Karl Ulrich Voss, Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2025

Stand: Februar 2025; grün unterlegt: lokale/regionale Themen u. Medien

 

(2025/20) 12.2.2025
DIE ZEIT
Eliten; Interview von Johanna Jürgens und Roman
Pletter
mit Bill Gates („Trump gab mir seine Nummer. Ich werde anrufen, wenn ich verhindern kann, dass Millionen sterben“) in der Ausgabe No. 6 v. 6.2.2025, S. 19f

Dank und Anerkennung für das sehr beeindruckende Interview mit Bill Gates. Es gewährt tiefe Einblicke in den Maschinenraum unserer Technik-Kulturen, in unsere Anreiz- und Belohnungsmechanismen. Wenn Bill Gates über Anzeichen eines Asperger-Syndroms spricht, dann offenbar auch über Gemeinsamkeiten mit Elon Musk und weiteren Techno-Gurus. Gerade der Nerd und die Nähe zu den MINT-Disziplinen werden in unserer Zivilisation wirtschaftlich und politisch besonders honoriert; die Wertschätzung steckt schon in unseren Lehrplänen und Auswahlmechanismen. Dies spätestens, seit der US-Amerikanische Eisenbahnmagnat Leland Stanford einen Test in Auftrag gab, um seine Rekrutierung zu rationalisieren und zu optimieren. Logischerweise steckten in einem nach seinem Tod an der von ihm gestifteten Stanford-Universität fertiggestellten Werkzeug, das als Stanford-Binet Ahnherr der meisten folgenden IQ-Tests werden sollte, viele Dampfkessel, Pleuel, Tabellen und die unter Beweis zu stellende Befähigung zu hochverlässlicher Analyse – deterministisch, vektor-haft, eindimensional, kaltblütig, anorganisch.

Immerhin zeigt das Interview am Beispiel von Gates und Musk, wie sehr ähnliche Sonder-Begabungen und das grundlegende Talent zur Disruption von unterschiedlichen Graden humaner Ziele reguliert sein können. Im Falle von Bill Gates ist dies offenbar deutlich empathischer verknüpft als bei Elon Musk, vermutlich bedingt durch positive familiäre Prägungen. Umso tragischer, wenn Bill Gates‘ menschennahe Zielstellungen – etwa: Impfprogramme aufrechtzuerhalten – von einer kalten Politik überholt werden: Dass Gates Trumps Nummer hat, das wird kalkulierbare tödliche Erkrankungen von Millionen heute kaum noch verhindern können.

P.S.
Vermutlich muss man in der Geschichte nicht weit zurückgehen, um sehr ähnliche Strukturen und Persönlichkeiten zu finden. Henry Ford, der damals reichste Mann der Welt, dürfte einen ähnlich technokratischen (und von
manichäischen Feindbildern geprägten) Blick auf die Welt gehabt haben wie Elon Musk, ebenso der Flugzeug-Pionier Charles Lindbergh, beides prominente Exponenten der damaligen "America-First“-Bewegung". Möglicherweise traf das auch auf Adolf Hitler zu, dem der Psychologe Koch-Hillebrecht in seiner ausführlich belegten Analyse „Homo Hitler“ eine ausgeprägt eidetische und technische Begabung und eine „Kalter-Fisch“-Persönlichkeit zuschreibt, beides übrigens gleichermaßen  einem Zeitgenossen und profilierten Gegner Hitlers: Thomas Mann. Zu Leland Stanford ist noch anzufügen, dass auch er gemeinhin zu den „robber barons“ bzw. „Räuberbaronen“ der frühen Industrialisierung gezählt wird, die Joseph Biden in seiner kürzlichen farewell address warnend angesprochen hatte.

 

(2025/19) 12.2.2025
RGA / Bergischer Volksbote
Kommunalwahlen 2025; Bericht von Wolfgang Weitzdörfer über den SPD-Bürgertreff in der Montanusstraße '„Was lange währt, wird endlich gut“ Das bietet der neue Bürgertreff der SPD' (Ausgabe v. 8.2.2025, S. 23)

Der eigene Bürgermeister-Kandidat der SPD für die Kommunalwahl am 14. September ist Gold wert. Politische Artenvielfalt ist fast so wichtig wie Biodiversität. Und wählen können nach Definition immer nur die, die eine Wahl haben.

Das sage ich, auch wenn ich den amtierenden Dirk Runge für einen befähigten Bürgermeister halte, in der Sache ebenso wie in der Form. Aber auch der Amtsinhaber wird durch einen Herausforderer Ralph Liebig nun zu mehr Profilierung und Rechenschaft gedrängt, also zu allerbestem demokratischem Wettbewerb.

 

(2025/18) 7.2.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Gaza; Berichterstattung u. Kommentierung von Trumps Idee einer künftigen Nutzung des Gaza-Streifens in der Ausgabe v. 6.2. 2025 („Empörung über ‚Riviera‘-Plan für Gaza“ auf S. 1; Karl Doemens Bericht “Trump will Gaza-Streifen zur ‚Riviera‘ machen“ auf S. 2; Matthias Kochs Leitartikel „Trumps Traum von Mar-a-Gaza“ auf S. 4)

Sehr richtig, Trumps Gaza-Plan passt perfekt zu einem Immobilien-Mogul: Zuerst entwohnen bzw. gentrifizieren, dann planieren und mit völlig neu aufgebauter Nutzung groß absahnen. Das Projekt hat denn auch viel von der „schöpferischen Zerstörung“, die selbst ihr Erforscher, der österreichisch-amerikanische Nationalökonom Joseph Schumpeter, als kritisch und gerade als nicht nachhaltig ansah.

Und höchst wichtig ist Matthias Kochs Erinnerung an düsterste Kapitel der Weltgeschichte. Der sehr hellsichtige Jehuda (Martin) Bauer hat 1994 das zunächst sehr irritierende Buch „Jews for Sale? Nazi-Jewish Negotiations 1933-1945“ veröffentlicht. Es dokumentiert u.a. einen frühen Eichmann mit fast abenteuerlichen Versuchen, jüdische Mitbürger nach Kräften außer Landes zu bringen, etwa unter Umgehung von Devisenvorschriften. Dieser Eichmann, an dem Hannah Arendt 1961 „die Banalität des Bösen“ identifizierte, der hatte mangels größerer Erfolge seiner Vertreibungsprojekte am Ende kaltblütig die „Endlösung“ ersonnen und organisiert. Und genau das sollte man bei erklärten Technokraten nie ausschließen, zumindest nicht die inhumanen Umstände und die zu erwartenden humanitären Verluste bei einer Umsiedlung im industriellen Maßstab.

Dies einmal völlig abgesehen von den Zehntausenden tickender Zeitbomben, die ein so fröhliches Projekt wie „Mar-a-Gaza“ unweigerlich unter jungen Männern generiert.

Quelle:
Jews for sale? Nazi-Jewish Negotiations, 1933–1945. Yale University Press, New Haven 1994,
ISBN 0-300-05913-2

 

(2025/17) 6.2.2025
Süddeutsche Zeitung
Gaza; zu Donald Trumps disruptiven Plänen für eine „Riviera des Nahen Ostens“, speziell zu Bernd Dörries‘ Bericht „Arabische Welt empört über Trumps Pläne“, Peter Burghardts „Die Welt als Immobilie“, Tomas Avenarius‘ Kommentar „Nicht vermittelbar“ und Peter Richters „Der 51. Bundesstaat der USA“ (Ausgabe v. 6.2.2025, S. 1, 2, 4 u. 9)

Die zentrale Titelzeile auf S. 1 – „Arabische Welt empört über Trumps Pläne“ – könnte man noch ein wenig apologetisch deuten: Na klar, diese Araber sind halt immer leicht aufgebracht und jetzt eben auch über „The Donald“. Aber im weiteren Verlauf der SZ vom 6. Februar wird die Sprache zu Recht und zum Glück generalpräventiver: Wir alle sind dadurch tief betroffen. Unsere mühsam erarbeitete Modellierung einer nahen und mittleren Zukunft läuft heiß. Es riecht plötzlich wieder wie am Klondike: Wer schnell und ruchlos zugreift, der hat am Ende die meisten und größten Nuggets. Sheriffs oder Marshalls sind nicht in Sicht und sind auch gar nicht gefragt.

Insgesamt wirkt der Plan wie geschaffen für ein Sequel zu Nine-Eleven: Wir führen nun die Palästinenser ab, aus einem ausgebombten Ghetto an der Küste in ein bombensicheres Ghetto in der Wüste, wo nicht Milch, nicht Honig fließen. Und die reichen und schönen und alten Trump- und Netanjahu-Wähler*innen, die sonnen sich in der ersten Reihe am Mittelmeer. On the beach, gesichert durch Ledernacken, querfinanziert durch eine reflexhafte Wiederaufbauhilfe der EU und durch anschwellende Waffenkäufe. Nach Nine-Eleven folgt dann bald Nine-Twelve. Und immer so weiter.

Ist das denn auch nur schlau? Nun: Vielleicht doch, wenn man so gerne – überall – planiert und neu baut.

P.S.:

Anm.: In seriöseren Zeitaltern hätte man einen solchen Mann längst dauerhaft untergebracht, vielleicht mit zehn jungen Frauen und reichlich Bier auf einem Atoll mitten im Pazifik. Ich weiß: Er will nur dealen. Aber er spielt mit dem Schicksal von Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen – und eben mit dem Risiko von ubiquitären Neuauflagen von Nine-Eleven. Pardon wegen der zehn Frauen; es sollte hier nur der besseren Anschaulichkeit dienen 😉

„On the beach“: siehe Nevil Shute’s dystopischen Roman und sein Titel-Zitat aus T.S. Eliot’s „The Hollow Men“

 

(2025/16) 4.2.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Tod von Horst Köhler; Ulrich Steinkohls Beitrag „Ein Staatsmann und unbequemer Optimist“ (Ausgabe v. 3.2.2025, S. 2)

Die harsche mediale Kritik, die im Jahre 2010 zu Horst Köhlers Rücktritt geführt hatte, war ebenso distanzlos wie unbegründet; leider hatte es damals zudem an beherzter politischer Rückendeckung gefehlt. Köhler hatte ebenso wie andere offizielle Stellen die ISAF-Mission niemals mit Handel begründet, wohl aber mit humanitären Zielen und Bündnissolidarität. Und tatsächlich hatten bereits Lothar Rühes Verteidigungspolitische Richtlinien vom 26. November 1992 – und seitdem durchgängig alle folgenden Richtlinien, Weißbücher und Sicherheitsstrategien – den auswärtigen Handel als vitales deutsches Sicherheitsinteresse definiert, völlig unbeanstandet auch durch das Verfassungsgericht. Was Köhler dazu allgemein gesagt hatte, entsprach und entspricht ganz nüchtern dem Stand der Technik.

Wichtiger aber: Köhlers Rede am 10. Oktober 2005 auf der Kommandeurtagung anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr zählt zum Bedenkenswertesten, was je zu einem von der Politik geschuldeten Dialog zwischen „Bürger“ und „Uniform“ geschrieben und gesagt wurde. Hätte man auf ihn gehört und hätte man die Bundeswehr in folgenden Wahlkämpfen nicht sogar bewusst ausgeklammert, wie etwa bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag, wir hätten heute eine klare und wesentlich verlässlichere Basis in der Bevölkerung. Und man hätte diesen wirklich ehrenhaften und verdienten Präsidenten i.J. 2010 nicht aus dem Amt drängen können, mit an den Haaren herbeigezogenen Unterstellungen.

Quellen, wie oben zitiert:

Verteidigungspolitische Richtlinien v. 26.11.1992 (Amtsinhaber: Lothar Rühe):
https://www.vo2s.de/mi_vpr-1992.pdf

Rede vom 10.10.2005, auf der Kommandeurtagung anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr:
https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html 
Auszug: „VIII. Wenn die Deutschen so wenig vom Ernst des Lebens wissen, auf den die neue Bundeswehr eine Antwort ist, dann werden sie nur schwer einschätzen können, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik verspricht, welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen die Kosten wert ist und welche politischen Alternativen Deutschland und die Deutschen bei alledem eigentlich haben. Das müssen sie aber einschätzen können, damit sie die nötige demokratische Kontrolle ausüben können, damit sie innerlich gewappnet sind für die kommenden Herausforderungen und damit sie den Dienst ihrer Mitbürger in Uniform zu schätzen wissen und aus Überzeugung hinter ihnen stehen. …“

2013er Lob des amtierenden CDU-Verteidigungsministers Lothar de Maizières für den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück („Sicherheitspolitik aus Wahlkampf heraushalten“):
https://www.presseportal.de/pm/55903/2468313

 

(2025/15) 4.2.2025
Frankfurter Allgemeine
Tod von Horst Köhler; Eckart Lohses Beitrag „Ein weitsichtiger Präsident“ (Frankfurter Allgemeine v. 3.2.2025, S. 8)

Als beispielhaft unter sehr vielen weitsichtigen und zum Nachdenken anstiftenden Worten Horst Köhlers zitiere ich hier meine Lieblingsstelle; ich werde sie ständig mit ihm verbinden, weil sie so unerhört ist, will sagen: solange sie unerhört bleibt:

„VIII. Wenn die Deutschen so wenig vom Ernst des Lebens wissen, auf den die neue Bundeswehr eine Antwort ist, dann werden sie nur schwer einschätzen können, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik verspricht, welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen die Kosten wert ist und welche politischen Alternativen Deutschland und die Deutschen bei alledem eigentlich haben. Das müssen sie aber einschätzen können, damit sie die nötige demokratische Kontrolle ausüben können, damit sie innerlich gewappnet sind für die kommenden Herausforderungen und damit sie den Dienst ihrer Mitbürger in Uniform zu schätzen wissen und aus Überzeugung hinter ihnen stehen. …“

Dies ist der Kern der Rede Köhlers am 10. Oktober 2005, auf der Kommandeurtagung zum 50-Jährigen der Bundeswehr. Das Unerhörte ist die von Köhler daraus abgeleitete Forderung – eine breite gesellschaftliche Debatte, mit klaren Aussagen zu Herausforderungen, Bedrohungen, Risiken, Ressourcen und Fähigkeiten (auch) der Bundeswehr. Und zwar: angestoßen von Parlament, Regierung und Parteien! Diese demokratische Selbstvergewisserung und Vereinbarung fehlt bis heute. Und sie wäre doch so nötig, wenn die NATO nun eine fordernde Rechnung über 2, 3, 4 oder 5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung aufmacht. 

Leider ist die Politik nach Köhlers Rede eher weiter getrennt vom Volk marschiert. Etwa als im Vorfeld der Wahlen zum 17. Deutschen Bundestag der amtierende CDU-Verteidigungsminister Lothar de Maizière den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ausdrücklich dafür gelobt hatte, die Sicherheitspolitik, und zwar die Auslandseinsätze ebenso wie die damalige Neuausrichtung der Bundeswehr (sic!) aus dem Wahlkampf heraushalten zu wollen.

Wir werden diese Fragen in unserem heute besonders kurzatmigen und lärmenden Wahlkampf nicht lösen können. Aber wer immer Einfluss auf die kommende Legislaturperioden-Vereinbarung haben wird, er sollte Köhlers Vermächtnis ganz oben auf die Tagesordnung setzen. Verteidigung geht nach aller Erfahrung eben nur mit dem Volk, siehe oben. 

Nur kurz zur Ehrenrettung Horst Köhlers wegen des undistanzierten Vorwurfs der Kriegstreiberei, der zu seinem Rücktritt geführt hatte, dies auch mangels beherzter politischer Rückendeckung: Bereits die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 hatten als ein „vitales deutsches Sicherheitsinteresse“ wörtlich das „Aufrechterhalten des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“ definiert. Genau das war und ist in allen folgenden Richtlinien, Weißbüchern und Sicherheitsstrategien der Stand der Technik, unbeanstandet auch vom Verfassungsgericht. Etwas anderes hat ein loyaler, dabei aber immer nachdenklicher und weitsichtiger Bundespräsident Köhler meines Wissens nie gefordert.

Quellen, wie oben zitiert:

Rede vom 10.10.2005, auf der Kommandeurtagung anlässlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr:
https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html  

PM zu dem o.g. Lob de Maizières für Steinbrück („Sicherheitspolitik aus Wahlkampf heraushalten“:
https://www.presseportal.de/pm/55903/2468313

Verteidigungspolitische Richtlinien v. 26.11.1992 (damaliger Amtsinhaber: Lothar Rühe):
https://www.vo2s.de/mi_vpr-1992.pdf

 

(2025/14) 2.2.2025
RGA / Volksbote
Kommunalwahl 2025; Bericht von Anja Siebel vom 24.1.2025 bzgl. der Kandidatur von Herrn Liebig („SPD Burscheid stellt Ralph Liebig als Bürgermeister-Kandidaten auf“)

Das ist eine sehr gute Nachricht für unsere lokale Demokratie: Die Burscheider SPD wird sich bei der Kommunalwahl am 14. September nun mit einem eigenen Kandidaten profilieren. Danke! Denn gerade junge Wählerinnen und Wähler könnte es sonst abstoßen, könnte es gar an die DDR erinnern, wenn sie hier nur mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen dürften. Das hätte ein strenges Geschmäckle – wie vorfabriziert und abgekartet.

Sicher wird es für Ralph Liebig kein Selbstläufer. Die beiden christdemokratischen Fraktionen hatten sich bereits für den gut eingeführten Amtsinhaber Dirk Runge ausgesprochen und sie repräsentieren mit ihren immerhin 25 von 40 Rats-Sitzen zusammen mehr als 60% der Bürgerschaft. Aber vielleicht wird sich die sehr begrüßenswerte SPD-Initiative am Ende zumindest mit einer künftig wachsenden Rats-Fraktion auszahlen.

 

(2025/13) 1.2.2025
BILD
Asyldebatte; zur Titelzeile „Bundestags-Wahnsinn!“ und Kommentar “Rot-Grün ist Wahlkampf wichtiger als Bürgerwille“ (Ausgabe v. 1.2.2025, S. 1 u. 2)

Parlament stimmt gegen Bürger-Mehrheit? So geschehen auch etwa im April und Juli 1993 zum Bundeswehr-Einsatz in Somalia, einem der ersten Auslandseinsätze. Und dann ebenso weit überwiegend in der Folge. Gutes Volk – schlechtes Volk?

Quellen zum Somalia-Einsatz etwa:
https://dserver.bundestag.de/btp/12/12151.pdf#P.12925 zur Sitzung 12/151 v. 21.4.1993
https://dserver.bundestag.de/btp/12/12169.pdf#P.14579 zur Sitzung 12/169 v. 2.7.1993

Anm.:
Vermutlich hatte das Volk jedenfalls zu UNOSOM II das deutlich bessere Gespür:
Die Mission musste damals sehr bald abgebrochen werden, das Verlegen der Truppenteile geriet bei dieser Mission ähnlich chaotisch und unter Stress wie nach der abrupten Beendigung des ISAF-Einsatzes in Afghanistan (zu ISAF siehe Unterrichtung v. 27.1.2025 zu den Ergebnissenn der Enquete-Kommission:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/145/2014500.pdf).
Und der allererste offizielle „collateral damage“ bzw. das erste zivile Opfer eines Auslandseinsatzes wurde bereits für UNOSOM II dokumentiert, des jungen Somali Farah Abdullah, siehe
https://dserver.bundestag.de/btd/12/069/1206989.pdf auf parlamentarische Anfrage der damals oppositionellen Fraktion der Bündnis-Grünen. An die Familie des Opfers wurde damals zur Streitbeilegung das traditionelle „Blutgeld“ entrichtet, wie in der Folge auch in vielen Fällen in Afghanistan, z.B. nach der Bombardierung von zwei Tanklastern in einer Kundus-Furt am 4.9.2009, siehe zu diesem Luftschlag https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_bei_Kundus

 

(2025/12) 28.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Bundestagswahl 2025; KStA-Initiative „Spitzenpolitiker stellen sich Ihren Fragen“ (Ausgabe v. 27.1.2025, S. 3); Fragen an die Herren Scholz, Wüst, Habeck und Lindner

Problembeschreibung:
Viele Kommunen im Bergischen Land leiden unter einer extrem volatilen Haushaltssituation. Meine eigene Stadt (Burscheid) war bereits über Jahrzehnte „Opferstockgemeinde“ mit einem bewirtschafteten Haushalt, ohne Planungsspielraum bei den sog. freiwilligen Aufgaben. Der aktuelle Trend bei Einnahmen und Ausgaben zeigt bereits wieder signifikant in eben diese Richtung. Inzwischen gibt es auch noch einen Unterbietungswettbewerb benachbarter Kommunen bei den Steuersätzen (Monheim, Leverkusen), der die Problemlage weiter verschärfen und verfestigen wird.

Frage:
Welche strategischen Maßnahmen hat Ihre Partei in der nun ablaufenden Legislaturperiode ergriffen, die zur Resilienz kommunaler Finanzen wirksam beigetragen hat – und insbesondere welche Initiativen haben Sie in Ihr Arbeitsprogramm für die kommende LP aufgenommen, etwa zu einer besser ausgewogenen Verteilung der verschiedenen Steuerarten?

Anm.: Ich sehe die kommunale Ebene unbeirrt als die personelle wie materielle Basis des Gesamtstaats an – und die realen und in der Fläche fair verteilten Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger als wesentlichen Garanten für eine gesamtstaatlich nachhaltig verlässliche Politik. Im umgekehrten Fall: als einen wirkmächtigen Trigger für politische Instabilität.

 

(2025/11) 27.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Gaza; Bericht und Titelthema „Trump erwägt Umsiedlung von Palästinensern“ (Ausgabe v. 27.1.2025, S. 1)

Trump bleibt sehr berechenbar – ein Mann, der Immobilien in Bewegung setzen kann. Sein Projekt „Gaza streichen“ hat mehr als dual use. The Donald hatte ja bereits vorher von diesem unverbaubaren Seeblick geschwärmt. Dazu kommt – und ganz sicher wird es das historisch vielfach belegte Konfliktpotential mindern – ein Minus bei Komplexität und ein klares Plus bei Sicherheit, durch eine robuste ethnische Bereinigung. Ägypten und Jordanien mögen sich derweil für Millionen neue Feuerköpfe bedanken. Und die Siedler für ein genuine ethnic settlement.

Jedenfalls der triste Eindruck eines zu Krümeln gebombten Ghettos, der lässt sich durch einen von Grund auf frischen Anstrich schnell zerstreuen. Open the doors for a brand new Trump Show! Und Bibi darf seinen Lebensabend in einem Penthouse an der Seafront verbringen. On the promised land, single-stated. Schöne neue Welt. Ich weiß: Er will doch nur dealen.

 

(2025/10) 25.1.2025
DIE ZEIT, veröffentlicht am 30.1.2025 im Internet-Angebot der ZEIT =
https://www.zeit.de/leserbriefe/2025/23-januar-2025-ausgabe-nr-4
US-Wahl und Folgen; Jörg Lau: „Nimmersatt“ (Ausgabe No. 4 v. 23.1.2025, S. 5)

Man ist versucht, den so unästhetischen Eindruck abzuspalten: Trump – das ist doch nur eine Farce, eine Fratze, eine Episode, jedenfalls für uns nicht repräsentativ. Aber nach allen Umständen wäre das eine fromme und bequeme Selbsttäuschung. Denn Trump – das ist der Westen, das ist ganz offen Techno- und Meritokratie und das sind auch wir. Nur halt in einem Bild wie in dem eines weit fortgeschrittenen Dorian Gray. Schon lange in argen Wettbewerb geraten, versucht „The Donald“ Ressourcen zu maximieren, Meinungsbildung zu streamlinen, gleichzeitig Menschenmengen und Konkurrenz en gros loszuwerden: Wert gegen Werte.

Klein und gemein und für einen guten Schnitt – das können wir schon lange. Wie just im Ländle, wo die Grünen (sic!) die Rüstung als Innovations- und Wachstumsmotor entdecken, für eine schwächelnde Auto-Industrie. Dazu würden einlullende Wahl-Botschaften passen: Gegen China abgeschirmter Arbeitsplatz, gegen Russland gesichertes Häusle. Und eben ein gegen Konkurrenz gehärteter Schnitt, der wegen der besonders hohen Wertschöpfung in der Rüstung voraussichtlich sogar per saldo Arbeitsplätze kosten würde.

Quellen zum zweiten Abs.:

Roland Muschel, Süddeutsche v. 21.1.2025, S. 1: „Panzer statt Porsche“
https://www.sueddeutsche.de/politik/baden-wuerttemberg-gruene-verteidigungsindustrie-wachstumsmotor-li.3183094

Zur negativen Arbeitsplatzbilanz bei Stärkung der Rüstungsindustrie siehe schon Lora Lumpe & Paul F. Pineo "Do U.S. Arms Sales Cost American Jobs?“, Intersect May 1994, p. 18: im oben dargestellten Sinne bejahend, unter Hinweis auf die im Waffenhandel typischen offset agreements zu Gegenleistungen in Gestalt signifikanter gegenläufiger und Arbeitsplatz-intensiver "ziviler" Warenströme.

 

(2025/9) 24.1.2025
Frankfurter Allgemeine
US-Wahl und Folgen; Andreas Ross‘ Leitglosse „Trumps Blitzkrieg“, Winand von Petersdorffs Kommentar „Trumps Preisfrage“ und Dars Grünbeins „Inauguration“ (Ausgabe v. 21.1.2025, S. 1, 9 u. 15)

Auch unter Blockbustern könnte man ein übergreifendes Muster der Trump-Wahl suchen. Klar, bei der Ähnlichkeit eines Tesla zu Dr. Emmett Browns De Lorean DMC 12 denkt man gleich an „Back to the Future“. Aber nein, es geht hier natürlich weniger um eine Fehlerkorrektur in der Vergangenheit, um danach Gegenwart und Zukunft fairer zu gestalten. Es ist auch nicht das Narrativ von „Eve and the last Gentleman“, wo aus der Vergangenheit induzierte gute Etikette die moderne Partnerwahl befruchtete. Am ehesten passt wohl doch „Star Trek" und nun ein taffes „Beam us back, Scotty!“. Also: ein one-way-reset in eine Vergangenheit, die etwa zwischen Hiroshima und Sputnik für kurze Zeit noch monopolar gedacht werden konnte. Alles das nun als frischer Beginn eines augusteischen Friedens- und Normen-Diktats, damit eines ewig golden geplanten US-Zeitalters. Monopolar heißt dann konsequent auch, das System eigennützig mit allem Nützlichen vollzupumpen, gleichzeitig Isolation aufzutragen, um Energieverluste zu minimieren und um gleichzeitig Xeno-DNA jeder Art – ob in Menschen oder ihren Artefakten – fernzuhalten.

Für die gemessene Lebenszeit des Inaugurierten mag ein solcher Plot stimulierende Effekte triggern, aber doch nur von der Art einer Sumpfblüte. Schlimmer werden die sehr kurzfristigen Folgen für die Partner sein. Nach der Logik des bisherigen Setting wirtschaften sie typischerweise hart am Break-even-Point und mögen ohne ausreichende Anpassungszeit in ihren abrupt gestressten Biotopen zusammenbrechen. Aber genau das ist ja der strategische Witz des Blitzkriegs – kaltblütig bleiben, schneller sein. Trösten wir uns an der eigenen Erfahrung, dass der Blitz eben nichts ist, auf das man bauen sollte.

P.S.
Besonderen Dank für das Einordnen des distanzierenden Hutes in Durs Grünbeins süffigem Gedicht. Tatsächlich war meine erste Assoziation eine andere – Clint Eastwoods Hut aus der "Dollars Trilogy" bzw.
"Trilogia dell'Uomo senza nome". Was für das Deuten nochmals andere Mythen anbieten würde.

 

(2025/8) 23.1.2025
FOCUS
Amtseinführung von Donald Trump; Interview von Marc Brost mit der früheren Botschafterin Emily Haber „Eine Inszenierung politischer Dominanz“ (Ausgabe Nr. 4 v. 17.1.2025, S. 36f)

Eine sehr überzeugende Analyse: Deutschland hat es nicht mit einer Episode zu tun, sondern mit einem langfristigen Trend. Und als beachtlicher Wettbewerber könnten wir besonders hart im Wind stehen, auch nach Trump.

Umso wichtiger, das Geschäftsmodell wetterfest zu kalibrieren. Vermutlich: Weniger Fernhandel bzw. weniger USA und China. Mehr Nah-Handel, sprich EU. Vielleicht aber auch mehr globaler Süden auf Augenhöhe und nach David Ricardo, also im fairen Austausch komparativer Vorteile. Entschlossenes Maßhalten wird angesagt sein – auch, was Energiefresser angeht. Und konsequente Vorsorge bzw. Maintenance anstelle ewiger disruptiver Erneuerung. Bei der Sicherheit von der Rüstung das Nötigste – aber von der Diplomatie das Möglichste. Einige tausend Jahre lehren es: Genau diese Rangfolge ist sowohl entscheidend preiswerter als auch deutlich unblutiger. Trump mag derweil gerne weiter macho-hafte Dominanz inszenieren.

 

(2025/7) 21.1.2025
Süddeutsche Zeitung
Grüne und Verteidigungs- bzw. Rüstungsindustrie;
Roland Muschel „Panzer statt Porsche“, Ausgabe v. 21.1.2025, S. 1

In den Firmenbilanzen wird die schöne Prognose des Ökonomen Achim Wambach aufgehen: Zusätzliches Rüstungsgeschäft verspricht verlässlich schwarze Zahlen. Völlig entgegengesetzt mag sich aber die Statistik der Job-Center entwickeln. Denn etwas anders als es in den Sonntags-Wahlkampf-Reden der nächsten Wochen lauten mag, dürfte die weitere Spezialisierung auf das Waffengeschäft per saldo Arbeitsplätze kosten. Tatsächlich: kosten, nicht schaffen.

Das liegt an einigen Besonderheiten des Waffenhandels. Bezahlt wird häufig nämlich gerade nicht in cash – da sind auch viele umworbene Abnehmer eher knapp bei Kasse –, sondern in gegenläufigen Lieferungen von Rohstoffen, Waren oder Halbfertigwaren. Nun: Die Herstellung oder Bereitstellung dieser Gegenleistungen, die in zumeist vertraulichen offset agreements vereinbart werden, sie ist zumeist deutlich arbeitsintensiver als Waffenproduktion mit ihrer besonders hohen Wertschöpfung. Vermutlich ist Achim Wambach auch eher Betriebs- als Volkswirtschaftler und in seiner Welt hat er sicher Recht. Andreas Schwarz, Fraktionschef der grünen Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, sollte aber besser etwas differenzierter hinsehen. Sonst könnte man ihn unversehens als kalten Job-Killer verstehen.

Quelle etwa: Lora Lumpe u. Paul Pineo: "Do U.S: Arms Sales Cost American Jobs?", Intersect May 1994, p.18

 

(2025/6) 20.1.2025
Welt am Sonntag
Herausforderungen aus China und den USA gemäß Ausgabe v. 19.1.2024 (u.a.: Daniel Wetzel u. Benedikt Fuest „Xi Jinping kann Deutschland den Strom abschalten“ u. Interview von Jens Wiegmann mit Michael Link „Deutsche Interessen robust vertreten“, WamS v. 19.1.2025, S. 1 u. 3)

Mittelfristiges De-Risking ist offenbar derzeit in einem 360-Grad-Winkel geboten: China könnte uns den Strom abschalten, die USA Teile des Internets und/oder den nuklearen Schutzschirm; von Russland haben wir uns bereits energetisch abgekoppelt. Höchste Zeit, innerhalb der EU – und dieser Verband und Markt bleibt unser wesentliches Argument – eine Emanzipations-Strategie zu erarbeiten.

Bei allem Sicherheitsstreben sollten wir aber weiterhin möglichst viel von den liberalen Axiomen eines David Ricardo beherzigen. Denn etwa seine Theorie des komparativen Kostenvorteils ist noch heute ein zentraler Pfeiler des deutschen Geschäftsmodells.

Quelle etwa:

https://de.wikipedia.org/wiki/David_Ricardo

 

(2025/5) 17.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 21.1.2025
Neue US-Regierung; zu Joseph Bidens Farewell
Address
v. 15.1.2025 bzw. zu Karl Doemens‘ Kommentar „Coup der Milliardäre“ (Ausgabe v. 17.1.2025, S. 4) und zu seinem Bericht „Biden warnt USA vor neuen Oligarchen“ (S. 6)

Die schlechte Nachricht: Dwight D. Eisenhowers sehr berechtigte Warnung von 1961 vor einem die Demokratie bedrohenden militärisch-industriellen Komplex, sie hat keine erkennbaren Auswirkungen gehabt. Und, wie wir wissen, verlangt das Militär gerade wieder sehr selbstbewusst eine neue, signifikant erhöhte Sicherheits-Rendite.

Die etwas bessere Nachricht: Das zumindest ähnlich bedrohliche und in manchen Punkten auch mit dem militärischen Sektor vernetzte Geschäft der Tech-Industrie, das Joseph Biden unter Verweis konkret auf Dwight D. Eisenhower aufgreift, das haben wir eher in der Hand, durch persönliche Abstinenz. Und in dem sicheren Wissen: Die Welt vor der Digitalisierung war unter dem Strich nicht die schlechtere. Zumindest war sie nicht aufgeregter, psychotischer oder leichter verführbar als heute.

Quellen etwa
https://en.wikipedia.org/wiki/Dwight_D._Eisenhower%27s_farewell_address
https://www.archives.gov/milestone-documents/president-dwight-d-eisenhowers-farewell-address (farewell address Dwight. D. Eisenhower v. 17.1.1961), Auszug:

„… This conjunction of an immense military establishment and a large arms industry is new in the American experience. The total influence-economic, political, even spiritual-is felt in every city, every state house, every office of the Federal government. We recognize the imperative need for this development. Yet we must not fail to comprehend its grave implications. Our toil, resources and livelihood are all involved; so is the very structure of our society.

In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the military-industrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist.

We must never let the weight of this combination endanger our liberties or democratic processes. We should take nothing for granted. Only an alert and knowledgeable citizenry can compel the proper meshing of the huge industrial and military machinery of defense with our peaceful methods and goals, so that security and liberty may prosper together. …“

https://www.nytimes.com/2025/01/15/us/politics/full-transcript-of-president-bidens-farewell-address.html (farewell address Joseph Biden v. 15.1.2025), Auszug:

„… That’s why my farewell address tonight, I want to warn the country of some things that give me great concern. And this is a dangerous — and that’s the dangerous concentration of power in the hands of a very few ultrawealthy people, and the dangerous consequences if their abuse of power is left unchecked. Today, an oligarchy is taking shape in America of extreme wealth, power and influence that literally threatens our entire democracy, our basic rights and freedoms and a fair shot for everyone to get ahead. We see the consequences all across America. And we’ve seen it before.

You know, in his farewell address, President Eisenhower spoke of the dangers of the military-industrial complex. He warned us that about, and I quote, “The potential for the disastrous rise of misplaced power.” Six dayssix decades later, I’m equally concerned about the potential rise of a tech-industrial complex that could pose real dangers for our country as well. …“

 

(2025/4) 15.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, veröffentlicht 16.1.2025  im Internet-Angebot des KStA:
https://www.ksta.de/leserbriefe/leserbriefe-zum-polizeieinsatz-urteil-steuergelder-nicht-verschenken-940880
Polizeikosten bei Hochrisikospielen; Berichte und Kommentar in der Ausgabe v. 15.1.2025, S. 1, 2 u. 4 (Gerhard Voogt „NRW will Fußballklubs nicht für Polizeieinsätze zahlen lassen“; Markus Decker „Länder dürfen Profiklubs zur Kasse bitten“ u. Hendrik Buchheister „Ein Urteil, das keine Probleme löst“)

Beim organisierten Fußball möchte ich unserem Landesminister des Innern ähnlich viel Biss wünschen wie gegenüber Clans, Banden oder organisierter Kriminalität.

Auch wenn ich den kommenden US-Präsidenten nur sehr ungern zitiere: Unter dem Schutzschirm Anderer prächtige Geschäfte zu machen, aber sich bei den Kosten einen schlanken Fuß zu machen – das geht gar nicht! Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren? Klares Nein! Darüber hinaus: Für die Vereine müssen klare Anreize bleiben, präventiv zu deeskalieren, statt klammheimlich den harten Fans schöne Augen zu machen. Alter Grundsatz des Haftungsrechts.

Quellen etwa:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/01/rs20250114_1bvr054822.html?nn=68080 (Entscheidung v. 14.10.2025 (Az. 1 BvR 548/22) zu Polizeikosten bei Hochrisikospielen
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-002.html (diesbezügliche PM des BVerfG v. 14.1.2025)

Leitsätze der Entscheidung v. 14.1.2025 (Hervorhebungen von mir)

1. Als Gebühren lassen sich öffentlich-rechtliche Geldleistungen verstehen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder eine sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und insbesondere dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistungen deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder deren Vorteil oder deren Wert auszugleichen. Sie beruhen auf dem Aspekt der Gegenleistung, also des Ausgleichs von Vorzügen und Lasten.

2. Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist. Die Verfassung verlangt auch nicht, Polizeikosten nur Störerinnen und Störern oder solchen Personen aufzuerlegen, die nach den Vorschriften des Polizeigesetzes anstelle der Störerinnen und Störer in Anspruch genommen werden können oder die sich rechtswidrig verhalten.

3. Eine Gebühr ist nur dann angemessen, wenn sie auch tatsächlich als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung erhoben wird. Dabei hat der Gebührengesetzgeber zwar einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen will. Dieser Spielraum ist aber dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlich definierten Vorzug und dem Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist.

4. Die individuell-konkrete Zurechenbarkeit kann insbesondere gegeben sein, wenn die öffentliche Leistung mit konkreten Vorteilen verbunden ist oder individuell veranlasst wurde, insbesondere bei einer das übliche Maß überschreitenden „Sondernutzung“ öffentlicher Sachen mit einer besonderen Inanspruchnahme begrenzter staatlicher Ressourcen.

 

(2025/3) 13.1.2025
DER SPIEGEL
Wahl 2025; Kommentare & Berichte in der Ausgabe v. 11.1.2025 zu diversen Rahmenbedingungen der Bundestagswahl (u.a. Mathieu von Rohr „Gegen Donald Trump hilft nur Stärke“, Matthias Bartsch et al. „Gefahr aus der Luft“ u. Christopher Daase u. Nicole Deitelhoff „Wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann“)

Putins Augen und Trumps Mundwerk – da fehlt nur noch die rechte deutsche Nase, oder? Diesen Fehler sollten wir schnell aufgeben: geopolitisches Imitations-Lernen. Versuchen wir eher, endlich nüchtern zu bilanzieren: Was ist uns nach 1989 gelungen und was gerade nicht? Viele militärische Erfolgsgeschichten werden wir nicht finden, auch keine durch Waffen getriggerte Stabilität.

 

(2025/2) 8.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Bundestagswahl 2025; Ausgaben vom 6., 7. u. 8.1.2025 über bundespolitische bzw. Wahl-relevante Fragestellungen (KStA v. 6.1.2025, S. 1 u. 4: Steven Geyer u. Claudia Lehnen „CDU fordert Arbeitspflicht bei Bürgergeld“ bzw. Steven Geyer „Erste Stadt mit Arbeitspflicht“; KStA v. 7.1.2024: S. 1, 3, 4 u. 5: Claudia Lehnen „Bürgergeld: Debatte um Arbeitspflicht“ u. „Ein Modell auch für NRW?“, Alisha Mendgen „Die CSU wird zum Risiko“ u. „CSU verschärft bei Sicherheit den Ton“, Daniela Vates „Der Wahlkampf als Abstiegskampf“; KStA v. 8.1.2025, S. 5: Christian Rath u. Anne-Béatrice Clasmann „Merz‘ Forderung hat einen Haken“ u. Julia Naue „Grönland und Panamakanal: Trump schließt Militär nicht aus“)

Inmitten von tatsächlichen oder induzierten Krisenzeiten den aktiven Impuls für Neuwahlen zu geben, das sollte unter Strafe gestellt werden – mit Androhung von Haft für mindestens eine Legislaturperiode. 

Zumal ein nun sehr kurzatmiger und marktschreierischer Krisen-Wahlkampf besonders disruptive Parolen ans Tageslicht fördert: Das Drohen mit dem Aberkennen von Bleiberechten für Nicht-Nützlinge, bei anderen gar mit dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft. Ferner einander verstärkende Rufe nach Arbeitspflichten – ohne jedes verbriefte Recht auf Arbeit. Sodann: Fremdenfurcht und -hass in jeder Schattierung. Egomanische Dritte ergänzen das Schreckensbild um neue Rüstungs- und Gewalt-Phantasien, gegen Schutzgeld. Oder nehmen Partei. Ich denke, das sollte nicht der Lohn sein.

 

(2025/1) 2.1.2025
Kölner Stadt-Anzeiger Lokalteil Leverkusen, abgedruckt 20.1.2025
Stadtentwicklung; Thomas Käding: „Burscheid wartet noch immer auf ein Kernstück des Innenstadt-Umbaus“ (Ausgabe Leverkusen v. 23.12.2024, S. 22)

Es ist schon konsequent, dass der Burscheider Bürgermeister weitere Zuversicht zum geplanten Montanus-Quartier verbreitet. Sind doch er ebenso wie der Rat zum Erfolg der „Neuen Mitte“ verdammt, sofern denn das jahrelange Hintanstellen der alten Mitte irgendeinen Sinn behalten soll. Allerdings liegen bis heute weder ökologische noch ökonomische Vorteile auf der Hand.

Das karge Gras und/oder Moos auf dem Dach, noch dazu im Wettbewerb mit Photovoltaik, und die bauartbedingt doch kleinen Bäumchen und Sträucher, sie werden den bereits realisierten Verlust an relevanter Grünmasse bei Weitem nicht kompensieren. Eben deswegen musste sich die Stadt mit Ausgleichsflächen freikaufen. Und das durfte sie im Sauerland, von wo künftig hier und da auch ein Molekül O2 herüberwehen mag. Und wenn die Photovoltaik auch nur 5% des beträchtlichen Energiehungers der geplanten großen Maschine decken würde, dann wäre es schon viel; geheizt werden soll ohnehin über eine veritable Gas-Therme, für zehn, zwanzig oder mehr Jahre. Zusätzlich wird der vierstöckige Riegel die angestammte Frischluftschneise zwischen dem Luchtenberg-Richartz-Park und dem Altenzentrum Luchtenberg-Richartz-Haus versperren. Und wird im Winterhalbjahr den Kindergarten Schützeneich und seine Gartenfläche weitgehend abschatten.

Aber wirtschaftlich, da wird es sich doch bitte rechnen? Kaum. Anker-Nutzer wird ein Vollsortimenter, der auf robusten Verdrängungswettbewerb setzen muss. Denn in seinem Angebotsfeld ist der Markt bereits zu einem Viertel über Bundesdurchschnitt gesättigt. Mit Montanus werden es dann knapp die Hälfte über Durst sein. Und sobald der bereits emsig vorbereitete weitere Markt in Hilgen hinzu tritt, dann werden wir Burscheider bei rekordverdächtigen zwei Dritteln über normal liegen, die wuchernde digitale Konkurrenz noch gar nicht gerechnet. Da die neu hinzutretenden Marktteilnehmer ihre Ersteinrichtung auf Jahre steuermindernd absetzen werden – und weil wir auch nicht wirklich mehr als bisher werden konsumieren wollen – werden wir den neuen Konsum-Tempel weitgehend aus der Stadtkasse abstottern, zum Nachteil von anderen kommunalen Ausgaben. Etwa für unsere Kultur. Oder für gute Straßen und Wege, auch in der alten Mitte.

P.S.:

Vincenz Jakob von Zuccalmaglio müsste mit hoher Drehzahl im Grabe rotieren, sobald er seinen nom de guerre bzw. Künstlernamen „Montanus“ mit dem aus dem Französischen abgeleiteten „Quartier“ (für Stadtteil) verbunden sähe.

Obwohl oder gerade weil Vincenz' Vater Jakob Salentin von Zuccalmaglio Schlebuscher Maire in der Franzosenzeit (und sehr flexibel nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft dann auch Bürgermeister) gewesen war, prägte dieser Sohn offenbar einen kämpferischen Patriotismus und einen unversöhnlichen Hass gegen die westlichen Nachbarn aus, siehe etwa Stephan Laux, Vincenz von Zuccalmaglio (1806-1876). Zum mentalen Profil eines »katholischen Patrioten« im 19. Jahrhundert, https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb3/prof/GES/LG1/Bilder_allgemein/Allgemein_Laux/Aufs%C3%A4tze_Prof._Dr._Laux/laux__zuccalmaglio__2004_.pdf,

Auszug Laux mit Zitat v. Z. (S. 93): Er stand damit nicht etwa im Banne einer bloß vorübergehenden, im Kontext des Deutsch-Französischen Krieges allgemein aufgewallten Frankophobie, sondern demonstrierte eine Grundüberzeugung. "Was meine Schriften betrifft", so hatte Zuccalmaglio schon 1855 anlässlich der Verleihung des "Roten Adlerordens" dargelegt, "so hatten dieselben den Zweck, vaterländische Gesinnung, Vertrauen zur Regierung zu erwecken und die von Jünglingstagen an gehegte Liebe und Anhänglichkeit für das Haus Hohenzollern zunächst unter meinen bergischen Heimatgenossen zu wecken und zu verbreiten. Es war da natürlich zunächst meine Aufgabe, die Gallomanie meiner Heimatgenossen zu bekämpfen."

Vermutlich ist es bei der zitierten Namensschöpfung in Burscheid nicht so recht im Blick gewesen: Auch Vincenz von Zuccalmaglio gehörte – nicht ganz unvergleichbar dem Ernst Moritz Arndt der EMA-Schule – zu den gedanklichen Wegbereitern blutigster Nachbarkriege aus vergangener Zeit. Bruchlos passt er jedenfalls nicht mehr in unsere Epoche. Oder in das neue Quartier.

 

(2024/80) 30.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 11.1.2025
Wahl 2025; zum Pro & Contra bzgl. des Musk-Gastbeitrags in der Welt am Sonntag, konkret zu Michael Kohlers Pro = „Keine Frage der Moral“ (Ausgabe v. 30.12.2024, S. 20)

Leider ist es kein historisches Novum, wenn ein sehr dynamischer US-Auto-Tycoon den Influencer für eine radikale deutsche Bewegung gibt. Henry Ford hatte sehr Ähnliches geleistet und heftete sich noch 1938 (!!!) stolz die höchste zivile Auszeichnung des inzwischen etablierten NS-Regimes an die Brust, den Adlerorden. Sein boshaft antisemitisches Werk „The International Jew, The World’s Problem“ hatte bereits den noch halbstarken Nazis als Fundgrube gedient; ein Jahrzehnt später sollten am Rhein endgefertigte Ford-Laster das logistische Rückgrat der deutschen Sudeten-Invasion werden.

Weitere Parallelen: „America First“ gab’s damals schon, mit einem höchst konservativen Netzwerk. Dafür warb auch Charles Lindbergh – der umjubelte Atlantikflieger und ein weiterer renommierter Adler-Preisträger, ausgestattet mit einer extrem technokratischen Weltsicht. Zum Dunstkreis hatte ferner der US-Militärattaché Truman Smith gezählt, der bereits in der Zwanzigern Hitler unschätzbare Hilfe hatte zukommen lassen, und zwar über den in beiden Ländern hervorragend vernetzten Deutsch-Amerikaner Ernst Franz Sedgwick Hanfstaengl: Hitler-Coach, Mitfinanzier der Startauflage von „Mein Kampf“ und späterer Auslandspressechef der NSDAP. 

Sicher: Geschichte wiederholt sich nicht. Aber, wie es Mark Twain formulierte, sie reimt sich immerhin. Es lohnt, vorsorglich in die dunklen Ecken hinein zu leuchten.

Quellen etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_internationale_Jude
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl
Max Wallace, The American Axis (New York 2003), insbesondere S. 239ff, im Volltext unter
http://reparti.free.fr/wallace2003.pdf

Anm.:
Auf eine berechtigte Nachfrage aus Köln möchte ich den missverständlichen ersten Absatz wie folgt ergänzen:

… Henry Ford hatte sehr Ähnliches geleistet und heftete sich noch 1938 (!!!) stolz die höchste zivile Auszeichnung des inzwischen etablierten NS-Regimes an die Brust, den Adlerorden. Sein boshaft antisemitisches Werk „The International Jew, The World’s Problem“ hatte bereits seit 1922 den noch halbstarken Nazis als Fundgrube gedient; mehr als ein Jahrzehnt später sollten am Rhein endgefertigte Ford-Laster das logistische Rückgrat der deutschen Sudeten-Invasion des Jahres 1938 werden.

Zum Hintergrund, auch zur Münchner Konferenz am 29./30.9.1938, die der militärischen Besetzung unmittelbar vorausgegangen war, siehe etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetenkrise. Und wenn man das Ganze als Treppenwitz der Weltgeschichte nachverfolgen möchte, siehe etwa https://uliswahlblog.blogspot.com/2013/08/isaf-und-der-3-juli-1979.html m.w.N

 

(2024/79) 29.12.2024
RGA / Volksbote, der unten folgender Beitrag wurde abgedruckt am 2.1.2025 (S. 21)
Anfrage des Volksboten v. 20.12.2024 zu den Erwartungen für das Jahr 2025

Text der Anfrage war:

Zum Jahresende blickt man ja gerne zurück und voraus. Das will auch ich im Bergischen Volksboten tun und dabei von ein paar Leuten wissen, wie es ihnen ums Herz ist. Geplant ist dann ein O-Ton-Bericht.

„Krieg, Flucht, Rechte im Aufwind, eine gescheiterte Regierung – derzeit gibt es wenig Anlass, optimistisch zu sein. Blicken Sie dennoch mit Zuversicht auf 2025 und warum?“

Beitrag:

Lassen wir die Kirche im Dorf! Ich gebe zu, nach den schrecklichen Details zu Magdeburg habe ich kurz gezögert. Aber ich bleibe dabei: Besonnenheit und nüchternes Augenmaß bleiben das Gebot der Stunde. Damit aus wirren Emotionen etwas Zuversicht wachsen kann. Und nicht zuerst Angst, verbunden mit haltbarem Hass. Aber die angesprochenen Punkte Krieg und Flucht, neue Rechte und Ampel-Aus, die verdienen schon genaueres Hinsehen:

Krieg & Flucht. Wir haben viel damit zu tun.

Zunächst: Betrachten wir einmal nüchtern unsere Selbstbilder und Feindbilder; sie haben es verdient.

Seit Beginn der Neunziger Jahre – oder: nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – haben westliche Staaten und dabei zumeist auch Deutschland eine sehr expansive Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt, u.a. in Auslandseinsätzen mit dem berühmten „scharfen Schuss“. Der größere Teil der Einsätze hat die Ziele nicht erreicht. Beispiele: 1999 wurde die erste europäische Hauptstadt nach dem Zweiten Weltkrieg bombardiert, mit vielen hundert zivilen Toten. Es war Belgrad. Die Afghanistan-Mission wurde – wie 20 Jahre vorher bereits in Somalia – in großer Hast evakuiert. Heute gelten ein großer Teil des Nahen und Mittleren Ostens und des nördlichen Afrika als deutlich instabiler als zuvor. Alles das hat – neben weiteren Ursachen – Migrationsdruck aufgebaut. In dem häufig zitierten Jahr 2015 war der größte Anteil Asylsuchender gerade vom Balkan zugeflossen. 

Meine Hoffnung beruht darauf: Wir können und wir sollten diese jüngere außenpolitische Vergangenheit öffentlich evaluieren – Afghanistan ist ein Anfang. Und wir können Wiederholungen vermeiden. Weiter: Keine Frage, Putins Politik ist unerträglich und der Ukraine-Krieg mit seinen Abertausenden Opfern, der muss enden. Nur wird er nicht beendet, solange wir uns stolz auf der unfehlbaren Seite sehen. Und auch das Fliehen, es würde nicht enden.

Rechte im Aufwind? Ja, das ist so.

Eine anwachsende Rechte überrascht nicht. Warum bitte sollte der Trend hier anders sein als etwa in den Niederlanden und Frankreich, auch als in einigen Staaten Osteuropas? Selbst der Nahbereich zeigt schon lange dazu passende Anhaltspunkte: Vor 20 Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Nordrhein-Westfalen einmal ein Heimatministerium hervorbrächte – und ich selbst habe schon hochmotiviert beim Gewinn von Heimatpreisen mitgewirkt. Weiter: Im Burscheider Stadtrat sind Parteien eines mitte-linken Spektrums heute marginalisiert. Ganz offenbar verspricht eine eher konservative Weltsicht in Zeiten, die viele als sehr unübersichtlich wahrnehmen, die größere Sicherheit. Und natürlich: Wahlen werden nicht über den Kopf gewonnen, sondern über den Bauch. Dass Parteien Besorgnisse nutzen und dann in Wahlkampf-Botschaften umsetzen, das ist nur menschlich.

Was aber tun? Im Grunde haben es die Gegen-Rechts-Demonstrationen vor der Europawahl gezeigt, dabei auch ein ganz neues Potenzial: Die Bürgerinnen und Bürger warten darauf, aktiviert zu werden. Dazu muss man sich nur ein wenig von der traditionellen Vorstellung lösen, die besten Ideen und das tiefste Ortswissen lägen bei der Obrigkeit oder bei Experten und Beratern. Professionalisieren wir die Stadtgesellschaft – die wir ohnehin für viele Aufgaben brauchen –, dann steht weitere Durchsicht und Zuversicht zu erwarten. Es ist dann wie in der Schule: Viel Training mit realen Bezügen bewirkt das meiste.

Die Ampel und ihr Aus. Keine Ampeln mehr?

Schlimmer als das Ampel-Aus selbst ist das unwürdige Gezerre davor wie danach. Diese Regierung wurde nicht sachlich widerlegt oder von besser belastbaren Konzepten aus dem Feld geschlagen. Sie wurde schlicht verdaut, in einem stark säurehaltigen Prozess, an dem die gerne so genannte vierte Gewalt – die Medien – leider auch einen gewissen Anteil hatte. 

Hier habe ich tatsächlich die geringsten Hoffnungen auf ein Happy End alten Stils. Die Zeit fester Bindungen in der Wählerschaft und auch innerhalb der Parteien könnte zunächst vorbei sein und damit auch die gut eingeübte Rollenteilung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Minderheitsregierungen mögen auch in Deutschland von der Ausnahme zur Regel geraten. Den Untergang des Abendlandes muss man aber nicht gleich ausrufen: Der Versuch, sich jeweils im Einzelfall zu einer Sachfrage zusammen zu raufen, der wäre kein Verstoß gegen das parlamentarische Prinzip oder gegen das Modell einer repräsentativen Demokratie. Allerdings würden wir Bürgerinnen und Bürger von einem solchen Prozess der aktiven Mehrheitssuche mehr mitbekommen als bisher. Das wäre nicht der schlechteste Aspekt.

Fazit: Do it yourself!

„Hoffnung“ oder „Zuversicht“? Für mich ist die Zuversicht etwas weniger wundergläubig. Die Hoffnung legt gerne auch mal die Hände in den Schoß und delegiert die Zukunft auf andere „Hoffnungsträger“. Zuversicht dagegen klingt aktivierend wie „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ Meine Meinung: Verbreitern wir entschlossen die Basis derjenigen, die konstruktiv über die Entwicklung unseres Landes und unserer Stadt nachdenken. Ich bin zuversichtlich: Da ist noch viel Luft nach oben. Und beim Frust ist einige Luft nach unten.

 

Und ein paar Sammlerstücke aus früheren Jahren:

 

Die Mutter aller [meiner] Leserbriefe zur Außen- und Sicherheitspolitik:

 

29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (Kölner Stadt-Anzeiger. v. 29.9.1992)

Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.

Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch ausdrücklich verwahrt.

Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.

 

Und der am weitesten gereiste Leserbrief:

 

22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995

I refer to reports on WW II and especially to two letters to the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995. It is my impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision"). So, I would like to show an alternative view:

It is certainly true that Japanese military leaders commenced the hostilities against the USA. But the Japanese victims at Hiroshima and Nagasaki were in their vast majority civilians. And although they were victims, I am far from sure they were the real addressees of the bombs as well. There is quite a convincing hypothesis: The drop of the bombs in the first place aimed at impressing the counterparts of Truman at the Potsdam Conference of July/August 1945 – Truman, a just invested and still very uneasy-feeling American president. To add: according to now opened American files the Nagasaki bomb was also meant to test a completely redesigned ignition system.

The echoes of that demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from Iraq, from France, from China etc. So, humanity will never forget those victims, even if some wanted to.

 

Weitere Leserbriefe

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Oder auch ein paar Briefe für
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Gerne meine >150 Leserbriefe, die zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik, Auslandseinsätze bzw. „out of areaveröffentlicht worden sind.

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