Karl Ulrich Voss,
Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2024
Stand: Dezember 2024; grün unterlegt:
lokale/regionale Themen u. Medien
(2024/78) 17.12.2024
RGA / Volksbote
Stadtentwicklung; Nadja Lehmann: „Luchtenberg-Richartz-Park: Zisterne
wird größer und teurer“, Volksbote v. 11.12.2024, S. 23
Ratsherr Joachim Wirths hatte im Stadtentwicklungsausschuss
nüchtern zu bedenken gegeben: Bei der projektierten Auslegung bliebe die
Zisterne auf eine sehr groß dimensionierte Gießkanne beschränkt. Denn es ist
nicht vorgesehen und nach den Örtlichkeiten auch gar nicht möglich, das
aufgefangene Regenwasser laufend im Park zu verrieseln oder es bei
Starkregen-Lagen unverzüglich in den Kanal abzupumpen, für zusätzlichen
Rückhalteraum. Diese Gießkanne mag im entscheidenden Moment bis „Oberkante
Unterlippe“ gefüllt sein.
Zu hoffen ist: Burscheid bringt bald ein umfassenderes
Klimaschutz-Konzept auf den Weg, das Hitzeperioden ebenso wie den bekannt
gefährlichen Starkregen adressiert, gerade mit Blick auf die besonders
verletzlichen Tallagen Burscheids und auch auf die kommunalen Nachbarn. Für die
recht eilig geplante Zisterne hätte es vermutlich Lagen mit viel mehr Nutzen
gegeben.
(2024/77) 16.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Syrien; zum Leitartikel „Bund droht Assads Helfern mit Haft“, Ausgabe v.
16.12.2024, S. 1
Sehr kraftvoll, wie sich Frau Baerbock und Frau Faeser
etwaigen syrischen Immigranten entgegenstemmen. Dass sie nun mit der vollen
Härte des deutschen Rechtssystems drohen! Und dieses kann tatsächlich zum
Fürchten sein. Etwa als am 30. Mai 1999 die Schülerin Sanja Milenković von
NATO-Kampfflugzeugen bei der Zerstörung der Brücke von Varvarin getötet wurde
und ihre Verwandten neben weiteren 34 Klägern Ersatz forderten. Die
abschließende höchstrichterliche Begründung Deutschlands mag man hier kurz fassen:
„Da könnt‘ ja jeder kommen!“ Exakt ebenso verlief es bei den Klagen von
Hinterbliebenen nach dem Luftschlag bei Kundus am 4. September 2009 – trotz
eines verheerend inhumanen Manövers, das an einen gigantischen Molotov-Cocktail
oder Napalm-Einsätze erinnert hatte. Gleiches Ergebnis auch bei allen Klagen
von Familien der Opfer von SS-Massakern in Frankreich, Griechenland und Italien
während des Zweiten Weltkriegs.
Eines aber bleibt festzuhalten: Wir haben für den Nahen und
Mittleren Osten nie einen Plan gehabt und wir haben ihn auch heute nicht. Auch
unsere sehr, sehr teuren Dienste werden uns jetzt kaum helfen können, zwischen
eher Guten und eher Bösen zu differenzieren, gleich ob sie verschleiert oder
unverschleiert eintreffen, mit oder ohne Bart. Zu oft zeigen sich unsere
Dienste leider selbst arg verwirrt und überrascht, siehe Teheran, Ostberlin,
Kabul, Bagdad oder jetzt Damaskus.
Schließlich die gute alte Faustregel: „Der Feind meines
Feindes ist mein Freund“. Sie hilft schon lange nicht mehr – und selbst wir
zählen in den Augen der Welt heute vermutlich nicht mehr zu den eher Guten.
Vielleicht ist aber genau das die beste prophylaktische Botschaft gegen
Migration.
Quellen etwa, mit jeweils weiteren Nachweisen auch zur
Rechtsprechung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_auf_die_Br%C3%BCcke_bei_Varvarin
https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_bei_Kundus
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Distomo
(2024/76) 9.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Syrien; zu den Berichten u. dem Kommentar zum Machtwechsel in Syrien in der
Ausgabe v. 9.12.2014 („Syrer stürzen Diktator Assad – was bedeutet das für die
Welt?“, „Wie der Machtwechsel den Nahen Osten verändert", „Das Land
darf nicht in die Hände anderer Radikaler fallen“ u. „Überschätzte Diktatur“,
S. 1, 2 u. 4)
Zynisch gesprochen könnte man empfehlen: Die beträchtliche
im Falle Afghanistans eingesparte Entwicklungshilfe widmen wir nun einer
Theokratie in Syrien. Oder einem islamischen Gottesstaat im gesamten Vorderen
Orient. Und wir aberkennen konsequent alle Flucht- oder Duldungsgründe zu
dieser Region. So, wie es hier und da schon eilfertig vorgeschlagen wird.
Im Ernst: Wir sollten den Menschen helfen, nach Kräften
hier ebenso wie vor Ort.
(2024/75) 6.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Afghanistan-Aufarbeitung; Markus Decker: „Merkels vernichtende Bilanz“ (Ausgabe
v. 6.12.2024, S. 6)
Eine Lehrstunde in neuerer Außen- und Sicherheitspolitik –
und man(n) muss neidlos zugeben: Der klügste und dabei noch lernfähigste
Kanzler aller deutschen Republiken, das war eine Frau. Sehr nüchtern analysiert
Angela Merkel: Die Zeitenwende vor der aktuellen Zeitenwende – damals nach 1989
der sehr ambitionierte Aufbruch auch Deutschlands zur präventiven Ordnung der
Welt – das hatte die Erwartungen gerade nicht erfüllt. Es hatte sogar
unerwartet destabilisierend gewirkt und zusätzliche Migration getriggert.
Weswegen zwar – vielleicht – noch die eineinhalb Milliarden Europäer in unserem
Boot sitzen, die unsere Außenministerin just bei der OSZE-Tagung beschworen
hat. Aber der Rest der Welt eben nicht mehr gesichert.
Und speziell, was Afghanistan anbetrifft: Der frühere
Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat hatte ISAF bereits i.J. 2011 als
gescheitert erklärt, soweit die Mission den Afghaninnen und Afghanen hätte
nutzen sollen. Wenn, dann wäre dort nur die Hilfe für einen Bündnispartner
geglückt, als Kameradschaftsdienst. Symbolisches und eigennütziges Handeln
kostet aber immer Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Je länger, je mehr.
(2024/74) 30.11.2024
RGA / Volksbote
Kommunalwahlen 2025; zu Nadja Lehmanns Bericht "Kommunalwahl 2025:
Die Mannschaft steht - und hat ein paar neue Gesichter" (Volksbote
v. 26.11.2024, S. 21)
Die Burscheider CDU und das im Kern ebenso
christdemokratische BfB könnten ab 2025 wieder unter einer Fahne marschieren.
Denn das Schisma, das sich i.J. 2009 um die Kandidatur für den
Bürgermeisterposten aufgetan hatte, das hat sich nun endgültig geschlossen:
Beide Fraktionen wollen bei den 2025 anstehenden Kommunalwahlen auf eigene
profilierte Bewerber verzichten und werden stattdessen weiter den parteilosen
Bürgermeister Runge unterstützen. "Es ist gut, dass wir als CDU solchen
Schulterschluss können", so hieß es ja gerade bei der Parteiversammlung
der CDU in der Schützenburg, nicht ohne Stolz.
Für uns Wählerinnen und Wähler bedeutet der stolze
Schulterschluss allerdings erneut sehr schmale Kost. Denn auch die SPD, noch
weniger die Grünen oder gar die FDP werden nun kaum in eigene Bewerbungen für
das höchste Amt der Kommune investieren. Und dann dürfte es am Wahltag schon
wieder heißen: „Heute wird gewählt. Gewählt wird …“. Oder: Ewig grüßt das
Murmeltier. Das duftet abschreckend nach abgekartetem Spiel, gerade für junge
Wählerinnen und Wähler. Von Parteien, deren Wahlkampf auch von uns alimentiert
wird, verlange ich deutlich mehr Einsatz und Profil. Wählen kann nur, wer die
Wahl hat.
(2024/73)
Kölner Stadt-Anzeiger
Außen- und Sicherheitspolitik; Interview von Joachim Frank mit Jürgen Trittin
„Die SPD hat sich der CDU ergeben“ (Ausgabe v. 25.11.2024, S. 4)
Die Chuzpe von Jürgen Trittin lässt mir die Magensäure
schäumen. Die künftige Außen- und Sicherheitspolitik der EU könne nur sein, die
USA bestmöglich nachzuahmen und zu ersetzen? Von den USA lernen, heißt siegen
lernen? Wohl kaum, was die kümmerlichen Ergebnisse der letzten 50 Jahre angeht.
Rüsten lernen? Das sicher schon eher.
Von Grünen verlange ich viel mehr – im anlaufenden
Wahlkampf zu debattieren: Haben wir denn alles richtig gemacht, etwa mit
Jugoslawien und der Operation OAF, mit Afghanistan und der Operation ISAF,
jeweils mit Tausenden von zivilen Toten? Gibt es heute Alternativen, z.B.
signifikant mehr OSZE und weniger NATO? Wie können wir eine zukunftsweisende
Strategie für Minderheiten in Europa installieren? Trittin mag solche Gedanken
als kindlich-harmlos abtun und vielleicht sieht er Politiker wie Brandt und Bahr
als Träumer an, von der Geschichte widerlegt. Ich nicht.
(2024/72) 11.11.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht im Internet-Angebot der ZEIT am 14.11.2024 = https://www.zeit.de/leserbriefe/2024/7-november-2024-ausgabe-nr-47
Ampel-Ende; Beitrag „Zeit, dass sich was dreht“ von Peter Dausend, Tina
Hildebrandt und Mark Schieritz in der Ausgabe No. 47 v. 7.11.2024
Das Lindner-Papier war nun doch mehr als der Versuch, eine
bestehende Koalition zu wenden – es war halt der in der Wirkung gut kalkulierte
Abschiedsbrief. Den könnte man sogar mit ein wenig Respekt deuten: Denn sprengt
sich ein liberaler Finanzminister nachhaltig aus der Regierung, dabei aus dem
klassischsten aller klassischen Ressorts, dann mag man das als ultimatives
Bekenntnis zur Herrschaftsfreiheit deuten.
Allerdings werden sich frühe Freunde entschlossener
Entbürokratisierung wie Michail Bakunin oder Richard Wagner – der gerne einmal
die Marseillaise in seine Kompositionen einflocht – im Grabe herumdrehen, wenn
jener Minister nun unverzüglich den nämlichen Schatzmeister-Sessel für sich
reklamiert, in einer neu konfigurierten und dann den powers that be
tendenziell noch näher stehenden Administration. Hätte sich dann wirklich etwas
gedreht? Oder hätte sich jemand wieselflink neu gewendet?
P.S./Quellen:
Zu prägenden Kontakten zwischen Bakunin und Wagner etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Wagner; zu einem Schreiben
Wagners an Schumann, als beide Heinrich Heines „Die Grenadiere“ vertont hatten,
und zwar unabhängig voneinander mit Versatzstücken aus der Marseillaise: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenadiere
P.P.S.
Insgesamt deutet der Ablauf, insbesondere Lindners forsch erneuerter Anspruch
auf das Finanzressort m.E. auf einen signifikanten Realitätsverlust: Gerade bei
einer zeitnahen Wahl und bei der dynamisch wachsenden Konkurrenz im
konservativen politischen Spektrum dürfte es sehr schwerfallen, den
aktuellen Eindruck zu geringer Teamfähigkeit und zu großer Chuzpe in einen
Wähleranteil > 5% umzusetzen. Wermelskirchen wird sich auf einen
schwindenden Einfluss auf die Bundes- und Geopolitik einrichten müssen.
(2024/71) 8.11.2024
RGA / Bergischer Volksbote
Wahlen 2024; Nadja Lehmann: „Burscheider Politiker sind erleichtert über das
Ampel-Aus“ in der Lokalausgabe Burscheid v. 8.11.2024, S. 23
Ein Vorteil des vorzeitigen Berliner Ampel-Aus ist nicht zu
übersehen: Die Bundestagswahl wird unsere Kommunalwahl im Herbst 2025 nun wohl
nicht mehr überstrahlen. Oder überschatten.
Ein wahres Heimspiel dann, mit hoffentlich vielen
profilierten Bewerber*innen um das Amt der besten Bürgerin bzw. des obersten
Bürgers. Und mit garantiert spannenden Themen für alle: Was ist die Bilanz der
bisherigen Stadtsanierung, was soll und kann noch kommen? Wird es hier grüner
und nachhaltiger als hellgrün? Wie kann sich Burscheids „Neue Mitte“ rechnen?
Und was wird aus der alten? Bekommen wir genug bezahlbaren stadtnahen Wohnraum?
Wessen Einfluss nimmt nun zu, wessen nimmt ab? Ich bleibe sehr gespannt.
(2024/70) 7.11.2024
Süddeutsche
US-Wahlen; Beitrag „Geschlossen gegen Trump“ von Harald Freiberger in der
Ausgabe v. 7.11.2024, S. 13
Sehr einverstanden: Ergebenheitsadressen nützen nie und am
wenigsten gegen handfestes Bullying oder das Erpressen von Schutzgeldern.
Europa hat Masse genug, um selbst zu definieren, wie viel Sicherheit es (a) aus
Rüstung und (b) aus Diplomatie braucht. Sodann: Was es an moderner Rüstung vor
Ort eigenhändig schmieden kann und was wo dazugekauft werden muss. Ferner: Was
man – zum beiderseitigen atlantischen Nutzen – hier aufstellen sollte und was
nicht. Bei der Diplomatie und insbesondere für die Wirtschafts-Diplomatie
bliebe eine gute Prise Brandt’scher und Bahr’scher Ostpolitik intelligent und
entspannend; diese Erfahrung haben wir viel zu schnell abgeschrieben.
(2024/69) 7.11.2024
DIE WELT
US-Wahlen; Mathias Döpfners Beitrag „Eine späte Chance für Europa“ in der
Ausgabe v. 7.11.2024, S. 1
Richtig: Wir sollten nicht fragen, was Amerika für uns tun
kann. Aber auch nicht – in Anlehnung an John F. Kennedy – was wir für Amerika
tun können. Sich einfach ranzuschmeißen, das mag eher zu Missbrauch führen.
Gefragt ist nichts weniger als ein neues transatlantisches Synallagma: Was
brauchen wir an Sicherheit? Was dazu können wir im Wortsinn selbst fabrizieren
und was kann Amerika schlicht besser? Ein ganz nüchterner Deal, einer, der aber
auch weiß: Sicherheit besteht nicht nur aus Technik, nicht nur aus power
projection und sie ist nie zu 100% definiert; sie basiert im Kern auf
wechselseitigem Vertrauen.
(2024/68) 6.11.2024
DAS PARLAMENT
US-Wahlen; Thema der Woche im PARLAMENT Nr. 45/2024 v. 2.11.2024, speziell zu
Christoph von Marschalls Artikel „Die Welt schaut auf Amerika“ (S. 1), zum
Interview von Peter Stützle mit Michael Georg Link („ Unser wichtigster
Verbündeter“, S. 2) und zu den Pro-/Contra-Gastkommentaren von Julia Weigelt
und Stephan Hebel („Schutz durch US-Raketenschirm“, S. 8)
US-Wahlen triggern – als gäbe es einen bedingten Reflex –
die Vorhaltungen, nun doch endlich mehr für eine bedrohte nationale Sicherheit
zu tun, bevorzugt durch mehr militärische Hardware, auch durch Stationierung
von mehr und neueren Waffensystemen.
Tatsächlich müssen wir nicht nur in Mittelstreckenraketen
oder Flottenstützpunkten denken. Sondern können in Diplomatie und Koexistenz
investieren; wir können Denkfiguren und Strategien eines Willy Brandt und Egon
Bahr rehabilitieren und recyceln. Zumindest sollten wir als Demokratie genau
darüber streiten können. Dass unsere Exportnation in einer Welt besser
reüssieren kann, die nicht nach Gut und Böse segmentiert ist – das wäre
ein sehr fruchtbarer Nebeneffekt. Und gerade ein Präsident Trump wird das nüchterne
und selbstbewusste Behaupten eigener Interessen nachvollziehen. Besser
jedenfalls als eilfertige Ergebenheitsadressen.
P.S.
Ich teile sehr die Einschätzung von Christoph von Marschall im letzten
Absatz seines Beitrags: Die globalen Konflikte haben signifikant zugenommen,
dies noch verschärfend auch die Bereitschaft, eigene Interessen mit einer
Politik des Bullying durchzusetzen. Gleichzeitig sind vorausschauende
Politiken - etwa gegen den objektiv und erfahrbar
"menschenfressenden" Klimawandel und für den Abbau sozialer Risiken -
aus dem öffentlichen Meinungsstreit praktisch verschwunden. Gerade diese offenbare
Deformation lässt mich auf mehr und reichere, deeskalierende demokratische
Debatte hoffen. Wenn nicht hier, wo dann?
(2024/67) 21.10.2024
Dolomiten / Zeitung der Südtiroler, abgedruckt am 23.10.2024
Nahost-Konflikt u. Blauhelme im Libanon; Stephan Kaußens Kommentar "Krieg,
Waffen, Frieden?" in den Dolomiten v. 18.10.2024 auf S. 3
Meine volle Zustimmung: Wenn die Blauhelme im Libanon
weiter Flagge zeigen würden, dann wäre das Eskalationsrisiko geringer und die
UNO-Idee würde gestärkt. Leider aber sehen gerade die Reichen und Mächtigen
dieser Welt überstaatliche Institutionen wie UNO oder auch OSZE eher im
Sinkflug, wenn nicht Absturz - während bei ihnen die Interessen-geleiteten
Körperschaften wie die NATO und die ihnen nahestehenden Konglomerate der
"Wehrwirtschaft" immer höher im Kurs stehen.
Recht hellsichtig hatte der scheidende Präsident Eisenhower
in seiner farewell address eine solche machtvolle Netzbildung als
größtes Risiko für Demokratie und Weltfrieden beschrieben.
P.S.
Ich verstehe nicht viel von der Geschichte Italiens. Aber mir scheint immer,
dass die besondere Historie und der heutige große Erfolg der Kohabitation
unterschiedlicher Ethnien zwischen Brenner und Salurner Klause – einem Ettore Tolomei zum Trotz – ein
hervorragendes Modell für die Lösung einiger "moderner" Konflikte
sein müsste. Eisenhowers oben zitierte farewell address mit der Warnung
vor einem übermächtigen militärisch-industriellen Komplex ist u.a. hier m.w.N.
gut dokumentiert: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Eisenhower%27s_farewell_address .
(2024/66) 6.10.2014
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 10.10.2024
Schutzzölle auf E-Autos“; Ausgabe v. 5.10.2024 (Leitglosse „Protektionismus
schwächt“ von Gerald Braunberger u. Berichte „Berlin scheitert mit Widerstand
gegen Zölle auf E-Autos aus China“, „Das neue Zoll-Zeitalter“ und „Japanisches
Menetekel“ von Hendrik Kafsack et al. und Patrick Welter auf den S. 1, 17 u.
19)
Innovation geschieht bisweilen im stillen Labor. Aber
zumeist im Nutzer-orientierten Dialog zwischen Entwicklern und informierten und
emanzipierten Marktteilnehmern. Schutzzölle verschaffen eine trügerische
Friedhofsruhe und bewahren tendenziell unser lange Bewährtes, siehe nur das
japanische Menetekel. Die Grünen können genau daraus aber noch einen allseits
respektablen Punkt machen, auch auf dem demokratischen Marktplatz:
Wenn denn ein neues Zoll-Zeitalter nun unausweichlich ist,
dann sollte es intelligent im Doppelpack mit entscheidend mehr Aufklärung für
uns Konsumenten kommen: Wer immer in der EU künftig individuelle Mobilität
verkaufen will, der liefert online und in seiner Werbung zwei Datensätze: Zum
einen das CO2-Äquivalent für die Herstellung des konkreten Fahrzeugs und für
das Bereitstellen am point of sale. Zum zweiten den realen Energieaufwand;
die Hersteller können diesen schon seit Jahren aus Kundendaten gerade im
Premium-Segment errechnen, in real time.
Wie es Goethe am Ende seines Lebens gefordert haben soll:
„Mehr Licht!“ Und eben das - der transparente und faire Wettbewerb ums immer
bessere Produkt - das könnte den Evolutionsdruck aufrechterhalten.
(2024/67) 4.10.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
E-Mobilität & Konsumenten-Schutz; Bericht von Sven-Christian Schulz „Kommen
Zölle auf E-Autos aus China?“ (Ausgabe v. 4.10.2024, S. 5)
Wenn die EU-Kommission und auch die Bundespolitiker nun
eine anti-chinesische Mauer auftürmen wollen, so mögen sie in Gottes Namen so
verfahren. Aber wir Auto-Konsumenten und Auto-Wähler müssen das Vorhaben
ultimativ mit einem Mechanismus gegen energetische und ökologische
Fehlsteuerung verknüpfen.
Alle Anbieter stellen künftig diese Daten für jeden
Fahrzeugtyp online bereit; sie verwenden sie auch gut wahrnehmbar in ihrer
Werbung: Erstens den realen Energie-Verbrauch eines Typs. Und zwar nicht weiter
nach abstrakten Testzyklen verklärt, sondern nach den nüchternen empirischen
Daten des Alltags. So, wie ihn die jeweilige Zentrale heute bereits real
time mit Kundendaten misst. Und das zweite verpflichtende Datum: Das CO2-Äquivalent
für die Herstellung des Fahrzeugs und für das Bereitstellen am Verkaufsort.
Aufklärung ist nach Kant unser Ausgang aus
selbstverschuldeter Unmündigkeit. Oder: Mehr zu wissen, das dürfen wir zumeist
riskieren. Hier würde ein „Mehr-Wissen“ einen global nützlichen Wettbewerb und
die Optimierung unserer Welt nach dem Stand der Wissenschaft fördern –
Ordnungspolitik vom Feinsten!
(2024/66) 3.10.2024
Kölner Stadtanzeiger
Naher Osten; Daniela Vates‘ Leitartikel „Der Schlüssel liegt in Teheran“
(Ausgabe v. 2.10.2024, S. 4)
Wären der Iran und Israel natürliche Personen, man könnte
beide als neurotisch an der Grenze zum Psychotischen einstufen. Der Iran nach
wirksamen westlichen Coups wie dem Putsch gegen Mossadegh und dem offenen
Anstacheln und Aufrüsten eines Saddam Hussein - Israel seit Staatsgründung von
untröstlicher Feindschaft umzingelt und mit einer albtraumhaften Historie dazu
und zunehmenden internen Konflikten.
Der Schlüssel liegt m.E. bei keinem der derzeitigen
Hauptkontrahenten, nicht einmal bei den eingefleischten Hardlinern beider
Seiten, die auf ein Armageddon hin fiebern. Der Schlüssel liegt bei uns bzw.
bei allen Industrienationen, die diese uralte Kulturlandschaft im letzten
Jahrhundert nach und nach zerrüttet haben, mit zumeist Kirchturm-hafter
Machtpolitik. Wir sollten nun alle unsere diplomatische und ggf. auch
wirtschaftliche Kraft nutzen, den Nahen Osten wieder prosperieren zu lassen.
Und sollten die vielen Staatsleichen des Morgenlandes gemeinsam sanieren.
Leistungsfähige und anerkannte Staatlichkeit im Libanon, in Syrien, im Irak,
auf der Westbank und in Gaza bleiben die aussichtsreichste Strategie gegen
Anarchie und Terror. Und wir haben da noch sehr viel wiedergutzumachen.
(2024/65) 2.10.2024
DIE ZEIT
Parlamentarismus; Gespräch zwischen Dominik Hierlemann und Philipp Amthor,
moderiert von Mark Schieritz und Carlotta Wald (Ausgabe No. 41 v. 26.9.2024, S.
9: „Sind Bürgerräte gut für die Demokratie?“) der nachfolgende Leserbrief:
Philipp Amthor hat sicher Recht, wenn er der orthodox
repräsentativen Lebensform und ihren Wahllisten zutraut, das Bewährte besonders
rein zu bewahren. Vielleicht meint er auch, Wolfgang Schäuble mit seinen bisher
unerreichten 14 Legislaturperioden-Punkten im Kürschner sei Vorbild und
Inbegriff des Parlamentarismus. Möglicherweise hegt er aber nur die gleiche
Ochlophobie, diese Angst vor der Herrschaft des Pöbels, die bereits die vielen
Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes davon abhielt, die Bürger*innen
offen zu fragen: Ob sie denn genau diesen Parlamentarismus wollten?
Bürger*innen übrigens, denen man 1989 noch immer kein Referendum zumuten oder
zutrauen wollte.
Vielleicht können wir die Auswahl, die Perspektiven und die
parlamentarische Konvektion etwas stärken, sogar ganz nah am System: Indem wir
das passive Wahlrecht auf genau zwei konsekutive Perioden begrenzen. Das würde
viel Berliner Verständnis ins Volk tragen und vice versa. Vor diese Wahl
gestellt, würde Herr Amthor vermutlich sogar Bürgergutachten vorziehen.
(2024/64) 1.10.2024
RGA / Volksbote
Wahlen 2025; Interview von Nadja Lehmannn mit der der Stadträtin Frau H. „Das
Land kann es sich nicht leisten, auf die Grünen zu verzichten“ (Ausgabe v.
30.9.2024, S. 21)
Eine sehr verstörende Situation für die Grünen: Warum
schwindet der Zuspruch der Wähler*innen und ebenso der Zusammenhalt der Partei
– obwohl wir alle unsere Umwelt doch immer härter spüren?
Auf die lokale Situation bezogen gibt es meines Erachtens
nur eine Konsequenz. Nämlich im nun anlaufenden Wahlkampf ganz klar zu machen:
Was konkret war der erfolgreiche Input der Grünen bei der laufenden
Stadtentwicklung, von der „Alten Mitte“ bis hin zur „Neuen Mitte“? Und was
werden die spezifisch grünen Themen für 2025-2030? Diesen erneuerten
Wählerauftrag sollte man mit den Wähler*innen eng untergehakt aufstellen. Mit
dem Ziel: Die Wähler*innen an der Urne an den Burscheider Grünen tatsächlich
nicht vorbeikommen zu lassen.
P.S.
Es ist sehr ehrenwert, wenn Frau H. in spätestens zehn Jahren nicht mehr
gezwungen sein will, mit Gas zu heizen. Allerdings wird dann mehr oder weniger
um die Ecke, nämlich in der angrenzenden Montanusstraße, eine massive Gastherme
die gesamte "Neue Mitte" anfeuern, mit allen ihren Märkten, Praxen
und Wohnungen. Ich denke, wir sprechen beim Energiebedarf etwa vom Faktor 50
gegenüber dem Hentschel-Eigentum und von einer projektierten Nutzungszeit von
im Minimum 20 Jahren, bei einem klimarelevanten fossilen Energieträger.
Tatsächlich sollte die Bürgerschaft auch über solche Themen offen,
vertrauensbildend und weiterblickend mitdebattieren, sollte lernen und sich
zutrauen, Nutzen und Lasten nüchtern abzuwägen. Dann behalten nicht nur grüne
Inhalte, sondern auch die Grünen ihre nachhaltige Chance.
(2024/63) 21.9.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Berichterstattung und Kommentierung der sich weiter zuspitzenden Situation im
Nahen Osten, insbesondere zum Bericht „Walkie-Talkies im Libanon explodiert“
und zum Kommentar von Steven Geyer „Netanjahus riskantes Manöver“ (Ausgabe v.
19.9.2024, S. 1 u. 4)
»Es soll sich kein
Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das
wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da
sind, An-stellung der Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Kapitulation,
Anstiftung des Verrats in dem bekriegten Staat etc.« Das schrieb Kant im Jahre
1795.
Hätte Kant tödliche
Pager, Walkie-Talkies oder Mobiltelefone gekannt, er hätte sie eben hier
aufgeführt. In dem mehr als hundert Jahre alten Konflikt um Palästina bringen
sie nicht mal eine Atempause. Sie lenken die Aggression nur auf weitere weiche
Ziele - auf die Zivilgesellschaft.
Quelle:
Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 1. Aufl. Königsberg 1795, Erster Abschnitt,
6. Präliminar-Artikel für einen Völkerrechtsvertrag, S. 12f; in der Ausgabe der
Reclam-Universalbibliothek Nr. 1501 S. 7
(2024/62) 20.9.2024
Süddeutsche Zeitung
Nahost; Tomas Avenarius‘ Kommentar „Schattenkrieg, nächste Stufe“ und Moritz
Baumstiegers Bericht „Bei Anruf Tod“ (Ausgabe v. 19.9.2024, S. 4 u. 9)
Schattenkrieg? Nun,
diese ubiquitär letale Elektronik, die Pager & Co. mit Fernzünder, das ist
schon eine disruptive Innovation, die globale Nachahmung herausfordert, gerade
gegenüber den soft targets der Zivilgesellschaft. Und die
Ressourcen der Gegenseite sind weder intellektuell noch finanziell unterlegen.
Für Geld gibt es Hühnermilch, gerade auf der arabischen Halbinsel.
Die Zeche werden wie
gesagt am ehesten wir zahlen, die soft targets, im Nahen Osten,
aber auch bei den Förderern der einen oder anderen Seite weltweit. Das mag zu
künftigen Existenzen in Rüstungen und Wagenburgen führen und zum langsamen
Ersterben des Tourismus.
Ein Vorteil vielleicht:
Die klassischen Dystopien des letzten Jahrhunderts von Orwells „1984“ bis zu
Wyndhams „Day of the Triffids“, die können wir auf Dauer vom
Wunschzettel streichen – es genügt der tägliche Blick in den redaktionellen
Teil unserer Medien.
P.S. zum „warum?“
bzw. „warum jetzt?“ im Kommentar:
Eine wesentliche
Motivation des Mossad (als eines derzeit wahrscheinlichen Verursachers) dürfte
sehr trivial die Sicherung seiner Ressourcen mittels eines frappierenden Coups
gewesen sein, in einer Zeit großer politischer Unsicherheit über den
mittelfristigen staatlichen Kurs. Vielleicht war es auch – aber das halte ich
für weniger naheliegend – eine Art aktive Bewährung nach der breiten
öffentlichen Kritik im Gefolge des brutalen Massakers in der israelischen
Grenzregion.
Weitere Anm.: Die
Strategien etwa der NASA und des Mossad ähneln sich in gewisser Weise: Die NASA
nutzt das höchst unrealistische Leitbild einer Marsbesiedelung, um sich
kontinuierlicher öffentlicher Förderung zu versichern. Und ähnlich führt der
Mossad das ebenso alte wie irrationale Bild weiter, das schon die historische
zionistische Bewegung begleitet hatte: „A land without people for a people
without land“. Das, indem er verspricht, die Region für alle Gegner und
insbesondere für deren Eliten unbewohnbar zu machen. Was eben zu der bekannten
Strategie eines „decapitating“ anleitet. Das kann endlos fortgeführt
werden und kann sogar – wenn es wie hier sehr spektakulär gelingt – trotz allen
Erschreckens über den dabei verbreiteten Terror noch große Bewunderung
erheischen und eine nicht einmal klammheimliche Freude triggern. A sweet
problem solved.
(2024/61) 20.9.2024
Frankfurter Allgemeine
Nah-Ost; Alexander Hanekes Leitglosse „Ein Coup, der wenig ändert“ in der
Ausgabe v. 19.9.2024, S. 1
Ein Coup, der wenig
ändert? Das ist etwas tiefgestapelt, vielleicht mit dem Ziel zu de-eskalieren.
Tatsächlich war es eher ein kleiner Kondratieff, eine in mehreren Dimensionen
disruptive Innovation. Können wir nun wirklich noch unserer Alexa trauen? Unserem
Handy? Oder unserem Spurhalte-Assistenten? Und für die Region östlich des
Mittelmeers war es ein Bärendienst, mit zeitlich und örtlich nicht begrenzbaren
neuen Zivilisationsbrüchen.
Gewinner? Die gibt es,
wie immer: Die Hardliner beider Seiten, die vom Sieg über den Endgegner träumen
und sich bis dahin an den soft targets austoben. An uns.
(2024/60) 19.9.2024
DIE WELT
Nah-Ost; Jacques Schusters Kommentar „Netanjahus Rabauken“ in der Ausgabe v.
19.9.2024, S. 1
Da stimme ich
vollständig zu: Der strategische Effekt der Pager-Attacke ist sehr begrenzt –
das langfristige Risiko dagegen unabschätzbar. Oder „indiscriminate“,
wie bei allen Waffen mit wahlloser Wirkung.
Das Problem ist nicht
einmal unser unmittelbar induziertes Misstrauen gegenüber hochtechnisierten
Informationsmitteln, dabei übrigens auch: global vernetzter KFZ-Technik.
Vielmehr: Es sind die unkontrollierbaren Hass-Sprengsätze in den Köpfen von
Hunderttausenden junger Menschen. Wer immer diese hochinnovativen Mechanismen
ersonnen und produziert hat, er hat Israel und der ganzen Region einen
Bärendienst erwiesen, auf Jahrzehnte.
Allerdings mag genau
das am Ende den Hardlinern beider Seiten nutzen, wenn sie vom Armageddon oder
Har-Magedon träumen.
(2024/59) 11.9.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 12.9.2024 im Internet-Angebot der ZEIT = https://www.zeit.de/leserbriefe/2024/5-september-2024-ausgabe-nr-38
zum Titelthema „Angst vor dem eigenen Volk?“ in der Ausgabe No. 38 v. 5.9.2024,
insbesondere zu dem von Mark Schieritz und Carlotta Wald moderierten
Streitgespräch zwischen den Professoren Philip Marlow und Christoph Mölders
(„Müssen wir die Wähler fürchten?“, S. 9)
Dürfen
Mehrheitsentscheidungen alles? Schon im Jahre 2016 hatte die ZEIT auf einer
Titelseite bange Zweifel geäußert: „Was, wenn die Falschen gewinnen?“
Allerdings ging es damals um den Brexit, quasi um Übersee.
Jetzt ist alles näher
gerückt. Aber ist die Frage denn wirklich richtig gestellt? Impliziert sie
nicht ein bekenntnishaftes Verständnis repräsentativer Demokratie, die
plötzlich fürchtet, die Geschäfte offen ohne Auftrag führen zu müssen? Weil sie
ihre Auftraggeber – die im Falle der Bundesrepublik ja nicht einmal einen contrat
social in Form eines Referendums gezeichnet haben – nicht mehr versteht? Wo
der Wähler, dieses unbekannte Wesen, und seine potenzielle plebiszitäre Energie
schon 1949 und dann wieder 1989 mit großem Argwohn beäugt wurden?
Vielleicht wären Ängste
und Schisma abzubauen, wenn der kleine Vertreter dem großen Souverän – seiner plebs
– systematisch erlauben und zeigen würde, wie dieser selbst politisch
planen kann. Eigentlich hat der Bundestag in dieser Legislaturperiode einen
hoffnungsvollen, emanzipatorischen Anfang gewagt – das erste Bürgergutachten
auf Bundesebene. Wir lernen so viel in der Schule – warum nicht auch große
Demokratie für alle? Je qualifizierter dieser Unterricht, umso angstfreier am
Ende.
Quelle etwa:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-buergerrat-buergergutachten-989750
(2024/58) 31.8.2024
RGA / Volksbote
Stadtentwicklung; Informationen im Volksboten v. 31.8.2024 (S. 23: „Wie soll
die Kirchenkurve aussehen? Die Bürger sind gefragt“)
Es wird kein
Kinderspiel sein, unser Bauministerium im kommenden Jahr mit einem erneuten
Förderantrag zur Burscheider Altstadt zu überzeugen. Dafür war ja schon sehr
viel Geld – ca. drei Millionen Euro – geflossen, Geld, das nun bereits
verausgabt bzw. fest verplant ist.
Einen wirksamen
Unterschied könnte immerhin ein neues Verfahren machen – ab jetzt betont
gemeinsam mit den Bürgern, dann bodennäher und maßvoller zu planen, vielleicht
in Form eines Bürgergutachtens, wie es gerade selbst der Bundestag erprobt hat.
P.S.:
Der Projektentwickler ist, wie wir wissen, ein charismatischer Redner und
Psychologe, der die Sehnsüchte und Ängste der vom Strukturwandel geplagten
kleinen und mittleren Städte, ihrer Verwaltungen und Räte instinktiv aufgreift.
Er kann ihnen auch den Erfolg, der nur noch wenige Schritte entfernt zu sein
scheint, ähnlich betörend visualisieren wie in dem einfühlsamen „Moon river“ aus „Breakfast
at Tiffaniy’s: „... the rainbow‘s end, waiting round the bend…“.
Allerdings wissen wir auch, dass dies nicht garantiert ist, nicht an der
Montanusstraße, nicht an der unteren Hauptstraße. Darum: Mitsprechen ist am
5.9. quasi Bürgerpflicht. Wenn’s gut werden soll 😉
Es ist wohl, wie es ist: Die Entwickler sind mit dem
Burscheider Entwicklungs- und Handlungskonzept krachend gescheitert. Das schöne
Geld ist schon perdu. Und der Ausgangspunkt, gleichzeitig der konsequent im
IEHK an allererster Stelle genannte Handlungsschwerpunkt – Sanierung der
Altstadt zwischen Markt und Mittelstraße – der ist noch völlig unbearbeitet.
Frische Fördermittel? Die sind heute leider sehr, sehr schwer zu ergattern; der
Wind bläst wieder rauer.
Ich möchte dazu raten, auf der gerade äußerst hastig
einberufenen Bürgerversammlung die Entwickler höflich wieder nach Düsseldorf zu
verabschieden. Und nahe bei den Bürger*innen ganz neu aufzubauen, mit einem
Bürgergutachten, genauso, wie es jetzt selbst auf Bundesebene gemacht wird. Und
mit sehr viel gemeinsamer Zeit.
Quelle etwa:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-buergerrat-buergergutachten-989750
(2024/56) 9.9.2024
Kölner Stadt-Anzeiger /
Regionalteil Leverkusen, abgedruckt 16.9.2024
Gedenkstätten in Burscheid; Bericht von Violetta Gniß über die Aufwertung des
Denkmals für sowjetische Kriegsopfer in Burscheid („Vergessenes Denkmal gerät
in den Fokus“, Lokalausgabe Leverkusen v. 9.9.2024, S. 23)
Sehr gut, wenn der Geschichtsverein das weithin unbekannte
Kriegsopfer-Denkmal am unteren Friedhofsrand lebhaft in Erinnerung rufen will.
Und sehr anerkennenswert, wenn der Vorsitzende Axel Riemscheid dies sogar
persönlich fördert. Gut auch, dass die Stadt nun endlich die zum Betriebshof
gehörenden Abraum-Mulden beseitigt hat, dort unmittelbar neben der neuen
Besucherbank. Der entscheidende Impuls war 2021 aus dem Landesministerium für
Heimat und Kommunales gekommen, als man – freilich in einem anderen Zusammenhang
– unserer Stadt den gut dotierten Landes-Heimatpreis zuerkannt hatte.
Vermutlich kann man nun aber noch etwas mehr tun. Ergänzend
zu einem QR-Code, mit dem gerade die Älteren und die ganz Jungen wenig anfangen
können oder wollen, wäre eine niedrigschwellige, unmittelbar lesbare
Informationstafel vor Ort sehr hilfreich. Man mag sogar an Übersichtstafeln an
den mehreren Zugängen zum Friedhof denken, die die sehr verschiedenen
kriegsbezogenen Erinnerungsstätten greifbar machen – den Soldatenfriedhof
direkt an der Begräbniskapelle, das Kriegerdenkmal zu den Gefallenen von 1815,
1866 und 1870/71 in der Nähe der Altenberger Straße und eben das Denkmal für
Opfer der Zwangsarbeit, am diametral entgegengesetzten Ende des Friedhofs.
Dazu würde ich – wenn nötig – gerne finanziell beitragen,
andere täten es sicherlich auch. Und mittelfristig wäre m.E. sogar das
Verlegen des kleinen Obelisken an einen besser belichteten Ort wünschenswert
und respektvoll, dann ohne den Betriebshof direkt nebenan. Platz genug haben
wir heute und der Aufwand wäre sehr überschaubar.
P.S.:
Ich habe mir die Situation heute vor Ort angesehen, wollte eben auch den
QR-Code aufrufen. Leider steht dort tatsächlich nur die im KStAnz
abgebildete Bank; ein QR-Code ist dort offenbar noch nicht (dauerhaft)
angebracht, auch soweit erkennbar nicht auf der Website des Vereins (https://www.bgv-burscheid.de).
Auch ist die heutige Friedhofs-Ausschilderung noch nicht
wirklich ausgereift – sie zeigt leider nur das ganz abstrakte Symbol für
Kriegsopfer-Stätten und dürfte von sehr vielen zuallererst mit dem hier viel
näher gelegenen und bekannteren Soldatenfriedhof verbunden werden. Daher
wäre ein sprechender und eben nicht mehr bloß anonymer Hinweis (etwa:
"Gedenkstätte für Opfer von Zwangsarbeit") erforderlich, und
zwar an allen Zugängen zum Friedhof, auch an dem der Innenstadt
zugewandten Tor beim KulturBadehaus.
Wenn denn Burscheid seine jahrzehntelange Scham tatsächlich
tatkräftig überwinden will…
(2024/55) 20.8.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Russland/Ukraine; Bericht „Manchmal denke ich, es war eine Halluzination“ von
Uli Kreikebaum über sein Gespräch mit German Moyzhes in der Ausgabe v.
20.8.2024, S. 3
Erwartet hätte ich so
etwas nicht – der im Ost-West-Deal just ausgetauschte Jurist German Moyzhes
empfiehlt uns eine Debatte über Alternativen der heutigen Osteuropa-Politik –
und zwar konkret wegen des große Leides, namentlich der vielen Menschenleben, die
der Krieg dort tagtäglich fordert.
Tatsächlich mag man
sich fragen: Rechtfertigen die komplexen Ursachen des Konflikts unser
unbefristetes „Weiter so, wenn nicht stärker“? Wo nämlich die
tausendfachen humanitären Folgen ausschließlich von anderen, von Menschen in
der Ferne zu tragen sind? Zumindest ist es der Mühe wert, gut demokratisch
über Alternativen zu debattieren, auch über einen Pfadwechsel, der die
wichtige russische Kultur und Zivilgesellschaft nicht wie mit einem Ruck aus
Europa hinaus definiert.
(2024/54) 18.8.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 24.8.2024
Russland/Ukraine u. Vorfall in Köln-Wahn; Berichte und einem Gastkommentar in
den Ausgaben v. 15. u. 16.8.2024 (15.8.2024: Meldung „Sabotageverdacht in
Kölner Kaserne – Offenbar Angriff auf Trinkwasser des Fliegerhorsts Wahn –
Beteiligung Russlands vermutet“; 16.8.2024: Meldung „Verdacht auf Sabotage
nicht erhärtet“; Gastkommentar v. Winfried Böttcher „Irrglaube an die Logik der
Abschreckung“)
Der Gastkommentar von
Winfried Böttcher „Irrglaube an die Logik der Abschreckung“ in der Ausgabe v.
16.8.2024 ist ein wenig verstörend: Der Mainstream der öffentlichen Meinung
besagt nach meinem Eindruck, nur unsere verstärkte Drohung mit Gewaltanwendung
könne den aktuellen russisch-ukrainischen Konflikt lösen. Punkt. Aber Böttcher
legt sehr nachvollziehbar dar, dass verstärkte Abschreckung hier keineswegs
Sicherheit garantieren müsse – und dass gerade eine Demokratie Wert auf den
vorherigen Diskurs über Aufrüstung und etwaige Alternativen legen muss.
Ich möchte ihm Recht
geben; wir haben uns wohl festgefahren. Die zunächst ungeklärte Begebenheit am
Wahner Flughafen vor wenigen Tagen zeigte eine sehr gefährliche Nervosität. Wie
in einem bedingten Reflex diente sie praktisch ungefiltert als Beleg für eine
neue Stufe hybrider russischer Kriegführung - und dann zum prompten Aufsatteln
bei Unverständnis und Misstrauen. Verkürzt könnte es heißen: „Der Mörder ist
heute im Zweifel der Russe.“
M.E. ist längst
überfällig, die bisherige Strategie nüchtern zu debattieren und neue Pfade zu
erkunden, ohne eine Eskalation von Drohungen und Risiken. Wenn ein beiläufiges
Wort des Kanzlers ausreichen sollte, ggf. schicksalhafte Rüstungsentscheidungen
dieser Tragweite zu triggern, dann verraten wir die Geschäftsgrundlage unserer
Demokratie und damit unsere Werte.
P.S.:
Meine ausdrückliche Anerkennung, dass der Stadt-Anzeiger auch Positionen wie
die von Herrn Böttcher zu Wort kommen lässt – wie schon in seinem sehr
nachdenklich stimmenden Kommentar „Die Denkblockade durchbrechen“ in der
Ausgabe v. 23.2.2023. Damit fördern Sie dankenswert den Diskurs und eine
demokratische politische Willensbildung.
(2024/53) 18.8.2024
Frankfurter Allgemeine
Russland/Ukraine u. Vorfall in Köln-Wahn; Leitartikel „Im ungleichen Kampf“ von
Reinhard Müller in der Ausgabe v. 16.8.2024, S. 1
Die gesprengte
Northstream-Pipeline ließe sich als völkerrechtlich „legitimes Ziel“
betrachten? Ich mag nicht auf dem allerletzten Stand sein, aber das erscheint
mir als eine gewagte Interpretation, ohne erkennbares Präjudiz. Das Nämliche
hätte bis auf Weiteres für jedes volkswirtschaftlich relevante russische
Wirtschaftsgut in internationalen Gewässern, Zonen und Räumen zu gelten – für
Waren, Schiffe, Flugzeuge bis hin zu Forschungsstationen, selbst im Orbit. Und
nach der „golden rule“ müsste ein solches globales Eingriffsrecht nun in
prinzipiell jedem bewaffneten Konflikt weltweit aufgerufen werden können.
Wollen wir in einer solchen Welt leben?
Vor wenigen Tagen
gerieten ungeklärte Vorkommnisse an einer Kölner Kaserne zum medial breiten
Beleg für eine neue Stufe hybrider russischer Kriegführung. Mir scheint
allerdings, das hybride Denken nimmt auch von uns galoppierend Besitz. Wie ja
seinerzeit die wohlfeile Theorie, Russland selbst habe die Stränge der
Northstream-Pipelines gesprengt, quasi als „false-flag-operation“, als perfides
Mittel zur allgemeinen Verunsicherung.
Grob verallgemeinert:
„Der Mörder ist heute immer der Russe.“ Für vertrauensbildende Maßnahmen, die
wir so dringend brauchen, ist das In-die-Schuhe-Schieben aber wohl die
schlechteste Ausgangsbasis.
(2024/52) 15.8.2024
RGA / Volksbote
zu Nadja Lehmanns Artikel „“Handel und Einkauf: Was kann Burscheid besser
machen?“ (Lokalausgabe Burscheid v. 8.8.2024, S. 23)
Aktuelle Einblicke in
die Konsum-Wünsche und Bedarfe am Standort Burscheid? Die wären tatsächlich
Gold wert. Und sie sind eine Art konkreter Bürgerbeteiligung. Letztmals wurden
die Präferenzen m.E. i.J. 2012 (!) für eine damalige Fortschreibung des Burscheider
Einzelhandelskonzepts abgefragt – damals wurden in erster Linie
Bekleidungs-Angebote vermisst (35% der Nennungen), mit einigem Abstand dahinter
Drogeriewaren (11%) und weit abgeschlagen Lebensmittel und höherwertige
Lebensmittel (jeweils 3%).
Noch nützlicher gewesen
wären frische belastbare Erkenntnisse freilich schon im Rahmen der
Entwurfsplanung für eine „Neue Mitte Montanusstraße“. Immerhin hat aber auch
das dort eingeholte Marktgutachten – ohne Befragungen vor Ort – keine
ausreichende Nachfrage im Produktbereich „Nahrung & Genussmittel“
prognostizieren können. Es wird interessant sein, im Januar 2025 die
verschiedenen Daten und Prognosen untereinander abzugleichen. Für
repräsentative Daten wäre nun die engagierte Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger sehr, sehr wünschenswert!
Anlage / Anm.:
Oben zitierte Fortschreibung des Bu. Einzelhandelskonzepts i.J. 2012; Daten zu
den Stand 2012 besonders vermissten Produktgruppen finden sich auf S. 32. Auch
dieses Papier gehörte zu den begründenden Unterlagen für die
"Zentrumserweiterung Montanusstraße" und war u.a. Anlage der
Sitzungsunterlagen für den StEA v. 23.11.2023, dort Anlage 10.
(2024/51) 14.8.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 15.8.2024 im Internet-Angebot der ZEIT = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/08/15/8-august-2024-ausgabe-nr-34/
Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen; Beitrag „Frieden schaffen mit
Mittelstreckenwaffen“ von Peter Dausend und Tina Hildebrandt in der Ausgabe No.
34 v. 8.8.2024, S. 8
Ein etwas vage gehaltener Artikel, zur erneut geplanten
Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen. Die Autoren lassen offen, ob
sie denn selbst überrascht wurden: In formeller Hinsicht durch ein plötzliches,
sehr dürr gehaltenes Communiqué am Rande (sic!) einer NATO-Tagung – so
überrascht wie Friedrich Merz. Oder materiell betrachtet durch einschneidende
geopolitische Implikationen, direkt oder später – wie Rolf Mützenich. Der
Beitrag fokussiert dann auf eine offenbare Zerrissenheit der SPD. Ich meine
indessen herauszuhören, in einer ähnlichen Ambivalenz fänden sich die Autoren
selbst.
Nun, bei aller exekutiven Planungs- und
Entscheidungsfreiheit wird sich hoffentlich noch ein Weg finden, eine
potenziell schicksalhafte Weichenstellung spätestens vor der Wahl offen zu
debattieren. Denn wenn Regierungshandeln durch die stetig zitierte ununterbrochene
Legitimationskette demokratisch weithin abgesichert ist, dann bleibt eben nur
der Legitimationsprozess – die Wahl – als Garant der Demokratie.
Auf einen ernstzunehmenden Diskurs hoffe ich. Schwer
abfangbare Mittelstreckenwaffen gelten unabhängig vom jeweiligen Gefechtskopf
als besonders destabilisierend; das Fragezeichen in der Überschrift scheint mir
völlig zu Recht gesetzt.
(2024/50) 5.8.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Konjunktur; Sven Clausens Leitartikel „Zeit für ein neues Geschäftsmodell“
(Ausgabe No. 33 v. 3.8.2024, S. 4)
In die Hände spucken, die Bürokratie-Kruste absprengen, das
Sozialprodukt boosten und die wohlverdiente Rendite einsammeln? Das mag im
Kleinen stimmen, ist auch nicht so ganz neu, setzt aber in jedem Fall die
passenden Leitplanken voraus. Als da wären, für eine rohstoffarme
Export-Nation:
Ein Weltmarkt – und kein Handel in zunehmend kleineren
abgesicherten Zellstrukturen. Ferner: Der deutsche Goodwill als Vermittler und
Makler – und nicht als zuspitzende Partei. Auch: Weniger Militaria
produzieren – sie kosten wegen der im Waffenhandel gängigen
Tauschprozesse nicht nur zivile Arbeitsplätze, sondern Arbeitsplätze per saldo,
entgegen wohlfeilen Sonntagsreden. Schließlich: Mut zur offenen Konkurrenz,
etwa in und mit China.
China ist eben nicht nur Markt, sondern ein sehr
intelligenter Benchmark für Zukunftstechnologien. Hinter selbst aufgetürmten
Mauern können wir dagegen sehr schnell und dauerhaft den Anschluss verpassen.
Und dann wirklich unser Geschäftsmodell einbüßen.
(2024/49) 2.8.2024
RGA/Volksbote,
abgedruckt 3.8.2024
Zwangsarbeit in Burscheid; Nadja Lehmanns Beitrag „Gedenkstätte: Hinweisschild
lenkt zu jenen, die in der Fremde starben“ (Ausgabe v. 20.7.2023, S. 23)
Es ist sehr
dankenswert, wenn sich der Bergische Geschichtsverein der Erinnerung an die
Opfer der Zwangsarbeit in unserer Stadt annehmen will. Dies war ein düsteres
und – der sehr versteckte Standort des Mahnmals zeigt es ja bis heute – lange
verdrängtes Kapitel unserer Stadtgeschichte.
Aber es gab auch kleine
Lichtblicke. Aus der Familie des ersten gewählten Nachkriegsbürgermeisters
Fritz Mebus ist etwa bekannt: Für die bemitleidenswerten Fremden hat man
heimlich Nahrung und Kleidung bereitgelegt, in den Kellerfenstern hinterm Haus.
Auch andere haben das wohl gewagt, trotz strenger Kontaktverbote. Vielleicht
eignet sich das Thema, dabei auch die wechselvolle Geschichte der mehreren
Burscheider Unterkunfts-Baracken, sogar für eine neue Publikation.
Anm.:
Aus Anlass des Artikels habe ich das Mahnmal aktuell aufgesucht. Die zitierte
QR-Tafel ist allerdings noch nicht vorhanden. Frau Fechner-Schulz vom
Friedhofsamt sagte mir auf Nachfrage, dies werde wohl erst im kommenden Monat
im Zusammenhang mit dem Aufstellen einer Sitzbank an der Gedenkstätte
realisiert werden; zuständig sei hier ausschließlich der Geschichtsverein.
Leider ist der Eindruck
vor Ort auch insoweit etwas getrübt, als wieder diverse mit Planen abgedeckte
Mulden keine 10 m von dem kleinen Obelisken entfernt „geparkt“ sind – Frau
Fechner-Schulz will nun prüfen, ob sich dafür nicht doch ein anderer Standort
finden lässt, um dem Charakter einer Gedenkstätte besser gerecht zu werden.
(2024/48) 30.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Populismus-Vorwurf; zu Markus Deckers Kommentar „Dreist wie immer“ und zu
seinem Bericht gemeinsam mit Felix Huesmann „Widerstand gegen Wagenknecht“ in
der Ausgabe v. 30.7.2024, S. 4 u. 5
Natürlich kann man Sahra Wagenknecht des dreisten
Populismus zeihen. Dann konsequent aber bitte auch Immanuel Kant, wenn er zu
Zeiten vieler schlecht erklärter Krieg und ohne jede Scham i.J. 1795
formulierte:
‚Wenn, wie es in dieser [der von Kant empfohlenen
republikanischen] Verfassung nicht anders sein kann, die Beystimmung der
Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, „ob Krieg seyn solle, oder
nicht“, so ist nichts natürlicher, als daß, da sie alle Drangsale der Krieges
über sich selbst beschließen müssten (als da sind: selbst zu fechten; die
Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Habe hinzugeben; die Verwüstung, die er
hinter sich läßt, kümmerlich zu verbessern; zum Übermaß des Übels endlich noch
eine, den Frieden selbst verbitternde, nie (wegen immer neuer Kriege) zu
tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen, sie sich sehr bedenken werden, ein
so schlimmes Spiel anzufangen.‘
Zitiert nach Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 1.
Auflage Königsberg 1795, S. 23f (Ausriss als Anlage beigefügt). In der etwas
anders gegliederten 2. Auflage, die als Band 1501 der
Reclam-Universalbibliothek herausgegeben ist, wären es die Seiten 12f.
Anm.: Nicht klar ist mir, was unser Antonym bzw. die
entgegengesetzte Übertreibungsform zum hier und heute gerne verwendeten
Schlagwort „Populismus“ sein müsste. Möglicherweise: „Eklektizismus“,
„Parlamentarismus“ oder „Elitarismus“ / „Elitismus“. Und Kant möchte sich heute
vielleicht doch sehr wundern: Auch in den als Demokratie organisierten
Republiken ist die Außen- und Sicherheitspolitik eine abgesonderte, stark
rhetorisch geprägte Königsdisziplin geblieben, ähnlich wie bei Kant auf S. 24
beschrieben ("Da hingegen...") – und die auswärtige Gewalt der
default value, trotz unerhörter Kriegserfahrungen.
(2024/47) 23.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
US-Wahlen; Gastbeitrag von Prof. Klaus Larres „16-Milliarden-Flut nach
Deichbruch“ (Ausgabe v. 20.7.2024, S. 4)
Reichtum steuert die Wahlen der führenden westlichen
Demokratie. Und normale Bürger haben dort nur minimale Chancen auf ein
herausgehobenes politisches Amt. Soweit verstanden – aber wozu sollten wir das
wissen?
(2024/46) 23.7.2024
DAS PARLAMENT, abgedruckt 10.8.2024
E-Mobilität; Themenheft „Autoland Deutschland“, Beitrag von Mirko Heinemann
„Innovationskraft im Gepäck“ (Ausgabe Nr. 30-32 v. 20.7.2024, S. 3)
Trotz bester Gene in Elektrotechnik, Mobilbau und
Entwicklung – bei der individuellen Elektromobilität wirken wir plötzlich wie
auf dem falschen Fuß erwischt.
Wären denn nicht die Abermillionen Zweitwagen ein genialer
Einstieg gewesen? Ca. 90% der jährlichen Familien-Fahrleistung völlig ohne
Reichweitenangst, kleine Masse gleich kleiner Fußabdruck, ob in der CO2-Bilanz
oder im Parkhaus. Und wohl für per Größenordnung 25 T€ feilzubieten. Aber,
ganz im Gegensatz zur Nachkriegszeit – in die kleinen Einheiten passt wohl
unser Ego nicht mehr hinein, nicht das der Entwickler, nicht das der
Verbraucher. Schade für den Standort, schade für’s Klima!
P.S.
Seit 2 ½ Jahren fahre ich mit völlig ungetrübter Freude einen Dacia Spring,
einen komfortabel ausgestatteten Viersitzer von ca. einer Tonne Gewicht mit ca.
200 km Reichweite, mit ausreichendem Gepäckraum und (für Nostalgiker) einem
vollgültigen Ersatzrad! Nicht leicht zu bestimmen ist halt die „Nationalität“:
Designed by Renault in Frankreich, Marke rumänisch, gebaut bei
Dongfeng/Wuhan/China. Ginge das denn nicht auch hier? Anm.: Vielleicht bin ich
aber kein ganz repräsentativer Kraftfahrer; habe mit einer Ente angefangen, 16
PS aus 421 ccm, bei 5 Litern Normalbenzin je 100 km. Und
ebenfalls sehr viel Freude ;-)
(2024/45) 19.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 23.7.2024
Nachrüstung der NATO; Gastbeitrag „Abschreckung sichert Frieden“ von Prof. Dr.
Dr. Jochen Sautermeister in der Ausgabe v. 19.7.2024, S. 4
Selbstverständlich ist es eine vertretbare Position: Mehr
Stärke verspräche mehr Abschreckung, verspräche mehr Sicherheit. Aber Adressat
ist hier offenbar eher die Etappe bzw. die Heimatfront. Wir hier sollten
„Eskalation“, genauer eigentlich: Eskalations-Gefahr besser nicht in den Mund
nehmen. Zumal die just angekündigte Rüstung nur eine – erst durch vorherige
Aggression der Gegenseite entstandene – Lücke schlösse, mehr halt nicht.
Für das Stabilisieren einer zu plastisch gewordenen
Weltlage scheint mir aber der Versuch viel wichtiger zu sein, sich in das
Gegenüber zu versetzen: Das kollektive und sehr vitale Gedächtnis Russlands
umfasst mehrere groß angelegte Invasionen von Westen, mit jeweils Millionen
Opfern, ein ungebrochenes Heranwachsen des NATO-Territoriums deutlich unter die
Mittelstreckendistanz, ferner mehrere destabilisierende Expeditionen von
NATO-Staaten out of area in jüngerer Vergangenheit. Und es würde
etwa einen NATO-Hafen auf der Krim als Albtraum, aber als heute partout nicht
mehr unwahrscheinlich qualifizieren.
In dieser Situation sollten wir ergebnisoffen debattieren
und demokratisch entscheiden dürfen: Kann die angekündigte Aufstellung von
besonders zielgenauen und schwer abfangbaren Mittelstreckenwaffen die
wechselseitigen Besorgnisse eher dämpfen oder weiter aktualisieren? Ist die
NATO oder wären nicht vielmehr UN bzw. OSZE die am wenigsten parteiischen
Akteure?
(2024/44) 12.7.2024
Süddeutsche Zeitung
NATO-Gipfel in Washington; Kommentar „Passt schon“ von Stefan Cornelius und
Bericht „Die Lücke in der Abschreckung schließen“ von Paul Anton Krüger in der
Ausgabe v. 12.7.2024, S. 4 u. 6
Was mich sehr irritiert: Zwischen 1989 und 2014 habe ich
die NATO nicht als Teil von Lösungen in Erinnerung, sondern zu häufig
verstrickt in fehlgeschlagene Diversifizierungsversuche, nach dem ersten Ende
des Kalten Krieges. Und nach dem Beginn der Osterweiterung i.J. 2002 sehe ich
die Allianz eher als zunehmend selbstreferentielles Problem.
Was die Öffentlichkeit gerade sehr unvermittelt erfahren
hat, das hat m.E. schon Züge des Doppelbeschlusses des Jahres 1979: Es ist eine
noch sehr ungewisse Wette auf mehr oder weniger, aber jedenfalls teure
Sicherheit. Und es wurde im erlesenen, nicht öffentlichen Kreis beschlossen,
wie ja auch die Ressourcenfragen: 2% oder möglicherweise bald 3% des
Bruttosozialprodukts, dann etwa ein Viertel des gegenwärtigen Bundeshaushalts.
Gesellschaftliche Diskussion? Vermutlich Fehlanzeige – denn jedenfalls die Debattenkultur
der Siebziger dürfte heute keinerlei Parallele haben; selbst
Nachhaltigkeitsziele müssten sich heute als nachrangig ergeben. Da hat sich die
NATO als resilienter erwiesen, ganz nach den Voraussagen von Cyril Northcote
Parkinson.
Quellen zu Parkinsons Gesetz etwa:
https://en.wikipedia.org/wiki/C._Northcote_Parkinson
https://www.panarchy.org/parkinson/parkinsonlaw.html
https://www.usni.org/magazines/naval-history-magazine/1994/december-1/challenging-parkinsons-law
(2024/43) 12.7.2024
DIE WELT
NATO-Gipfel in Washington; Beiträge „NATO verstärkt Abschreckung gegen
Russland“ von Stefanie Bolzen et al., “Zurück im Kalten Krieg“ von Clemens
Wergin und „Neue US-Raketen für Deutschland“ von Gerhard Hegmann in der Ausgabe
v. 12.7.2024, S. 1 u. 5
Das Argument ist wohlbekannt: Defensive Systeme sind schon
aus Kostengründen durch offensive zu ergänzen, um eine flächendeckende
Sicherung anzunähern. Allerdings können die jetzt angedeuteten besonders
beweglichen, weiter reichenden und nur noch sehr eingeschränkt abwehrfähigen
Waffen die Besorgnisse der Gegenseite maximieren. Ihre "nur
konventionellen" Nutzlasten signalisieren dabei keine Entspannung, eher im
Gegenteil, wegen ihrer anerkannt niedrigeren Hemmschwelle – denn ob eine
Zielgruppe nun durch eine chemische oder eine thermonukleare Explosion ins
Jenseits befördert würde, das könnte ihr am Ende recht egal sein.
Ich verstehe einen demokratischen Staat aber so: Ein
signifikantes Eskalations-Risiko und das dabei annehmlich gemachte Mehr oder
Weniger an Sicherheit sollte man nüchtern und offen diskutieren. Dies sollte
nicht kleinen Kreisen von potenziell Interessierten vorbehalten bleiben. Wir
bezahlen und wir haben die Folgen zu erdulden.
(2024/42) 12.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
NATO-Gipfel in Washington; Beitrag „Die Stärke der glorreichen 32“ von Kristina
Dunz und Kommentar „Vitaler und stärker denn je“ von Matthias Koch in der
Ausgabe v. 12.7.2024, S. 2 u. 4
Kein Zweifel: Die NATO triumphiert. Aber der Jubel bleibt
mir im Halse stecken. Warum? Ein kleiner Rückblick: Das Bündnis hatte 1989
seine Gründungsaufgabe verloren, hatte sich sogleich „out of area“
völlig neu aufgestellt. Mit scharfem Schuss, präventiv, mit einem räumlich,
sachlich und zeitlich erweiterten Verteidigungsbegriff. Danach ist der Nahe und
Mittlere Osten deutlich instabiler als zuvor und der Ferne Osten – auch wegen
der versehentlichen Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad – aufgestörter.
Nachhaltige Aktiva stehen mir dagegen nicht vor Augen.
Nun aber hat eine noch merklich weiter vorgerückte NATO
sogar ihr Feindbild im Osten zurück. Im Grunde hat sie das Gesetz von Cyril
Northcote Parkinson zum zähen Überlebenswillen von Institutionen mit einer
doppelten Volte doppelt bestätigt: „Was schert mich meine bisherige Aufgabe?
Ich wachse auch so.“ Und ich wage einzuordnen: Die NATO ist nicht unsere – oder
gar der Welt – Lösung. Sie ist das Problem.
(2024/41) 6.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wehrpflicht für Frauen; Artikel „Debatte über Frauen-Wehrpflicht“ von Hendrik
Geisler und Kommentar „Wehrpflicht für Frauen? Ja, aber“ von Markus Decker in
der Ausgabe v. 5.7.2024, S. 1 u. 4
Es wäre eine gewisse Pointe: Für einen künftigen Wehrdienst
der Frauen würde das Grundgesetz nach allen Regeln der Kunst geändert. Aber die
viel grundlegendere Frage – wofür genau soll die Bundeswehr dienen und in
welche Grundrechte Dritter darf sie dabei eingreifen? – das bliebe weiterhin
außerhalb des Hauptbuchs der Nation. Ein wenig dazu fände man ggf. im
sogenannten Streitkräftebeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1994 oder
im Parlamentsbeteiligungsgesetz 2005.
Rechtsstaat, so habe ich es jedenfalls einmal gelernt, geht
allerdings anders, nämlich mit mehr Beteiligung des demokratischen Publikums
und nach den Maßstäben von Artikel 19 Absatz 1 unseres Grundgesetzes.
Der immerhin einmal als unsere zentrale Lehre aus dem Ermächtigungsgesetz von
1933 galt.
P.S.:
Grundsätzlich könnte der zwischenzeitliche BND-Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts v. 19.5.2020 (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/rs20200519_1bvr283517.html) ja als Maßstab für
ein mit Art. 19 GG kompatibles neues Streitkräfte-Aufgaben-Gesetz dienen.
Zumindest hat bisher mir noch niemand erklären können: Warum sollten Ausländer
im Ausland weniger effizient gegen unseren „scharfen Schuss“ geschützt sein –
und damit weniger gegen unseren Eingriff in ihr Höchstrecht – als gegen unsere
Abhörmaßnahmen. Das Abhören oder Briefe-Lesen kann man immerhin gut überleben.
Die ärgerlichen
Radweg-Hindernisse und die Parkraum-Not in der Mitte Burscheids haben die
nämliche Ursache – die selbst für die Verwaltung wohl noch unkalkulierbare
Unterbrechung der Balkantrasse zur Realisierung einer „Neuen Mitte“ an der
Montanusstraße. Einiges spricht dafür, jetzt die Trasse zumindest provisorisch
wieder für den Fuß- und Radverkehr gangbar zu machen. Und damit die Barrikaden
und auch die Sperrung des Parkraums auf der Hauptstraßenbrücke aufzugeben.
Immerhin qualifizieren
sowohl das städtische als auch das interkommunale Entwicklungskonzept (IEHK Bu.
2025 u. IKEHK Burscheid/Wermelskirchen 2030) und ebenso der brandneue
Kulturentwicklungsplan für Burscheid und Wermelskirchen (KEP) die Trasse als
eine sehr wichtige, ja noch weiter zu aktivierende Infrastruktur. Dieses Plus
sollten wir ohne Schwellen nutzen, dürfen genau das nicht auf einen
Sanktnimmerleinstag vertagen. Insbesondere sollten wir keine weiteren Besucher
vergraulen, mit einer äußerst sinnwidrigen und sehr familienunfreundlichen
Umleitung.
Quellen
IEHK / Integriertes
Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid 2025:
https://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/IEHK/IEHK_2025_Konzept.pdf, siehe insbesondere S. 94, 118, 149
IKEHK / Interkommunales
Integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid-Wermelskirchen 2030:
https://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/Bauen_und_Planen/Burscheid_2025-IEHK/IKEHK/IKEHK_Burscheid_Wermelskirchen_2030_FINAL.pdf, siehe ausführlich S. 92ff
KEP / Interkommunaler
Kulturentwicklungsplan Burscheid-Wermelskirchen:
https://kulturverbunden.net/wp-content/uploads/2024/05/Kulturentwicklungsplan.pdf, siehe S. 10, 18f, 32, 44, konkrete Maßnahmen auf
S. 104, 108/114 u. 118
(2024/39) 26.6.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 27.6.2024 im Internet-Angebot der ZEIT = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/06/27/20-juni-2024-ausgabe-nr-27/
Debatte um Wissenschaftsfreiheit; Anna-Lena Scholz und Martin Spiewak
"Gefährdet diese Ministerin die Freiheit der Wissenschaft? ..." (ZEIT
No. 27 v. 20.6.2024, S. 31)
Nein, für einen Nahost-Deutungsstreit oder für das
vielfältige im Beitrag zitierte Grummeln, dafür kann vermutlich weder die
Ministerin noch die von ihr vertretene Partei. Alles das ist eher
Wetterleuchten einer größeren Wende unserer Republik, einer Wende, die nun
Verteilungsängste und Verteilungskämpfe triggert.
Noch vor wenigen Jahren konnte der einmal als BMAt
gestartete, kräftigere Arm des BMBF seine nukleare Haut fast vollständig
abstreifen - ohne erkennbare Folgen für das Portefeuille, für die fast noch
einmal so kopfstarke Projektträger-Landschaft und sogar für das Hochgebirge der
Großforschungszentren, die einmal gemeinsam für das "gute Atom"
unterwegs waren. Cyril Northcote Parkinson muss sich im Himmel auf die Schulter
geklopft haben!
Freudig hatte man sich zu Zeiten gerühmt: Es "komme
schon schwer, einer BMFT- (später: BMBF)- Förderung zu entwischen". Das
"vorwärts immer" hat sich mit neuen politischen Prioritäten aber nun
nicht nur inkrementell, sondern gründlich und disruptiv geändert. Dabei wird
der eher als feminin wahrgenommene Bildungsteil gegenüber dem eher maskulinen
Technologen-Part - der halt auch mit sehr viel stabiler institutioneller
Förderung und sogar mit ein wenig Verteidigungsforschung aufwarten kann - heute
die deutlich schlechteren Karten haben.
Die Nervosität mag daher noch zunehmen. Viel
verständnisvolle Fürsprache wäre nötig, auch der Hinweis: Bildung, Lernprozesse
und Übersetzung führen typischerweise schneller zum Frieden und zu mehr Handel
und Wandel als mehr und bessere Technik.
(2024/38) 23.6.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 27.6.2024 im Internet-Angebot der ZEIT = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/06/27/20-juni-2024-ausgabe-nr-27/
EU-Wahlverhalten der Jungwähler; Beiträge "Schminken, tanzen, hassen"
von Maria Mitrov, Martin Spiewak u. Carlotta Wald und "Plötzlich alt"
v. Jana Hensel
Die Jugend unstet? Nicht zu orten? Na wunderbar! Vielleicht
ist der parlamentarische Bezugspunkt inzwischen zu repräsentativ geworden, zu
selbstgenügsam, zu stabil durchgesintert. Vielleicht ist gar nicht das Mandat,
die Lobby, das Bewahren des Bewährten das Höchste der Gefühle. Sondern die
Initiative ad hoc. Lass' den Nachwuchs doch politisch löten, schrauben, feilen,
auch manches verbauen! Wie es die Schweizer so halten, sehr lange und sehr
erfolgreich. An deren schönem Genfer See campe ich gerade. Und studiere die
Schweiz-Ausgabe der ZEIT, völlig sine ira et studio.
P.S. ein Beispiel, das man sich hier erzählt. Von dem wir
m.E. derzeit am besten lernen können, dass Demokratie kein Etablissement ist,
sondern eine Aufführung.
Das pädagogisch wertvolle Exempel ist die (mehrfache)
Volksabstimmung über die Schweizer Bundesarmee: "Völlig zwecklos!"
hieß es vorher, eher könne man "im Vatikanstaat den Papst zur
Disposition stellen" als die noch tiefer geheiligte Institution
Bundesarmee. Aber das Quorum wurde erreicht und der Abstimmungsprozess lief an.
Über mehrere Wochen diskutierte man in Wirtshäusern, Bahnen und Zügen, am
Küchentisch oder gar noch im Bett über Aufgaben und Etat des Militär. Und
darüber hatte sich - bei Jung und Alt und in allen sozialen und politischen
Spektren - eine breite Professionalisierung "ereignet". Man war dabei
und konnte nun auch mitreden.
Die Armee gibt's noch. Odr? Aber mit einer durchleuchteten
Struktur und mit enger geschneidertem Etatansatz. "Gut, dass wir darüber
geredet - und gepostet - hatten!"
(2024/37) 17.6.2024
Süddeutsche Zeitung
Ukraine-Gipfel in der Schweiz; Kommentar „Ein zartes Gewächs“ von Daniel
Brössler (Ausgabe v. 17.6.2024, S. 4)
Das ist das Leidige an so vielen Gipfeln, die im Voraus als
schicksalhaft beworben werden, ob zur Rettung der Umwelt oder gar der ganzen
Welt: Es soll Bilder geben und Statements und Überschriften. Und das alles gibt
es dann auch. Nur sind dies Standfotos und Textbausteine. An und in der
Wirklichkeit hat sich nichts und niemand bewegt. Auch die menschenfressende
Toxizität des Konflikts ist unverändert. Jeder Tote vergiftet diese von
wachsenden Gezeitenkräften geprägte Überschneidungsfläche weiter – mit ihren
prägenden ethnischen, sprachlichen und ökonomischen Gradienten. Was soll ein
zartes Kraut da heute heilen?
Ein Gipfel geht auseinander und Menschen, die einander
äußerlich sehr ähneln, werden weiter zu Zehntausenden sterben.
(2024/36) 9.6.2024
Das Parlament, abgedruckt 15.6.2024
EU-Wahl 2024; zu Thomas Gutschkers Beitrag „Neue Prioritäten“ in der Ausgabe
Nr. 24 v. 8.6.2024, S. 3
Rechtzeitig vor der EU-Wahl lag das aktuelle „Parlament“ im
Briefkasten. Soweit, so gut. Nur Thomas Gutschkers Beitrag „Neue Prioritäten“
hätte mich dann fast noch vom Wahlgang abgehalten, insbesondere die
Titel-Unterzeile: „Verteidigung und Sicherheit rücken ins Zentrum, der Green
Deal soll nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit gehen“. Nichts davon
entspricht für mich einem weltoffenen, nachhaltigen, zukunftsfähigen und vital
vernetzten Europa. Gewählt habe ich natürlich, im Vertrauen auf einen günstigeren
Verlauf.
Unbestritten stehen direkte Demokratie und insbesondere
eine intensive Bürgerbeteiligung in einem Zielkonflikt zu Struktur und Historie
der Union. Das erklärt auch arge Unsicherheiten der Wählerinnen und Wähler, wie
sie sich in verlässlich wachsender Nutzung eines Wahl-O-Mat offenbaren.
Vielleicht kann man die Ebene der Wähler*innen und den EU-Leitbildprozess
künftig besser verzahnen, wenn man in gehörigem Abstand vor der Wahl eine
repräsentative Befragung zum Entwurf der jeweils neuen Strategischen Agenda durchführt.
Und das Ergebnis ubiquitär veröffentlicht.
Quelle etwa:
https://www.consilium.europa.
(2024/35) 25.5.2024
RGA / Volksbote
Klimaschutz; Nadja Lehmann: „So könnte Burscheid dem Hitzestress trotzen“
(Ausgabe v. 25.5.2025, S. 23):
Der erste Eindruck im
Besprechungsraum dort oben im Spitzboden des Rathauses: Heiß und drämmig hier;
spätestens im Juli werden dort nur besonders Hartgesottene verhandeln können.
Aber die Bürgerinnen und Bürger wurden dort im Rahmen der Einwohnerfragestunde
sehr offen aufgenommen. Zweierlei ist aus meiner Sicht besonders erinnernswert:
Die Stadtverwaltung hat
sich am Dienstag ein wenig arg verkleinert, wenn sie sagte: „Bauherren haben
Anspruch, bauen zu können“. Meines Erachtens haben die Planungen – etwa zur
Zentrumserweiterung Montanusstraße“ – sehr wohl einen aktiven Gestaltungsanspruch
und -beitrag der Stadt vorausgesetzt: Die Kommune hat mit großen eigenen
Anstrengungen für einen Investor Quartier gemacht. Und das, wie im Ausschuss
angemerkt wurde, bereits seit geraumer Zeit. Umso mehr Anlass besteht, diese
ältere Idee nüchtern an den neueren Erkenntnissen zur Entwicklung unseres
Stadtklimas zu messen und ggf. nachzusteuern.
Ferner wurde im
Ausschuss eingeworfen: Gerade eine verdichtete Bauweise in der Innenstadt sei
politisches Ziel gewesen. Dann aber steht zu prüfen an: Verträgt sich ein
solches Leitbild denn noch mit den schlüssigen Empfehlungen des
Gutachter-Büros, Versiegelungen zurückzuführen und anstelle kompakter Bebauung
mehr Luftschneisen zu favorisieren?
Gut, dass der Ausschuss
am Ende einmütig beschlossen hat, Fragen der Bürgerinnen und Bürger in einer
besonderen Informationsveranstaltung zu beantworten. Denn auch die Bürgerschaft
wird beim Hitzeschutz aktiv mitwirken müssen.
Wortlaut des
Burscheider Klimaaktionsplans unter:
https://sessionnet.krz.de/burscheid/bi/getfile.asp?id=21158&type=do
(2024/34) 14.5.2024
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 18.5.2024, s. auch https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/briefe-an-die-herausgeber-vom-18-mai-2024-19726689.html
Wehrdienst; Berthold Kohlers Leitkommentar „Die Wiedergeburt der
Wehrpflicht" (Ausgabe v. 10.5.2024, S. 1)
Die Idee einer Wiedergeburt der Wehrpflicht ist sicher
einem neuen Gefühl der existenziellen Bedrohung aus dem Osten geschuldet – auch
das eine Renaissance. Aber das neue Denken ist hier ebenfalls Funktion großer
Hoffnungen, die nach 1989 mehr und mehr enttäuscht wurden: Zu Beginn der
Neunziger hat sich die Bundeswehr auftragsgemäß massiv gewandelt, zu einem
weltweiten und bereits präventiv antretenden Akteur. Man mag darüber rätseln,
ob wir in dieser Phase die Herausgeforderten waren oder vielleicht eher die
Herausforderer. Strucks revolutionäres, aber kaum so empfundenes Diktum von der
„Verteidigung auch am Hindukusch“ war jedenfalls von Anfang an kein gutes
Vorbild für die weltweite Anwendung des kategorischen Imperativs oder der
„golden rule“ auf unser Beispiel.
Die damals zu schützenden, räumlich und zeitlich stark
erweiterten Interessen standen von Anfang an im Gegensatz zur Wehrpflicht: Die
Heimat gegen einen gegenwärtigen militärischen Angriff zu verteidigen – das
war die anerkannte Berufung des „Bürgers in Uniform“. Nicht etwa die robuste
Vorsorge zur stetigen Versorgung mit Rohstoffen, der bewaffnete Schutz von
fernen Minderheiten oder Menschenrechten. Weswegen es in einer bestimmten Phase
der Republik leichter fiel und ganz schlüssig wurde, nicht auch noch mit
Wehrpflichtigen planen zu müssen. Wehrpflichtigen, die sich im entscheidenden
Moment absentieren könnten.
Insbesondere der Hindukusch hat die neuen Skizzen,
Prioritäten und Investitionen nicht gedankt, dann mehrfach nicht Somalia oder
Mali. Die frustrierenden Lerneinheiten haben gedanklich den Weg geebnet; die
erneut im Osten geortete Bedrohung hat es vollendet: Wehren und sich wehren
können ist das aktuelle Gebot. Kant offeriert in seinem unsterblichen „Ewigen
Frieden“ sogar noch eine griffige Begründung für die Wehrpflicht: Wenn er
nämlich ein wenig ironisch den „Kampf der Häuptlinge“ favorisiert, damit die Gewalt-hemmende
Wirkung unmittelbarer Rückkopplung zwischen Plan und Schmerz lobt. Und damit
auch das Volksheer gegenüber der Berufsarmee.
Allerdings hat Kant an gleicher Stelle – und ebenfalls
wegen des hemmenden Effekts – dringend dazu geraten, die Bürgerinnen und Bürger
in den Dingen von Krieg und Frieden zu beteiligen. Diejenigen nämlich, die die
kümmerlichen Lasten der Kriege zu tragen und zu ertragen hätten. Darum möchte
ich den Parteien ans Herz legen, ihre Vorstellungen von den Aufgaben der
Bundeswehr und ihrer besten Organisation nunmehr am demokratisch vorgesehenen
Platz auszutragen - bei den Wahlen. Nicht so schnell wie möglich. Denn auch das
beredte Schweigen unserer Außen- und Sicherheitspolitiker haben wir wiederholt
ertragen, ohne befriedigendes Ergebnis.
Quellen etwa:
Die zitierten Kant-Stellen beziehen sich auf die
Erstauflage des „Ewigen Friedens“, Königsberg 1795, dort auf S. 9 u. Fußnote
daselbst („“So antwortete ein bulgarischer Fürst…“) und auf S. 23f („Wenn
[wie es in dieser Verfassung nicht anders sein kann] die Beystimmung der
Staatsbürger dazu erfordert wird, …“). In der Reclam-Universal-Bibliothek
Nr. 1501 (2. Aufl. Königsberg 1796) wären es die Seiten 12f und 17; dort
inhaltlich gleichlautend; lediglich ist der Text der 2. Auflage ein wenig
anders angeordnet.
Eine hervorragend belegte Darstellung des Verhältnisses
erweiterter Aufgaben der Bundeswehr zur Wehrpflicht findet sich etwa in der
Abhandlung von Markus Winkler „Die Reichweite der allgemeinen Wehrpflicht“,
NVwZ 1993, S. 1151-1157
(2024/33) 8.5.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 13.5.2024
Behandlung des "Tages der Städtebauförderung" in den Ausgaben vom
30.4. und 6.5.2024 (Ralf Krieger, „Bürger können sich für Wiesdorf was
wünschen“, Ausg. v. 30.4. S. 21; Niklas Pinner, „Was sich Leverkusener für
Wiesdorf wünschen“, Ausg. v. 6.5.2024. S. 21)
Am Samstag hat die
Verwaltung in Wiesdorf eine interessante Schnittstelle für die Prioritäten von
Bürger*innen aufgemacht – i.R.d. bundesweiten "Tages der
Städtebauförderung". Die Stehgreif-Illustration des vielfältigen Inputs
hat das nochmals bereichert und einen vitalen Dialog aktiviert.
Aber da ist ein
Wermutstropfen, er zeigt sich im leicht selbstanpreisenden Namen des Tages:
Dahinter steht eine massive Förderstruktur und sie bedient auch sehr exklusive
Ziele: Wirtschaftsförderung für den politisch gut vernetzten Bau-Sektor etwa
und für die hochmoderne Spezies der Projektentwickler, sie verschafft aber auch
das nötige Spielgeld für Politiker, die ohne derartige Mittel vielleicht
weniger zu tun und am Ende nichts Schickes vorzuweisen hätten. Weswegen etwa
der Bund der Steuerzahler diese über Jahre üppig sprudelnde Förderquelle
kritisch sieht.
Besser wäre, man würde
die so smart und berechenbar zentral gesteuerten Ressourcen wieder in die
Kommunen leiten, würde die dortigen Planungsstäbe entschlossen ertüchtigen und
würde viele Bürger*innen in Planungszellen höchstpersönlich recherchieren und planen
lassen – würde damit viele Betroffene auf Augenhöhe professionalisieren. Da
käme doch nichts raus, ohne die gewöhnlich verdächtigen Experten? Ganz im
Gegenteil, sagen die Erfahrungen derer, die schon mehr ortsnahe Demokratie
wagen. Und diesen schönen Tag, den könnte man flugs in den „Tag des Städtebaus“
umtaufen.
Quelle etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/
(2024/32) 7.5.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
China und Serbien; Matthais Koch „Xi in Europa: Teilen und herrschen“ (Ausgabe
v. 6.5.2024, S. 2)
Nüchternes Gedenken an die „versehentliche Bombardierung
der chinesischen Botschaft in Belgrad“ wäre unserer Mühe durchaus wert. Ob es
damals nun fehlgeleitete oder durchaus gezielte, für dieses Ziel besonders
geeignete und in diesem Sinne erfolgreiche Bomben war, darüber scheiden sich
bis heute die Geister. Unbestritten ist, dass das stark verbunkerte
Kommunikationszentrum der chinesischen Botschaft nicht von „einem“ Projektil
gesprengt wurde, sondern von fünf GPS-gelenkten JDAM-Bomben von jeweils einer
Tonne Gewicht.
Lassen wir die Entschuldigung mit veralteten CIA-Karten
einmal gelten. Exkurs: Bitte gebt der Agency mehr Geld für die neuen Auflagen!
Exkurs Ende. Dann hätte eine äußerst schludrige Handhabung sehr tödlicher
Waffen hier zumindest dazu beigetragen, den heute sehr geläufigen,
schulterzuckenden Begriff „collateral damage“ einzuüben. Neben den sehr vielen
Opfern der Operation Allied Force unter serbischen, slawischen Zivilisten. Dies
übrigens schon – und deutlich früher als in Kiew – in einer osteuropäischen Hauptstadt.
Historisch relevanter: Der einschneidende Einfluss dieses
Vorfalls auf eine chinesische Sicherheitsdoktrin, die sich auf künftige
Spannungen explizit vorbereitet, kann gar nicht überschätzt werden. Aus
dortiger Perspektive war OAF unzweideutig ebenfalls eine konditionierende
„Zeitenwende“. Auch wir, das sollten wir zähneknirschend einräumen, sind
bisweilen nicht die Herausgeforderten, sondern die Herausforderer – etwa mit einer
abendländischen Strategie: „Teilen und herrschen in Jugoslawien, auch
robust".
Quellen etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/
https://de.wikipedia.org/wiki/
https://www.spiegel.de/
(2024/31) 25.4.2024
RGA / Volksbote
Bürgermeisterwahl 2025; Artikel „Bündnis für Burscheid spricht sich für Dirk
Runge aus“ u. Kommentar „Für Visionen sind die Politiker zuständig“ von Nadja
Lehmann (Ausgabe v. 20.4.2024, S. 23)
Ein Hut liegt im Ring. Ein sehr respektabler Hut zudem, mit
der ganzen administrativen Erfahrung des Amtsinhabers dahinter.
Kann es dabei bleiben? Keinesfalls; die Wählerinnen und
Wähler dürfen von jeder Ratspartei mit demokratischem Gestaltungsanspruch eine
eigene Bürgermeister-Kandidatin oder einen Kandidaten erwarten. Sonst würde es
beim Urnengang im Herbst 2025 gleich wieder heißen: „Heute wird gewählt.
Gewählt wird…“ Dergleichen haben wir etwa bei den Volkskammerwahlen vor 1989
noch als abgekartetes Schmierentheater kritisiert – „Blockparteien halt!“
Also: Unterscheidbare Persönlichkeiten und Programme sind
gefragt und ein zünftiger Wettbewerb. Oder: ein attraktiver Wahlkampf, der i.J.
2025 mehr als 25% der Bürgerinnen und Bürger mobilisiert, gerne auch mit
konkurrierenden Zielen, Prioritäten und Visionen. Das macht mehr Arbeit, klar,
aber auch mehr Spaß.
(2024/30) 25.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger,
Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 8.5.2024
Bürgermeisterwahl 2025; Artikel von Thomas Käding: „Bündnis unterstützt Dirk
Runge“ (Ausgabe v. 24.4.2024, S. 24)
Gar kein Zweifel: Der Amtsinhaber wäre eine gute Wahl –
sachkundig, nachdenklich, vertrauenerweckend. Aber unsere Ratsparteien schulden
uns jeweils eigene profilierte Kandidatinnen und Kandidaten, für unser gutes
Geld. Sonst bekämen wir nur einen schmalen Einheitsbrei. Wie bei den
Blockparteien vor 1989, und viele Wählerinnen und Wähler müssten mit Gewalt zu
den Urnen getrieben werden. Also: Da geht ganz sicher noch was!
(2024/29) 10.4.2024
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 30.4.2024
Kriminalstatistik; „Mehr Straftaten und mehr Gewalt“ von Ayça Balcı,
Henriette Roßbach und Constanze von Bullion (Ausgabe v. 10.4.2024, S. 4)
Danke für den
besonderen Hinweis: Nach den vorliegenden Daten sind die meisten Opfer der
Straftaten von Nichtdeutschen wiederum Ausländer. Das macht Lösungen aktuell
schwieriger denn je: Die Nähe von Migranten aus einander teils brüsk
ablehnenden Ländern oder Gruppen triggert sehr effizient Diskriminierungs-,
Konflikt- und Gewalt-Anlässe.
Darum werden auch wir
deutlich mehr in ein aufmerksames und friedliches Zusammenleben investieren
müssen, gerade in der politischen und medialen Sprache. Diese Sprache muss
Feindbilder ad absurdum führen; sie darf sie nicht selbstgerecht und
eigennützig verstärken.
P.S.:
Etwa das genaue Gegenteil leistete ein Mottowagen des Kölner Karnevals i.J.
2023. Er leitete besondere Aufmerksamkeit daraus ab, Putin als blutrührenden
Nosferatu zu präsentieren, bezeichnenderweise mit den (bereits verlässlich
negativ hinterlegten) Zeichen der Sowjetunion auf der Brust.
(2024/28) 10.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 23.4.2024
Ausländer-Kriminalität; afp-Meldung „Faeser will Abschiebungen beschleunigen“,
Kommentar „Problem erkannt, aber nicht gelöst“ von Eva Quadbeck und Steven
Geyers Bericht „Mehr Kriminalität durch Ausländer?“ (Ausgabe v. 10.4.2024, S.
1, 4 u. 6)
Der gute Teil der
Nachricht: Kriminalität wird nüchtern als gesellschaftliche Erkrankung
begriffen, als Problemlage aus Unterprivilegierung und gewaltsamer Teilhabe.
Und nicht als quasi angeborener Makel von Fremden.
Der schlechte Teil: Die
zugrundeliegende, zu einer schwierigen Anpassung zwingende Migration geht zu
einem wesentlichen Anteil auf unser eigenes Konto, durch selbst verursachten
Wanderungs-Sog und Wanderungs-Druck. Sei es, dass wir zum ökonomischen Nutzen
in großen Zahlen „Gast“-Arbeit eingeworben haben und wieder einwerben. Sei es,
dass wir in den letzten dreißig Jahren durch - zu häufig frustrierte -
militärische Einsätze zur Destabilisierung ganzer Regionen beigetragen haben,
im Nahen und Mittleren Osten, aber gerade auch auf dem Balkan.
Die naheliegende
leichte Übung ist, die nun Auffälligen zu verjagen. Das anspruchsvollere und
seit Jahrzehnten ungelöste Problem ist die brüderliche, aber aufmerksame
Aufnahme einer komplexen und teilweise brisanten Mischung.
(2024/27) 3.4.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht 4.4.2024 im Internet-Angebot der Zeit = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/04/04/27-maerz-2024-ausgabe-nr-14/
Russland heute; Leitartikel „Sieg der Gewalt“ von Jörg Lau in der Ausgabe No.
14 v. 27.3.2024, S. 1
Bei der trefflichen Suade gegen Putins Russland und
Russlands Putin fehlt m.E. noch ein winziges Detail: Dass der Westen etwa i.J.
1979 den Russen tatsächlich Tod und Teufel auf den Leib gehetzt hat. Zumindest
hat sich Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski noch im Januar 1998
gegenüber dem Pariser Nouvel Observateur höchst befriedigt darüber geäußert,
die Russen in die afghanische Bärenfalle gelockt zu haben. Als der Interviewer
entgeistert nachhörte, ob er damit nicht den islamistischen Terror genährt
habe, retournierte Brzezinski mit dem Brustton der Überzeugung:
„Qu’est-ce qui est le plus important au regard de
l’histoire du monde? Les talibans ou la chute de l’empire soviétique? Quelques
excités islamistes ou la libération de l’Europe centrale et la fin de la guerre
froide?“
Warum sollten die Russen annehmen, die Amerikaner würden
für ein vermeintlich lohnendes Ziel hier und heute weniger über die Bande
spielen?
Quellen etwa:
Zum Interview des Pariser Nouvel Observateur vom Januar 1998 Jimmy Carters
Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski siehe m.w.N. etwa http://uliswahlblog.blogspot.
(2024/26) 3.4.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht 4.4.2024 im Internet-Angebot der Zeit = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/04/04/27-maerz-2024-ausgabe-nr-14/
Ostern und das Ich; Titelthema „Kann der Mensch sich ändern?“, speziell Beitrag
„Ich, nur besser“ von Johanna Haberer und Sabine Rückert in der Ausgabe No. 14
v. 27.3.2024, S. 11ff
Was, wenn es gar kein stabiles Ich gäbe, keine einige
Seele? Sondern nur eine mühsam durch Daten aus Ausweisen, Zeugnissen und
Grabsteinen zusammengeschusterte Identität? Wenn wir alle notorische
Schauspieler wären, wie die Bonobos oder die Raben? Oder wenn multiple
Persönlichkeiten gar nichts so Besonderes wären? Möglicherweise könnten wir
viel öfter aus der Rolle fallen oder die Rollen tauschen, dürfen es aber nicht.
(2024/25) 2.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger,
Lokalausgabe Leverkusen
Kriegsopfer-Gedenken; Thomas Käding: „Die Gedenkstätte liegt in der Anonymität“
(Lokalausgabe Leverkusen v. 30.3.2024, S. 35)
Eine Ergänzung zu Thomas Kädings Artikel „Die Gedenkstätte
liegt in der Anonymität“: Dass die Gedenkstätte für sowjetische Opfer des
Zweiten Weltkriegs verwahrlost wäre, ist eigentlich nicht das Problem.
Tatsächlich kümmert sich seit Jahrzehnten die Frauen-Union regelmäßig und aktiv
darum, den gegebenen Stand zu erhalten. Das Problem ist allerdings, und darauf
hatte das Landes-Heimatministerium i.J. 2021 unseren Geschichtsverein
aufmerksam gemacht: Rein gar nichts lädt hier zum Verweilen, Nachdenken oder Gedenken
ein.
Was also tun? An der sehr versteckten, selbst alten
Burscheidern zumeist unbekannten Lage des kleinen schwarzen Obelisken, da wird
man realistischerweise gar nichts ändern können. Aber die Aufnahme in den
Burscheider Denkmalpfad läge nahe, ferner eine gut sichtbare, sprechende
Wegweisung. Und, wie es der Artikel weiter vorschlägt, eine niedrigschwellige
Erläuterung zu den Opfern, derer man hier gedenken kann. Denn Name, Geschlecht,
Alter, Geburtsort und sogar die Todesursache waren damals penibel festgehalten
worden. So könnten wir den Opfern viel mehr Gesicht und Hintergrund geben.
Vielleicht kann Burscheid die nun beschlossene
Friedhofs-Arbeitsgruppe aus Rat und Verwaltung auch noch um einige per Los
ermittelte Bürgerinnen und Bürger ergänzen, könnte so erste prozedurale
Erfahrungen mit Bürgergutachten gewinnen – wie es gerade selbst der Bundestag
erstmals wagt, dort bei Ernährungsfragen.
P.S.:
Anders als das Kriegsopfer-Denkmal ist das Krieger-Denkmal (zu
1870/71) nahe beim Friedhofs-Eingang angestammter Teil der Burscheider
Denkmalliste (dort Pos. 15, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/
DEN GEFALLENEN ZUM GEDÄCHTNIS
DEN LEBENDEN ZUR ERINNERUNG
DEN ZUKÜNFTIGEN GESCHLECHTERN ZUR NACHAHMUNG
(Hervorhebung von mir ;-)
(2024/24) 26.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Islamistischer Terror in Moskau; Kommentare „Für Putins Versagen soll Kiew
büßen“ von Karl Doemens und „Der Terror bedroht auch uns“ von Felix Huesmann
(Ausgaben v. 25. u. 26.3.2024, jeweils S. 4)
Jede Häme ist fehl am Platz; eine diplomatische Kondolenz
wäre unsere mindeste Pflicht. Und wer derzeit die bizarrsten Feindbilder
pflegt, darüber ließe sich noch lange streiten.
Aber gerade heute sollten wir nicht ausblenden: Der
Westen hielt es einmal für ausgesprochen clever, den militanten Islamismus
gegen die Sowjetunion aufzustacheln und aufzurüsten. Im Irak haben wir weitere
Ursachen für globalen Terror gesetzt. Bei Licht besehen waren wir im gesamten Nahen
und Mittleren Osten als Zauberlehrlinge unterwegs, bis in die jüngste Zeit. Das
ist unsere Verantwortung und ist das reale heutige Risiko. Jeder Tag im
aufgebrachten und verständnislosen Streit unter Industriestaaten mehrt es.
Quellen:
Zum Interview des Pariser Nouvel Observateur vom Januar
1998 mit Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski siehe etwa http://uliswahlblog.blogspot.
Zu den Feindbildern:
Der letztjährige Mottowagen des Kölner Karnevals nahm einen diabolisch in Blut
und Grabkreuzen rührenden Putin auf's Korn. Ein psychologisch bemerkenswertes
Detail war die Symbolik auf Putins Brust - Hammer und Sichel. Oder auch:
nachhaltig recycelt.
(2024/23) 24.3.2024
DER SPIEGEL
Elektromobilität; Titelthema „Der Elektroschock“ der Ausgabe Nr. 13 v.
23.3.2024, insbesondere Beitrag „Kurzschluss“ von Simon Book et al., S. 8 – 15
Die Wunderwaffe gegen die deutsche Reichweitenangst? Nein, nicht der
TAURUS alias Höllenhund 2.0. Unser
aller Zweitwagen wäre es gewesen. Der, mit dem man Tag für Tag
vielleicht 100 bis 200 km zurücklegt und ca. 90% des Jahresespensums. Der, mit
dem wir den meisten Sprit sparen könnten. Nur – der Zweitwagen ist
selbstverständlich nicht Premium, Masse und Marge genug. Pech, vorbei.
P.S.:
Seit zwei Jahren und ca. 22.000 km fahre ich mit stetem Glück einen Dacia Spring, dem Anschein nach bei
Dacia in Rumänien gebaut, tatsächlich aber ja bei Dongfeng in Wuhan, China.
Konkurrenzfähige Qualität, sehr gute Ausstattung und ein kleiner ökologischer
Rucksack, alles zusammen für < 15 T€. Verglichen mit der abschreckend düsteren
Reportage von Haiko T. Prengel „Das Märchen vom soliden Elektroauto“, SPIEGEL
Nr. 12 v. 16.3.2024, S. 100f, bin ich gefühlt auch fabelhaft zuverlässig
unterwegs. Gut, das ist nur "Losgröße 1" und mag an prägenden
Eigenschaften meines ersten Autos liegen – eines ebenso Glück spendenden Deux
Chevaux mit 16 PS aus 421 ccm und 5 Litern Verbrauch, normal 😉
Anm.: China hat seine Industrialisierung u.a. mit einer
pädagogisch klug gewählten, weil allseitig skalierbaren Schlüsselindustrie
vorangebracht – mit Spielzeug. Mit kleinen Einstiegs-Sellern war
Deutschland ja einmal ebenso erfolgreich, hat’s aber lange vergessen.
(2024/22) 22.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wehrkunde; Berichte bzw. Kommentar „Besuch vom Jugendoffizier“, „Besser
vorbereitet auf die Katastrophe“ bzw. „Annäherung an die neue Realität“ von
Alexandra Ringendahl und Gerhard Voogt (Ausgabe v. 22.3.2024, S. 3 u. 4)
Im Rahmen eines Wehrkundeunterrichts: Die Republik bis zur
1. Zeitenwende i.J. 1989 wäre sehr authentisch abzubilden durch einen Besuch
der Schulklasse im Landes-Regierungsbunker Am Gillesbach 1 in Kall-Urft in der
schönen Eifel, im praktisch noch betriebsfähigen Zustand. Für die folgende
Epoche bis zur 2. Zeitenwende i.J. 2022 empfehle ich dem Jugendoffizier eine
gemeinsam zu erarbeitende Evaluation der Auslandseinsätze und Kriege dieser
Phase - auf Zielerreichung, Opfer und Folgen, etwa in Somalia, im Sudan, in
Afghanistan oder in Mali. Ein markanter Schwerpunkt könnte dabei die Operation
Allied Force 1999 u.a. gegen die europäische Hauptstadt Belgrad sein – in deren
Kontext wurde uns der Begriff „collateral damage“ vertraut. Und für die
nunmehrige 3. Phase könnte man den mutmaßlichen neuen Regierungsbunker in
Berlin ins Auge fassen; allerdings läge das für uns etwas abseits und wäre wohl
ohnehin verschlossen. Eine verstärkte schulische Katastrophen-Vorbereitung
könnte ggf. etwas aufgelockert und psychisch entspannt verlaufen, griffe man
auf das Maskottchen des US-amerikanischen Zivilschutzes der Fünfziger Jahre
zurück – auf „Bert the Turtle“ und sein verschmitztes Motto „Duck & cover!“
Quellen:
Zu den Bombenangriffen der NATO auf Belgrad, deren Beginn
sich in wenigen Tagen zufällig 25-fach jährt, siehe etwa https://de.wikipedia.org/wiki/
„Bert the Turtle“: siehe Bild-Anlage.
Anm.: Dieser damals sehr ernst gemeinte Cartoon stammt noch aus meiner
jahrzehntelangen dienstlichen Befassung mit Geheim- und Zivilschutz. Den Besuch
bzw. die Führung in Kall-Urft kann ich jedem dringend empfehlen, der sich mit
Wehrkunde und Zivilschutz tiefer befassen will. Man sollte sich dafür im
Wortsinn und im übertragenen Sinn warm anziehen.
(2024/21) 19.3.2024
DIE WELT
Friedensaufruf von Papst Franziskus; Franz Alts Gastkommentar „Die
Papst-Kritiker hören nur, was sie wollen“ (Ausgabe v. 18.3.2024, S. 7)
Herzlichen Dank an Franz Alt und an die WELT-Redaktion für
den bemerkenswerten Gastkommentar vom 18. März! Ich stimme zu: Das nüchterne
Bewerten (auch) eigener Verursachungsbeiträge und (auch) fremder
Interessenlagen ist die erste Voraussetzung für Diplomatie. Der Papst mag alt
sein. Aber ein Tor ist er nicht.
Quelle
Den Gastkommentar von Franz Alt siehe auch auf dessen Internet-Seite
sonnenseite.com: https://www.sonnenseite.com/de/franz-alt/kommentare-interviews/dieser-unmoegliche-papst/
(2024/20) 18.3.2024
rga / Remscheider General-Anzeiger
Wehrkundeunterricht; epd-Meldung „Schulen sollen auf Kriegsfall vorbereiten“ u.
Kommentar v. Sebastian Kunigkeit “Wehrgedanke soll in Schulen einziehen“ (rga
v. 18.3.2024, S. 1 u. 2)
Als Lehrplanelement eines etwaigen künftigen
Wehrkundeunterrichts empfiehlt sich dringendst der Besuch der
Dokumentationsstätte „Ehemaliger Ausweichsitz der Landesregierung NRW“ in
Kall-Urft: Eine sehr haptische und authentische Zeitreise zurück in massive
Bunkermentalität, fertig zum Einrücken.
Vielleicht aber kann unsere Bildungsministerin Feller ihrer
Bundeskollegin Stark-Watzinger bei einem Ortstermin dort beibringen: Unsere
Prioritäten liegen beim sicheren Vermitteln von schulischen Grundfertigkeiten,
gerade für eine kritikfähige und wehrhafte Demokratie.
Quellen etwa:
www.ausweichsitz-nrw.de
(2024/19) 13.3.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 14.3.2024 im Internet-Angebot der ZEIT: https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/03/14/7-maerz-2024-ausgabe-nr-11/
Bundeswehr-Abhöraffäre; „Putin ist ganz Ohr“ von Yassin Musharbash (Ausgabe No.
11 v. 7.3.2024, S. 1)
Wie John le Carré kann ich keinen ethischen Vorsprung
westlicher Dienste erkennen: Alle arbeiten definitionsgemäß im Schatten, sind
der Staatsräson mehr verpflichtet als den Menschenrechten. Ein Konzept wie das
der „Inneren Führung“ würde dort niemand anwenden wollen. Auch deutsche Dienste
waren, wo erforderlich, offen außerhalb der Verfassung aktiv, etwa bei der am
Ende sogar mit Orden belohnten „Operation Sommerregen“ in den Achtzigern: Der
BND hatte während der sowjetischen Besatzung Afghanistans gemeinsam mit
Mujaheddin und unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe moderne russische Waffen
aufgesucht und außer Landes gebracht, nota bene ohne Rechtsgrundlage
bzw. ohne Mitwirkung des Bundestages.
Es fällt auch schwer, sich geopolitisch folgenreichere und
– in Menschenleben gerechnet – tiefer einschneidende Projekte vorzustellen als
etwa die Operation AJAX: Als MI6 und CIA zum Nutzen der Öleinnahmen der
Anglo-Iranian Oil Company, später BP bzw. ARAL, einen erfolgreichen Putsch
gegen den gewählten iranischen Staatspräsidenten Mossadegh organisiert hatten,
mit bis heute wirkenden disruptiven Folgen für eine ganze Region. Oder die
später auch „bear trap“ genannte CIA-Operation CYCLONE, die die Sowjets nach
Afghanistan locken sollte und mit dem dortigen militärischen Debakel das Ende
der Sowjetunion einläutete.
Die Dienste gestalten unsere Sicht auf die Dinge, aber
nicht selten eben auch die Dinge selbst.
Quellen
Operation (TP)AJAX: https://de.wikipedia.org/wiki/
Operation CYCLONE: https://de.wikipedia.org/wiki/
Operation Sommerregen: https://de.wikipedia.org/wiki/
Anm.:
Sehr interessant und aufschlussreich erschien mir in diesem Kontext die
folgende Passage aus dem Bericht „Mit Sicherheit teuer“ von Jörg Lau, Anna
Sauerbrey, Mark Schieritz, Heinrich Wefing und Peter Dausend in der ZEIT No. 10
v. 29.2.2024, S. 4:
„Sollte die Ukraine tatsächlich verlieren, etwa weil ein
künftiger Präsident Trump die Unterstützung einstellt, rechnen westliche
Geheimdienste mit einem Umsturz in Kiew, einem Partisanenkrieg gegen die
russischen Besatzer, Millionen Flüchtlingen, die in Westeuropa untergebracht
und versorgt werden müssten.“
Ein Planspiel, gewiss, aber eines, das zeigt, wie volatil
ein Szenario entwickelt bzw. gestaltet werden kann. Oder: wie ein Szenario
rhetorisch einsetzbar ist. Denn käme es wie dort orakelt, dann wäre dies der
vollständige Bankrott der bisherigen Ukraine-Investitionen und eine tatsächlich
extrem risikoreiche ökonomische wie soziale Entwicklung. Dies mag zu einer
zwanghaften Eskalation der bisherigen Anstrengungen anleiten, viel weniger
wahrscheinlich zu einem Pfadwechsel.
(2024/18) 13.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wahlen in Russland; Thorsten Müller „Der ewige Putin“ (Ausgabe v. 13.3.2024, S.
2)
Danke für Thorsten Müllers gut recherchierte und sehr
informative Reportage „Der ewige Putin“! Sein Bericht macht wesentliche
Unterschiede nachvollziehbar, aber eben auch frappierende Übereinstimmungen, so
die gemeinsame Fokussierung auf Konsum oder eine beiderseitige unpolitische
Grundhaltung, speziell zur Außen- und Sicherheitspolitik. Kriege - welche
denn?
Und wenn die Bundesrepublik auch sicher keine totalitären
Züge zeigt, so ist doch auch bei uns die Fluktuation in der politischen Klasse
betont gering. Wie in Russland prägt uns offenbar eine tiefe Sehnsucht nach
Kontinuität und Stabilität, die im Zweifel zum Bewahren des Bewährten anleitet
und die eine parallele Ursache vermutlich im brutalen letzten Weltkrieg hat.
(2024/17) 12.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Aufruf des Papstes zur Ukraine; Kommentar von Eva Quadbeck „Dem Weltfrieden
geschadet“ und Bericht von Markus Decker „Pabst empfiehlt Kiew ‚weiße Fahne‘ “
(Ausgaben v. 12.3.2024, S. 4 und v. 11.3.2024, S. 6)
Schämen müsste sich Frau Strack-Zimmermann nicht nur für
den Pabst, sondern für den offenbar überwiegenden Teil der Menschheit: Denn
alle diese haben – auch lange vor der aktuellen Wortmeldung – wenig Verständnis
für weiteres Gemetzel, mit immer mehr und stärkeren Waffen. Ein Gemetzel, aus
dem wir die Finger fein heraushalten und an dem manche noch üppig verdienen.
Von ihr fordere ich ebenso wie von Frau Göring-Eckardt:
Präsentieren Sie Ihren realistischen Verhandlungsvorschlag! Einen, der hilft,
weitere Zehntausende Opfer zu verhüten. Dieser Vorschlag sollte nicht enthalten,
dass jeder Quadratmeter der Ukraine garantiert dauerhaft von russischem
Einfluss befreit wird oder dass die NATO einen Stützpunkt in Sewastopol
einrichten kann.
Den Russen sollten wir auch nicht weniger Schutz
wohlverstandener Interessen zubilligen, als wir es bei unserem atlantischen
Partner in Gestalt der Monroe-Doktrin für völlig selbstverständlich halten. Die
Gefahr eines russischen Imperialismus und eines neuen „dark age“ definieren wir
auch höchstpersönlich.
Man darf es wohl so sehen: Wir büßen heute für eine
raumgreifende, auftrumpfende und völlig un-empathische Außen- und
Sicherheitspolitik nach 1989. Ein gesichtswahrender Pfadwechsel ist möglich –
und er ist sogar unverzüglich geboten: Tatsächlich benötigen wir alle
Ressourcen, auch die der Diplomatie, um ein längst fühlbar kippendes Weltklima
zu stabilisieren. Sofern wir eine to-do-Liste nach unmittelbarem
Gefahrenpotenzial für unsere Zivilisation abarbeiten, dann müsste genau das
ganz vorne stehen.
(2024/16) 9.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 16.3.2024
Entwicklung der Waffentechnik; Can Merey „Die tödlichen Überflieger“ (Ausgabe
v. 7.3.2024, S. 29)
Die zitierte Einschätzung von Alexander Bornyakov ist m.E.
ebenso schlüssig wie erschreckend: Angesichts der viel billigeren und
effizienteren Drohnen ist die gerade wieder zu Ehren
gekommene Panzer-Waffe schon endgültig aus der Zeit gefallen, ebenso weitere
teure Großgeräte wie Kriegsschiffe oder Flugzeuge. Giga-Factories für große
Artillerie-Munition? Konsequent ebenso unrentabel, lange vor ihrer Einweihung.
Das eigentlich Erschreckende ist: Drohnen sind eine
besondere Herausforderung für offene Gesellschaften, weit unter der Schwelle
industrieller Kriegsfähigkeit zu beschaffen und kinderleicht zu bedienen. Wir
werden sehr merklich erpressbarer, auch hinsichtlich unserer Infrastruktur und
stehen im Fadenkreuz eines sehr personenbezogenen Targeting. Höchste Zeit, sich
unter den Industriegesellschaften vertrauensbildend zusammenzuschließen!
(2024/15) 5.3.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 7.3.2024 im Internet-Angebot der ZEIT = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/03/07/29-februar-2024-ausgabe-10/
Rüstungskosten; Titelthema „Was kostet Frieden?“ in der Ausgabe No. 10 v.
29.2.2024 mit Beiträgen von Jörg Lau, Anna Sauerbrey, Mark Schieritz, Heinrich
Wefing, Dirk Dausend und Holger Stark
Die ZEIT No. 10 mit ihrer Titelfrage „Was kostet Frieden?“,
sie triggert bei mir arge kognitive Dissonanzen. Die Titeltaube als
Waffenträger: Ist das nun ironisch, sarkastisch oder polemisch und proakativ?
Warum nicht gleich der Heiland im trendigen Tarnfleck? Ist das die neue Zeit?
Auch die Frage selbst: Hält man Frieden für einfach geometrisch skalierbar mit
den eingesetzten Rüstungs-Input? Viel hilft viel? Die massiven und überwiegend
frustrierten Ausgaben seit Beginn der Expeditionen mit scharfem Schuss in den
Neunzigern könnten uns eines Besseren belehren, würden wir sie einmal
systematisch evaluieren wollen.
Zurück zur Taube: Sie erinnert mich ferner irritierend an
George W. als Rambo-artigen Coverboy des SPIEGEL. Und an ein Gespräch mit
unserem Pfarrer Anfang der Neunziger über UNOSOM II und DENY FLIIGHT. Ich hatte
gefragt, wie die Kirche zu den damals gerade beginnenden Auslandsmissionen
stünde. Er hatte dann – mit seiner besonderen Erfahrung in der Feldseelsorge
und auch ein wenig triumphierend – einen Katechismus aus dem ersten Weltkrieg
produziert und dort eine bereits eingedruckte Fußnote zum Fünften Gebot: „Gilt
nicht im Kriege!“
Die „Suche nach
Antworten“ signalisiert viele offene, zumindest nicht im Konsens zu
beantwortende Fragen. Speziell die Causa Taurus müsste vielen Zeitgenossen auf
dem Magen liegen, da der Taurus seinem legitimen Ahnherrn sehr gleicht – der
designierten Wunderwaffe und Flügelbombe V1, die anfangs Höllenhund heißen
sollte.
Wie die Abgeordnete
Gabriela Heinrich möchte ich von dem Einsatz des Taurus keine Wunder erwarten,
insbesondere keine signifikante Verkürzung der Kriegshandlungen, keine
Entspannung und keine Verminderung der militärischen oder zivilen Opferzahlen
in der Ukraine. Eher verspräche dies – wie es Paul Watzlawick in seiner
unsterblichen „Anleitung zum Unglücklichsein“ schlüssig beschrieb – rasch „mehr
desselben Elends“. Der traurige zweite Jahrestag der russischen Invasion sollte
uns m.E. nicht zu einem „weiter und härter“ bewegen, sondern zu einem klugen
Pfadwechsel mit fühlbar mehr OSZE-Einsatz. Ich denke, diese Erwartung wird von
sehr vielen Menschen dieser Welt geteilt.
P.S. / Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/
https://de.wikipedia.org/wiki/
Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper / München, 4. Auflage
2023, S. 27ff (29)
(2024/13) 26.2.2024
Süddeutsche Zeitung
Zweiter Jahrestag d. Ukraine-Invasion; Kommentar „Die Propagandisten“ von Frank
Nienhuysen (Ausgabe v. 24./25.2.2024, S. 4)
Keine Frage: Russland hat sich psychotisch entwickelt, als
Ganzes und in führenden Teilen.
Tatsächlich sieht es bei uns aber wenig anders aus: Tiefe
kognitive Dissonanzen anhand der Brutalitäten, die man meinte, mit kluger
Politik ausgeschlossen zu haben oder zumindest vom eigenen Lebensmittelpunkt
fernzuhalten. Frustrierte Versuche, Macht in die Ferne zu projizieren, wie etwa
in Somalia, Afghanistan oder Mali. Und am zweiten Jahrestag der russischen
Invasion allseitige verbale, teilweise reale Versuche, einfach nur mehr nach
Art der bisherigen Strategie zu stemmen: Mehr Munition, zusätzlich modernste
Distanzwaffen wie Taurus – immerhin ein hocheffizienter Nachfahre der
Flügelbombe V1, die man anfangs Höllenhund nannte. Kurz, eine Politik der
zeitlich nicht begrenzten Eskalation.
Der sehr hellsichtige Paul Watzlawick sieht mir hoffentlich
aus dem Himmel nach, wenn ich aus seiner unsterblichen „Anleitung zum
Unglücklichsein“, genauer aus dem Kapitel „Mehr desselben“ folgere: Genau das
kann nur zu mehr desselben Elends führen. Wir sollten uns neu besinnen und das
Geld u.a. für den Taurus nachhaltiger in die OSZE und in die renommierte
deutsche Friedensforschung stecken, um nüchterne, realpolitische
Verhandlungsansätze vorzustellen.
Sonst mag dereinst jemand den Kanzler fragen, ob die
Zigtausend toten und schwer versehrten Ukrainer – ob russisch- oder
ukrainischsprachig – es denn wirklich wert waren. „Besser tot als rot“ wäre
dann keine überzeugende Reaktion, auch angesichts krasser diplomatischer
Versäumnisse des Westens in den letzten 20 Jahren. Ebenso wenig: „Schau’n wir
mal!“
P.S. / Quelle:
Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper / München, 4. Auflage
2023, S. 27ff (29)
(2024/12) 23.2.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 29.2.2024 im Internet-Angebot der ZEIT am = https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/02/29/22-februar-2024-ausgabe-9/
Ukraine-Konflikt; Giovanni di Lorenzos Beitrag „Vor aller Augen“ in der Ausgabe
No. 9 v. 22.2.2024, S. 1
Ich habe kein Problem damit, Wladimir Putin vor aller Augen
als psychotisch zu bewerten, ebenso – und einander bedingend – das heutige
Russland insgesamt. Nur: Exakt das Gleiche gilt derzeit nüchtern betrachtet für
mich, für uns, für Deutschland und für unsere alten und neuen Bundesgenossen.
Das alles hat auch sehr wenig mit Verfassung zu tun. Sehr viel dagegen mit
Angsthaltung und Abstiegsangst und aufgesetztem Stolz.
Pardon: Der viel lautere Weckruf geht von unserem Erdsystem
aus; wir haben es nachaktuellem Befund des IPCC bereits bleibend um kritische
1,5 Grad geboostet, Ende offen. Und um da die Hände frei zu bekommen und
Ressourcen mit Augenmaß priorisieren zu können, müssen wir besser heute als
morgen einen nachhaltigen Kompromiss erarbeiten, unter Wahrung der
wohlverstandenen Interessen. Neudeutsch: der vested interests der größeren
Mitspieler.
(2024/11) 21.2.2024
RGA / Volksbote,
abgedruckt am 24.2.2024
Proteste gegen Rassismus und Hetze; Beiträge von Nadja Lehmann „Gegen
Rechtsextreme: Burscheids Frauen rufen zu friedlichem Protest auf“ und von
Peter Klohs „Für die Demokratie: Burscheider lassen es leuchten“ in den
Burscheider Lokalausgaben v. 17.2. / 20.2. (S. 23 / S. 21)
„Burscheid leuchtet“, das ist eine sehr lobenswerte und für
alle lohnende neue Initiative: Gut vorbereitet, eindrucksvoll durchgeführt und
dann auch völlig zu Recht gekrönt durch eine beachtliche Resonanz bei den
Teilnehmer*innen und in den Medien.
Meine Anerkennung für die vier Freundinnen und
Organisatorinnen, die Burscheiderinnen Jutta Reda, Sabine Rusch-Witthohn,
Barbara Sarx-Jautelat und Brigitte Thielen, auch zu dem einfühlsam gewählten
Motto. Und meine guten Wünsche für die weitere Entwicklung!
(2024/10) 19.2.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Rüstung; zu Beiträgen von Kristina Dunz, Daniela Vates und Eva Quadbeck im
Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz (Ausgabe v. 19.2.2024, S. 1, 2, 4 und
6: „Selenskyj warnt vor ‚Katastrophe‘ “, „Große Krisen, kleine Lichtblicke“,
Schmerzhafter Weg zur Wehrhaftigkeit“ und „Die Bundeswehr braucht zügig Geld“)
Wir sind zurück auf dem Gipfel des Kalten Krieges. Ob
Vorrüstung oder Nachrüstung – egal, Hauptsache Waffen. Gegen Gewalt hilft halt
nur Gewalt, Gute sind Gute, Böse sind Böse und wo gehobelt wird, da fallen eben
Späne. Selbst die im Herzen Grünen können – sollten? – heute RheinMetall
zeichnen. Diplomatie? Völlige Fehlanzeige, jedenfalls keine bemerkbare. Reine
TINA-Stimmung. Oder: There is no alternative.
Hand auf’s Herz: Jeder weiß, es kann, es darf so nicht
weitergehen. Nur fehlt das Kind, das lauthals ruft: „Man kann ja alles sehen,
ihr habt gar nichts an!“
P.S.:
Die
beigefügten Cartoons drücken das Zyklische der Entwicklung m.E. sehr gut aus –
der 1951er ist inzwischen wiederverwendbar.
1951
2001
(2024/9) 16.2.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Rüstungsausgaben; Interview „Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben“ von
Eva Quadbeck und Kristina Dunz mit Boris Pistorius sowie Kommentar „Dauerhaft
mehr Geld für Armee“ von Markus Decker (Ausgabe v. 15.2.2024, S. 3 u. 4)
Vielleicht bin ich ja verrückt geworden. Oder aber ein
Gutteil unserer Oberen Zehntausend ist dem Wahn verfallen.
Lassen wir einmal die von Boris Pistorius mehrfach
zitierten „letzten 30 Jahre“ Revue passieren: Wir haben sehr, sehr viel
militärisches Geld in die Hand genommen – und unter dem Strich sehr, sehr viel
Unsicherheit herausbekommen. Tatsächlich haben wir unter aktiver Mithilfe hoher
und höchster Chargen aus Brüssel, die unangefochten weiter in Amt und Würden
sind, den Nahen und Mittleren Osten mehr und mehr destabilisiert, haben dabei
auch massiven Migrationsdruck getriggert. Außer Spesen praktisch nichts gewesen.
Weiter: Wir sind mit unseren Waffensystemen ein signifikantes Stück in Richtung
Moskau vorangekommen. Selbst NATO-Flugzeugträger in Sewastopol schienen schon
zum Greifen nah, am weichen Bauch Russlands. Und nun könnten wir nach der
Sowjetunion auch nochmal das postsowjetische Russland militärisch und
wirtschaftlich in Grund und Boden rüsten? Auf dass von dort nie wieder Kriege
ausgehen können? Danach endlich: Ewiger Frieden? Ist das rational?
Nur nebenbei erwähnt: Wenn wir uns bald im Wege eines
intensivierten Zivilschutzes warm anziehen müssen, dann braucht es – das vergaß
Boris Pistorius gleich mit aufzuführen – naturgemäß auch wieder einen gut oder
sogar noch besser gehärteten Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes und
der Länder, Marke „Dienststelle Marienthal plus“. Klüger und ökonomischer wäre
allerdings, wir schickten die NATO auf Heimaturlaub und holten die OSZE aus dem
Winterschlaf. Unser gutes Leben mag nicht zum Nulltarif zu sichern sein. Aber
in jedem Fall funktioniert es nicht dauerhaft mit Aplomb, männlichem
Auftrumpfen und einer Übermacht, koste sie, was sie wolle. Eher mit der
Bereitschaft zum Ausgleich und dem Einschalten der Spiegelneuronen.
Vielleicht dienen dann dabei die Südtiroler als wertvolle
Ratgeber: Während des Zweiten Weltkriegs hatten wir sie einmal zur Besiedlung
einer vorher per Völkermord geleerten Krim ausersehen. Und heute sind sie
besonders angesehen beim gewinnbringenden friedlichen Zusammenleben
verschiedener Sprachen und Ethnien.
Quellen:
Zum AdVB, alias Dienststelle Marienthal, wo sich ein
Besuch aktuell besonders empfiehlt: https://de.wikipedia.org/wiki/
Zu Ansiedlungsplänen für 210.000 Südtiroler, die
1939 für Deutschland optiert hatten, auf der Krim: Siehe etwa Bert Hoppe: Die
Schatten der Weltkriege. Die Deutschen und die Krim, in: Aus Politik und
Zeitgeschichte / APuZ (Zeitschrift d. Bundeszentrale f. politische Bildung)
6-8/2024, S. 33 (37), im Netz unter https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2024-06-08_online.pdf
(2024/8) 5.2.2024
Remscheider General-Anzeiger,
Lokalausgabe Burscheid, abgedruckt 7.2.2024
Bürgerbeteiligung; Nadja Lehmann: „Ich schaue ganz anders auf Lebensmittel als
früher“ (RGA Lokalausgabe Burscheid v. 30.1.2024, S. 21)
Eigentlich „just in time“, diese ersten Erfahrungen, die
der Bundestag gerade mit dem „Bürgerrat für Ernährung“ sammelt. Dass die
Koalitionsparteien ganz neue Wege der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit der
Gesellschaft ausprobieren wollen, das war vor der letzten Wahl gar nicht zu
erwarten. Aber wenn der demokratische Konsens plötzlich als sehr bedroht
erschien – und wo nun plötzlich landauf, landab Tausende unserer
Verfassungsordnung den Rücken stärken, da zeigt es sich ebenfalls: Die Bürger
sind gereift und qualifizieren sich hier und heute für mehr Teilnahme und
Gehör, gerade bei leidenschaftlich umstrittenen Fragen.
Dann aber ist mehr laufende Teilhabe nicht nur auf
Bundesebene beiderseits nützlich, sondern gerade auf der lokalen Ebene. Hier
mag sich sogar ein TOP-Thema für den bevorstehenden lokalen Wahlkampf
herausschälen: Wie stehen unsere Parteien zu Bürgerräten bei der künftigen
Stadtentwicklung? Als Glücksfall könnte sich erweisen, dass im Herbst 2023 die
Arbeiten an der unteren Hauptstraße aus dem laufenden Entwicklungskonzept
ausgekoppelt worden sind; zusammen mit dem neuen ISEK 2030 stünden sie nun
grundsätzlich für einen modernen, betont bürgernahen Prozess offen.
Vielleicht kann Frau Hilbert sogar ihre motivierenden
Berliner Erfahrungen einbringen, um ein Verfahren vor Ort bestmöglich
vorzubereiten.
(2024/7) 31.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger,
Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 6.2.2024
Proteste gegen die AfD; Reportagen in den Lokal-Ausgaben Leverkusen v. 29. u.
30.1.2024 (Violetta Gniß: „Mahnwache füllt Burscheids Markt“ und Janne
Ahrenhold: „Tausende demonstrieren gegen Rechtsruck“)
Das sind bemerkenswerte Demonstrationen – diesmal als sehr
vernehmliche Stütze von Politik und Parlament. Und beeindruckend tief
gestaffelt, flächendeckend auch außerhalb der Metropolen. Darin liegt, wie es
ein Redner am Samstag sehr erfrischend sagte, auch eine Aussage zum
demokratischen Verfahren: Man könne Demokratie eben nicht einfach delegieren.
Manchmal muss man sich selbst zeigen, wenn es nottut, auch zwischen den
Wahlterminen.
Dann aber darf man die positiven Demonstrationen zusätzlich
als einen gelungenen Reifetest werten und darf künftig etwas mehr direkte
demokratische Mitwirkung wagen, etwa in Bürgergutachten oder Bürgerbegehren.
Wer kontinuierlich trainiert, der erhält oder stärkt gar seine politische
Leistung. Und gegen die Hass- und Abgehobenheits-Rhetorik ist man viel besser
gewappnet.
(2024/6) 29.1.2023
Remscheider General-Anzeiger
Proteste gegen die AfD; Markus Deckers Kommentar „Darauf lässt sich bauen“ in
der Ausgabe v. 29.1.2024, S. 1
In der Tat: Das
Gemeinschaftsgefühl aus flächendeckenden positiven Protesten kann Fundament
sein und auch Brücke – in einer Zeit, die weiß Gott festen Boden ebenso wie
aufbauende Begegnung braucht.
Den bunten Protest, der
unseren demokratischen Rechtsstaat so vernehmlich bejaht, mag man aber ferner
als Zeugnis der bürgerlichen Reife deuten. Das würde neue und engere Formen der
politischen Beteiligung ermutigen, etwa Bürgergutachten oder Bürgerbegehren.
Und könnte damit unsere etwas erstarrte und Experten-dominierte Republik mit
neuen Impulsen verjüngen. Tatsächlich gibt es erfahrene Demokratien, die dies
nicht nur aushalten, sondern zu schätzen gelernt haben.
(2024/5) 29.1.2023
Süddeutsche
Proteste gegen AfD; Kommentar von Ulrike Nimz „Schaut auf diese Dörfer“ in der
Ausgabe v. 29.1.2024, S. 4
Aus der Flächendeckung
und tiefen Staffelung der bunten Proteste in Ost wie West mag man eine Art
kategorischen Imperativ pro Toleranz und Schutz ableiten. Und einen politischen
Reifegrad, der eben neue Bündnisse zwischen Politik und Bürgerschaft nahelegt und sogar mehr regelbasierte direkte Mitwirkung, etwa in
Bürgergutachten oder Bürgerbegehren.
Im Maximum mag
irgendwann der Schriftzug „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ auf dem Reichstagsgebäude durch
den Schriftzug „DER BEVÖLKERUNG“ ersetzt werden, der derzeit in einem Beet in
einem Innenhof des Parlaments schlummert. Gut - eine Vision.
(2024/4) 29.1.2024
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 5.2.2024
Proteste gegen die AfD; Jasper von Altenbockums Kommentar „Unbehagen in einer
neuen Zeit “in der Ausgabe v. 19. Januar, S. 1
Die neue „Bewegung“,
wie sie sich just sogar weit entfernt von Magistralen und Kapitalen formiert,
birgt m.E. auch neue Chancen für die politischen Helden und Kärrner. Wohl zum
ersten Mal seit Geburt der Republik stützen flächendeckende, bunte Demonstrationen
unser gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Geschäftsmodell. Ob
das Modell dieser Hilfe objektiv bedurft hätte, das mag man gerne bezweifeln.
Diese neue „Bewegung“ mag aber heute die Furcht unserer Verfassungsgeber vor
einer Ochlokratie relativieren, vor der Herrschaft des Pöbels. Und sie
widerlegt gleichzeitig den giftigsten Universal-Quantor der AfD: Dass nämlich
alle bisherigen Regierungen zu jeder Zeit civibus absolutus bzw. weit
vom Volk abgehoben geplant und verfügt hätten.
Vielleicht gelangt die
eher traditionelle politische Schicht sogar zu der Einschätzung, dass das Volk
derzeit ein Zeugnis der Reife ablegt und sich für mehr kontinuierliche
Mitwirkung qualifiziert, etwa nach Muster des gerade im Bundestag erprobten
Bürgergutachtens. Die Erfahrungen schon weiter gereifter Demokratien wie der
Schweiz oder der USA würden dem nicht widersprechen.
(2024/3) 19.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Songs für den Frieden; „Ein bisschen Frieden“ von Christian Bos (Ausgabe v.
17.1.2024, S. 20)
Ganz oben in meiner
Songliste steht Donovans „Universal Soldier“. Nach meinem Verständnis koppelt
er zu Kants „Zum Ewigen Frieden“ zurück: „His orders come from far away no
more“ weist auf unsere ganz praktische demokratische Mitverantwortung; eben
das war Kants Ideal: Eine Mitentscheidung derer, die die Kriegslasten zu tragen
hätten, würde Konflikte dämpfen helfen. Auch Kant war alles andere als ein
theorielastiger Träumer, wie manch einer aus dem Titel seiner Schrift von 1795
herauslesen möchte. Einleitend schreibt Kant mit bekannt spitzer Feder: Der
Titel ist schlicht abgeleitet von einem niederländischen Gasthof in der
Nachbarschaft eines Friedhofs.
Ferner: „Imagine“
verstehe ich nicht als eine Zumutung an die Fantasie, auch heute nicht. Was
wäre überraschend daran, wenn Menschen des 21. Jahrhunderts keinen Sinn darin
sähen, sich etwa für ein umstrittenes Staatsgebilde, für willkürlich gezogene
Grenzen oder auch für eine vorherrschende Glaubensrichtung ins Jenseits
befördern zu lassen?
(2024/2) 19.1.2023
DIE ZEIT, veröffentlicht am 25.1.2024 im Internet-angebot der ZEIT: https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/01/25/18-januar-2024-ausgabe-4/
Ukraine; Leitartikel „Tja“ von Anna Sauerbrey in der Ausgabe No. 4 v.
18.1.2024, S. 1
Die These ist sehr alt, wird in jüngster Zeit allerdings
stark vervielfältigt: Früheres, entschlosseneres und massiveres Eingreifen und
eine progressive Bewaffnung würde schlimmeres Leid verhüten. Ebenso wie der
heute so beliebte Terminus „Zeitenwende“ blendet dieses Denkmodell aber das
„Vorher“ und bisherige Erfahrungen als schon überholt aus.
Die Realität mag ganz anders aussehen: Die raumgreifende
und gerne präventive, bisweilen auch sehr blutige Interventionspolitik seit
1993 hat sehr wenige bleibende Erfolge, dafür aber viele Opfer gezeitigt. Und
auch im Falle der Ukraine dürfte die Welt heute völlig anders aussehen, hätte
man die OSZE zumindest ebenso wie die NATO wertgeschätzt und ausgestattet. Auch
das Besonnene kann Stärke und muss keine Schwäche signalisieren.
(2024/1) 12.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
weitere Waffen für die Ukraine; Leitartikel „Munition statt Strategiedebatten“
von Matthias Koch in der Ausgabe v. 11.1.2023, S. 4
Eine Niederlage der
NATO ist nicht in Sicht. Denn die NATO steht zum Glück nicht im Krieg,
höchstens dahinter. Umso eher können wir jede Möglichkeit des Ausgleichs der
wohlverstandenen Interessen ausloten. Davon ist in den Medien sehr selten die
Rede; eine dankenswerte Ausnahme war der Abdruck eines Gastbeitrages von
Winfried Böttcher „Die Denkblockade durchbrechen“ im Stadt-Anzeiger vom 23.
Februar 2023.
Denn eines wollen wir
ganz sicher alle nicht: Diesen Konflikt mit seinen tagtäglich mehr als hundert
Toten – vor allem Ukrainer, Russen und russisch sprechende Ukrainer – unseren
Kindern oder gar Enkeln vererben, als einen schwärenden Stellvertreterkrieg und
Ausdruck offener Völkerfeindschaft. Aus meiner Sicht: Kein Langstreckenlauf,
eher ein Totenmarsch, powered by Germany.
Und ein paar
Sammlerstücke aus früheren Jahren:
Die Mutter aller
[meiner] Leserbriefe zur Außen- und Sicherheitspolitik:
29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (Kölner
Stadt-Anzeiger. v. 29.9.1992)
Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V
2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie
die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer
Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die
unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung
eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.
Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext
ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun
begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu
absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne
auch ausdrücklich verwahrt.
Der Vorschlag war, wenn auch der count-down
schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende
Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer
Repräsentanten im Inland.
Und der am weitesten
gereiste Leserbrief:
22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of
August 14, 1995
I refer to reports on
WW II and especially to two letters to
the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995. It is my
impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting
interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima
and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision").
So, I would like to show an alternative view:
It is certainly true
that Japanese military leaders commenced the hostilities against the
The echoes of that
demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over
again – from
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Oder auch ein paar Briefe für Englisch-sprachige Medien.
Gerne meine >150
Leserbriefe, die zum Thema Außen- und
Sicherheitspolitik, Auslandseinsätze bzw. „out of area“ veröffentlicht worden sind.
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