung der FDP, diese notfalls über den Landtagswahlkampf NRW durchzusetzen, sind zwei aktuelle Zitate aus verlässlicher Quelle. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sagt in eher ungewöhnlichem Klartext: "Angesichts der enormen Konsolidierungserfordernisse sind derartige Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung mit einer seriösen Finanzpolitik nicht vereinbar" (Jahresgutachten 2009 S. 12, Rn. 24). Und der NRW-Kommunalfinanzbericht 2009 spricht nüchtern aus, dass die Gemeinden an ihren aufgelaufenen Schulden zu ersticken drohen: "Die kommunalen Verbindlichkeiten sind daher trotz verbesserter Gesamteinnahmen um 928 Millionen Euro weiter gewachsen" (Bericht 2009, S. 10). Die trotzigen, wenig realitätsbezogenen Vorstellungen der FDP gefährden - leider muss man es drastisch sagen - jeden Spielraum zur Sanierung der völlig zerzausten kommunalen Finanzen.

Nur nebenbei sei erwähnt: Der Sachverständigenrat sieht in einem klaren Votum für mehr und bessere Bildung eine besondere Priorität bei der frühkindlichen Erziehung. Das ist sehr schlüssig, auch das muss auf der kommunalen Bühne geschehen und auch das braucht die Förderung des Gemeinwesens.

Quellen / links

Kommunalfinanzbericht 2009
http://www.im.nrw.de/imshop/shopdocs/kommunalfinanzbericht_0909.pdf

Jahresgutachten 2009 der "Fünf Weisen"
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/gutacht/ga-content.php?gaid=55 (Bestellen / download Jahresgutachten 2009)
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/press/pressrelease.php?pm=0 (PM Jahresgutachten 2009)

 

(40) 30.10.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Koalitionsvertrag und desolate kommunale Finanzen

Auf drei Stellen des Koalitionsvertrages sollten insbesondere die Bürger/innen der von Verarmung bedrohten Kommunen sehr achten und sie sollten massiv auf ihre unverzügliche Umsetzung drängen: Einerseits sind es zwei der etwas versteckten "goldenen Regeln" auf S. 20, nämlich der grundsätzliche Finanzierungsvorbehalt und die ausgewogene Lastenverteilung zwischen den Ebenen der öffentlichen Haushalte. Zum anderen ist es das Versprechen auf S. 14, die Gemeindefinanzierung neu zu ordnen. Die Ankündigung eines Arbeitskreises ist zwar nicht fürchterlich viel, aber was lohnt das Klagen? Und wenn da nichts glückt, dann haben wir den Staat in kurzer Zeit an der völlig falschen Stelle kaputtgespart, nämlich an der Basis der Finanzpyramide. Dort, wo die Menschen wohnen und das Geld verdienen und wo man Demokratie (noch) anfassen kann.

 

(39) 27.10.2009
SPIEGEL
Bundesfinanzen; zu "Vorsicht, Schwarz-Gelb" (SPIEGEL Nr. 44 v. 26.10.2009, S. 24ff)

Vermengt man sattes Schwarz mit dunklem Gelb, so kann man Umbra mischen, die Farbe des Schattens. Oberster Umbrist ist unser Vizekanzler in spe. Ihm war sein jahrelanges Seligkeitsding nicht aus der Hand zu schlagen: das Mantra einer breiten Steuersenkung. Mag dies bei mittelfristig miserabelster Haushaltslage heute auch mehr als trotzig klingen.

Natur und Sicherheitstechnik nutzen übrigens gerne den Kontrast zwischen Schwarz und Gelb - als Warnfarbe, wie es auch der Spiegel-Titel schön illustriert hat. Sehr vertraut ist uns das schwarz-gelbe Schild mit der Warnung vor radioaktiven Stoffen und ionisierenden Strahlen. Die Halbwertzeit dieses Schildes in den Hausfarben wird die Koalition konsequent verlängern.

http://de.wikipedia.org/wiki/Warnfarbe
http://de.wikipedia.org/wiki/Gelb

 

(38) 23.10.2009
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt: 30.10.2009
Koalitionsverhandlungen; Finanzierungsinstrumente (u.a. "Bildstörungen", "Schwarz-Gelb zuckt zurück", "Müllabfuhr / Gastwirte", F.A.Z. v. 23.10.2009, S. 1f, 11 )

"Warum bewerben Sie sich überhaupt? Das macht doch bei der desolaten Lage der städtischen Finanzen gar keinen Spaß!" So teilnahmsvoll erkundigte sich neulich einer meiner Mitbewerber bei der Bürgermeisterwahl in NRW.

Wer Bürger einer deutschen Opferstock-Gemeinde ist - und wir werden immer mehr -, der muss die derzeitigen Finanzplanspiele auf Bundesebene mit zunehmender Verstimmung und Sorge betrachten. Viele Orte taumeln dem finanziellen Exitus entgegen, dem vollständigen Verzehr des Eigenkapitals, damit dem weiteren Abbau bindungskräftiger örtlicher Infrastruktur wie Jugendzentren, Büchereien und Bäder, in letzter Konsequenz dem Verlust politischer Eigenständigkeit.

Im Kommunalwahlkampf beschreiben und entschuldigen die Parteien die offenbare Misere gerne als strukturell bedingt. Etwa als Folge der volatilen Gewerbesteuer: es müsse halt endlich eine nachhaltig wirkende Gemeindefinanzreform her. Doch davon hört man nun leider gar nichts mehr. Im Gegenteil dürften die Ideen zur stärkeren Besteuerung öffentlicher Müllentsorgung und zur steuerlichen Entlastung der Wirtschaft die budgetäre Schieflage vieler Kommunen noch weiter verschärfen. Und die ambitionierten Pläne der neuen Koalition werden auch mittel- und langfristig jeden finanziellen Spielraum zur Entlastung des kommunalen Stockwerks verzehren. Damit geht gleichzeitig immer mehr Demokratie verloren, genau die für viele Bürger praktisch erfahrbare Mitgestaltung vor Ort. Und das ist immerhin gleichzeitig die politische Petrischale für die Landes- und Bundesebene.

 

(37) 23.10.2009
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 2.11.2009
Koalitionsverhandlungen; Schattenhaushalt (u.a. Süddeutsche 22.10.2009 S. 4, Heribert Prantl "Das Narrenschiff")

Wer wie ich in einer sehr klammen Gemeinde lebt, den stört auch eine im Effekt antidemokratische Komponente der schönen neuen Finanz-Instrumente, gleich ob sie nun sofort greifen werden oder mit ein wenig schamhafter Verzögerung: Bei zahlreichen deutschen Kommunen ist das Tafelsilber ganz oder nahezu dahin. Ihre letzte Hoffnung lag in einer unverzüglichen fairen Anpassung der Steuerverteilung im Gesamtstaat. Sie müsste die Gemeinden vom willkürlichen Oszillieren der Gewerbesteuern befreien und schlimmste regionale Fehlsteuerungen ausgleichen. Und in den aktuellen kommunalen Wahlkämpfen waren die örtlichen Parteigliederungen denn auch nicht müde geworden, auf die Verantwortung Ranghöherer für die um sich greifenden Finanzlöcher zu verweisen - etwa gerade noch weiträumig in NRW. Wenn aber überhaupt noch Spielraum für die angemessene Alimentierung des demokratischen Kellergeschosses - der Gemeinden eben - bestand, die Bundes-Koalitions-Aspiranten haben jetzt alles aufgefuttert mit Haushaltsplanungen, die ihre Schatten auf Jahre im Voraus werfen. Ja, sie haben die lokale Zukunft Stück für Stück eigennützig kannibalisiert.

Wenn nun den Kommunen reihenweise Landesaufsicht und Sparkommissar ins Haus steht, wenn als letzte Lösung vielfach nur die Zusammenlegung und Zentralisierung bleiben wird, dann war schon die letzte Kommunalwahl eine Farce. Wir hätten sie besser gleich eingespart. Denn über was haben diese Räte noch mündig zu entscheiden? Und welcher befähigte Nachwuchs soll sich unter diesen Bedingungen noch für einen kommunalen Einstieg in ein politisch aktives Leben interessieren? "Ochsentour" erhält unter heutigen Bedingungen einen besonders masochistischen Beiklang. Und die Ochsen werden grau und grauer.

 

(36) 29.9.2009
TIME
strategy for Afghanistan; Simon Robinson "Looking for the way ahead" (TIME Sept. 28, 2009, p. 24f)

Hun or nun? Up to 1990 U.S. Media loved to stage German soldiers as huns, still due to their fierce appearance in WW 1&2. In the new wars after 1990 Germans were mostly derided as nuns. With the Kundus tanker incident they seem to be switching to the hun character again.

The way ahead? Maybe us Germans should at first apply Kant's categorical imperative or the rule of law, and define democratically: "What are the precise and numbered reasons to wage a war and kill men? Shall it be defense, humanity, economic interest and/or world order?" That's what the world could draw profits on, even the U.S. and the War Powers Act.

 

(35) 18.9.2009
TIME
Islam; "A gentler Islam" by Ishaan Tharoor (TIME September 21, 2009, p. 52)

What a nice idea! To act authentically - which lies at the heart of Sufism - the West should go ahead as a guide: No hierarchy, except of wisdom, no material assets, neither paradise nor hell, no Manichaean Divide, only shades or intensities of good, and any man with a lifelong chance to proceed to happiness and to unity with God. Be sensible: That may sound quite like the original Jesus, but it wouldn't be the West any longer.

Further on: If we would exploit Sufism in a divide et impera manner, just to erode and split up the world of Islam, there would be uncounted numbers of victims. E.g. in Iran Sufis seem to be object of severe discrimination and prosecution already.

 

(34) 17.9.2009
FOCUS
Afghanistan; Olaf Opitz / Thomas Wiegold: "Sprengsatz für die Heimatfront" (FOCUS 38/2009 S, 20 ff)

Ich würde ja gerne empfehlen, auszuharren und auf eine neue Wende im Kriegsglück zu warten. Allerdings fehlt mir der Glaube.

Genau betrachtet ist die jüngere Geschichte Afghanistans die Geschichte zweier verschachtelter Bärenfallen. Die erste hatte Zbigniew Brzezinski, außenpolitischer Berater des am Ende glücklosen Carter, in einem brisanten Interview des Nouvel Observateur beschrieben: Wie nämlich Amerikaner und Pakistanis noch vor dem sowjetischen Einmarsch i.J. 1979 die Glaubenskrieger Afghanistans ermutigt und gerüstet hatten und die Russen dann ganz programmgemäß an dem vergifteten Happen erstickt waren. "Afghanen" im Sinne von dort ertüchtigten und globalisierten muslimischen Guerilla-Kämpfern kamen danach bei den verschiedensten Terror-Attacken weltweit wieder an die Oberfläche, in Aden, Basilan, Bosnien, Tadschikistan, Kairo, Kaschmir - und New York, schon beim ersten Anschlag auf das World Trade Center im Februar 1993. Der zweite und finale Anschlag im September 2001 war gleichzeitig die zweite Bärenfalle. Sie verstrickte den Westen berechenbar in einen globalen Krieg gegen den Terror - und führte ihn eben zurück nach Afghanistan.

Zbigniew Brzezinski warnt nun - späte Einsicht -, wir könnten riskieren, ungewollt das Schicksal der Sowjets zu wiederholen. Was sehr nahe liegt: Die russische Interventionsarmee umfasste mehr als 115.000 Kräfte, die derzeitigen ISAF-Truppen machen nur etwas mehr als die Hälfte davon aus. Im Irak konnten etwa 300.000 alliierte Truppen keine nachhaltige Wende herbeiführen, trotz einer im Vergleich zu Afghanistan grundsätzlich einfacheren Topographie und einer deutlich moderneren Gesellschaftsstruktur. Der Trend geht in Afghanistan seit mindestens drei Jahren intensiv gegen den Westen. Recht behalten wollen wird voraussichtlich zu mehr Elend führen und gerade nicht unser Gesicht wahren.

P.S.

·        zu Abs. 2:
Brzezinski-Interview des Nouvel Observateur (Jan. 1998)
http://www.globalresearch.ca/articles/BRZ110A.html

·        zur blutigen Spur der "Afghanen" nach 1979 siehe Artikel von Hans-Josef Horchem in der WELT v. 19.8.1993, den ich leider nur als Papier habe, wiedergegeben aber auf meiner homepage:
http://vo2s.de/3600irak.html (dort am Ende)

·        zu Abs. 3:
aktuelle Äußerung Brzezinskis (Interview Deutsche Welle, Okt. 2008)
http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3710665,00.html

 

(33) 14.9.2009
NewScientist
Computer-based evolution; Susan Blackmore: "The third replicator" (NewScientist 1 Aug. 2009, p.36 ff)

Would the third replicator necessarily make for an evolution more blind or more selfish than usually attributed to human politics? Perhaps it would be or will be even fitter for extrapolating complex long term trends and for adapting just in time - a new and cooler way, how Gaia would run itself. But of course, it would be detrimental to the role of mankind.

As for a name I would suggest "robe" or "rome", for robot-based or robot-managed evolutionary units.

 

(32) 14.9.2009
Frankfurter Allgemeine
Widerstand und Afghanistan-Strategie; Hans-Walter von der Hülsen: "Was der Feind fürchten muss in Afghanistan" (F.A.Z. 14.9.2009, S. 20)

Ich will Herrn von der Hülsen keinerlei Position zu einem der gleich im Nachfolgenden beschriebenen Konflikte unterstellen. Aber sein selbstgewisser oder selbstvergewissernder Leserbrief mit dem Rat zu einer stärker selbstzentrierten, vereinfachenden und durchschlagenden Vorgehensweise in Afghanistan, der hätte mit ähnlichen Details im Jahre 1777 aus London kommen können, 1813 aus Paris, 1944 aus Berlin. Und zwar jeweils zur Wende im Kriegsglück von Interventionsarmeen - der Briten in Nordamerika, der Franzosen in Deutschland und der Deutschen auf dem Balkan. Alle diese Armeen hatten massiv auch mit zivilem bzw. unkonventionellem Widerstand zu tun und haben mit am Ende ganz unproduktiver Härte reagiert, die übrigens auch jeweils sehr spät erst aufgearbeitet wurde.

Ganz anders als Herr von der Hülsen sehe ich auch einen höheren ethischen Begründungszwang, was den Blutzoll von Ausländern angeht. Diese haben keine Möglichkeit, "im eigenen Lager" auf die deutsche Legislative und Exekutive einzuwirken, wie es Inländer haben, auch unsere Soldaten. Sie müssen sich deren Entscheidungen daher auch nicht im Zweifel als eigene zurechnen lassen. Leider gibt das traditionelle Völkerrecht den zu Schaden gekommenen Ausländern nicht einmal zivilrechtliche oder die Grundrechte schützende Waffen.  Risiko und Rückkopplung nach Einsatzentscheidungen bleiben daher für die nationale Politik eher gering. Wir Zivilisten sollten schon selbst Solidarität und Identifikation mit den Zivilisten im Ausland zeigen - am Ende im höchsteigenen Interesse.

 

(31) 10.9.2009
DIE ZEIT, abgedruckt 24.9.2009
Afghanistan; Josef Joffe: "Deutschlands Krieg", Matthias Geis: "Sein verlorener Krieg", Jochen Bittner u.a.: "Was haben wir getan!" (DIE ZEIT Nr. 38 v. 10.9.2009, S. 1-3)

Der Verteidigungsminister ist überfordert? Nur insoweit, als Deutschland und der Westen insgesamt mit dem Ende der Nachkriegszeit überfordert waren und sind. Es gab nach 1990 keine gesellschaftliche Debatte über Weltordnungspolitik und ihr komplexes Verhältnis zu Souveränität und Menschenrechten, keine unter Schmerzen abgestimmte Anpassung von völkerrechtlichen Verträgen und nationalen Verfassungen, nur das von massiven Investitionen begleitete militärische Durchhangeln von Fall zu Fall. Ohne öffentliche Evaluation, ohne rechtlich abstrahierbare Lehren, also: ohne rechtsstaatliches Ehrlichmachen. Eine - unerhörte - Sternstunde blieb die eindringliche Mahnung des Bundespräsidenten am 10.10.2005, zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr. Bei einem Truppenbesuch am 28.8.2009, also kurz vor der Tanklaster-causa, hatte er nochmal an die noch immer ausstehenden Hausaufgaben der Politik erinnert.

In ärgerlich-kämpferischer Pose hat sich nun die Kanzlerin am 8.9.2009 im Bundestag jede Vorverurteilung verbeten, von innen wie von außen. Viele schlossen sich an, rallying around the flag. Treten wir doch einmal zehn Meter vom Geschehen zurück: Steckt nicht schon in ihrer gleichzeitigen Aussage "Jeder in Afghanistan unschuldig Getötete ist einer zu viel!" eine existenziell wirksame Vorverurteilung? Auf welche Schuld steht Todesstrafe? Und wer will mit diesen Folgen über die Unterschiede zwischen Patrioten, Aufständischen, Partisanen, Résistance-Kämpfern, Freikorps, Milizen, Bürgerwehren, Landsturm, einer nordamerikanischen Continental Army und Befreiungs-Kämpfern richten? Kann man überhaupt irgendjemandem im ländlichen Afghanistan eine kritische Haltung gegenüber der Zentralregierung übel nehmen? Hatte nicht der anfordernde Offizier mangels Kampfhandlungen am Boden Kompetenzen überschritten? Und muss nicht ohnehin jeder durchschnittlich einfühlsame Mensch mit einem Bombenangriff auf Tankzüge eine grausame Kriegführung assoziieren wie mit Napalm, Phosphor oder den Flammenstürmen nach den Flächenbombardements des 20. Jahrhunderts?

Letzte Anmerkung, und ich hoffe, der Blick in die eigene Geschichte kann den Realismus stärken. Was verbindet unsere Schützenvereine und die Taliban? Beide haben bzw. hatten wesentliche Wurzeln und ihr emotionales Treibmittel in ungeliebten Besatzungen. Widerstand ist Gewalt mit dem Vorteil des Heimspiels und die Zeit spielt immer für ihn. Zurück bleiben Erinnerungen an wüste Kämpfer wie im Bergischen Land an den verwegenen Gottfried Müller aus Odenthal. Sein nom de guerre war "Kappes-Gottfried", weil er die Franzosen nach eigener Aussage wie Kappes niedermähte. Und es blieben einige zivilisatorische Errungenschaften wie die Standesämter im Rheinland, das Eau de Cologne - und die Fisternöllchen, die "fils de nul". Neben Zehntausenden von Toten und den späteren Revanche-Kriegen mit dann vielen Millionen.

 

(30) 9.9.2009
PSYCHOLOGIE HEUTE, abgedruckt im Februar-Heft 2010
(und die „erfrischende Unfertigkeit“ auch gleich Freunde gefunden, s. http://simplepower.blog.de/2010/01/14/gutes-gespraech-7755822/)
kreativer Dialog; Birgit Schönbergers Artikel "Wie entsteht ein gutes Gespräch?" (PSYCHOLOGIE HEUTE, Okt. 2009, S. 31 ff)

Da ist es wieder, das Seligkeitsding, das gute Gespräch. Aber was ist es wirklich? Für mich ist es nicht vermessbar, nicht terminierbar, nicht protokollierbar, ist auch nicht zu coachen. Es entscheidet nichts, kann aber für Entscheidungen öffnen. Es therapiert nicht, denn es funktioniert erst jenseits der Jammerphase. Im Grunde ist es ein kleines Austrittserlebnis, bei dem sich im Kreuzfeuer der Spiegelneuronen Rollen und Hierarchien jeder Art auflösen, Resonanz entsteht und sich die von Richard Dawkins "erfundenen" Meme neu arrangieren können. Viel häufiger wohl als gemeinhin angenommen hat eine – von uns bevorzugt individualisiert geortete – intelligente Leistung ihre Ursache in einer inspirierenden Kommunikation, die die Dinge ganz neu gewürfelt hatte.

An einem schönen Sommertag saß vielleicht eine kleine Gruppe Menschen an einer Quelle oder auf einem Bergrücken am großen Grabenbruch und gab erstmals dem Gedanken Laut: "Afrika ist beileibe nicht alles!" Das ist es, was ein gutes Gespräch den Beteiligten immer wieder klar macht: Die erfrischende Unfertigkeit dieser Welt.

 

(29) 8.9.2009
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 12.9.2009
Afghanistan-Einsatz (u.a. Heribert Prantl "Krieg und Wahlkampf"; Süddeutsche v. 8.9.2009) und zur aktuellen Regierungserklärung der Kanzlerin

Manchmal kommen Waffengänge im Wahlkampf zupass, aber das sind meist die frischen, unabgenutzten Kriege. Sind sie älter schon als der zweite Weltkrieg und zunehmend hässlich, dann mehren sich die unbequemen Fragen. Fast unbeachtet blieb leider, was unser Bundespräsident nur wenige Tage vor Entführung und folgendem Bombardement der Tankzüge bei einem Besuch des Gefechtsübungszentrums in Letzlingen sagte: "Wir alle, vor allem die Politik, haben die Aufgabe, den Einsatz in Afghanistan zu erklären". Das knüpfte an seine fulminante, gleichwohl bis heute weitgehend unerhörte Rede zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr an. An die Rede vom 10. Oktober 2005 nämlich mit mehr als 10 bohrenden Fragezeichen zur Aufgabenstellung der Bundeswehr und zu ihrer wettersicheren Verankerung in der Gesellschaft. "Das freundliche Desinteresse" hat sich nach seinem Eindruck "noch nicht wirklich in ein auch sorgenvolles Interesse" gewandelt.

Und wie schnell sich öffentliche Eindrücke wandeln können: Dr. Köhler zeigte sich noch vor wenigen Tagen froh darüber, dass die US-Amerikaner inzwischen stärker darauf setzen, die Menschen im Lande von den Zielen des Einsatzes zu überzeugen.

Und, pardon, das kann man mit dem ungelenken Versuch einer nachträglichen taktischen Rechtfertigung nun wirklich nicht. Nicht die Taliban haben aus den immobilisierten Tankzügen einen grauenhaften Molotow-Cocktail gemacht, sondern der Einsatz-lenkende deutsche Offizier und alle, die ihn vorher und nachher unterstützt haben. Da kann ich auch die selbstgewisse Betonung der Kanzlerin - wir fühlen mit den unschuldigen Opfern - nur als unsäglich kalt und inhaltlich belanglos werten. Wem von uns steht an, die am Konflikt Beteiligten sauber in schuldig und unschuldig einzuteilen? Wo ist der leicht beweisbare Unterschied zwischen Patrioten, Guerillas, Partisanen, Freischärlern, Widerständlern, Résistance- und Befreiungskämpfern, die es auch in unserer Geschichte reichlich gab? Wer hat die Mujaheddin stark gemacht?

Leider sind wir mit der kardinalen Debatte - zu welchem Zweck wollen wir militärische Gewalt einsetzen und was sind die belastbaren Erträge - extrem spät dran, für diesen Wahlkampf viel zu spät. Aber die Prätendenten sollten uns diesen Dialog nun wenigstens fest versprechen.

P.S.
Truppenbesuch des Bundespräsidenten am 28.8.2009:
http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4k3cQsESUGY5vqRMLGglFR9b31fj_zcVP0A_YLciHJHR0VFAFBC9EY!/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfRF8zM1E2?yw_contentURL=%2FC1256F1200608B1B%2FW27VFARM867INFODE%2Fcontent.jsp

Grundsatzrede des Bundespräsidenten am 10.10.2005:
http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_630701/Rede-Kommandeurtagung.pdf

 

(28) 8.9.2009
WZ / Bergischer Volksbote, abgedruckt 28.9.2009
Afghanistan; Angriff auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan / Kommentar von Miguel Sanchez "Angriff muss ein politisches Nachspiel haben" (WZ / Bergischer Volksbote v. 7.9.2009, S. 2)

Auch wenn es Illusionen aufs Spiel setzt: Der Trend geht in Afghanistan seit mindestens vier Jahren stramm gegen uns. Die Tanklaster-Katastrophe - ob verschuldet oder nicht - wird die Rahmenbedingungen nur weiter verschlechtern. Selbst eine "surge" nach dem Vorbild des Irak-Krieges, also eine entschlossene militärische Verstärkung, könnte uns vielleicht einen besseren Abgang verschaffen; sie gäbe aber nicht die Aussicht auf eine neuerliche Wende. Das uns alle irritierende gegenseitige Fingerzeigen der Verbündeten ist denn nichts anderes als der Ausweis nachhaltiger Ratlosigkeit.

Bundespräsident Dr. Köhler hatte am 10.10.2005, zum "Fünfzigsten" der Bundeswehr, eine breite gesellschaftliche Debatte zu Nutzen und Lasten von Auslandseinsätzen angemahnt. Verpasst! So kurz vor der Wahl kann das niemand mehr seriös organisieren.

 

(27) 7.9.2009
Frankfurter Allgemeine
Afghanistan; Berthold Kohlers Kommentar "Der Wille des Westens" (F.A.Z. 7.9.2009, S. 1)

Als - nach meiner Wehrdienstzeit - heute völlig luftwaffenloser Leser teile ich die Frage meines Luxemburger Leidensgenossen: Wieso feuert man auf immobilisierte, voll beladene Tanklastzüge, festgefahren nicht einmal in Fahrtrichtung deutscher oder alliierter Stellungen? Gab es zwischen Anordnung und Ausführung kein Korrekturglied? Reicht die im ländlichen Afghanistan ubiquitäre Bewaffnung aus, um eine Gruppe als vollständig oder überwiegend gegnerisch auszuweisen?

Und unabhängig davon: Offenbar für alle Beteiligten sind wir in Afghanistan engagiert, weil wir einmal hereingegangen sind und derzeit keinen Ausgang sehen, der unser militärisches Drohpotenzial, unsere Akzeptanz im Bündnis und unser kulturelles Leitbild schonen würde. Diese bereits lange währende allgemeine Ratlosigkeit der Verbündeten und ihre Zerstrittenheit nach dem desaströsen Angriff passen leider zu einander.

 

(26) 7.9.2009
DIE WELT, abgedruckt: 10.9.2009
Afghanistan; Kommentar von Dietrich Alexander "Bundeswehr am Pranger" und zum Interview mit Reinhard Robbe "Das ist auch die Angst vor der Geschichte" (DIE WELT 7.9.2009, S. 6 u. 4)

Wir haben uns schon fast daran gewöhnt: "Kriegerische Konflikte ohne zivile Opfer gibt es nicht." Oder: Selbst ein kontinuierlicher ziviler Blutzoll schließt deutsche Beteiligung nicht aus.

Dabei liegt die eigentliche verfassungsrechtliche Frage ungelöst dahinter und sie wird auch nicht durch die schon routinehafte Verlängerung von Einsatzbeschlüssen erledigt: Welches zivile (oder militärische) Opfer wird generell durch welche zu schützenden Grundwerte gerechtfertigt, kraft welcher generellen Eingriffsgrundlage? Dies und zuallererst dies schulden die Politiker den Soldaten - und wir, das Volk, schulden unseren Soldaten die tragfähige gesellschaftliche Debatte dazu. Fürbitten-Gebete, Denkminuten oder Autorenfilme, lieber Herr Robbe, können diesen Prozess nicht einmal ansatzweise ersetzen.

 

(25) 7.9.2009
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 11.9.2009
Angriff auf Tanklaster in Afghanistan; Burkhard von Pappenheims Kommentar "Afghanistan im Sog der Gewalt" (KStA v. 5./6.9.2009, S. 4)

Lassen wir die Frage beiseite, ob der Angriff auf die festgefahrenen Tanklastzüge militärisch notwendig war. Lassen wir auch ungeklärt, ob es heute eine unzweifelhafte verfassungsrechtliche Grundlage für einen deutschen Militäreinsatz am Hindukusch gibt - wenn es denn jemals eine solche gegeben hat.

Fragen wir lieber, warum die nach 1990 veränderte Aufgabenstellung der Bundeswehr in keinem bisherigen Wahlkampf eine prominente Rolle gespielt hat, dies übrigens nicht einmal, nachdem der Bundespräsident zum 50. Geburtstag der Bundeswehr die ausstehende gesellschaftliche Debatte so nachdrücklich angemahnt hatte. Dann können wir eine Aussage zum Wirkungsgrad von Demokratie in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik treffen, immerhin einer der Lebensfragen der Nation.

"Den Einsatz erhöhen", wie es Herr von Pappenheim erwägt, ist doppeldeutig. Manche Spieler handeln so. Paul Watzlawick hat diese Strategie als ein Kernelement in seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" beschrieben: Mehr desselben Handelns führt zumeist zu mehr desselben Elends.

P.S.: link zur Rede von Herrn Bundespräsidenten Dr. Köhler am 10.10.2005:
http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_630701/Rede-Kommandeurtagung.pdf

 

(24) 30.8.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Bürgermeisterwahl in Burscheid / Finanzen (KStAnz Ausgabe Rhein-Wupper v. 27.8.2009, S. 37 "Auf jeden Fall ein neuer Bürgermeister")

Im Rahmen der Vorstellung einzelner Kandidaten steht eine entwarnend klingende Aussage zu den städtischen Finanzen: "... gelang es der Verwaltung, die Schulden der Stadt seit 2005 kontinuierlich abzubauen - von 35 Millionen vor einigen Jahren auf zuletzt 26 Millionen in 2009. Schön wär's.

Leider ist die Wirklichkeit weit weniger sonnig. Die 26 Millionen sind nur ein Betrag aus mehreren Schuldensparten der Stadt, nämlich die so genannten Kommunaldarlehen. Will man wissen, für was die Bürger/innen irgendwann gerade zu stehen haben, so bildet man richtigerweise die Summe aller Verbindlichkeiten der Gemeinde, einschließlich der Kassenkredite und der Kredite zu Gunsten der Technischen Werke Burscheids (TWB). Das ergibt mit Stand 31.12.2008 die bekannten 50,978 Millionen, präzise nachzulesen im Internet-Angebot des Statistischen Landesamtes. Summa summarum baut sich nach dem städtischen Haushaltssicherungskonzept das städtische Vermögen kontinuierlich ab und wird in ca. drei Jahren aufgebraucht sein. Weswegen jedes geldwerte Wahlkampfversprechen zweifelhaft ist bzw. war.

P.S.
link zur Aufstellung des Statistischen Landesamtes: http://www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2009/pdf/94_09.pdf

 

(23) 24.8.2009
DER SPIEGEL, abgedruckt 31.8.2009
Ursachen, Verlauf und Folgen des zweiten Weltkrieges (Klaus Wiegrefe, "Der Krieg der Deutschen"; SPIEGEL Nr. 35 v. 24.8.2009, S. 58ff)

Krieg der Deutschen oder doch Krieg der Technokraten? Wesentliche Keime der beispiellosen Aggression und Entmenschlichung können wir auch unabhängig von Staatsgrenzen finden, in einer bereits damals globalisierten, kindlich wertefreien Technik-Elite. Exzellente Beispiele sind Henry Ford und Charles Lindbergh, aber auch Wernher von Braun, der amerikanische Militärattaché Truman Smith, der Deutsch-Amerikaner "Putzi" Hanfstaengl und sogar Joseph Kennedy. Ford, der mit seinen Kölner Lastwagen das logistische Rückgrat des Sudeten-Einmarsches gestählt hatte, nahm ebenso wie Lindbergh noch 1938 den höchsten Auslandsorden des Dritten Reichs entgegen, den Adlerorden. Ford Köln hat - anders als die Kölner - auch nicht unter Flächenbombardierungen gelitten.

Und im imposanten National Air & Space Museum kann man in fußläufiger Entfernung vom amerikanischen Kapitol eine bruchlose Familiengeschichte des deutsch-amerikanischen Schreckens genießen, u.a. mit Me 262, V1 und V2, sinnigerweise neben der Bodengruppe einer Saturn Vb.

Bleibt anzumerken: Die von Ford herausgegebenen Hass-Schriften der frühen Zwanziger Jahre waren die Fibel der noch unfertigen Nationalsozialisten in Sachen Paranoia und Rassismus, deutlich vor "Mein Kampf". Hitlers Amerika-Ausgabe hat später beides verklammert.

P.S.
Zum National Air and Space Museum: http://www.nasm.si.edu/exhibitions/gal114/index.cfm#v2
Quellen zu Absatz 3:  http://de.wikipedia.org/wiki/The_International_Jew

 

(22) 14.8.2009
Westdeutsche Zeitung / Bergischer Volksbote
Kommunalwahl 2009; Informationspolitik des WDR bei unabhängigen Kandidaten

Traue bloß keinem Sender über dreißig! WDR Lokalzeit hat am Abend des 12. August über den Kommunalwahlkampf in Burscheid berichtet. Die Matadore der Parteien kamen ausführlich live und in Farbe zu Wort. Und die einzige prägnante Alternative (mit Verlaub: der Unterzeichner), immerhin ein sehr erfahrener Verwaltungspraktiker mit klaren Ansagen zu den kritischen Lokalthemen Haushalt, Alleenradweg/Ortsumgehung und Rastanlagen? Ja, der bekam ein Standbild ab und den treuherzigen Hinweis, er wolle künftig die Bürger stärker einbinden. Na, toll! Im Übrigen: Lokale Idylle und über den Wipfel ist Ruh', von kleinen neckischen Rangeleien unter alten Freunden mal abgesehen. Seltsam nur: Der Kameramann, der auch mir angekündigt war, hat lieber den städtischen Beigeordneten länglichst an der Carrera-Bahn verewigt ("Pole-Position für Caplan!").

Auf meine verdatterte Nachfrage sagt der WDR am Donnerstag: "Sorry, aber Sie haben doch sowieso keine Chance!" Und wo kämen wir denn hin, müsste man alle Unabhängigen interviewen. Was das dann kosten würde! Ein auf Demokratie-Förderung verpflichtetes Medium stelle ich mir ganz anders vor und gerade unserem WDR steht solch eine krasse "Vorwahl" nicht zu!

P.S.:
Den Stream zur Lokalzeit am Mittwoch (Element "Wahlcheck in Burscheid") finden Sie unter
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2009/08/12/lokalzeit_bergisches_land.xml

 

(21) 3.8.2009
Westdeutsche Zeitung / Bergischer Volksbote
Debatte um die Wehrpflicht (Lothar Klein "Wie gerecht ist die Wehrpflicht?", WZ / Bergischer Volksbote v. 1.8.2009, S. 5)

Ob die reine Berufsarmee Gerechtigkeit schaffen kann, ist sehr fraglich. Gerade hatten wir noch die berechtigte Debatte um den überproportionalen Beitrag arbeitsloser deutscher Landstriche dort, wo es im Ausland militärisch brennt und wehtut.

Wenn schon ein Berufsheer, dann doch bitte eines aus Parlamentariern und Parlamentären, etwa für Afghanistan. Die gesunde Rückkopplung zwischen den Planenden und den Ausführenden hat schon Immanuel Kant in seiner unsterblichen Schrift "Zum ewigen Frieden" angeregt, und zwar mit diesem plastischen Negativ-Beispiel: So gab ein bulgarischer Fürst dem griechischen Kaiser, der gutmütigerweise seinen Streit mit ihm durch einen Zweikampf ausmachen wollte, zur Antwort: 'Ein Schmied, der Zangen hat, wird das glühende Eisen aus den Kohlen nicht mit seinen Händen herauslangen'. (Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 1795/1796, zitiert nach der Reclam-Ausgabe 2005, S. 17 unten).

 

(20) 23.7.2009
Newsweek
German Standort; Stefan Theil: "What lurks beneath" (Newsweek July 27, 2009, p. 22ff)

Over the years I read a lot of writings on the wall: Germany's labor force were vacationing - or skiving off work - almost all the year, taxes and tributes were exceedingly high, and the German Angst would roam destructively. The end would be economically at hand. Well, German export still makes a good living. Foreign direct investments in Germany are prospering as well. But yes, with techno-skepticism there may be a point. Using the most advanced US office suite, I feel like dying in friendly fire.

 

(19) 9.7.2009
Frankfurter Allgemeine
Bologna-Reform; Prof. Dr. Hans Joachim Meyer “Nur Mut zu einer Reform der Reform!”, F.A:Z. 6.7.2009, S. 7

Danke für Hans Joachim Meyers Mut machenden Appell! Richtig: Unsere eigenen Interessen und Stärken sollten im Vordergrund stehen, nicht der Versuch, eine blasse Kopie teils falsch verstandener, teils zu administrativen Zwecken missbrauchter Konzepte aus der großen weiten Welt zu etablieren.

Bei der vom Autor angeregten Herausforderung und Bewährungsprobe für den kulturellen Föderalismus möchte ich zweierlei wünschen, das allerdings auf weniger abgezirkelte Curricula und auf mehr “Losgröße 1" in der Bildung hinausliefe, gleichwohl die Zweistufigkeit nicht hinderte. Das eine setzt in der Schlussphase der Kompetenzvermittlung an, das andere ganz zu Anfang: “Beschäftigungsfähigkeit” würde ebenso lebensfremd wie utopisch verstanden, zielte sie auf ein unmittelbar produktives Losarbeiten am ersten ernsten Arbeitsplatz. Einen Teil der Verantwortung muss die Wirtschaft - oder andere Nutznießer des Bildungssystems - mit selbst gestalteten Integrations- und Weiterqualifizierungsphasen tragen, und klugerweise tun sie dies ohnehin. Hier muss man besser in einem Bildungskontinuum kooperieren. Zum anderen muss diese Verschränkung mit der Praxis - letztlich der Grundgedanke dualer Qualifizierung - bereits in einer frühen Phase akademischer Ausbildung gelebt werden und nicht etwa in einem verschämten Interim zwischen einer ersten und einer zweiten Stufe. Mehr noch: Wer aus einer voran gehenden beruflichen Qualifizierung den Praxistest bereits mitbringt, sollte mit sehr offenen Armen aufgenommen werden und viel gutgeschrieben erhalten.

Dank auch für die erleuchteten Anmerkungen zur neuen akademischen Sprachenwelt! Dass diese am ehesten schlechte Kopien blühen lässt, mag das ebenso geist- wie endlos reproduzierte Motto “Think global - act local!” zeigen. Anm.: Hier ist eigentlich zweimal Adverb gefragt und kein Adjektiv. Und man sollte die ernüchternde Erfahrung mancher bilingualer Studiengänge beherzigen, dass das Hirn fremdsprachiges Wissen teils abgesondert ablegt - und dann Verständnis- und Handlungsdefizite sowohl in der nativen wie in der zugelernten Sprachebene entstehen können. Sprache ist ohnedies nie weltanschaulich neutral - sie konnotiert immer zugleich Richtungsentscheidungen, ist damit unbemerkter Partei ergreifender Einfluss.

 

(18) 5.7.2009
Westdeutsche Zeitung
gesellschaftliche Debatte der Ziele und Ergebnisse der Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere am Beispiel Afghanistans (Ihre Berichterstattung in der WZ v. 4.7.2009, S. 1; Kommentar von Angela Gareis "Eine vorgeschobene Begründung" auf S. 2) der folgende Leserbrief:

Ihrem Aufruf zu einer Afghanistan-Diskussion stimme ich von ganzem Herzen zu. Die Bürger in Zivil wie auch in Uniform "können nur schwer einschätzen, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik verspricht, welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen die Kosten wert ist und welche Alternativen Deutschland und die Deutschen bei alledem haben. [...] Darum wünsche ich mir eine breite gesellschaftliche Debatte - nicht über die Bundeswehr, sondern über die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik unseres Landes."

Diesen dringenden Bedarf hat unser oberster Bürger, Herr Bundespräsident Dr. Köhler, am 10.10.2005 auf der Kommandeurtagung zum fünfzigjährigen Bestehen unserer Bundeswehr angemeldet. Zu den bereits fast 20 Fragezeichen seiner sehr nachdenklichen und lesenswerten Rede sind durch die kritische Entwicklung in Afghanistan einige hinzugekommen. Und wenn nicht in der Vorwahlzeit und bei der Wahl - wann sollte die Zeit für "nötige demokratische Kontrolle" sein, wie sie auch Herr Dr. Köhler dort gefordert hat? Die Wahl ist die Stunde des Volkes, für eine Rückkopplung auch zum Nutzen der Exekutive.

P.S.:
Link zur Rede v. 10.10.2005:
http://www.bundespraesident.de/dokumente/-,2.626864/Rede/dokument.htm.
In meiner Heimatgemeinde Burscheid hatte ich Ende 1993 eine Podiumsdiskussion organisiert zu den Fragen: "Was kann, was soll die Bundeswehr künftig leisten?" Siehe: www.vo2s.de/1993podium.pdf. Die Fragen sind noch sehr aktuell.

 

(17) 10.6.2009
Westdeutsche Zeitung
Wahlpflicht; Vorschlag von MdB Jörg Thießen nach der geringen Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl (Berichterstattung u. Kommentierung in der WZ v. 10.6.2009, S. 1f)

Vielleicht muss man die Wähler/innen gar nicht an den Haaren zu den Urnen schleifen, sondern könnte auch zwischen zwei Wahlterminen ihre Nähe - und ihren Rat - suchen. Dann würden sie sicher neugierig und kämen auch ganz zutraulich und in wieder wachsender Schar zum Wählen.

Das betont Repräsentative an unserer Demokratie hat halt immer auch das Risiko eines repräsentativen Anscheins oder Vakuums. Wie bei des Kaisers neuen Kleidern.

 

(16) 28.5.2009
Kölner Stadt-Anzeiger
Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts v. 26.5.2009 (Heinz Tutt im Stadt-Anzeiger v. 27.5.2009, S. 1, 4, 8)

Der - zumindest einstweilige - Verzicht auf die Stichwahl ist plausibel; denn gerade Stichwahlen vermitteln bei häufig ja sehr dünner Beteiligung nur eine im Wortsinne fadenscheinige Legitimation. Beim Wahltermin aber sollten wir über eine ganz andere Lösung nachdenken: Festlegung durch ein unabhängiges Gremium. Nur so können wir dem Verdacht von "durchsichtigen, taktischen Motiven der Landesregierung" vorbauen, der die Wähler nachhaltig und zu Recht verdrießen kann.

Dabei erscheint mir übrigens eine Verbindung Bundes-/Kommunalwahl nicht einmal abwegig: Der demokratische Dialog beginnt auch für Bundesfragen auf der Ebene der Bürger. Da kann nachgelegt werden; Bundesrecht ist idR wesentlicher Rahmen für kommunales Handeln und Leben. Und die vitalen, spezifisch lokalen Themen müssten die Matadoren gut parallel hochziehen können - wenn sie denn wirkliche Substanz haben. Eher als Schreckens-Szenario käme mir vor: Zwei weniger attraktive "Kellerkinder" - EU- und Kommunalwahl - halten sich für immer angstvoll umklammert, um nicht den demokratischen Kältetod zu sterben. Das wäre schlechte Dramaturgie. Das Publikum bliebe bald fern.

 

(15) 28.5.2009
Westdeutsche Zeitung, abgedruckt 11.6.2009, S. 14
Entscheidungen des VerfGH zur diesjährigen Kommunalwahl (Frank Uferkamp in der WZ v. 27.5.2009, S. 4)

Nachvollziehbar ist zunächst die Entscheidung zum ein- oder mehrstufigen Wahlverfahren: Auch die Stichwahl sorgt mit ihren teils sehr geringen Wahlbeteiligungen beim zweiten Urnengang regelmäßig für Legitimationsdefizite - da gibt es halt keinen Königsweg. Wahlen mit nur relativer Mehrheit sind allerdings deutschlandweit (noch) die große Ausnahme; derzeit gibt es sie nur bei uns und in Thüringen.

Für die andere Frage aber - fairer Wahltermin - empfehle ich eine Lösung, die dem Gericht hier nicht zu Gebote stand:  Festlegung durch eine unabhängige Kommission, und gerade nicht durch die jeweils amtierende Regierung. Die Wahlforschung ergibt zweifelsfrei: Für den späteren Ausgang ist Termin eben nicht gleich Termin. Weil nämlich die verlässlichere Wahldisziplin der eher älteren, konservativen Bevölkerung einen signifikanten Unterschied zwischen eher unspektakulären und eher aufregenden Terminen bewirkt. Festlegung durch die Regierungsparteien - und egal welche -  ist etwa so, als würde das schlaue Bäuerlein auf dem Wochenmarkt vor dem Abwiegen schon mal ein Gewicht in die Schale mit den Kartoffeln legen. Wer diese Absicht bemerkt, ist zu Recht verstimmt.

P.S.: Wortlaut der Entscheidungen zur Stichwahl und zum Wahltermin

 

(14) 20.5.2009
DIE ZEIT
Hessischer Kulturpreis 2009 (Thomas Assheuer "Ein Gotteslästerer?", ZEIT Nr. 22 v. 20.5.2009, S. 11)

Ich hoffe, dieser zumindest fahrlässig eskalierte Skandal gehört nicht am Ende doch zu den wahlzyklischen Ritualen, etwa den wohlfeilen Übungen in Xenophobie.

Wenn man bei Vergabe des Hessischen Kulturpreises die Messlatte anlegt, welcher Kandidat das aufnahmebereiteste und ausdrucksstärkste Medium an den Gelenken und in den Falzen der Buchreligionen ist, dann kann die Wahl trotz oder gerade wegen seiner noch jungen Jahre nur auf einen der vier Vorgeschlagenen fallen, auf Navid Kermani. Seine einsichtsvollen Leistungen füllen, auch wenn er die vierzig gerade erst überschritten hat, mehr als ein Lebenswerk. Und auch darum trennen ihn Generationen von den Mit-Kombattanten.

Übrigens: Wenn man uns schon einmal die Gelegenheit gibt, unsere institutionell geprägte Innensicht zu überwinden und das Marterl als das zu erkennen, was es objektiv nun einmal ist - ein Bild der schlimmsten Folter des Römischen Reiches und der Inhumanität schlechthin - , dann sollten wir dies intelligent nutzen. Und nicht in der sowohl von Kardinal Lehmann als auch von Peter Steinacker auffällig häufig betonten Angst verharren, von Dritten öffentlich missachtet zu werden.

 

(13) 20.5.2009
Frankfurter Allgemeine
Verleihung des Hessischen Kulturpreises (F.A.Z. v. 14., 15. u. 16.5.2009 mit Beiträgen von Lorenz Jäger, Navid Kermani, Martin Mosebach und Peter Steinacker)

Kermani spricht mir aus der Christenseele - mit seiner fundamentalen Kritik an der Kreuzigung als kirchlicher Bildmarke. Vor Jahren sah ich in einer kleinen, sehr alten protestantischen Kirche in Oberriexingen an der Enz eine Altar-Anordnung aus einem schlichten, blanken Kreuz und einem segnenden Christus. Sie vermittelte ohne jeden dramatischen Effekt, was ich glaube: In die Liebe der Schöpfung eingebettet zu sein. Diesen Glauben kann ich wohl mit mehr Menschen teilen als Kardinal Lehman und Peter Steinacker es könnten. Unter anderem mit Navid Kermani, einem jungen, aber schon herausragend vernetzten und verbindenden Medium zwischen den Kulturen.

 

(12) 20.5.2009
Süddeutsche Zeitung
Eklat um die geplante Verleihung des Hessischen Kulturpreises (Süddeutsche v. 18. u. 19.5.2009, jeweils S. 11; Beiträge von Johan Schloemann, Christoph Hickmann u. Matthias Drobinski)

Die Argumentation des Protestanten Steinacker hat mich überrascht. Natürlich gehört das Kreuz  n i c h t  zum ethischen Kern des Christentums. Das Kreuz ist und war ein Zeichen, Abzeichen, Trennzeichen, auch Heerzeichen. Und natürlich führt es für eher Uneingeweihte - für Nicht-Christen, aber auch für Kinder - eine Schreckensbotschaft mit, gerade in der elaborierten Form eines Kruzifix oder Marterl (sic!). Und ein solches Kreuz bildet, gemeinsam mit dem so mühsam zu vermittelnden Konstrukt der Dreieinigkeit, zumindest einen Widerspruch zum biblischen Verbot, sich ein Gottes-Bild zu zimmern. Alles gute Gründe für nachdenkliche Menschen, in einer implodierenden Welt ein sensibles Erlebnis wie das von Navid Kermani als Brücke und nicht als Graben zu nutzen.

Darum ist eigentliches Agens des erregten Konflikts wohl tatsächlich der mit der Nachbenennung Kermanis entstandene generation gap zwischen etablierter Würde und jugendlicher Brillanz und Sensorik.. Und dies wiederum hat eine großmaßstäbige Parallele im globalen wie lokalen Nebeneinander eines alternden Westens und eines vitaleren Ostens. Die diffizile lokale Kohabitation dürfte dann das besondere Problem Kochs ausmachen."

P.S. Ich hatte vor drei Jahren ein ähnliches Erlebnis wie Navid Kermani - in einer alten protestantischen Kirche in Oberriexingen an der Enz. Die froh und heiter stimmende Anordnung auf dem Altar: Ein blankes, schlichtes Kreuz und ein vitaler Jesus, der aufrecht davor steht und die Gemeinde segnet (und ein zweites, leichtes Kreuz in Händen hat).

Siehe auch folgenden link: http://www.elkw.de/gemeinden/oberriexingen/georgskirche/dieorgel

 

(11) 19.5.2009
DER SPIEGEL
missglückte Verleihung des Hessischen Kulturpreises 2009 (Matthias Bartsch u.a.: "Anschwellende Unduldsamkeit", Navid Kermani / Julia Bonstein: "Ich liebe Jesus"; SPIEGEL 21/2009 v. 18.5.2009, S. 130ff)

Mein Jesus lehrt Humanität und nicht das Märtyrertum. Er trennt nicht nach Graden, Zeichen oder Richtungen. Er ist alt und jung, lässt sich anfassen, ist bisweilen zornig, fast unbeherrscht - siehe Markus 11, 13-14. Er könnte ein naher Verwandter von Navid Kermani sein.

 

(10) 6.5.2009
Süddeutsche Zeitung
Aufnahme von unschuldig Internierten der Guantanamo Bay Naval Base u. Positionierung von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (Süddeutsche v. 5.5.2009, S. 6: Bericht v. Daniel Brösser "Deutschland stellt Bedingungen für Häftlingsaufnahme" auf; Kommentar auf S. 4: "Wahlkampf mit Guantanamo")

Bei ganz linken und ganz rechten Geistern kann ich eine Ohnemichel-Position letztlich nachvollziehen (Wer nix bestellt, zahlt auch kein Geld). Nicht aber bei einem exponierten Repräsentanten der christlichen Atlantiker wie Wolfgang Bosbach. Wirkt er nicht wie ein Trittbrettfahrer, der beim Nahen des Schaffners behände von der Tram hüpft und - flöt-flöt - in den Himmel schaut, als wäre nie etwas gewesen? Das ist weder christlich noch atlantisch. Und es vergibt die humanitäre Chance, vom Westen zerschmissenes Porzellan solidarisch zu kitten.

Ach ja: "Trittbrettfahrer" und "Ohnemichel" war in den Neunzigern bei den Atlantikern die probate Rhetorik, um Deutschland zu körperlichen Beiträgen zu einer aktiven, raumgreifenden Außen- und Sicherheitspolitik des Bündnisses zu bringen.

 

(9) 28.4.2009
Spektrum der Wissenschaft, abgeduckt im Spektrum 07/2009, S. 8 und online veröffentlicht 18.5.2009: www.spektrumverlag.de/artikel/995447,
H. J. Schlichting: "Schattentheater am Himmel" (Spektrum Mai 2009, S. 33)

Der am Ende des Beitrags erwähnte umgekehrte Strahlenkranz hat mich lange an meinem Verständnis von Optik und Himmelsmechanik zweifeln lassen: Vor Jahren stand ich abends am Westrand des Großen Grabenbruchs in Ost-Afrika und die Strahlen konvergierten irritierenderweise in einer Richtung, wo gerade keine Sonne sein durfte - im Osten nämlich. Es war spät und die Filme waren schon voll - keine Beweise, nur Verwirrung der Sinne. Vor zwei Jahren habe ich dann bei einer Reise durch den Westen der USA bewusst ähnliche Situationen gesucht und bin auch fündig geworden, siehe Anlage. Dort ist jeweils oben die Ost-, unten die Westrichtung festgehalten. Das Bild links oben zeigt übrigens auch den typischen wachsenden Schattenbalken unter dem aufsteigenden Sonnengegenpunkt.

Die für mich einfachste bildhafte Erklärung: Zwei Flugzeuge fliegen parallel genau über uns hinweg und wir sehen von unten auf zwei Kondensstreifen, die dann jeweils an den Horizonten perspektivisch zusammenlaufen. Das beeindruckende Schauspiel ist ab und zu auch in unseren Breiten gut sichtbar, wenn man weiß, wo und wann man auch kurz in die Gegenrichtung des Sonnenunter- oder -aufgangs spähen sollte. Piloten genießen den Anblick sicher häufiger.

P.S.
Eine Anmerkung noch zur Entwicklung unseres astronomischen Weltbildes: Die geozentrische Betrachtungsweise dürfte auch deshalb so verführerisch und nachhaltig wirksam gewesen sein, weil wir eine Korona wie auf dem mittleren Foto im Spektrum Mai 2009, S. 33 ganz unwillkürlich als ein zeltähnliches Bild interpretieren: Einige Strahlen scheinen räumlich vor der Sonne, die eher klein und nah wirkt, auf die Erde zu treffen, viele aber auch dahinter. Das "Zelt" steht dann in unserer Vorstellung aufrecht und der Winkel der "Zeltstangen" erscheint uns als relativ groß. Tatsächlich blicken wir ja in einen sehr schräg stehenden, äußerst spitzwinkligen Lichtkanal von nur kleinsten Bruchteilen einer Bogensekunde (ca. 100 [km] x 360 [Grad] / 1,5 x 108 [km]) und jeder für uns durch Streuung sichtbar werdende Lichtstrahl liegt eine astronomische Einheit (1,5 x 108 [km]) vor der Sonnenebene.

 

(8) 14.3.2009
NewScientist
risks of science / wreck of the Large Hadron Collider; Mark Buchanan's article "They said it could never happen" (NewScientist of 20 Jan. 2009, p. 32f)

In 1994 I joined a delegation to Australia, convincing our government colleagues down under to underwrite a landing agreement for a project called EXPRESS ("Experimental Re-entry Space System"). Among others we made use of a risk assessment of an Australian university that "proved" ultimately low probabilities of damage in any scrutinized aspect.

Less than one minute after takeoff from Kagoshima Space Center, Japan, EXPRESS was out of control. The reason was and nobody would have previously thought of that: The carrier's position control system had run out of fuel a little early. Just after some hours it went down in the highlands of Ghana. Fortunately there was absolutely no damage. The capsule had cleverly decided on a regular landing sequence, not a "high speed landing" as we had thought most probable under the given circumstances.

The scientific output of the EXPRESS experiment was marginal and wouldn't have been much better without that deviation. All in all it made me feel that science - especially when lots of energy, mass and speed are employed - has a lot of child gambling. The wreck of the LHC now somewhat reminded me of EXPRESS, even if it produced just a black hole of public money.

P.S.: Some additional information concerning EXPRESS (in German):
- http://www-public.tu-bs.de:8080/~i9901701/common/vortraege/express.htm
- http://www.raumfahrtkalender.de/raumfahrtchronik/19950100

 

(7) 11.3.2009
Süddeutsche Zeitung
Wiedervereinigung; Ingo Schulze "Mein Westen" (Süddeutsche v. 7./8.3.2009, S. 13)

'Vor etwa zehn Jahren habe ich mir meinen Osten so zusammengereimt:

"Vom Westen beschickt, zum Westen drainiert,
sorgsam entgrätet und nett filetiert;
der Osten ist offen und wird ohne Hoffen
statt zentralistisch nun ferngelenkt regiert,
nun ferngelenkt re - gier - t."

Ich fürchte, an diesem "Lehrjahre-sind-keine-Herrenjahre"-Muster wird sich auch in diesem Jahrhundert nicht viel ändern.'

P.S.: Der Reim mit Ton: www.vo2s.de/nbl.wav

 

(6) 19.2.2009
Westdeutsche Zeitung, Ausgabe Burscheid
Kommunal-Wahltag 2009, Entscheidung des VGH NRW v. 18.2.2009; Ekkehard Rüger:  "Hohe Kosten schrecken Politiker ab"; WZ am 18./19.2.2009

Wie ein schlechter Kalauer der 5. Jahreszeit wirkt, was sich das Innenministerium aus der Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofes v. 18.2. geschnitzt hat. Aus "Kommunalwahlen 2009 dürfen nicht am Tag der Europawahl stattfinden" wurde mal eben "Verfassungsgericht: Zusammenlegung von Kommunal- und Europawahl grundsätzlich zulässig". Eine eigene Welt, unser IM.

Meine hohe Anerkennung für Frau Dr. Frese von der örtlichen FDP: Sie hat sich ihren gesunden Eigensinn für bürgerliche Werte bewahrt und rät auch von dem Sonder-Urnen-Gang Ende September ab, den Düsseldorf stracks und luppich parat hatte. In der Tat: Sonst könnten wir mit gleicher Urne unsere verbrannten Steuer-Millionen zu Grabe tragen.

P.S. zu den Zitaten oben:
-
  PM VGH: http://www.vgh.nrw.de/presse/2009/p092018.htm
-  PM IM: http://www.im.nrw.de/pm/180209_1502.html
-  Entscheidung des VGH im Wortlaut
-  zum rheinischen Adjektiv / Adverb "luppich": http://www.wiggersu.de/koelaz.htm

 

(5) 12.2.2008
DIE ZEIT, online veröffentlicht
Doppelte Staatsangehörigkeit; Miltiadis Oulios: "Warst du auch mal Deutscher?" (ZEIT Nr. 8  v. 12.2.2009, S. 11)

Der Doppelpass ist nicht - wie mancher gerne zu Wahlkampfzwecken glauben macht - das Zeugnis staatsbürgerlicher Vielehe und Untreue. Über mehrere Jahre habe ich Gutachten zum internationalen Familien- und Erbrecht vorbereitet. Dabei lernt man, von welchen Launen der politischen Natur die Zuordnung von Nationalität abhängt - auch und gerade über die Zeiten.

Und man lernt die viel besser durchblutete angelsächsische Anknüpfung an das effektive Domizil lieben. Die Amis spinnen durchaus nicht immer und wertschätzen hier zu Recht den Inhalt vor der Form. Die Zahl der Pässe spielt dann keine Rolle und man braucht sie auch nicht eifersüchtig zu beschränken oder gar beleidigt zu revozieren.

 

(4) 3.2.2009
SPIEGEL
„Zeitungszeugen“; Markus Brauck u.a.: "Gift im Umschlag" (SPIEGEL 4/2009 v. 2.2.2009, S. 94f)

Gut - originell ist das Geschäftsmodell der "Zeitungszeugen" nicht. Originell ist aber auch nicht das verschwurbelte Hantieren mit der Geschichte, so als wären deutsche Zeitungen von vorgestern Antrax oder Schlimmeres.

Originell wäre ein viel breiteres, internationales Spektrum der Öffentlichkeit der 20er und 30er, das Folgendes zeigen mag: Das Geheimnis von Hitlers beispiellosem Aufstieg war nicht nur, dass er die Ängste, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Vorurteile der damaligen Deutschen wie kein anderer katalysierte. Sondern, dass er in seiner Aufstiegsphase zentrale Einflussgruppen des Westens ebenso faszinierte, wie sich an dem Harvard-kultivierten Deutsch-Amerikaner Ernst Franz Sedgwick Hanfstaengl und seinen hilfreichen, erstklassigen Vernetzungen beispielhaft zeigen ließe.

Ein solches Netz von Sympathien ließe sich über den Militärattaché Truman Smith, über den Atlantikflieger Charles Lindbergh und den US-Botschafter in England, Joseph Kennedy, bis zu dem Großindustriellen Henry Ford ziehen, dessen bösartig antisemitische Werke vom Beginn der 20er ausweislich der Bekenntnisse in den Nürnberger Prozessen die Nazi-Gründer beflügelt hatten, der noch 1938 mit dem höchsten Auslandsorden des "Dritten Reichs" geehrt worden war und dessen Kölner Werke in den massiven Flächenbombardements des Rheinischen Zentrums praktisch keinen Schaden erlitten - trotz ihres veritablen Beitrags zur deutschen Kriegsrüstung.

P.S.

Zu Hitlers schamanenhafter Wirkweise siehe insbesondere die Murray-Papiere von 1943 über die Persönlichkeit Hitlers http://library.lawschool.cornell.edu/WhatWeHave/SpecialCollections/Donovan/Hitler/Hitler-TOC.cfm, e.g.
Foreword p. 1: "Hitler's unprecedented appeal, the elevation of the status to a demi-god, can be explained only on the hypothesis that he and his ideology have almost exactly met the needs, longings, and sentiments of the majority of the Germans."
Section I, p. 7: "He is the incarnation of the crowd's unspoken needs and cravings; and in this sense he has been created, and to large extent invented, by the people of Germany."

Zu Hanfstaengl, der nach seiner Flucht aus Deutschland auch an der Erarbeitung des o.a. Psychogramms mitgewirkt hat:
http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,754245,00.html
http://en.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl

 

(3) 28.1.2009
Frankfurter Allgemeine
USA, Russland und Afghanistan; Michael Ludwig: "Interesse am Erfolg des Westens" (F.A.Z. v. 28.1.2009, S. 8)

Im Grunde ist jetzt dieses Leitbild alternativlos - und in den letzten Tagen möglich geworden: Afghanistan zur Schweiz des mittleren Ostens machen, es von allen Seiten mit zivilstaatlicher Hilfe geradezu zuschütten. Dies kann ganz entsprechend dem Kern von Obamas luzidem Al-Arabija-Interview von Konfrontationen zwischen den Weltreligionen wegführen. Es ersetzt den zunehmend kompromittierten Ansatz der Härte durch ein "Mehr vom Anderen" statt "vom Gleichen", verhütet Friktionen zu Anrainern ohne militärische Ambitionen und trifft sogar auf eine sehr aufnahmebereite und für viele unerwartet fähige Bevölkerung.

Trivial ist ein solcher Plan natürlich nicht. Aber z.B. mit einem Zwei-Mentoren-Ansatz - einem Mentor für jede afghanische Region aus dem Kreis der begüterten Nationen, einem zweiten aus den jeweils angrenzenden, ethnisch verwandten Staaten - kann dies gut gelingen, ebenso die Konversion der dynamisch eskalierenden Drogenökonomie. Allerdings müssten die Mentoren-Staaten allen Versuchen kultureller Mission - die ohnehin inzwischen zumeist desavouiert oder frustriert sind - entsagen und sie müssten auf Satrapen verzichten. Das heißt: Ressourcen im Wortsinn altruistisch hingeben, autonome lokale Entscheidungs- und Hilfsstrukturen ermöglichen, afghanischen Produkten und Dienstleistungen Meistbegünstigung einräumen und auch Ungleichzeitigkeiten mit der Geduld mindestens eines Jahrzehnts akzeptieren. Die Früchte der Prosperität würden dann aber auch in den angrenzenden Ländern eingefahren werden, gerade an den militärisch unbeherrschten Schnittstellen. Dabei muss uns Pakistan besonders am Herzen liegen.

Man kann den Plan "civil surge" nennen oder "bürgerlicher Dschihad". Und: Wäre ein solcher Ansatz denn ein größeres Wagnis als der tausendfach tödliche militärische Pfad, dessen Gegenwert der letzten Jahre die Afghanen leicht hätte versorgen können mit jeweils einem intakten Haus, Moped, Handy und täglich 100 Liter Wasser, so rein wie in der Schweiz? Nichts übrigens spricht dafür, dass ein so begleitetes Land ein effizienterer Reaktor für Terrorismus wäre als der Jemen, der Libanon, Saudi-Arabien oder Ägypten. Oder eben als das heutige Afghanistan.

 

(2) 27.1.2009
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 28.1.2009
Edition „Zeitungszeugen“; Marc Felix Serrao: "Tanz der Teufel" (Süddeutsche v. 26.1.2009, S. 1)

Die Position des Freistaats fügt sich ohne fühlbare Kanten in eine verschämte Tradition des Begrabens und Verdrängens. Dabei könnte man gerade in München, das ja später nie eine Hochburg der Nationalsozialisten war, den gesellschaftlichen Nährboden der ersten virulenten Phase mit großem Gewinn studieren - etwa an der Rolle des kultivierten Ernst Franz Sedgwick ("Putzi" / "Hanfy") Hanfstaengl.

Der jetzt erregt diskutierte Presse-Nachdruck vermittelt - im Spektrum mehrerer einschlägiger Zeitungen, auch und gerade in den nicht redaktionellen Partien - eine viel greifbarere Atmosphäre, als es selektierende Lehrbücher und Wissenschaftler könnten. Und der Nachdruck kann viele junge Menschen lebhaft gegen die schiefen Töne wappnen, zu denen bisweilen selbst eine Staatsregierung fähig ist: In einer bayrisch-amtlichen Dokumentation zum Obersalzberg las ich vor vielen Jahren eine höchst irritierende Interpretation zu den Ursachen des Holocaust: Lagerkommandanten hätten wegen unhaltbarer Zustände vom Reichssicherheitshauptamt aktiv eine radikale Lösung gefordert - der Massenmord quasi ein logistisch-technokratischer Betriebsunfall.

Selbstgesetzlichkeiten eines mutwillig eskalierten Krieges mögen ja bei vielen massiven Inhumanitäten eine mitursächliche Rolle gespielt haben, bei den Millionen Hungertoten Russlands, bei den Flächenbombardements und auch beim Einsatz der Atombomben. Aber nur wer die Schriften der nationalsozialistischen Akteure und ihrer Helfer gelesen hat, weiß wirklich, dass die damaligen Eliten wollten, planten und wussten, was geschieht. Mit einem Wort: Er weiß, wer die mörderische Verantwortung trug. Dafür könnte und sollte der Freistaat "Mein Kampf" ganz unbesorgt auch auf den Lehrplan weiterführender Schulen setzen.

P.S. zu "Putzi" / "Hanfy"
http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,754245,00.html
http://en.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl

 

(1) Jan. 7, 2009
TIME
Gaza; Tim McGirk: “The battle over Gaza” (TIME vol. 173, no. 2 / 2009 of Jan. 12, 2009, p. 12ff)

We know what it looks like on the moon or inside an atom, or even how an iPhone has to be cleverly designed. But research on peace preservation seems to be much less fruitful. How come? Maybe there are no hundreds of billions of dollars or euros being employed in this special field. Or the gadgets used in conflict research aren’t that gleaming and sexy.

Or it may be an undying Cro-Magnon property, that – in the case of assumed military superiority – he notoriously gives attacking the benefit of the doubt.

 

Und ein paar Sammlerstücke aus früheren Jahren:

 

Die Mutter aller (meiner) Leserbriefe:

29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt: 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (KStA. v. 29.9.1992)

Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.

Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch ausdrücklich verwahrt.

Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.

 

Der Leserbrief mit dem besten Verzögerungszünder:

29.5.2008
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 30./31.5.2009, also bereits ein Jahr später
Wahl des Bundespräsidenten; Kandidaturen Hort Köhler / Gesine Schwan (KStA v. 27.-29.4.2008, u.a. Franz Sommerfeld "Mit Gesine Schwan nach links", KStA v. 27.5.2008, S. 4)

Entscheidend ist, so weiland ein großer Kanzler, was hinten raus kommt. Mehr Demokratie kommt raus, wenn bei einer Wahl die Wahl besteht. Das andere haben wir früher - meist nach Osten blickend - gerne als "Abnicken" verspottet und versuchen es selbst im Miniaturmaßstab der Schuldemokratie nach Kräften zu vermeiden.

Und die Gefahr durch die ewig Linken? Na ja, wenn man böse Ränke und abgekartete Spiele fürchtet oder wenn man ein barockes Theater von mehr als tausend wohlbestallten Spesenrittern von Herzen verhindern will, dann gibt es doch eine ganz natürliche Lösung: Die Wahl des obersten Bürgers durch die Bürger selbst. Wäre sicher auch die bessere Remedur gegen deren nachhaltige Verdrossenheit.

 

Und der am weitesten gereiste:

22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt: 28.8.1995
Mititärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995

I refer to reports on WW II and especially to two letters to the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995 (page 6). It is my impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision"). So I would like to show an alternative view,:

It is certainly true, that Japanese military leaders commenced the hostilities against the USA. But the Japanese victims at Hiroshima and Nagasaki were in their vast majority civilians. And although they were victims, I am far from sure they were the real addressees of the bombs as well. There is quite a convincing hypothesis: the drop of the bombs in the first place aimed at impressing the counterparts of Truman at the Potsdam Conference of July/August 1945 - Truman, a just invested and still very uneasy-feeling American president (to add: according to now opened American files the Nagasaki bomb was also meant to test a completely redesigned ignition system).

The echoes of that demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over again - from Irak, from France, from China etc. So humanity will never forget those victims, even if some wanted to.

 

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