Karl Ulrich Voss,
Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2024
Stand: April 2024; grün unterlegt:
lokale/regionale Themen u. Medien
(2024/30) 25.4.2024
RGA / Volksbote
Bürgermeisterwahl 2025; Artikel „Bündnis für Burscheid spricht sich für Dirk
Runge aus“ u. Kommentar „Für Visionen sind die Politiker zuständig“ von Nadja
Lehmann (Ausgabe v. 20.4.2024, S. 23)
Ein Hut liegt im Ring. Ein sehr respektabler Hut zudem, mit
der ganzen administrativen Erfahrung des Amtsinhabers dahinter.
Kann es dabei bleiben?
Keinesfalls; die Wählerinnen und Wähler dürfen von jeder Ratspartei mit
demokratischem Gestaltungsanspruch eine eigene Bürgermeister-Kandidatin oder
einen Kandidaten erwarten. Sonst würde es beim Urnengang im Herbst 2025 gleich
wieder heißen: „Heute wird gewählt. Gewählt wird…“ Dergleichen haben wir etwa
bei den Volkskammerwahlen vor 1989 noch als abgekartetes Schmierentheater
kritisiert – „Blockparteien halt!“
Also: Unterscheidbare Persönlichkeiten und Programme sind
gefragt und ein zünftiger Wettbewerb. Oder: ein attraktiver Wahlkampf, der i.J.
2025 mehr als 25% der Bürgerinnen und Bürger mobilisiert, gerne auch mit
konkurrierenden Zielen, Prioritäten und Visionen. Das macht mehr Arbeit, klar,
aber auch mehr Spaß.
(2024/29) 25.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalausgabe
Leverkusen
Bürgermeisterwahl 2025; Artikel von Thomas Käding: „Bündnis unterstützt Dirk
Runge“ (Ausgabe v. 24.4.2024, S. 24) der nachfolgende Leserbrief:
Gar kein Zweifel: Der Amtsinhaber wäre eine gute Wahl –
sachkundig, nachdenklich, vertrauenerweckend. Aber unsere Ratsparteien schulden
uns jeweils eigene profilierte Kandidatinnen und Kandidaten, für unser gutes
Geld. Sonst bekämen wir nur einen schmalen Einheitsbrei. Wie bei den
Blockparteien vor 1989, und viele Wählerinnen und Wähler müssten mit Gewalt zu
den Urnen getrieben werden. Also: Da geht ganz sicher noch was!
(2024/28) 10.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 23.4.2024
Ausländer-Kriminalität; afp-Meldung „Faeser will Abschiebungen
beschleunigen“, Kommentar „Problem erkannt, aber nicht gelöst“ von Eva Quadbeck
und Steven Geyers Bericht „Mehr Kriminalität durch Ausländer?“ (Ausgabe v.
10.4.2024, S. 1, 4 u. 6)
Der gute Teil der
Nachricht: Kriminalität wird nüchtern als gesellschaftliche Erkrankung
begriffen, als Problemlage aus Unterprivilegierung und gewaltsamer Teilhabe.
Und nicht als quasi angeborener Makel von Fremden.
Der schlechte Teil: Die
zugrundeliegende, zu einer schwierigen Anpassung zwingende Migration geht zu
einem wesentlichen Anteil auf unser eigenes Konto, durch selbst verursachten
Wanderungs-Sog und Wanderungs-Druck. Sei es, dass wir zum ökonomischen Nutzen
in großen Zahlen „Gast“-Arbeit eingeworben haben und wieder einwerben. Sei es,
dass wir in den letzten dreißig Jahren durch - zu häufig frustrierte -
militärische Einsätze zur Destabilisierung ganzer Regionen beigetragen haben,
im Nahen und Mittleren Osten, aber gerade auch auf dem Balkan.
Die naheliegende
leichte Übung ist, die nun Auffälligen zu verjagen. Das anspruchsvollere und
seit Jahrzehnten ungelöste Problem ist die brüderliche, aber aufmerksame
Aufnahme einer komplexen und teilweise brisanten Mischung.
(2024/27) 3.4.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht 4.4.2024 im Internet-Angebot der Zeit = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/04/04/27-maerz-2024-ausgabe-nr-14/
Russland heute; Leitartikel „Sieg der Gewalt“ von Jörg Lau in der Ausgabe No. 14 v. 27.3.2024, S. 1
Bei der trefflichen Suade gegen Putins Russland und
Russlands Putin fehlt m.E. noch ein winziges Detail: Dass der Westen etwa i.J.
1979 den Russen tatsächlich Tod und Teufel auf den Leib gehetzt hat. Zumindest
hat sich Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski noch im Januar 1998
gegenüber dem Pariser Nouvel Observateur höchst
befriedigt darüber geäußert, die Russen in die afghanische Bärenfalle gelockt
zu haben. Als der Interviewer entgeistert nachhörte, ob er damit nicht den
islamistischen Terror genährt habe, retournierte Brzezinski mit dem Brustton
der Überzeugung:
„Qu’est-ce qui
est le plus important au regard de l’histoire du monde? Les talibans
ou la chute de l’empire soviétique? Quelques excités islamistes ou la libération de l’Europe centrale et la fin de la guerre froide?“
Warum sollten die Russen annehmen, die Amerikaner würden
für ein vermeintlich lohnendes Ziel hier und heute weniger über die Bande
spielen?
Quellen etwa:
Zum Interview des Pariser Nouvel Observateur vom
Januar 1998 Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski siehe m.w.N. etwa http://uliswahlblog.blogspot.
(2024/26) 3.4.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht 4.4.2024 im Internet-Angebot der Zeit = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/04/04/27-maerz-2024-ausgabe-nr-14/
Ostern und das Ich; Titelthema „Kann der Mensch sich ändern?“, speziell Beitrag
„Ich, nur besser“ von Johanna Haberer und Sabine Rückert in der Ausgabe No. 14 v. 27.3.2024, S. 11ff
Was, wenn es gar kein stabiles Ich gäbe, keine einige
Seele? Sondern nur eine mühsam durch Daten aus Ausweisen, Zeugnissen und
Grabsteinen zusammengeschusterte Identität? Wenn wir alle notorische
Schauspieler wären, wie die Bonobos oder die Raben? Oder wenn multiple
Persönlichkeiten gar nichts so Besonderes wären? Möglicherweise könnten wir
viel öfter aus der Rolle fallen oder die Rollen tauschen, dürfen es aber nicht.
(2024/25) 2.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger,
Lokalausgabe Leverkusen
Kriegsopfer-Gedenken; Thomas Käding: „Die Gedenkstätte liegt in der Anonymität“
(Lokalausgabe Leverkusen v. 30.3.2024, S. 35)
Eine Ergänzung zu Thomas Kädings Artikel „Die Gedenkstätte
liegt in der Anonymität“: Dass die Gedenkstätte für sowjetische Opfer des
Zweiten Weltkriegs verwahrlost wäre, ist eigentlich nicht das Problem.
Tatsächlich kümmert sich seit Jahrzehnten die Frauen-Union regelmäßig und aktiv
darum, den gegebenen Stand zu erhalten. Das Problem ist allerdings, und darauf
hatte das Landes-Heimatministerium i.J. 2021 unseren Geschichtsverein
aufmerksam gemacht: Rein gar nichts lädt hier zum Verweilen, Nachdenken oder Gedenken
ein.
Was also tun? An der sehr versteckten, selbst alten
Burscheidern zumeist unbekannten Lage des kleinen schwarzen Obelisken, da wird
man realistischerweise gar nichts ändern können. Aber die Aufnahme in den
Burscheider Denkmalpfad läge nahe, ferner eine gut sichtbare, sprechende
Wegweisung. Und, wie es der Artikel weiter vorschlägt, eine niedrigschwellige
Erläuterung zu den Opfern, derer man hier gedenken kann. Denn Name, Geschlecht,
Alter, Geburtsort und sogar die Todesursache waren damals penibel festgehalten
worden. So könnten wir den Opfern viel mehr Gesicht und Hintergrund geben.
Vielleicht kann Burscheid die nun beschlossene
Friedhofs-Arbeitsgruppe aus Rat und Verwaltung auch noch um einige per Los
ermittelte Bürgerinnen und Bürger ergänzen, könnte so erste prozedurale
Erfahrungen mit Bürgergutachten gewinnen – wie es gerade selbst der Bundestag
erstmals wagt, dort bei Ernährungsfragen.
P.S.:
Anders als das Kriegsopfer-Denkmal ist das Krieger-Denkmal (zu
1870/71) nahe beim Friedhofs-Eingang angestammter Teil der Burscheider
Denkmalliste (dort Pos. 15, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/
DEN GEFALLENEN ZUM GEDÄCHTNIS
DEN LEBENDEN ZUR ERINNERUNG
DEN ZUKÜNFTIGEN GESCHLECHTERN ZUR NACHAHMUNG
(Hervorhebung von mir ;-)
(2024/24) 26.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Islamistischer Terror in Moskau; Kommentare „Für Putins Versagen soll Kiew
büßen“ von Karl Doemens und „Der Terror bedroht auch uns“ von Felix Huesmann
(Ausgaben v. 25. u. 26.3.2024, jeweils S. 4)
Jede Häme ist fehl am Platz; eine diplomatische Kondolenz wäre
unsere mindeste Pflicht. Und wer derzeit die bizarrsten Feindbilder pflegt,
darüber ließe sich noch lange streiten.
Aber gerade heute sollten wir nicht ausblenden: Der Westen
hielt es einmal für ausgesprochen clever, den militanten Islamismus gegen die
Sowjetunion aufzustacheln und aufzurüsten. Im Irak haben wir weitere Ursachen
für globalen Terror gesetzt. Bei Licht besehen waren wir im gesamten Nahen und
Mittleren Osten als Zauberlehrlinge unterwegs, bis in die jüngste Zeit. Das ist
unsere Verantwortung und ist das reale heutige Risiko. Jeder Tag im
aufgebrachten und verständnislosen Streit unter Industriestaaten mehrt es.
Quellen:
Zum Interview des Pariser Nouvel Observateur
vom Januar 1998 mit Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski siehe
etwa http://uliswahlblog.blogspot.
Zu den Feindbildern:
Der letztjährige Mottowagen des Kölner Karnevals nahm einen diabolisch in Blut
und Grabkreuzen rührenden Putin auf's
Korn. Ein psychologisch bemerkenswertes Detail war die Symbolik auf Putins
Brust - Hammer und Sichel. Oder auch: nachhaltig recycelt.
(2024/23) 24.3.2024
DER SPIEGEL
Elektromobilität; Titelthema „Der Elektroschock“ der Ausgabe Nr. 13 v.
23.3.2024, insbesondere Beitrag „Kurzschluss“ von Simon Book et al., S. 8 – 15
Die Wunderwaffe gegen die deutsche Reichweitenangst? Nein, nicht der
TAURUS alias Höllenhund 2.0. Unser
aller Zweitwagen wäre es gewesen. Der, mit dem man Tag für Tag vielleicht
100 bis 200 km zurücklegt und ca. 90% des Jahresespensums. Der, mit dem wir den
meisten Sprit sparen könnten. Nur – der Zweitwagen ist selbstverständlich nicht
Premium, Masse und Marge genug. Pech, vorbei.
P.S.:
Seit zwei Jahren und ca. 22.000 km fahre ich mit stetem Glück einen Dacia Spring, dem Anschein nach bei
Dacia in Rumänien gebaut, tatsächlich aber ja bei Dongfeng in Wuhan, China.
Konkurrenzfähige Qualität, sehr gute Ausstattung und ein kleiner ökologischer
Rucksack, alles zusammen für < 15 T€. Verglichen mit der abschreckend düsteren
Reportage von Haiko T. Prengel „Das Märchen vom soliden Elektroauto“, SPIEGEL
Nr. 12 v. 16.3.2024, S. 100f, bin ich gefühlt auch fabelhaft zuverlässig
unterwegs. Gut, das ist nur "Losgröße 1" und mag an prägenden
Eigenschaften meines ersten Autos liegen – eines ebenso Glück spendenden Deux Chevaux mit 16 PS aus 421 ccm und 5 Litern Verbrauch,
normal 😉
Anm.: China hat seine Industrialisierung u.a. mit einer
pädagogisch klug gewählten, weil allseitig skalierbaren Schlüsselindustrie
vorangebracht – mit Spielzeug. Mit kleinen Einstiegs-Sellern war
Deutschland ja einmal ebenso erfolgreich, hat’s aber lange vergessen.
(2024/22) 22.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wehrkunde; Berichte bzw. Kommentar „Besuch vom Jugendoffizier“, „Besser
vorbereitet auf die Katastrophe“ bzw. „Annäherung an die neue Realität“ von
Alexandra Ringendahl und Gerhard Voogt
(Ausgabe v. 22.3.2024, S. 3 u. 4)
Im Rahmen eines Wehrkundeunterrichts: Die Republik bis zur
1. Zeitenwende i.J. 1989 wäre sehr authentisch abzubilden durch einen Besuch
der Schulklasse im Landes-Regierungsbunker Am Gillesbach
1 in Kall-Urft in der schönen Eifel, im praktisch
noch betriebsfähigen Zustand. Für die folgende Epoche bis zur 2. Zeitenwende
i.J. 2022 empfehle ich dem Jugendoffizier eine gemeinsam zu erarbeitende
Evaluation der Auslandseinsätze und Kriege dieser Phase - auf Zielerreichung,
Opfer und Folgen, etwa in Somalia, im Sudan, in Afghanistan oder in Mali. Ein
markanter Schwerpunkt könnte dabei die Operation Allied Force 1999 u.a. gegen
die europäische Hauptstadt Belgrad sein – in deren Kontext wurde uns der
Begriff „collateral damage“
vertraut. Und für die nunmehrige 3. Phase könnte man den mutmaßlichen neuen
Regierungsbunker in Berlin ins Auge fassen; allerdings läge das für uns etwas
abseits und wäre wohl ohnehin verschlossen. Eine verstärkte schulische
Katastrophen-Vorbereitung könnte ggf. etwas aufgelockert und psychisch entspannt
verlaufen, griffe man auf das Maskottchen des US-amerikanischen Zivilschutzes
der Fünfziger Jahre zurück – auf „Bert the Turtle“
und sein verschmitztes Motto „Duck & cover!“
Quellen:
Zu den Bombenangriffen der NATO auf Belgrad, deren Beginn
sich in wenigen Tagen zufällig 25-fach jährt, siehe etwa https://de.wikipedia.org/wiki/
„Bert the Turtle“: siehe
Bild-Anlage.
Anm.: Dieser damals sehr ernst gemeinte Cartoon stammt noch aus meiner
jahrzehntelangen dienstlichen Befassung mit Geheim- und Zivilschutz. Den Besuch
bzw. die Führung in Kall-Urft kann ich jedem dringend
empfehlen, der sich mit Wehrkunde und Zivilschutz tiefer befassen will.
Man sollte sich dafür im Wortsinn und im übertragenen Sinn warm
anziehen.
(2024/21) 19.3.2024
DIE WELT
Friedensaufruf von Papst Franziskus; Franz Alts Gastkommentar „Die
Papst-Kritiker hören nur, was sie wollen“ (Ausgabe v. 18.3.2024, S. 7)
Herzlichen Dank an Franz Alt und an die WELT-Redaktion für
den bemerkenswerten Gastkommentar vom 18. März! Ich stimme zu: Das nüchterne
Bewerten (auch) eigener Verursachungsbeiträge und (auch) fremder
Interessenlagen ist die erste Voraussetzung für Diplomatie. Der Papst mag alt
sein. Aber ein Tor ist er nicht.
Quelle
Den Gastkommentar von Franz Alt siehe auch auf dessen Internet-Seite
sonnenseite.com: https://www.sonnenseite.com/de/franz-alt/kommentare-interviews/dieser-unmoegliche-papst/
(2024/20) 18.3.2024
rga / Remscheider General-Anzeiger
Wehrkundeunterricht; epd-Meldung „Schulen sollen auf Kriegsfall vorbereiten“ u.
Kommentar v. Sebastian Kunigkeit “Wehrgedanke soll in
Schulen einziehen“ (rga v. 18.3.2024, S. 1 u. 2)
Als Lehrplanelement eines etwaigen künftigen
Wehrkundeunterrichts empfiehlt sich dringendst der Besuch der
Dokumentationsstätte „Ehemaliger Ausweichsitz der Landesregierung NRW“ in Kall-Urft: Eine sehr haptische und authentische Zeitreise
zurück in massive Bunkermentalität, fertig zum Einrücken.
Vielleicht aber kann unsere Bildungsministerin Feller ihrer
Bundeskollegin Stark-Watzinger bei einem Ortstermin dort beibringen: Unsere
Prioritäten liegen beim sicheren Vermitteln von schulischen Grundfertigkeiten,
gerade für eine kritikfähige und wehrhafte Demokratie.
Quellen etwa:
www.ausweichsitz-nrw.de
(2024/19) 13.3.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 14.3.2024 im Internet-Angebot der ZEIT: https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/03/14/7-maerz-2024-ausgabe-nr-11/
Bundeswehr-Abhöraffäre; „Putin ist ganz Ohr“ von Yassin Musharbash (Ausgabe No. 11 v. 7.3.2024, S. 1)
Wie John le Carré kann ich keinen ethischen Vorsprung
westlicher Dienste erkennen: Alle arbeiten definitionsgemäß im Schatten, sind
der Staatsräson mehr verpflichtet als den Menschenrechten. Ein Konzept wie das
der „Inneren Führung“ würde dort niemand anwenden wollen. Auch deutsche Dienste
waren, wo erforderlich, offen außerhalb der Verfassung aktiv, etwa bei der am
Ende sogar mit Orden belohnten „Operation Sommerregen“ in den Achtzigern: Der
BND hatte während der sowjetischen Besatzung Afghanistans gemeinsam mit
Mujaheddin und unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe moderne russische Waffen
aufgesucht und außer Landes gebracht, nota bene ohne Rechtsgrundlage bzw. ohne Mitwirkung des
Bundestages.
Es fällt auch schwer, sich geopolitisch folgenreichere und
– in Menschenleben gerechnet – tiefer einschneidende Projekte vorzustellen als
etwa die Operation AJAX: Als MI6 und CIA zum Nutzen der Öleinnahmen der
Anglo-Iranian Oil Company, später BP bzw. ARAL, einen erfolgreichen Putsch
gegen den gewählten iranischen Staatspräsidenten Mossadegh organisiert hatten,
mit bis heute wirkenden disruptiven Folgen für eine ganze Region. Oder die
später auch „bear trap“
genannte CIA-Operation CYCLONE, die die Sowjets nach Afghanistan locken sollte
und mit dem dortigen militärischen Debakel das Ende der Sowjetunion einläutete.
Die Dienste gestalten unsere Sicht auf die Dinge, aber
nicht selten eben auch die Dinge selbst.
Quellen
Operation (TP)AJAX: https://de.wikipedia.org/wiki/
Operation CYCLONE: https://de.wikipedia.org/wiki/
Operation Sommerregen: https://de.wikipedia.org/wiki/
Anm.:
Sehr interessant und aufschlussreich erschien mir in diesem Kontext die
folgende Passage aus dem Bericht „Mit Sicherheit teuer“ von Jörg Lau, Anna Sauerbrey, Mark Schieritz, Heinrich Wefing und Peter
Dausend in der ZEIT No. 10 v. 29.2.2024, S. 4:
„Sollte die Ukraine tatsächlich verlieren, etwa weil ein
künftiger Präsident Trump die Unterstützung einstellt, rechnen westliche
Geheimdienste mit einem Umsturz in Kiew, einem Partisanenkrieg gegen die
russischen Besatzer, Millionen Flüchtlingen, die in Westeuropa untergebracht
und versorgt werden müssten.“
Ein Planspiel, gewiss, aber eines, das zeigt, wie volatil
ein Szenario entwickelt bzw. gestaltet werden kann. Oder: wie ein Szenario
rhetorisch einsetzbar ist. Denn käme es wie dort orakelt, dann wäre dies der
vollständige Bankrott der bisherigen Ukraine-Investitionen und eine tatsächlich
extrem risikoreiche ökonomische wie soziale
Entwicklung. Dies mag zu einer zwanghaften Eskalation der bisherigen
Anstrengungen anleiten, viel weniger wahrscheinlich zu einem Pfadwechsel.
(2024/18) 13.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wahlen in Russland; Thorsten Müller „Der ewige Putin“ (Ausgabe v. 13.3.2024, S.
2)
Danke für Thorsten Müllers gut recherchierte und sehr
informative Reportage „Der ewige Putin“! Sein Bericht macht wesentliche
Unterschiede nachvollziehbar, aber eben auch frappierende Übereinstimmungen, so
die gemeinsame Fokussierung auf Konsum oder eine beiderseitige unpolitische
Grundhaltung, speziell zur Außen- und Sicherheitspolitik. Kriege - welche
denn?
Und wenn die Bundesrepublik auch sicher keine totalitären
Züge zeigt, so ist doch auch bei uns die Fluktuation in der politischen Klasse
betont gering. Wie in Russland prägt uns offenbar eine tiefe Sehnsucht nach
Kontinuität und Stabilität, die im Zweifel zum Bewahren des Bewährten anleitet
und die eine parallele Ursache vermutlich im brutalen letzten Weltkrieg hat.
(2024/17) 12.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Aufruf des Papstes zur Ukraine; Kommentar von Eva Quadbeck „Dem Weltfrieden
geschadet“ und Bericht von Markus Decker „Pabst empfiehlt Kiew ‚weiße Fahne‘ “
(Ausgaben v. 12.3.2024, S. 4 und v. 11.3.2024, S. 6)
Schämen müsste sich Frau Strack-Zimmermann nicht nur für
den Pabst, sondern für den offenbar überwiegenden Teil der Menschheit: Denn
alle diese haben – auch lange vor der aktuellen Wortmeldung – wenig Verständnis
für weiteres Gemetzel, mit immer mehr und stärkeren Waffen. Ein Gemetzel, aus
dem wir die Finger fein heraushalten und an dem manche noch üppig verdienen.
Von ihr fordere ich ebenso wie von Frau Göring-Eckardt:
Präsentieren Sie Ihren realistischen Verhandlungsvorschlag! Einen, der hilft,
weitere Zehntausende Opfer zu verhüten. Dieser Vorschlag sollte nicht enthalten,
dass jeder Quadratmeter der Ukraine garantiert
dauerhaft von russischem Einfluss befreit wird oder dass die NATO einen
Stützpunkt in Sewastopol einrichten kann.
Den Russen sollten wir auch nicht weniger Schutz
wohlverstandener Interessen zubilligen, als wir es bei unserem atlantischen
Partner in Gestalt der Monroe-Doktrin für völlig selbstverständlich halten. Die
Gefahr eines russischen Imperialismus und eines neuen „dark
age“ definieren wir auch höchstpersönlich.
Man darf es wohl so sehen: Wir büßen heute für eine
raumgreifende, auftrumpfende und völlig un-empathische
Außen- und Sicherheitspolitik nach 1989. Ein gesichtswahrender Pfadwechsel ist
möglich – und er ist sogar unverzüglich geboten: Tatsächlich benötigen wir alle
Ressourcen, auch die der Diplomatie, um ein längst fühlbar kippendes Weltklima
zu stabilisieren. Sofern wir eine to-do-Liste nach
unmittelbarem Gefahrenpotenzial für unsere Zivilisation abarbeiten, dann müsste
genau das ganz vorne stehen.
(2024/16) 9.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 16.3.2024
Entwicklung der Waffentechnik; Can Merey „Die tödlichen Überflieger“ (Ausgabe
v. 7.3.2024, S. 29)
Die zitierte Einschätzung von Alexander Bornyakov
ist m.E. ebenso schlüssig wie erschreckend: Angesichts der viel billigeren
und effizienteren Drohnen ist die gerade wieder zu Ehren
gekommene Panzer-Waffe schon endgültig aus der Zeit gefallen, ebenso weitere
teure Großgeräte wie Kriegsschiffe oder Flugzeuge. Giga-Factories
für große Artillerie-Munition? Konsequent ebenso unrentabel, lange vor ihrer
Einweihung.
Das eigentlich Erschreckende ist: Drohnen sind eine
besondere Herausforderung für offene Gesellschaften, weit unter der Schwelle
industrieller Kriegsfähigkeit zu beschaffen und kinderleicht zu bedienen. Wir
werden sehr merklich erpressbarer, auch hinsichtlich unserer Infrastruktur und
stehen im Fadenkreuz eines sehr personenbezogenen Targeting. Höchste Zeit, sich
unter den Industriegesellschaften vertrauensbildend zusammenzuschließen!
(2024/15) 5.3.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 7.3.2024 im Internet-Angebot der ZEIT = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/03/07/29-februar-2024-ausgabe-10/
Rüstungskosten; Titelthema „Was kostet Frieden?“ in der Ausgabe No. 10 v. 29.2.2024 mit Beiträgen von Jörg Lau, Anna Sauerbrey, Mark Schieritz, Heinrich Wefing, Dirk Dausend
und Holger Stark
Die ZEIT No. 10 mit ihrer Titelfrage
„Was kostet Frieden?“, sie triggert bei mir arge kognitive Dissonanzen. Die
Titeltaube als Waffenträger: Ist das nun ironisch, sarkastisch oder polemisch
und proakativ? Warum nicht gleich der Heiland im
trendigen Tarnfleck? Ist das die neue Zeit? Auch die Frage selbst: Hält man
Frieden für einfach geometrisch skalierbar mit den eingesetzten Rüstungs-Input?
Viel hilft viel? Die massiven und überwiegend frustrierten Ausgaben seit Beginn
der Expeditionen mit scharfem Schuss in den Neunzigern könnten uns eines
Besseren belehren, würden wir sie einmal systematisch evaluieren wollen.
Zurück zur Taube: Sie erinnert mich ferner irritierend an
George W. als Rambo-artigen Coverboy des SPIEGEL. Und an ein Gespräch mit
unserem Pfarrer Anfang der Neunziger über UNOSOM II und DENY FLIIGHT. Ich hatte
gefragt, wie die Kirche zu den damals gerade beginnenden Auslandsmissionen
stünde. Er hatte dann – mit seiner besonderen Erfahrung in der Feldseelsorge
und auch ein wenig triumphierend – einen Katechismus aus dem ersten Weltkrieg
produziert und dort eine bereits eingedruckte Fußnote zum Fünften Gebot: „Gilt
nicht im Kriege!“
(2024/14) 26.2.2024
DAS PARLAMENT
TAURUS; zu Beiträgen in der Ausgabe v. 24.2.2024, S. 1 (Alexander Heinrich
„Eine Frage der Reichweite“ u. Christian Zentner „Suche nach Antworten“)
Die „Suche nach Antworten“ signalisiert viele offene,
zumindest nicht im Konsens zu beantwortende Fragen. Speziell die Causa Taurus
müsste vielen Zeitgenossen auf dem Magen liegen, da der Taurus seinem legitimen
Ahnherrn sehr gleicht – der designierten Wunderwaffe und Flügelbombe V1, die
anfangs Höllenhund heißen sollte.
Wie die Abgeordnete Gabriela Heinrich möchte ich von dem
Einsatz des Taurus keine Wunder erwarten, insbesondere keine signifikante
Verkürzung der Kriegshandlungen, keine Entspannung und keine Verminderung der
militärischen oder zivilen Opferzahlen in der Ukraine. Eher verspräche dies –
wie es Paul Watzlawick in seiner unsterblichen „Anleitung zum Unglücklichsein“
schlüssig beschrieb – rasch „mehr desselben Elends“. Der traurige zweite
Jahrestag der russischen Invasion sollte uns m.E. nicht zu einem „weiter und
härter“ bewegen, sondern zu einem klugen Pfadwechsel mit fühlbar mehr
OSZE-Einsatz. Ich denke, diese Erwartung wird von sehr vielen Menschen dieser
Welt geteilt.
P.S. / Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/
https://de.wikipedia.org/wiki/
Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper / München, 4. Auflage
2023, S. 27ff (29)
(2024/13) 26.2.2024
Süddeutsche Zeitung
Zweiter Jahrestag d. Ukraine-Invasion; Kommentar „Die Propagandisten“ von Frank
Nienhuysen (Ausgabe v. 24./25.2.2024, S. 4)
Keine Frage: Russland hat sich psychotisch entwickelt, als
Ganzes und in führenden Teilen.
Tatsächlich sieht es bei uns aber wenig anders aus: Tiefe
kognitive Dissonanzen anhand der Brutalitäten, die man meinte, mit kluger
Politik ausgeschlossen zu haben oder zumindest vom eigenen Lebensmittelpunkt
fernzuhalten. Frustrierte Versuche, Macht in die Ferne zu projizieren, wie etwa
in Somalia, Afghanistan oder Mali. Und am zweiten Jahrestag der russischen
Invasion allseitige verbale, teilweise reale Versuche, einfach nur mehr nach
Art der bisherigen Strategie zu stemmen: Mehr Munition, zusätzlich modernste
Distanzwaffen wie Taurus – immerhin ein hocheffizienter Nachfahre der
Flügelbombe V1, die man anfangs Höllenhund nannte. Kurz, eine Politik der
zeitlich nicht begrenzten Eskalation.
Der sehr hellsichtige Paul Watzlawick sieht mir hoffentlich
aus dem Himmel nach, wenn ich aus seiner unsterblichen „Anleitung zum
Unglücklichsein“, genauer aus dem Kapitel „Mehr desselben“ folgere: Genau das
kann nur zu mehr desselben Elends führen. Wir sollten uns neu besinnen und das
Geld u.a. für den Taurus nachhaltiger in die OSZE und in die renommierte
deutsche Friedensforschung stecken, um nüchterne, realpolitische
Verhandlungsansätze vorzustellen.
Sonst mag dereinst jemand den Kanzler fragen, ob die
Zigtausend toten und schwer versehrten Ukrainer – ob russisch- oder ukrainischsprachig – es denn wirklich wert waren. „Besser
tot als rot“ wäre dann keine überzeugende Reaktion, auch angesichts krasser
diplomatischer Versäumnisse des Westens in den letzten 20 Jahren. Ebenso wenig:
„Schau’n wir mal!“
P.S. / Quelle:
Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper / München, 4. Auflage
2023, S. 27ff (29)
(2024/12) 23.2.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 29.2.2024 im Internet-Angebot der ZEIT am = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/02/29/22-februar-2024-ausgabe-9/
Ukraine-Konflikt; Giovanni di Lorenzos Beitrag „Vor aller Augen“ in der Ausgabe
No. 9 v. 22.2.2024, S. 1
Ich habe kein Problem damit, Wladimir Putin vor aller Augen
als psychotisch zu bewerten, ebenso – und einander bedingend – das heutige
Russland insgesamt. Nur: Exakt das Gleiche gilt derzeit nüchtern betrachtet für
mich, für uns, für Deutschland und für unsere alten und neuen Bundesgenossen.
Das alles hat auch sehr wenig mit Verfassung zu tun. Sehr viel dagegen mit
Angsthaltung und Abstiegsangst und aufgesetztem Stolz.
Pardon: Der viel lautere Weckruf geht von unserem Erdsystem
aus; wir haben es nachaktuellem Befund des IPCC bereits bleibend um kritische
1,5 Grad geboostet, Ende offen. Und um da die Hände frei zu
bekommen und Ressourcen mit Augenmaß priorisieren zu können, müssen wir
besser heute als morgen einen nachhaltigen Kompromiss erarbeiten, unter Wahrung
der wohlverstandenen Interessen. Neudeutsch: der vested
interests der größeren Mitspieler.
(2024/11) 21.2.2024
RGA / Volksbote,
abgedruckt am 24.2.2024
Proteste gegen Rassismus und Hetze; Beiträge von Nadja Lehmann „Gegen
Rechtsextreme: Burscheids Frauen rufen zu friedlichem Protest auf“ und von
Peter Klohs „Für die Demokratie: Burscheider lassen
es leuchten“ in den Burscheider Lokalausgaben v. 17.2. / 20.2. (S. 23 / S. 21)
„Burscheid leuchtet“, das ist eine sehr lobenswerte und für
alle lohnende neue Initiative: Gut vorbereitet, eindrucksvoll durchgeführt und
dann auch völlig zu Recht gekrönt durch eine beachtliche Resonanz bei den
Teilnehmer*innen und in den Medien.
Meine Anerkennung für die vier Freundinnen und
Organisatorinnen, die Burscheiderinnen Jutta Reda, Sabine Rusch-Witthohn,
Barbara Sarx-Jautelat und Brigitte Thielen, auch zu
dem einfühlsam gewählten Motto. Und meine guten Wünsche für die weitere
Entwicklung!
(2024/10) 19.2.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Rüstung; zu Beiträgen von Kristina Dunz, Daniela
Vates und Eva Quadbeck im Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz (Ausgabe v.
19.2.2024, S. 1, 2, 4 und 6: „Selenskyj warnt vor ‚Katastrophe‘ “, „Große
Krisen, kleine Lichtblicke“, Schmerzhafter Weg zur Wehrhaftigkeit“ und „Die
Bundeswehr braucht zügig Geld“)
Wir sind zurück auf dem Gipfel des Kalten Krieges. Ob
Vorrüstung oder Nachrüstung – egal, Hauptsache Waffen. Gegen Gewalt hilft halt
nur Gewalt, Gute sind Gute, Böse sind Böse und wo gehobelt wird, da fallen eben
Späne. Selbst die im Herzen Grünen können – sollten? – heute RheinMetall zeichnen. Diplomatie? Völlige Fehlanzeige,
jedenfalls keine bemerkbare. Reine TINA-Stimmung. Oder: There
is no alternative.
Hand auf’s
Herz: Jeder weiß, es kann, es darf so nicht weitergehen. Nur fehlt das Kind,
das lauthals ruft: „Man kann ja alles sehen, ihr habt gar nichts an!“
P.S.:
Die
beigefügten Cartoons drücken das Zyklische der Entwicklung m.E. sehr gut aus –
der 1951er ist inzwischen wiederverwendbar.
1951
2001
(2024/9) 16.2.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Rüstungsausgaben; Interview „Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben“ von
Eva Quadbeck und Kristina Dunz mit Boris Pistorius
sowie Kommentar „Dauerhaft mehr Geld für Armee“ von Markus Decker (Ausgabe v.
15.2.2024, S. 3 u. 4)
Vielleicht bin ich ja verrückt
geworden. Oder aber ein Gutteil unserer Oberen
Zehntausend ist dem Wahn verfallen.
Lassen wir einmal die von Boris Pistorius mehrfach
zitierten „letzten 30 Jahre“ Revue passieren: Wir haben sehr, sehr viel
militärisches Geld in die Hand genommen – und unter dem Strich sehr, sehr viel
Unsicherheit herausbekommen. Tatsächlich haben wir unter aktiver Mithilfe hoher
und höchster Chargen aus Brüssel, die unangefochten weiter in Amt und Würden
sind, den Nahen und Mittleren Osten mehr und mehr destabilisiert, haben dabei
auch massiven Migrationsdruck getriggert. Außer Spesen praktisch nichts gewesen.
Weiter: Wir sind mit unseren Waffensystemen ein signifikantes Stück in Richtung
Moskau vorangekommen. Selbst NATO-Flugzeugträger in Sewastopol schienen schon
zum Greifen nah, am weichen Bauch Russlands. Und nun könnten wir nach der
Sowjetunion auch nochmal das postsowjetische Russland militärisch und
wirtschaftlich in Grund und Boden rüsten? Auf dass von dort nie wieder Kriege
ausgehen können? Danach endlich: Ewiger Frieden? Ist das rational?
Nur nebenbei erwähnt: Wenn wir uns bald im Wege eines
intensivierten Zivilschutzes warm anziehen müssen, dann braucht es – das vergaß
Boris Pistorius gleich mit aufzuführen – naturgemäß auch wieder einen gut oder
sogar noch besser gehärteten Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes und
der Länder, Marke „Dienststelle Marienthal plus“. Klüger und ökonomischer wäre
allerdings, wir schickten die NATO auf Heimaturlaub und holten die OSZE aus dem
Winterschlaf. Unser gutes Leben mag nicht zum Nulltarif zu sichern sein. Aber
in jedem Fall funktioniert es nicht dauerhaft mit Aplomb, männlichem
Auftrumpfen und einer Übermacht, koste sie, was sie wolle. Eher mit der
Bereitschaft zum Ausgleich und dem Einschalten der Spiegelneuronen.
Vielleicht dienen dann dabei die Südtiroler als wertvolle
Ratgeber: Während des Zweiten Weltkriegs hatten wir sie einmal zur Besiedlung
einer vorher per Völkermord geleerten Krim ausersehen. Und heute sind sie
besonders angesehen beim gewinnbringenden friedlichen Zusammenleben
verschiedener Sprachen und Ethnien.
Quellen:
Zum AdVB, alias
Dienststelle Marienthal, wo sich ein Besuch aktuell besonders empfiehlt: https://de.wikipedia.org/wiki/
Zu Ansiedlungsplänen für 210.000 Südtiroler, die
1939 für Deutschland optiert hatten, auf der Krim: Siehe etwa Bert Hoppe: Die
Schatten der Weltkriege. Die Deutschen und die Krim, in: Aus Politik und
Zeitgeschichte / APuZ (Zeitschrift d. Bundeszentrale
f. politische Bildung) 6-8/2024, S. 33 (37), im Netz unter https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2024-06-08_online.pdf
(2024/8) 5.2.2024
Remscheider General-Anzeiger,
Lokalausgabe Burscheid, abgedruckt 7.2.2024
Bürgerbeteiligung; Nadja Lehmann: „Ich schaue ganz anders auf Lebensmittel als
früher“ (RGA Lokalausgabe Burscheid v. 30.1.2024, S.
21)
Eigentlich „just in time“, diese ersten Erfahrungen, die
der Bundestag gerade mit dem „Bürgerrat für Ernährung“ sammelt. Dass die
Koalitionsparteien ganz neue Wege der kontinuierlichen
Zusammenarbeit mit der Gesellschaft ausprobieren wollen, das war vor der
letzten Wahl gar nicht zu erwarten. Aber wenn der demokratische Konsens
plötzlich als sehr bedroht erschien – und wo nun plötzlich landauf, landab
Tausende unserer Verfassungsordnung den Rücken stärken, da zeigt es sich
ebenfalls: Die Bürger sind gereift und qualifizieren sich hier und heute für
mehr Teilnahme und Gehör, gerade bei leidenschaftlich umstrittenen Fragen.
Dann aber ist mehr laufende Teilhabe nicht nur auf
Bundesebene beiderseits nützlich, sondern gerade auf der lokalen Ebene. Hier
mag sich sogar ein TOP-Thema für den bevorstehenden lokalen Wahlkampf
herausschälen: Wie stehen unsere Parteien zu Bürgerräten bei der künftigen
Stadtentwicklung? Als Glücksfall könnte sich erweisen, dass im Herbst 2023 die
Arbeiten an der unteren Hauptstraße aus dem laufenden Entwicklungskonzept
ausgekoppelt worden sind; zusammen mit dem neuen ISEK 2030 stünden sie nun
grundsätzlich für einen modernen, betont bürgernahen Prozess offen.
Vielleicht kann Frau Hilbert sogar ihre motivierenden
Berliner Erfahrungen einbringen, um ein Verfahren vor Ort bestmöglich
vorzubereiten.
(2024/7) 31.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger,
Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 6.2.2024
Proteste gegen die AfD; Reportagen in den Lokal-Ausgaben Leverkusen v. 29. u.
30.1.2024 (Violetta Gniß: „Mahnwache füllt Burscheids
Markt“ und Janne Ahrenhold: „Tausende demonstrieren
gegen Rechtsruck“)
Das sind bemerkenswerte Demonstrationen – diesmal als sehr
vernehmliche Stütze von Politik und Parlament. Und beeindruckend tief
gestaffelt, flächendeckend auch außerhalb der Metropolen. Darin liegt, wie es
ein Redner am Samstag sehr erfrischend sagte, auch eine Aussage zum
demokratischen Verfahren: Man könne Demokratie eben nicht einfach delegieren.
Manchmal muss man sich selbst zeigen, wenn es nottut, auch zwischen den
Wahlterminen.
Dann aber darf man die positiven Demonstrationen zusätzlich
als einen gelungenen Reifetest werten und darf künftig etwas mehr direkte
demokratische Mitwirkung wagen, etwa in Bürgergutachten oder Bürgerbegehren.
Wer kontinuierlich trainiert, der erhält oder stärkt gar seine politische
Leistung. Und gegen die Hass- und Abgehobenheits-Rhetorik
ist man viel besser gewappnet.
(2024/6) 29.1.2023
Remscheider General-Anzeiger
Proteste gegen die AfD; Markus Deckers Kommentar „Darauf lässt sich bauen“ in
der Ausgabe v. 29.1.2024, S. 1
In der Tat: Das
Gemeinschaftsgefühl aus flächendeckenden positiven Protesten kann Fundament
sein und auch Brücke – in einer Zeit, die weiß Gott festen Boden ebenso wie
aufbauende Begegnung braucht.
Den bunten Protest, der
unseren demokratischen Rechtsstaat so vernehmlich bejaht, mag man aber ferner
als Zeugnis der bürgerlichen Reife deuten. Das würde neue und engere Formen der
politischen Beteiligung ermutigen, etwa Bürgergutachten oder Bürgerbegehren.
Und könnte damit unsere etwas erstarrte und Experten-dominierte Republik mit
neuen Impulsen verjüngen. Tatsächlich gibt es erfahrene Demokratien, die dies
nicht nur aushalten, sondern zu schätzen gelernt haben.
(2024/5) 29.1.2023
Süddeutsche
Proteste gegen AfD; Kommentar von Ulrike Nimz „Schaut auf diese Dörfer“ in der
Ausgabe v. 29.1.2024, S. 4
Aus der Flächendeckung
und tiefen Staffelung der bunten Proteste in Ost wie West mag man eine Art
kategorischen Imperativ pro Toleranz und Schutz ableiten. Und einen politischen
Reifegrad, der eben neue Bündnisse zwischen Politik und Bürgerschaft nahelegt und sogar mehr regelbasierte direkte Mitwirkung, etwa in
Bürgergutachten oder Bürgerbegehren.
Im Maximum mag
irgendwann der Schriftzug „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ auf dem Reichstagsgebäude durch
den Schriftzug „DER BEVÖLKERUNG“ ersetzt werden, der derzeit in einem Beet in
einem Innenhof des Parlaments schlummert. Gut - eine Vision.
(2024/4) 29.1.2024
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 5.2.2024
Proteste gegen die AfD; Jasper von Altenbockums Kommentar „Unbehagen in einer
neuen Zeit “in der Ausgabe v. 19. Januar, S. 1
Die neue „Bewegung“,
wie sie sich just sogar weit entfernt von Magistralen und Kapitalen formiert,
birgt m.E. auch neue Chancen für die politischen Helden und Kärrner. Wohl zum
ersten Mal seit Geburt der Republik stützen flächendeckende, bunte Demonstrationen
unser gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Geschäftsmodell. Ob
das Modell dieser Hilfe objektiv bedurft hätte, das mag man gerne bezweifeln.
Diese neue „Bewegung“ mag aber heute die Furcht unserer Verfassungsgeber vor
einer Ochlokratie relativieren, vor der Herrschaft des Pöbels. Und sie
widerlegt gleichzeitig den giftigsten Universal-Quantor der AfD: Dass nämlich
alle bisherigen Regierungen zu jeder Zeit civibus
absolutus bzw. weit vom Volk abgehoben geplant
und verfügt hätten.
Vielleicht gelangt die
eher traditionelle politische Schicht sogar zu der Einschätzung, dass das Volk
derzeit ein Zeugnis der Reife ablegt und sich für mehr kontinuierliche
Mitwirkung qualifiziert, etwa nach Muster des gerade im Bundestag erprobten
Bürgergutachtens. Die Erfahrungen schon weiter gereifter Demokratien wie der
Schweiz oder der USA würden dem nicht widersprechen.
(2024/3) 19.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Songs für den Frieden; „Ein bisschen Frieden“ von Christian Bos (Ausgabe v.
17.1.2024, S. 20)
Ganz oben in meiner
Songliste steht Donovans „Universal Soldier“. Nach meinem Verständnis koppelt
er zu Kants „Zum Ewigen Frieden“ zurück: „His orders
come from far away no
more“ weist auf unsere ganz praktische
demokratische Mitverantwortung; eben das war Kants Ideal: Eine Mitentscheidung
derer, die die Kriegslasten zu tragen hätten, würde Konflikte dämpfen helfen.
Auch Kant war alles andere als ein theorielastiger Träumer, wie manch einer aus
dem Titel seiner Schrift von 1795 herauslesen möchte. Einleitend schreibt Kant
mit bekannt spitzer Feder: Der Titel ist schlicht abgeleitet von einem
niederländischen Gasthof in der Nachbarschaft eines Friedhofs.
Ferner: „Imagine“
verstehe ich nicht als eine Zumutung an die Fantasie, auch heute nicht. Was
wäre überraschend daran, wenn Menschen des 21. Jahrhunderts keinen Sinn darin
sähen, sich etwa für ein umstrittenes Staatsgebilde, für willkürlich gezogene
Grenzen oder auch für eine vorherrschende Glaubensrichtung ins Jenseits
befördern zu lassen?
(2024/2) 19.1.2023
DIE ZEIT, veröffentlicht am 25.1.2024 im Internet-angebot der ZEIT: https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/01/25/18-januar-2024-ausgabe-4/
Ukraine; Leitartikel „Tja“ von Anna Sauerbrey in der
Ausgabe No. 4 v. 18.1.2024, S. 1
Die These ist sehr alt, wird in jüngster Zeit allerdings
stark vervielfältigt: Früheres, entschlosseneres und massiveres Eingreifen und
eine progressive Bewaffnung würde schlimmeres Leid verhüten. Ebenso wie der
heute so beliebte Terminus „Zeitenwende“ blendet dieses Denkmodell aber das
„Vorher“ und bisherige Erfahrungen als schon überholt aus.
Die Realität mag ganz anders aussehen: Die raumgreifende
und gerne präventive, bisweilen auch sehr blutige Interventionspolitik seit
1993 hat sehr wenige bleibende Erfolge, dafür aber viele Opfer gezeitigt. Und
auch im Falle der Ukraine dürfte die Welt heute völlig anders aussehen, hätte
man die OSZE zumindest ebenso wie die NATO wertgeschätzt und ausgestattet. Auch
das Besonnene kann Stärke und muss keine Schwäche signalisieren.
(2024/1) 12.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
weitere Waffen für die Ukraine; Leitartikel „Munition statt Strategiedebatten“
von Matthias Koch in der Ausgabe v. 11.1.2023, S. 4
Eine Niederlage der
NATO ist nicht in Sicht. Denn die NATO steht zum Glück nicht im Krieg,
höchstens dahinter. Umso eher können wir jede Möglichkeit des Ausgleichs der
wohlverstandenen Interessen ausloten. Davon ist in den Medien sehr selten die
Rede; eine dankenswerte Ausnahme war der Abdruck eines Gastbeitrages von
Winfried Böttcher „Die Denkblockade durchbrechen“ im Stadt-Anzeiger vom 23.
Februar 2023.
Denn eines wollen wir
ganz sicher alle nicht: Diesen Konflikt mit seinen tagtäglich mehr als hundert
Toten – vor allem Ukrainer, Russen und russisch sprechende Ukrainer – unseren
Kindern oder gar Enkeln vererben, als einen schwärenden Stellvertreterkrieg und
Ausdruck offener Völkerfeindschaft. Aus meiner Sicht: Kein Langstreckenlauf,
eher ein Totenmarsch, powered by
Germany.
Und ein paar
Sammlerstücke aus früheren Jahren:
Die Mutter aller
[meiner] Leserbriefe zur Außen- und Sicherheitspolitik:
29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (Kölner
Stadt-Anzeiger. v. 29.9.1992)
Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V
2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie
die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer
Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die
unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum
Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt
worden sind.
Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext
ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun
begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu
absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne
auch ausdrücklich verwahrt.
Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen
wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen
Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.
Und der am weitesten
gereiste Leserbrief:
22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995
I refer to reports on
WW II and especially to two letters to
the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995. It is my
impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting
interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima
and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision").
So, I would like to show an alternative view:
It is certainly true
that Japanese military leaders commenced the hostilities against the
The echoes of that
demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from
Weitere
Leserbriefe
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1999 / 1998 / 1997 / 1996 / 1995 / 1994 / 1993 / 1992
Oder auch ein paar Briefe für Englisch-sprachige Medien.
Gerne meine >150
Leserbriefe, die zum Thema Außen- und
Sicherheitspolitik, Auslandseinsätze bzw. „out of area“ veröffentlicht
worden sind.
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