Karl Ulrich Voss, Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2014

Stand: November 2014

 

(2014/42) 18.11.2014
Kölner Stadt-Anzeiger
Erinnerungsstätte für gefallene Soldaten; Daniel Haufler „Aller Opfer gedenken“ (KStA v. 17.11.2014, S. 4):

Sehr richtig: Wir müssen aller Opfer gedenken. Nicht nur der Soldaten, sondern auch der zivilen Helfer – die häufig ein noch höheres Risiko eingehen. Wir müssen sogar, meine ich, den Kreis über die deutschen Helfer und über die Ortskräfte in unseren Diensten hinausziehen und auch die unbeteiligten zivilen Opfer nachhaltig in unserem kollektiven Gedächtnis verankern. Eine auch nach Erdteilen stellvertretende Auswahl aus den letzten Jahrzehnten wäre etwa:

Der junge Somali FARAH ABDULLAH, † 22.1.1994 BEI BELET HUEN,
die serbische Schülerin
SANJA MILENKOVIC, † 30.5.1999 BEI VAVARIN,
die afghanische Mutter
BIBI KHANUM, † 28.8.2008 MIT ZWEI KINDERN BEI KUNDUS.

Und noch richtiger und noch wichtiger: Erinnerungsstätten sind nur ein unzureichender, eigentlich ein billiger Ersatz für die im Grunde seit 1990 ausstehende gesellschaftliche Debatte um die deutsche Verantwortung, sprich um die konkreten Gründe, die Reichweite und die Wirkung von Auslandseinsätzen – zumal nach dem offenen Scheitern von ISAF.

 

(2014/41) 11.11.2014
Kölner Stadt-Anzeiger
25 Jahre Fall der Berliner Mauer („Eine Botschaft für die Welt – Deutsche feiern Fall der Mauer“ und „Vor 25 Jahren endete das deutsche Übel“, „Nicht ohne Russland“, Kommentar von Thomas Kröter im Kölner Stadt-Anzeiger v. 10.11.2014, S. 1 u. 4; “In diesen Wochen sind wir geflogen“ Interview von Steven Geyer und Holger Schmale mit Joachim Gauck, KStA v. 8./9.11.2014)

Die Kanzlerin hat völlig Recht. Nach dem Maßstäben des Grundgesetzes war die DDR eindeutig Unrechtsstaat: Unrecht passierte dort nicht einfach, es war auch institutionalisiert.

Alfred Neven DuMont allerdings hat m.E. Unrecht, wenn er sagt „Vor 25 Jahren endete das deutsche Übel!“ Unrecht hat er nicht etwa schon deshalb, weil die Wiedervereinigung sehr naturwüchsig, unausgewuchtet und west-dominiert abrollte – die ungleich zugeteilten Zukunftschancen in Wirtschaft, Kultur und Politik mag man ja noch mit dem flotten Spruch „Lehrjahre sind halt keine Herrenjahre“ abtun wollen. Nein, er hatte Unrecht in einer sehr existentiellen und konstitutionellen Sicht: Ohne den geringsten Federstrich an unserer Verfassung und in logisch ungelöstem Widerspruch zu ihren Artikeln 2 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 87a beteiligen wir uns wie selbstverständlich wieder an militärischen Einsätzen, mit heute schon mehreren Tausend unbeteiligten Opfern. Im Klartext: Wir greifen in Menschenrechte ein, sogar unumkehrbar, ohne eine klare gesetzliche Grundlage. Unser Bundespräsident appelliert gar für noch mehr, für Bündnis-solidarischeres militärisches Eingreifen – wie es Alfred Neven DuMont bereits in seinem Artikel „Der Weg ins Abseits“ unmittelbar vor Beginn der Irak-Intervention ausführlich begründet hatte. Und der Bundespräsident fordert dies erstaunlicherweise nach der Wahl, nicht etwa vorher, auch ohne jede Bilanz zu bisherigen Einsätzen, z.B. zu ISAF. Seither habe ich einige Probleme, die neue Bundesrepublik als Rechtsstaat in bester Verfassung zu qualifizieren.

Auch das Verhältnis zu Russland, das sich wie mechanisch verschlechtert, macht mir ernste Sorgen: Zumal, wenn die Kanzlerin am 9. November u.a. an das Jahr 1923 erinnert, an den "Marsch auf die Feldherrnhalle" im Zuge des Hitler-Ludendorff-Putsches. Hitler hatte sich damals die Unterstützung der national gesonnenen Elite – und übrigens auch einflussreicher US-amerikanischer Kreise – durch sein fatales Motto vom "anti-bolschewistischen Schutzwall" gesichert. Auf die damit ausgebeuteten Ängste scheinen wir unentrinnbar konditioniert – im zweiten Weltkrieg, im ersten Kalten Krieg wie auch im bereits beginnenden zweiten.

Quellen:

·         Rede von Herrn Bundespräsidenten Joachim Gauck am 3.10.2013:   http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2013/10/131003-Tag-deutsche-Einheit.html 

·         Alfred Neven DuMont "Der Weg ins Abseits. Die USA, Deutschland und der Krieg", KStA v. 15./16.2.2003, S. 4

·         Zu wenig bekannten Details des 9.11.1923 bzw. zur Unterstützung Hitlers in der Frühphase der NSDAP siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Hanfstaengl

 

(2014/40) 10.11.2014
DIE ZEIT
25 Jahre Fall der Berliner Mauer; Bernd Ulrich "Der Parteiische" (DIE ZEIT No. 46 v. 6.11.2014, S. 1)

In fast allen Punkten sehe und verstehe ich unseren Präsidenten anders als der Leitartikel: Zu Migranten etwa hätte ich von Joachim Gauck lernen können, dass der Islam nicht zu Europa gehört. Den Glauben am Eingang abgeben? Das will ich nicht lernen. Zum Parteiensystem hätte ich aus seiner rhetorischen Frage an Allerseelen übernehmen können: Unterdrückung liegt der Linken immer noch zu nahe. Glaube ich nicht. Zur Außen- und Sicherheitspolitik hätte mein Präsident mir beibringen können: Man spricht darüber besser nicht vor der Wahl, sondern unmittelbar danach, wie Ziethen aus dem Busch springend und am besten apodiktisch und ohne jede Bilanz, etwa zu ISAF. Ich will aber nicht ohne politischen Diskurs zu Lebensfragen wählen. Gaucks post-elektorale Initiativen möchte ich darum am ehesten als Bekenntnis zu einer real existierenden Demokratie deuten oder als Reverenz gegenüber den powers-that-be.

Eines allerdings nehme ich ihm schon ab: Dass sich nämlich vor 25 Jahren die Überlegenheit unserer westdeutschen Demokratie gegenüber dem ostdeutschen Kommunismus erwiesen hat. Und zwar ganz real. Die Grundbücher und Gesellschaftsregister bezeugen es, vermutlich auch auf Generationen fest.

Gegenüber Joachim Gauck würde ich Horst Köhler klar vorziehen; er hatte in seiner Rede auf der Kommandeur-Tagung 2005 sehr nachdenkliche - nicht bloß rhetorische - Fragen zum Bundeswehrauftrag und zu dessen demokratischer Herleitung gestellt.

Quellen:

·         zu Satz 2 des Leserbriefs: ZEIT-Gespräch mit Joachim Gauck, DIE ZEIT No. 23 v. 31.5.2012, S. 3f

·         zu Satz 9: Joachim Gauck "Die Freiheit in der Freiheit gestalten" v. 3.10.2013 (Datum Bundestagswahl = 22.9.2013)

·         zum letzten Satz: Horst Köhler "Einsatz für Freiheit und Sicherheit" v. 10.10.2005, Rede zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr

 

(2014/39) 10.11.2014
Frankfurter Allgemeine
social freezing; Martina Lenzen-Schulte "Der Fetisch mit den Frischzellen" (F.A.Z. v. 7.11.2014, S. 9)

Danke für den erleuchtenden Beitrag und die Zynik meines Leserbriefs bitte ich mir nachzusehen: In der Denke der Befürworter des "social freezing" wird das Problem des signifikanten Altersunterschieds von Ei und Mutter eher einfach zu lösen sein - entweder durch einen 9-Monats-Inkubator oder schlicht durch Leihmutterschaften, für die man sicher gerne auch Migrantinnen rekrutieren wird. Beides, die maschinelle wie die fremde Plazenta, gäbe unseren chromblitzenden Arbeitgebern sogar noch mehr bruchlose Produktivzeit der Spät-Mutter.

Und wenn man dann der Mutter noch gemessenen postnatalen Umgang mit dem Nachwuchs erlaubte, dann könnte man sogar noch den Nachbrenner aus schnellerem Reagieren, rascherem Lernen und ökonomischerem Haushalten ausnutzen. Denn bei kinderbetreuenden Vätern funktioniert das ja - unbestritten ohne jeden Gebärmutterkontakt - offenbar auch ein wenig.

Die größten Sorgen würde ich mir in dieser wackeren neuen Welt um die Salutogenese der Kinder machen.

 

(2014/38) 5.11.2014
Frankfurter Allgemeine
Joachim Gaucks Kritik v. 2.11.2014 an einer etwaigen rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen; Reinhard Müller „Nicht neutral“, Eckart Lohse u. Matthias Wyssuwa „Linkspartei wirft Gauck Beleidigung der Wähler vor“, Eckart Lohse „Gegenwind für Genießer“ (Frankfurter Allgemeine v. 3.11.2014, S. 1 u. 2); Majid Sattar „Einfach mal den Spieß umdrehen“, Johannes Leithäuser „Grünes Stellungsspiel“, Claus Peter Müller „Schafe im Schafspelz?“ (4.11.2014, S. 2)

Zu Zwang und Unterdrückung wünscht man sich keine Neutralität. Ja! Zwang, Unterdrückung und auch Unrecht sind historische Realität, zumal der DDR, besonders ausgeprägt zu deren Beginn und an ihrem von stetig wachsender Manie und Paranoia geprägten Ende.

Sind Zwang und Unterdrückung nun aber eine seriös zu begründende Prognose für eine heutige thüringische Landesregierung, unter Geltung von Bundes- und Landesverfassung und unter den Augen einer abwehrbereiten rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit, bei einer Minderheitsbeteiligung der Linken und selbst wenn sie den Ministerpräsidenten stellt? Droht hier im Entferntesten eine Machtübernahme oder eine Renaissance von Totalitarismus? Oder geht es nicht um Prävention, sondern eher um unnachsichtige Strafe nach dem Vorbild von 2. Moses 20.5-6 oder 2. Moses 34.6-7? Joachim Gauck fühlte vielleicht in diese Richtung, als er die praktisch nicht eingrenzbare Kategorie des „nicht justizförmigen Unrechts“ ansprach. Das führt zu meinem Hauptbedenken: Auch die sehr volatile Zuordnung von ökonomischen, kulturellen und politischen Chancen im Zuge der Wiedervereinigung, sie ist von sehr vielen Betroffenen als Willkür, als unfair verlorenes Spiel, ja als politisch korrekturbedürftiges Unrecht wahrgenommen worden – mit realen und jetztzeitigen Folgen, die noch dazu für mehrere Generationen vorhalten. Wenn Wähler die Linke in signifikanter Zahl als Anwalt ihrer Interessen ansehen, dann könnte man dies natürlich auf eine irrationale Sehnsucht nach HO-Warteschlangen, nach staatlicher Omnipräsenz und Blauhemden reduzieren. Realistischer ist aber wohl, dass es um die Optimierung der ganz aktuellen Mitwirkungs- und Teilhaberechte geht – und genau das zuzulassen, das liegt in unserem primären demokratischen und rechtsstaatlichen Interesse. Gaucks erhobenen Zeigefinger sehe ich daher als eine Fehlsteuerung oder jedenfalls als Versuch dazu.

Apropos Demokratie: Joachim Gauck sprach sich am 2.11. erneut für eine aktivere, verantwortungsbewusste deutsche Außen- und Sicherheitspolitik aus, wie schon im Januar 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz und wie erstmals prononciert auf dem 2013er Tag der Einheit. Er will neue Gestaltungsmöglichkeiten suchen. Wohlgemerkt: Für die Außen- und Sicherheitspolitik selbst, nicht für den gesellschaftlichen Diskurs dazu. Dort mag professionelle Erfahrung durchscheinen: Die des Pfarrers, der im Gottesdienst keine Gegenrede erwarten muss. Wäre es ihm um demokratischen Diskurs gegangen, um das Für und Wider auswärtiger Gewalt, er hätte dies mit klaren Worten vor der Bundestagswahl anmahnen müssen – so wie es sein Vorgänger Horst Köhler in dessen sehr bemerkenswerten Rede auf der Kommandeurtagung am 10.10.2005 unternommen hatte. Nach allen verfügbaren Daten sehen die Bürger in den neuen Bundesländern eine erweiterte außen- und sicherheitspolitische Rolle Deutschlands kritischer an als ihre Vettern aus dem Westen, auch wenn sie - ökonomisch bedingt - in deutlich überproportionaler Stärke am Hindukusch unsere Freiheit verteidigt haben. Auch darauf Acht zu geben und Bezug zu nehmen wäre eines Präsidenten höchst würdig.

 

(2014/37) 4.11.2014
DIE WELT
Umgang mit der Partei DIE LINKE; zur Berichterstatung u. Kommentierung des Gauck-Interviews vom Wochenende durch Jochen Gaugele et al. "Gauck bringt die SPD, Grüne und Linke gegen sich auf", Jacques Schuster "Sanfte Gewalt der Rede" und Daniel Friedrich Sturm" Gauck stellt Linke in Frage" (DIE WELT v. 3.11.2014, S. 1 u. 4)

Ich wünschte, unser Bundespräsident würde die sanfte Gewalt seiner Rede gleichmäßig und mit größerem Zutrauen zu uns Bürger/innen einsetzen. Für mehr militärisches Engagement der Deutschen hatte er sich ja erst im Nachgang der letzten Bundestagswahl stark gemacht. Vor der Wahl und nicht ganz so suggestiv wäre auch dort der demokratische Weg gewesen. Apropos: Bei den Auslandseinsätzen könnte die Linke sogar näher an den Artikeln 2 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 87a unseres Grundgesetzes sein als Joachim Gauck, hier und jetzt.

Quelle zu S. 2, mit vielen typischen Fragen:
Joachim Gaucks Rede "Die Freiheit in der Freiheit gestalten" v. 3.10.2013

 

(2014/36) 3.11.2014
Kölner Stadt-Anzeiger
Joachim Gaucks Kritik an einer rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen; Steven Geyer "Bundespräsident zweifelt an Linkspartei" und Joachim Frank "Erfahrung der Opfer wachhalten" (Kölner Stadt-Anzeiger v. 3.11.2014, S. 1 u. 4)

„Jetzt haben wir schon Erichs Lampenladen weggehauen, auch die Kombinate, LPGs, Buch- und Bierverlage und die ganzen Tante-Emma-HO-Geschäftchen. Und die Ossi-Jungs und -Mädels verteidigen inzwischen brav unsere Freiheit am Hindukusch. Aber die Unterdrücker von der SED, die sind immer noch am Drücker! Verdammte Demokratie! Nur gut, dass sich der alte Gauck nicht mehr an Globke, Krupp, Ford und Consorten erinnern kann. Das war ja auch etwas völlig Anderes.“

 

(2014/35) 31.10.2014
Süddeutsche Zeitung
Nachwuchsprobleme der Bundeswehr; Christoph Hickmann "Von der Leyens Tunnelblick" u. "Ein neues Weißbuch" (Süddeutsche Zeitung v. 30.10.2014, S. 4 u. 5)

Das einfachste und günstigste Rekrutierungsinstrument der Bundeswehr - zumal mit Werbewirkung für die bürgerliche Mitte - wäre ein klar definierter Auftrag: Abgegrenzt und abgewogen, kalkulierbar und justiziabel. Und da braucht es Tiefe vor Breite und keine juristisch diffusen Allerwelts-Kriterien wie Krise, Konflikt und Vorsorge.

 

(2014/34) 24.10.2014
Frankfurter Allgemeine
Islam; Wolfgang Günter Lerchs Rezension von Peter Scholl-Latours postum veröffentlichtem Buch "Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient" ("Scholls Vermächtnis", Frankfurter Allgemeine v. 21.10.2014, S. 8)

Herzlichen Dank! Die Nachdenklichkeit und Bereitschaft zu nüchterner Bilanz, die aus Ihrer Rezension von Peter Scholl-Latours "Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient" spricht, sie vermisse ich bei den Debatten des Deutschen Bundestags zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zu ihren allfälligen Fortschreibungen sehr. Sie fehlte auch im letzten Bundestagswahlkampf: Dort hatten die großen Parteien die häufig vernebelte, dabei tief in Menschenrechte eingreifende äußere Gewalt per Schulterschluss praktisch ausgespart und gerade nicht die demokratisch ebenso wie rechtsstaatlich gebotene Rechenschaft geleistet, etwa zu ISAF.

P.S.
Zur zwischen CDU/CSU u. SPD völlig einvernehmlichen Behandlung der Sicherheitspolitik während des 2013er Wahlkampfs:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

 

(2014/33) 24.10.2014
DIE ZEIIT
social freezing; Kolja Rudzio "Ein Kind von Apple" (DIE ZEIT No. 44 v. 23.10.2014, S. 19f)

Technik-affinen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wird eine weitere Entwicklung nur konsequent erscheinen: Eine Fremde - Migrantin? - bebrütet die de lege artis extrahierten und konservierten Eier; die Karriere der genetischen Mutter schreitet derweil bruchlos voran.

Oder es hegt und gebärt gar eine Maschine, clean und cool wie im Film "Die Insel". Die ausgebrüteten Produkte werden, gerade wenn wir sie von klein auf über den toughen Prozess informieren, von der ersten bis zur letzten Zellteilung noch besser an eine Hightech-Umwelt angepasst sein: Digital Natives 2.0. Hilfreiche Technologien liegen größtenteils auf dem Tisch; wo noch etwas fehlt, forschungsfördern oder "nudgen" wir es bereits mit großem Wohlwollen.

Auch wenn ich kein Kirchenvater bin: Ich finde das Ganze "chilling cold". Zum Glück ist es noch nicht die Welt.

P.S.
Trailer zu "Die Insel" = https://www.youtube.com/watch?v=j_q9ZwPHGlw

 

(2014/32) 26.9.2014
DIE WELT, abgedruckt 30.9.2014
Islamischer Staat / IS; Uwe Schmitt "Das Herz der Finsternis" (DIE WELT v. 26.9.2014, S. 1)

Ja, der Begriff "Islamischer Staat" tut weh. Aber dies irritiert doch nachhaltig: Was immer es für ein Gebilde ist – es ist offenbar so verfestigt und organisiert, dass es lokalisierbare, angreifbare Infrastrukturen besitzt, eine vernetzte Wirtschaft, personell wie technisch effiziente Kampfverbände und eine signifikante Menge von inländischen und ausländischen Unterstützern, dabei von Gruppen wie von Individuen, die auch nicht durchgehend einen revolutionären, terroristischen Hintergrund haben.

Irgendetwas in der Behandlung durch die Dienste und durch die Diplomatie ist hier sehr schief gelaufen und läuft auch derzeit noch grausam schief. Ich habe den Eindruck, der Westen stolpert wie schon in der Folge von 9/11 nach einem Drehbuch, das er nicht selbst geschrieben hat und das er auch nicht völlig durchschaut.

Im Kern wäre dies ein klarer Anwendungsfall der Theorie der "responsibilty to protect". Es rächt sich bitter, dass dieses Institut in den vergangenen Jahren nicht als völkerrechtlich akzeptiertes Instrument abgestimmt worden ist. Auch der aktuelle Einsatz ist nun nur faktisch, aber eben nicht rechtlich durch eine bunte Koalition unbestimmter Halbwertzeit mühsam legitimiert.

 

(2014/31) 29.8.2014
Kölner Stadt-Anzeiger
Debatte über den Begriff „radikal“; "Die Dinge nicht beschönigen", Leserbriefe im KStA v. 29.9.2014, S. 38 = Reaktionen auf Rupert Neudecks Gastkommentar "Sind eigentlich nur die Islamisten radikal? (KStA v. 25.8.2014, S. 4)

Die geballt erregte Reaktion mehrerer Leserbriefe auf Rupert Neudecks Gastkommentar im Stadt-Anzeiger vom 25.8.2014 kann ich nicht nachvollziehen. Radikales Denken und den festen Glauben an eine nur konsequente, dann sicher auch endgültige Lösung, das kennen wir doch aus den eigenen Reihen bestens, etwa von unseren Markt-radikalen Vordenkern. Und geht man bei den Religionen über die Symbolik hinweg bis zu den Wurzeln, dann sind sich diese ethisch gar nicht mehr fern. Völlig richtig scheint mir, zwischen dem Islam und den typischerweise entwurzelten und von westlicher (!) Sinnsuche und westlichen Techniken inspirierten Extremisten zu unterscheiden. Sehr überzeugend fand ich das Interview des Stadt-Anzeigers mit dem Islamforscher Olivier Roy aus dem Mai 2013: Unsere vordringliche Aufgabe ist, für einen glaubwürdigen Hauptstrom Islam auch bei den bei uns aufwachsenden Muslimen Raum zu schaffen und so der generationsabhängigen Radikalisierung junger Muslime wirksam entgegen zu treten. Auch wenn es unser amtierender Bundespräsident noch anders sehen möchte: Der Islam gehört immer mehr zu Europa und unsere Probleme sind keineswegs allein in den historischen Herkunftsländern zu lösen.

Im Übrigen könnte man vom Islam sogar ein wenig lernen, wenn man sich dafür öffnen wollte. Etwa das Konzept der "Menschenpflichten", das unser Verständnis von Menschenrechten einfühlsam und gruppenübergreifend ergänzen kann: Es ist kein Zufall, dass in letzter Zeit gerade zwei Muslime bei dem Versuch, Ertrinkende aus dem Rhein zu retten, selbst zu Tode gekommen sind. Sie sahen mitmenschliche Hilfe schlicht als ihre Pflicht an.

Quelle zu dem Gespräch des KStA mit Olivier Roy am 24.5.2013:
http://www.ksta.de/politik/interview-mit-islamforscher--radikale-muslime-sind-verwestlicht-,15187246,22861144,view,printVersion.html

 

(2014/30) 25.8.2014
Frankfurter Allgemeine
Digitale Agende 2014-2017; Aufsatz von Dr. Thomas de Maizière "Das Netz - Raum der Chancen und der Freiheit" (Frankfurter Allgemeine v. 18.8.2014, S. 6) u. darauf folgende Beiträge (Heike Schmoll „Eintrag ins Hausaufgabenheft“, F.A:Z. v. 21.8.2014, S. 4; Martin Gropp "Mehr Sicherheit für das Internet", ebenda S. 15)

Ein imposanter Beitrag, den der Bundesminister des Innern der Leserschaft der F.A.Z. zu den Chancen und der Freiheit des Netzes anbietet! Nach der ersten, zweiten und dritten allgemeinen Verunsicherung rund um die Informations- und Kommunikationstechnik, die durch private ebenso wie staatliche und extremistische Akteure genährt wurde, ist ein solches Opus wohl als vertrauensbildende Maßnahme geboten. Aber enthalten denn die mehreren tausend Zeichen Essay oder enthält die am 20. August vom Kabinett verabschiedete „Digitale Agenda 2014-2017“, die zum Wiederaufbau des Verbrauchervertrauens in wesentlichen Partien auch der Branchenverband BITKOM hätte schreiben können, die im Aufsatz versprochenen „fundierten Aussagen zur IT-Sicherheit und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte“? Sucht man in der Agenda etwa nach "Nachrichtendienst", "BND", "NSA" oder "Spionage", dann findet man allein diesen Satz: “Im Verborgenen lauern die Gefahren der Cyber-Spionage – sowohl für die Wirtschaft, die Bürgerin und den Bürger als auch für den Staat.“ Wohlgemerkt: Gefahren für Wirtschaft und Staat, nicht: durch Wirtschaft und Staat! Auch Anstöße zum besseren privaten Selbstschutz – etwa durch Verschlüsselung – werden es gegen den heute wuchernden Argwohn schwer haben, solange niemand die Fähigkeit des Staates ausschließen will, Nachschlüssel zu nutzen. Möchte man sehr wohlmeinend weiterlesen, dann kann man immerhin einen Keimling von Betroffenheit und Problembewusstsein in dem Versprechen finden, „den Datenschutz, die Integrität der Netze und die Transparenz der Datenverwendung … mit starker Stimme sowohl europäisch als auch international (zu) vertreten“ und einen „mehrstufigen Prozess zur Erstellung einer Handreichung zu Elementen eines Völkerrechts des Netzes“ zu initiieren. Allerdings geht es hier um die Herzen und Köpfe aller Konsumenten, nicht nur um die der Wohlmeinenden.

Noch dazu: Ein fundamentales und hausgemachtes Risiko der Informationstechnik steht seit Jahrzehnten im Hausaufgabenheft der Bundesregierung – die Agenda spricht es aber nicht an. Zwar preist die Regierung – horribile dictu – ihr "E-Government". Sie verschweigt aber: Nach zwanzig Jahren flächendeckender Einführung und stetiger Aktualisierung einer inzwischen milliardenschweren IKT-Ausstattung der Ministerien sind die heute im Wesentlichen digitalen Informationsprozesse und ist auch die Kommunikation innerhalb der Bundesregierung noch nicht einmal verlässlich mit dem Geschäftsgang der Ressorts verknüpft; es fehlt schlicht ein dafür einsetzbares Werkzeug. Ein Wirrwarr individuellster Speicher- und Ablagestrategien mögen über den sich beschleunigenden Tagesablauf helfen; die Registraturen aber bekommen von den kreativ-dispositiven ministeriellen Prozessen kaum noch Relevantes mit, verwalten stattdessen exponentiell duplizierte Nachrangigkeiten. Das Bundesarchiv und die spätere Geschichtsforschung sind die nachhaltig Leidtragenden, schon heute die kohärente Politikentwicklung. Die Bundesregierung fährt damit längst "Big Data" und ein "Cloud Computing" der völlig anderen und gerade nicht souveränen Art. Zur Verantwortung und zu den vorgehenden Hausaufgaben des Bundesministers des Innern gehört die zentrale Lösung dieses lange notorischen Workflow-Defizits, auch als Blaupause für eine breitere smart administration. Leider hat das Innenministerium nach dem halbherzig verfolgten und sodann infolge eines enttäuschend verlaufenen Selbstversuchs derelinquierten DOMEA-Konzept („Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung im IT-gestützten Geschäftsgang“) zu Beginn des Jahrtausends jeden Mut verloren und schiebt eine Lebenslüge vor sich her. Ohne professionelle Selbstorganisation, ohne stabilen Keller und standfestes Erdgeschoss wird die Brandsicherheit auf höheren Etagen aber nicht überzeugend zu organisieren sein.

Quelle: Digitale Agenda 2014-2017

 

(2014/29) 20.8.2014
DIE ZEIT
Waffen-Exporte; Hauke Friederichs und Petra Pinzler "Frieden durch deutsche Waffen?" (DIE ZEIT No. 34 v. 14.8.2014, S. 6)

Richtig - so gewichtig ist die deutsche Wehrindustrie im nationalen Vergleich nicht. Schlimmer noch, und das kommt in den Sonntagsreden einschlägiger Politiker niemals vor: Die Wehrindustrie kannibalisiert andere, zivilere deutsche Branchen, und zwar nach simplen Marktmechanismen. Größere Rüstungsdeals werden typischerweise nicht in Cash beglichen, gerade nicht bei klammeren Staaten wie etwa Griechenland. Die in den sogenannten offset agreements vereinbarte Gegenleistung des Waffenempfängers besteht dann in der Regel aus zivilen Landesprodukten geringerer Wertschöpfung - die dann als wohlfeile Importe per Saldo andere – und mehr – Arbeitsplätze kosten.

Das sind halt die Kosten von spezifischer Produktionskompetenz, die politisch zu selten einmal bilanziert werden. Für das Ansehen Deutschlands wäre mir auch eine Spezialisierung etwa bei der Herstellung von Impfstoffen gegen Tropenkrankheiten deutlich lieber - und nebenbei halte ich auch Ärzte und Krankenpfleger für viel heldenhafter als Soldaten.

 

(2014/28) 18.8.2014
DIE WELT
Gegenseitige Aufklärung der Nachrichtendienste; Franz Schmiechen "Unter Freunden" (DIE WELT v. 18.8.2014, S. 3)

Haben die Dienste wirklich professionell gearbeitet, bei Aufklärung, Abwehr, Information und Kooperation? Ich zweifele ein wenig, und nicht nur vom Ansehensschaden her gedacht. Interessanter finde ich allerdings eine Prognose: Werden die Spitzen der Dienste auch die aktuellen Enthüllungen stoisch abwettern? Wenn das jetzt nicht mehr klappt - dann könnte man daran nüchtern ablesen, wer Koch ist und wer Kellner.

 

(2014/27) 14.8.2014
DER SPIEGEL
Außen- und Sicherheitspolitik; Interview von René Pfister und Christiane Hoffmann mit Dr. Margot Käßmann "Beten mit den Taliban" (DER SPIEGEL 33/2014 v. 11.8.2014, S. 22ff)

Dass die depperte Käßmann es einfach nicht raffen will: Jeder kennt doch die Blumenteppiche, auf denen die robuste Außen- und Sicherheitspolitik des Westens seit 1990 rastlos von Triumph zu Triumph eilt. Nur mehr Deutsche müssten wieder das Töten lernen und gut ist!

Aber mal im Ernst: Gemessen an der unbeirrten und teils hämischen Hau-drauf-und-Schluss-Mentalität der Interviewer ist jedes noch so romantisierende Landser-Heftchen ein Hort der kritischen Reflektion.

P.S. zwei Quellen:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-49612664.html (2006)
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-67964037.html (2009)

 

(2014/26) 13.8.2014
DER SPIEGEL
Kinderrechte; Beitrag von Horand Knaup u. Ann-Katrin Müller "Familienbande" (DER SPIEGEL 33/2014 v. 11.8.2014, S. 18ff)

Auf unsere engagierte Familienministerin kommt mehr zu, als sie meint. Wenn Verfassung und Bürgerliches Gesetzbuch das Kinderrecht stärken und den elterlichen Gestaltungsanspruch komplementär reduzieren sollen und wenn man nicht in Orwell'sches Zwiedenk verfallen will, dann müsste konsequent auch die Knabenbeschneidung wieder auf den Tisch.

Kompatibel wäre dann nicht mehr der damals trotz großer Hast siegreiche Regierungsantrag, sondern der besser begründete fraktionsübergreifende Gegenantrag, für den die Kindesmitsprache entscheidend war. Ich weiß sogar ein wenig genauer als viele Zeitgenossen, wobei und warum ich vor 50 Jahren nur zu gerne mitgesprochen hätte.

Quellen:

-         Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 5.11.2012 „über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/112/1711295.pdf, angenommen in der Plenarsitzung 17/213 am 12.12.2012

-         Fraktionsübergreifender Gesetzentwurf v. 8.11.2012 der MdB Rupprecht et al. „über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung“
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/114/1711430.pdf, abgelehnt am 12.12.2012

-         Übersicht über Verlauf und weitere parlamentarische Dokumente: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/42042381_kw50_de_beschneidung/210238

 

(2014/25) 5.8.2014
Frankfurter Allgemeine
Ausbruch des Ersten Weltkrieges; Beitrag „Gauck: Europa ist Sicherung gegen Verirrung und Verführung“  (F.A.Z. v. 4.8.2014, S. 1)

Mit großer Spannung habe ich in der Rede des Bundespräsidenten vom 3. August geforscht, ob und wie er wohl das diffizile Verhältnis zwischen dem Horror des Ersten Weltkriegs und den heutigen militärischen Herausforderungen und ihren jedenfalls auf individueller Ebene ebenso irreversiblen Folgen meistern würde. Denn dazu hatte er nach der Bundestagswahl ja mehrfach ein größeres, auch robusteres deutsches Engagement angemahnt. Nun, er hat sich an diesem Sonntag auf das Geschehen vor seiner Geburt und vor seiner Amtszeit konzentriert, auf traumatische Erfahrungen, die insbesondere unter den deutsch-französischen Nachbarn seit langem mit den Bildern von der „Blutpumpe“ oder "Knochenmühle" – Verdun – und nun auch von der „Menschenfresserin“ beschrieben werden; so nennen die Franzosen ja treffend den Hartmannsweilerkopf.

Dabei gäbe es bemerkenswerte Bezüge, z.B. hinsichtlich der konfirmativen Rolle der Kirchen. So konnten viele deutsche Soldaten am Hartmannsweilerkopf, wenn sie verunsichert in einem bei der Militärseelsorge damals gerne genutzten Katechismus nachblätterten, eine sehr zielgerichtete Differenzierung lernen: Das fünfte Gebot, das Tötungsverbot, galt laut einer besonderen, dort auch in Fettdruck herausgehobenen Fußnote „nicht im Kriege“. Es galt nicht für ihre Gegner, schützten sie dann auch selbst nicht. Mit nur leichten Anpassungen beschreibt das auch die heutige Faktizität, etwa so: „Gilt nicht im Kriege, bei Krisen und Konflikten und bei Projekten zur Stärkung der Bündnisintegration.“

Daher ist Europa vor neuen Verirrungen und Verführungen kaum gefeit.

P.S.
Den o.g. Katechismus hatte mir i.J. 1994 ein Gemeindepfarrer und ehemaliger Wehrmachtspfarrer triumphierend präsentiert, als ich ihn auf das m.W. erste Opfer eines bewaffneten deutschen Auslandseinsatzes der neueren Zeit angesprochen hatte, auf den jungen Somali Farah Abdullah, der wohl aufgrund eines Missverständnisses im Januar 1994 bei der Bewachung des Feldlagers in Belet Huen erschossen worden war.

 

(2014/24) 5.8.2014
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 21.8.2014
Krieg gegen den Terror; Tomas Avenarius "Die große Bedrohung" (Süddeutsche Zeitung v. 4.8.2014, S. 4)

Ja, die Bilanz des Kriegs gegen den Terror ist niederschmetternd. Aber die militärische Option war auch zu einer Zeit nicht viel überzeugender, als man noch das Ende der Geschichte voraussagte und das unwillkürliche Einschwenken aller relevanten internationalen Spieler auf ein westliches Entwicklungsmodell. Selbst vor 1990 waren m.E. nur solche Eingriffe jedenfalls zeitweise hilfreich, bei denen sich ein militärtechnischer Vorsprung und eine gewichtige interne Unterstützung gegenseitig stützten oder ein Riese einen Zwerg niederkämpfte; selbst dort gab es noch traumatische Überraschungen.

Nach meiner Bewertung ist der Westen in den letzten Jahrzehnten schon intellektuell nicht aus der Reserve gekommen, hat im Gegenteil mit klobigen und über die Jahre nicht systematisch reflektierten Einsätzen die Sache seiner kaum verstandenen Gegner gestärkt und gestärkt. Natürlich: Er kann existente Ordnungen zerstören, sehr wirkungsvoll irritierenderweise sogar gerade solche Staatenwesen, die nach unseren eigenen Messskalen vergleichbar weit entwickelt sind - wie Irak und Libyen. Aber er kann offenbar keine neuen Ordnungen mehr stiften, die tiefer wurzeln als es das tägliche Nachrichtenwesen erkennbar machen kann. Dazu fehlt ihm wohl ein überzeugendes, ein insbesondere uneigennütziges und humanes Narrativ.

 

(2014/23) 5.8.2014
DIE WELT
Ausbruch des Ersten Weltkrieges; Sascha Lehnartz "Der Lieblingsdeutsche der Franzosen" (DIE WELT v. 4.8.2014 S. 5)

Wenn Geschichte, wie Mark Twain sagte, sich zwar nicht wiederholt, aber doch reimt, dann muss in ca. 80 Jahren ein künftiger deutscher Bundespräsident nahe dem vor kurzem aufgegebenen Feldlager am afghanischen Kundus eine Gedenkstätte eröffnen: Eine Stätte, die an eine heute noch sehr naheliegende "Hölle auf Erden" erinnert. Als etwa hundert Einheimische in mehreren zehntausend Litern Diesel, die bewusst zur Explosion gebracht worden waren, lichterloh verbrannten.

 

(2014/22) 4.8.2014
Kölner Stadt-Anzeiger
Rede von Herrn Bundespräsidenten Gauck zum 100. Jahrestag der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich; Michael Hesse "Von erschreckender Aktualität" (Kölner Stadt-Anzeiger v. 4.8.2014, S. 4)

Danke für den nüchternen Kommentar und dessen Bezüge zur Jetztzeit. Angesichts seiner mehrfachen Appelle für mehr militärisches Engagement und für eine solidarischere deutsch-französische Waffen-Brüderschaft hätte ich mir vom Bundespräsidenten auch mehr gewünscht als eine europäisch zentrierte Sicht, auch mehr Bereitschaft, aus Kriegen wirklich zu lernen.

Gerade für die neuen Konflikte gilt ja: Sie laufen nicht nach Fahrplan, praktisch nichts kommt so, wie und wann es irgendjemand geplant hatte - Afghanistan, Irak, Mali, Libyen, Syrien, Ukraine. Menschen setzen weiterhin alle Mittel von Forschung und Technik ein, andere zu vernichten - nun etwa erweitert durch Militär-Drohnen. Und wenn wir ein ganz frisches Bild der von Joachim Gauck zitierten "Hölle auf Erden" suchten - es wäre die Kundus-Furt, wo mehr als hundert Menschen in einem Inferno aus zehntausenden Litern bewusst entzündeten und auseinander gesprengten Dieseltreibstoffs jämmerlich verbrannt sind, unmenschlich, kein grundsätzlicher Unterschied zu Phosphor oder Napalm. Auch die Figur des "Erbfeindes" ist neu längst belebt, ob mit einem islamischen oder neuerdings auch wieder slawischen Typus.

Dem Präsidenten hätte sehr gut angestanden, diese breitere Debatte auszulösen und von den Parteien eine sicherheits- und friedenspolitische Bilanz einzufordern, und zwar deutlich vor der Wahl und nicht postdemokratisch bzw. nach der Wahl!

 

(2014/21) 9.7.2014
DER SPIEGEL
Debatte über ein robusteres militärisches Engagement Deutschlands; Interview von Christiane Hoffmann und Christopf Schult mit Anders Fogh Rasmussen „Deutschland ist reif“ (DER SPIEGEL Nr. 28 v. 7.7.2014, S. 26f)

Plötzlich reif für die sicherheitspolitische Debatte – nach der Wahl? Der Außenpolitiker an sich kann die Demokratie wohl erst post-elektoral so recht genießen: Dann springen sie in Abteilungsstärke aus dem Busch, die Gaucks, Kiesewetters, Rühes und Rasmussens dieser Welt, und wollen gesprächig werden.

Nach jeder ernsthaften Demokratie-Theorie gilt dies habituelle Verhalten allerdings als „post festum“, zumal wenn es zur Legitimation grundrechtsrelevanter staatlicher Gewalt ins Feld geführt werden sollte.

P.S. Zur zwischen CDU/CSU u. SPD völlig einvernehmlichen Behandlung der Sicherheitspolitik während des 2013er Wahlkampfs:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

 

(2014/20) 8.7.2014
DIE ZEIT
Debatte über ein robusteres militärisches Engagement Deutschlands; vier Beiträge zur Außen- und Sicherheitspolitik aus der ZEIT Nr. 28 v. 3.7.2014 (Matthias Geis „Aus Überzeugung“, DIE ZEIT Nr. 28 v. 3.7.2014, S. 1; Jochen Bittner u. Michael Thumann „Der Bundestag und der Krieg“, Interview mit Volker Rühe ebenda s. 7; Jochen Bittner und Peter Dausend „Töten per Klick“, Pro & Contra Kampfdrohnen ebenda S. 2; Norbert Lammert „Nicht ohne das Parlament“, ebenda S. 15)

Joachim Gauck mag aus Überzeugung mehr militärischen Elan der Deutschen anmahnen. Aber tut er es denn auch überzeugend? Das Fest der repräsentativen Demokratie ist der Wahltag. Als im Mai 2013 der damalige Verteidigungsminister und der Kanzlerkandidat der seinerzeitigen Opposition das Thema „Bundeswehr“ für die Bundestagswahl einvernehmlich stumm geschaltet hatten – wo war da der Präsident? Hatte er wie sein Vorgänger Horst Köhler vorher eine sicherheitspolitische Rechenschaft verlangt, zumal eine unabhängige Evaluation des inzwischen zwanzigjährigen Einsatzgeschehens? Eine Debatte über Afghanistan oder über das Desaster bei der Drohnenbeschaffung? Oder über die künftige Rolle des Parlaments bei Einsatzentscheidungen? Wieso bloß sprang er erst direkt nach der Wahl aus dem Busch – so überraschend wie der legendäre Ziethen? Ein wenig zynisch könnte man die Systemintelligenz des Präsidenten loben: Wer sich vom Volk nicht wählen lassen muss, der braucht auch des Volkes Wahlen nicht besonders wertzuschätzen.

Globale Verantwortungsbereitschaft verstehe ich deutlich weiter als das robuste Eintreten für das eigene gute Leben, für das einer atlantischen peer group oder gar für das einer Bündnisadministration. Ich hätte darum gerne die Wahl – sowohl thematisch am Wahltag als auch unmittelbar-persönlich hinsichtlich meines obersten Repräsentanten. „Nicht ohne das Parlament“ heißt in einer Demokratie jedenfalls bei Lebensfragen immer auch „Nicht ohne die Wählerinnen und Wähler“.

Quellen:

-       Vor-Wahl-Schulterschluss von CDU/CSU u. SPD im Mai 2013:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

-       Erste Rede des Bundespräsidenten unmittelbar nach der 2013er Wahl:
Joachim Gaucks Rede "Die Freiheit in der Freiheit gestalten" v. 3.10.2013

-       Rede von Bundespräsident Horst Köhler bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr in Bonn "Einsatz für Freiheit und Sicherheit", Bonn, 10. Oktober 2005:
http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html
Auszug daraus:
„Wenn die Deutschen so wenig vom Ernst des Lebens wissen, auf den die neue Bundeswehr eine Antwort ist, dann werden sie nur schwer einschätzen können, welchen Schutz die neue Sicherheitspolitik verspricht, welche Gefahren sie möglicherweise mit sich bringt, ob der Nutzen die Kosten wert ist und welche politischen Alternativen Deutschland und die Deutschen bei alledem eigentlich haben. Das müssen sie aber einschätzen können, damit sie die nötige demokratische Kontrolle ausüben können.“ … „Diese Debatte braucht klare Analysen, welche deutschen Interessen es zu schützen und zu fördern gilt, vor welchen Herausforderungen und Bedrohungen wir dabei stehen, auf welche Ressourcen wir zählen können, wie wir vorgehen und welche Rolle dabei die Bundeswehr übernimmt. Vor allem der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung und die politischen Parteien sind gefordert, eine solche Gesamtschau zu entwickeln und den Bürgern vorzustellen.“

 

(2014/19) 13.6.2014
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 21.6.2014
Bürgerentscheid zur „Fritz-Halbach-Straße“; Timm Gatter „Ein völkischer Dichter“, Kölner-Stadt-Anzeiger 13.6.2014

Nachvollziehbar, dass gerade Anlieger gegen eine geplante Straßenumbenennung Sturm laufen: Eine Adresse gehört wie die Dinge, die man gewöhnlich mit sich herumträgt, zur erweiterten Identität. Und es mag wie ein Willkürakt einer fernen Exekutive wirken, wenn ein fast 50jähriger status quo plötzlich verändert werden soll. Aber der Name Fritz Halbach gehört eben nicht der Straße allein und auch nicht allen Freunden der Heimatdichtung. Hinter personalisierten Straßennamen erwartet jeder ein Vorbild. Das mag nicht fehlerfrei sein und kann sehr menschlich sein, aber Persönlichkeit, Individualität und Integrität müssen doch vorherrschen, und zwar in Nachkriegs-Währung. Was aber wäre es für ein Vorbild, wenn das Schild als biografische Zusatzinformation erläutern müsste: „Antisemit der ersten Stunde und Heimatdichter“?

Für mich persönlich wäre zudem schwer verständlich, dass der erste gewählte Nachkriegsbürgermeister Burscheids schlechter wegkommen sollte: Fritz Mebus hat dem genannten Maßstab mehr als genügt, hat über die gesamte Zeit des Nationalsozialismus seine bürgerlich-liberale Einstellung offen getragen. Wenn es einen Fritz braucht, dann genau einen solchen.

 

(2014/18) 6.6.2014
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 14./15.6.2014
Bundeswehr-Reforminitiative der Verteidigungsministerin; Christoph Hickmann „Unser Heer soll schöner werden“, Süddeutsche Zeitung 31.5./2.6.2014, S. 2 und „Um Einsätze geht es leider nicht“, Interview mit Harald Kujat ebenda; Kommentar „Kameraden, keine Kollegen“, Süddeutsche 2.6.2014, S. 4

Christoph Hickmanns Kommentar „Kameraden, keine Kollegen“ spricht mir aus der Seele: Nicht das bloße Anderssein von Soldaten ist gute Werbung – sonst spräche man auch die Falschen an. Entscheidend ist eine Arbeitsplatzbeschreibung, sprich der konkrete Auftrag der Bundeswehr und seine kalkulierbaren Grenzen. An Herrn Kujat gerichtet: Der Auftrag ist genau die Gretchenfrage, die diejenigen Offiziere seit 1993 von Jahr zu Jahr schwerer beantworten können, die das Konzept der inneren Führung vermitteln sollen. Die Beschaffung von mehr Material ersetzt keine Antwort darauf.

Im letzten Wahlkampf hat der damalige Verteidigungsminister das Thema „Schöner wehren“ noch nicht aufgetischt. Er hatte sogar seinen politischen Verantwortungsbereich – sogar im Konsens mit dem Kanzlerkandidaten der SPD – für die 2013er Wahl insgesamt stumm geschaltet. Demokratisch betrachtet kommt die Debatte daher post festum, ebenso wie der nun schon zweimalige Impuls des Bundespräsidenten für mehr militärischen Elan.

 

(2014/17) 3.6.2014
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 9.6.2014
Bundeswehr-Reforminitiative der Verteidigungsministerin; Kommentar von Thomas Kröter „Kampffähig dank Flachbildschirmen“ (Kölner Stadt-Anzeiger 3.6.2014, S. 4)

Es braucht sicher größeren Tiefgang, als Flachbildschirme ihn bieten, und noch mehr Nachhaltigkeit, als Frauenpresse-Events auf Fregatten sie vorbereiten kann. Wenn das Ziel sein soll, dass viele bürgerliche Mütter ihrem Nachwuchs eine militärische Karriere nahelegen.

Sicher, eine gewisse Versetzungssicherkeit mag ein Baustein sein. Aber was doch am ehesten aufgearbeitet gehört – vielleicht sogar durch Hilfe von zivilen Beratern – das ist der bislang viel zu diffuse militärische Auftrag. Das heraldische Zeichen des Verteidigungsministeriums ist seit 1990 ein Nebelfeld mit fünf sich kreuzenden Auslands-Interventionen. Welche Krise, welchen Konflikt soll der unter persönlichen Opfern aufgezogene Nachwuchs als nächsten kurieren helfen, vor Ort? Dort, wo es richtig wehtun kann? Wenn wir ehrlich sind, dann haben die Mütter nicht viel in der Hand: Bestenfalls verschwommene Bedrohungsszenarien aus dem Weißbuch oder aus den Verteidigungspoltischen Richtlinien, die mit ihrem Schwerpunkt bei Globalisierungs-Risiken irritierend an attac-Analysen erinnern.

Klare Befehle erleichtern den Gehorsam. Und ein klarer Auftrag würde den Mamas einen verantwortungsvollen Fingerzeig erleichtern.

 

(2014/16) 10.2.2014
DIE WELT
Debatte über mehr deutsches Engagement in der Außen- und Sicherheitspolitik; zu Henryk M. Broder „Mit Worten gegen Waffen“ (DIE WELT v. 5.2.2014, S. 2), Michael Stürmer „Welt ohne Weltordnung“ (DIE WELT v. 7.2.2014, S. 3); auch zu Daniel-Dylan Böhmer, „Blühende Landschaften. Vor dem Abzug der internationalen Truppen floriert in Afghanistan der Mohnanbau“ (DIE WELT 14.1.2014, S. 7)

Wir können das Böse nicht wegbeten, Waffen auch nicht. Von wem und warum das Böse zur Welt gebracht wird, darüber allerdings müssen wir uns intelligent auseinandersetzen. Sonst lernen wir aus Kriegen nichts, zumal nicht aus den Kriegen hinter dem Horizont. Wir verkämpfen uns und die Weltordnung erodiert weiter.

Nicht streiten können wir über den einzig richtigen Zeitpunkt für Rechenschaft und Debatte: Dieser liegt in einer Demokratie, gerade in einer repräsentativen Demokratie, vor der Wahl.

 

(2014/15) 7.2.2014
DIE ZEIT
Appell des Bundespräsidenten für mehr deutschen Engagement in der Außen- und Sicherheitspolitik; Jochen Bittner u. Matthias Nass „Kurs auf die Welt“ und zu Josef Joffe „Friedensarbeit 2.0“ (DIE ZEIT No. 7 v. 6.2.2014, S. 3 u. 10)

Ja, da ist auch etwas Begeisterndes, anscheinend Kraftvolles an den drei Spitzenpolitikern, die sich auf der Münchner Konferenz für ein außenpolitisch neu ambitioniertes Deutschland verwenden. So wie junge schöne Körper halt, die sich im Takt bewegen, Tatkraft ausströmen und ein wenig Verwegenheit, jedenfalls den Willen zum Aufbruch. Die – ganz unmerkelig – nicht nur im Netz hocken. Die eher wie Ziethen aus dem Busch kommen, um den guten Namen des Vaterlands zu restaurieren.

Kein Gebell? Das ist in der Tat verwunderlich. Denn des Kaisers neue Kleider sind bei Nahsicht nicht gar so prächtig, eher fadenscheinig und ein wenig aufgetragen: Das Lied von der enttäuschten Kameradschaft, von der endlich abzutragenden Freundesschuld, vom Erwachsenwerden und von den wohlverstandenen Interessen eines erwachsenen Volkes, das alles gab’s schon zu Beginn der Neunziger, zu Zeiten von Rühe und Lamers dem Älteren. Auch das Bild der Avantgarde, die das zagende und in sich gekehrte Volk in einer unberechenbaren Welt fundamentalen Wandels und beständiger lebensbedrohlicher Herausforderungen zu neuen Ufern führen muss: Das Thema ist lange im Ohr. Neu höchstens, dass eine Politik kleinster Schritte nach Gauck nicht mehr ausreichend ist.

Was wirklich neu hätte sein können, was auch die steuerfinanzierte Stiftung Wissenschaft und Politik und der German Marshall Fund in ihr ja leider erst im September 2013 abgeschlossenes Positionspapier hätten einbringen müssen: Die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre als "lessons learnt" zu einem nachvollziehbaren Handlungsprogramm à la Kant destilliert. Kants kategorischen Imperativ, um dies zu erläutern, möchte ich hinsichtlich der rechtsstaatlichen Orientierung dem wendigeren Keynes vorziehen. Diese Qualität von Rechenschaft und Programm hätte spätestens in den Wahlkampf gehört.

Das ist doch das eigentlich Erstaunliche: Der Auftritt der Drei war im wahrsten Sinne postdemokratisch. Und das ist auch für mich nun sehr irritierend: Die verfassungspatriotischen Eliten in Kultur und Wirtschaft reiben sich daran nicht, auch nicht daran, dass vorab der Spitzenkandidat der SPD und der frühere Verteidigungsminister u.a. die Auslandseinsätze in einem erstaunlichen Schulterschluss aus dem Wahlkampf und damit aus dem legitimierenden Austausch mit den Bürgern ausgeklammert hatten. Wir trauen Demokratie offenbar keine Problemlösungskompetenz mehr zu, nicht einmal unserer repräsentativen Demokratie und deren Dreh- und Angelpunkt, der Beteiligung der Wähler. Wir nehmen wie seit Hunderten von Jahren an, es gäbe Menschen mit höher besoldeten Einsichten oder solche, denen das Amt zum inhärenten Nutzen des Volkes Verstand verleiht. Die Geschichte lehrt wohl eher Skepsis.

P.S. Quellen

„Neue Macht, neue Verantwortung. Elemente eine deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“, Empfehlungen von SWP/GMF mit Stand September 2013: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf

8.5.2013, WAZ-Interview mit BM de Maiziére
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

Zur Ergänzung: 10.9.1993, n-tv Interview mit Außenminister Kinkel im damals anlaufenden Wahlkampf zum 13. Deutschen Bundestag:
www.vo2s.de/mi_1993_kinkel-ntv.pdf

P.P.S:
Eine Anmerkung noch: Mir ist völlig bewusst, dass es in den Reden keineswegs keineswegs nur um die militärische Option geht, die als „ultima ratio“ eingeordnet wird. Aber hinter der „ultima ratio“ muss nach meinem Verfassungsverständnis in einem Rechtsstaat – ebenso wie hinter den „rationes praecedentes“, die übrigens ebenso invasiv wirken können, die keinesfalls harmlos und menschenfreundlich sein müssen – eben eine ratio stehen, ein schlüssiges und logisch überprüfbares, Nutzen und Schaden verantwortlich austarierendes Handlungsprogramm, nicht lediglich ein Bezug zu nicht juristisch differenzierungsfähigen, ubiquitäten "Krisen und Konflikten". Nach unserer festen Verfassungstradition „müssen Entscheidungen von solcher Tragweite (gemeint: Grundrechts-relevant) aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit die Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden, und die Volksvertretung anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.“ Das Handeln im Bündnis kann nach meiner Auffassung die demokratische Fundierung auch nicht in einer für gute Resultate bürgenden Weise ersetzen; siehe etwa zu den demokratisch praktisch nicht eingehegten Vollmachten zum Einsatz auswärtiger Gewalt in den USA u. Großbritannien eingehend Eberl/Fischer-Lescano „Grenzen demokratischen Rechts? Die Entsendeentscheidungen zum Irakkrieg in Großbritannien, den USA und Spanien“, HSFK-Report 8/2005 = www.hsfk.de/downloads/report0805.pdf
 

 

(2014/14) 4.2.2014
Süddeutsche Zeitung
Appell des Bundespräsidenten für mehr deutschen Engagement in der Außen- und Sicherheitspolitik; Stefan Cornelius „In der Niemandswelt“ (Süddeutsche Zeitung 1./2.2.2014. S. 4) der nachfolgende Leserbrief:

Das deutsche Problem ist m.E. nicht eine aus dem Gleichgewicht geratene, orientierungslose Niemandswelt. Wohl aber die markante Parallelwelt aus Volk und Exekutive, die es in einer souveränen und gut durchbluteten Demokratie gar nicht geben dürfte. Richtig: der Chor aus Präsident, Außenamtsleiter und Verteidigungsministerin stimmt das Lied von der Verantwortung nicht aus einer Tageslaune heraus an. Genau das markiert unser Problem: Wir hatten gerade Wahl, nicht wahr? Und hatten nicht der damalige Verteidigungsminister und der damalige Spitzenkandidat der SPD die Devise ausgegeben, die Bundeswehr, ihre Neuaufstellung und die Auslandseinsätze aus dem Wahlkampf herauszuhalten? Wo war da der Präsident? Ist dann wirklich verwunderlich, dass das Volk – so eine aktuelle EMNID-Auswertung – mehr außen- und sicherheitspolitisches Engagement mit verfassungsändernder Mehrheit ablehnt? Wegen „not invented here“?

Zumal besagter Chor zu einem ganz entscheidenden Punkt gar keine Strophe parat hatte: Waren die militärischen Eingriffe der letzten 20 Jahre nach Kosten, Lasten, Zeit und Ertrag erfolgreich? Welche konkreten Lehren hat eine evidenzorientierte Politik gezogen? Gab's einen Lehrmeister Krieg? Leider enthält selbst das 2013er Papier „Neue Macht, neue Verantwortung“ der Stiftung Wissenschaft und Politik und des German Marshall Fund of the United States, das wir als Teil der Partitur unseres hochkarätig besetzten Klangkörpers verstehen dürfen, nicht einmal den Ansatz einer kritischen Reflektion, geschweige denn einer Evaluation des Einsatzgeschehens. Solange das fehlt, solange scheinen mir 69% Skepsis nicht nur verständlich, sondern programmiert.

Nun ist das sehr spezielle Demokratieverständnis nicht ohne Präjudiz: Schon kurz nach der weltpolitischen Zeitenwende, vor der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag, hatte der damalige Außenminister Kinkel treuherzig bekannt: Mit dem Thema „Auslandseinsätze“ wolle er nicht in den Wahlkampf ziehen, weil das Deutschland schade. Das mochte damals noch als Ausweis besonderer Staatskunst gelten, für die auch Karl Lamers und Lothar Rühe standen. Es hat die Debattenkultur der nachfolgenden Legislaturperioden geprägt und rächt sich nachhaltig; selbst in dem genannten Papier von SWP und GMF sind diese Kommunikationsdefizite am Rande aufgefallen.

P.S. Quellen:

-        WAZ-Interview mit BM de Maizière
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

-        „Neue Macht, neue Verantwortung. Elemente eine deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“, Empfehlungen von SWP/GMF mit Stand September 2014: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf (zur Kommunikation siehe S. 8, Kasten)

-        EMNID-Umfrage:
http://www.focus.de/magazin/kurzfassungen/focus-06-2014-staatsminister-roth-wirbt-fuer-bundeswehr-engagement-in-afrika-es-geht-um-europaeische-und-deutsche-belange-umfrage-zwei-drittel-der-deutschen-gegen-staerkeres-auslandsengagement_id_3583901.html

-        n-tv Interview v. 10.9.1993 mit Außenminister Kinkel im damals anlaufenden Wahlkampf zum 13. Deutschen Bundestag:
www.vo2s.de/mi_1993_kinkel-ntv.pdf

 

(2014/13) 3.2.2014
FOCUS, abgedruckt 10.2.2014
Appell des Bundespräsidenten für mehr deutschen Engagement in der Außen- und Sicherheitspolitik; U. Demmer, A. Niesmann u. J. Hufelschulte „Was sollen wir hier?“ (FOCUS 6/2014 S. 21ff) u. Gastbeitrag von Harald Kujat „Das kann nicht unser Beitrag sein“ (ebenda S. 26f)

Danke für den differenzierenden Beitrag! Die Illustration und der Titel passen verblüffend gut zu dem Handzettel einer Podiumsdiskussion, die wir 1993 in unserem Heimatort organisiert hatten: „Bundeswehr wohin? Was soll, was kann die Bundeswehr künftig leisten?“ 1993 war die Zeit des Somalia-Einsatzes, der seinerzeit viel kürzer lief als das Afghanistan-Engagement. UNOSOM II hatte im Januar 1994 das erste zivile Opfer deutscher out-of-area-Einsätze gefordert und einen notorischen Krisenherd zurück gelassen.

Unsere 1993er Fragen sind noch heute ohne Antwort. Drum spricht rein gar nichts gegen eine offene Debatte über Nutzen und Lasten der Auslandseinsätze. Gerade auch, was die Afghanistan-Mission angeht: Harald Kujat hat ISAF ja schon i.J. 2011 für gescheitert erklärt.

In einer Demokratie, gerade in einer repräsentativen Demokratie mit ihrer stark legitimierenden Funktion gerade des Wahltages, dort gehören Rechenschaft und ein schlüssig daraus abgeleitetes Handlungsprogramm allerdings vor die Wahl. Nicht dahinter, lieber Herr Präsident und werte Bundesregierung.

Quellen:

-        Zitierter FOCUS-Artikel a.d.J. 2011:
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/afghanistan-einsatz-bundeswehr-generalinspekteur-haelt-afghanistan-einsatz-fuer-gescheitert_aid_672417.html

-        Bei Interesse noch ein Zeitzeugnis = Bild unseres 1993er Podiums: http://www.vo2s.de/1993pod_n.jpg

-        Das Bild unserer Einladung liegt hier und ihr Text hatte gelautet:

Bundeswehr - wohin?

Was soll, was kann die Bundeswehr künftig leisten?
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!

MdB Dr. Eberhard Brecht, stellvertretender außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
MdB Jörg van Essen, Vors. Landesfachausschuss f. Außen- und Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst-Christian Stolper, Sprecher LAG Europa-, Friedens- und Außenpolitik, Bündnis '90 / DIE GRÜNEN NRW

Hptm. Olaf Holzhauer, Pressezentrum der Luftwaffe in Köln/Wahn
Pfarrer Olaf Jellema, Landespfarrer für Zivildienstleistende NRW
Flotillenadmiral a.D. Elmar Schmähling

Donnerstag, 25. November 1993
20.00 Uhr
Aula der Friedrich-Goetze-Grundschule in Burscheid
Auf dem Schulberg

 

(2014/12) 3.2.2014
SPIEGEL
Appell des Bundespräsidenten für mehr deutschen Engagement in der Außen- und Sicherheitspolitik; Nicola Abé, Peter Müller u. Gordon Repinski „ Das knallt“ (SPIEGEL 6/2014 v. 3.2.2014, S. 21)

Lieber Achim!

Vor der Wahl hast Du den Mund gehalten. Als auch der Peer und der Lothar lieber nicht über ISAF reden wollten, oder über den Bund und die ganzen neuen Pläne für’s Ausland. Jetzt machst Du den dicken Otto, zusammen mit der Uschi und dem Frank. Ich würde Dich gerne abwählen. Geht das?

Dein Karl

 

(2014/11) 3.2.2014
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 11.2.2014
Appell des Bundespräsidenten für mehr deutschen Engagement in der Außen- und Sicherheitspolitik; Kommentare von Holger Schmale („Beitrag zur Selbstverständigung“, KStA v. 1./2.2.2014, S. 4) und Steffen Hebestreit („In der Verantwortung“, KStA v. 3.2.2014 S. 4)

Völlig richtig: Über den richtigen Weg, unserer Verantwortung für die Welt gerecht zu werden, kann und muss man debattieren. Den konkreten Zeitpunkt dafür definieren das Demokratie-Gebot in Artikel 20 Absatz 1 und 2 und der Auftrag an die Parteien, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, in Artikel 21 unseres Grundgesetzes. Dieser Zeitpunkt ist, zumal in einer betont repräsentativen Demokratie, ganz eindeutig: Nämlich vor der Wahl, vor der einzig folgenreichen politischen Teilhabe des Bürgers. 

Der Appell des Bundespräsidenten kommt nun schon ein zweites Mal post festum, nach dem Fest. Das ist besonders angreifbar, da prominente Vertreter der nun regierenden Parteien – Thomas de Maizière und Peer Steinbrück – sich vor der Wahl dafür ausgesprochen hatten, die Bundeswehr, ihre Neuaufstellung und die Auslandseinsätze aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Dazu hatte der Präsident geschwiegen, dort war er nicht unser Wächter.

Am Beginn einer politischen Debatte muss Rechenschaft über die bei uns und anderen Staaten vorrätigen guten und schlechten Lehren aus Interventionen jeder Art stehen. Und ein klares und differenzierungsfähiges Handlungsprogramm jeder ernst zu nehmenden politischen Partei, nicht bloß ein vages frühzeitiges Reagieren-Wollen auf allfällige Krisen und Konflikte. Darauf müssen wir Bürger bestehen.

Quelle zum zweiten Absatz:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

 

(2014/10) 30.1.2014
Süddeutsche Zeitung
Zukünftige Außen- und Sicherheitspolitik; Stefan Braun u. Stefan Kornelius „Steinmeier: Wir müssen uns mehr einmischen“ u. Interview mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier „Deutschland und die Welt“ (Süddeutsche Zeitung v. 30.1.2014, S. 1 u. in der Beilage „Sicherheit“, S. 14)

Ob Deutschland nach 1989 zunächst erwachsen werden musste, wie Frank-Walter Steinmeier sagt, das mag man verschieden beurteilen. Mit Deutschlands spezifischen Kriegserfahrungen und den daraus rührenden bedingten Reflexen kann es in der Beurteilung militärischer Instrumente durchaus nüchterner und reifer sein als ein damaliger Sieger. Die Übernahme welt- oder zumindest regionalpolitischer Verantwortung von den USA böte dann sogar die Chance eines tatsächlich neuen Ansatzes: Die prima ratio - also zwischenstaatliche Hilfe ohne Einsatz äußerer Gewalt -  uneigennützig und weit vor der ultima ratio einzusetzen. Und nicht, wie jetzt in Afghanistan anstehend, in genau verkehrter und wohl dadurch erschwerter Reihenfolge.

Ich kann mir ein erwachsenes Deutschland sehr wohl als ausgeprägte Friedensmacht vorstellen und sehe in Entwicklungshelfern und Krankenschwestern ohnehin viel eher Helden und Vorbilder als in Drohnen-Playern, zumal wir wohl auf absehbare Zeit keine Erste-Hilfe-Drohnen entwickeln werden. Friedensmacht zu werden, das setzt allerdings mehr voraus, als Hilfsprojekte einfühlsam zu gestalten und ergonomisch zu vernetzen. Wir brauchen auch eine vorausschauende, eine defensive Wirtschaftspolitik, die der Destabilisierung von technologisch geringer entwickelten, von nicht kompetitiven Regionen gezielt vorbeugt.

In jedem Fall sollte sich Frank-Walter Steinmeier früher und vernehmlicher einmischen, wenn es um die gesellschaftliche Debatte und die breite Konsensbildung zu unserer Außen- und Sicherheitspolitik geht. Ein Gentlemens Agreement wie im Mai 2013 zwischen Lothar de Maiziere und Peer Steinbrück mit dem erklärten Ziel, die Bundeswehr, ihre Neuaufstellung und die Auslandseinsätze aus dem Wahlkampf herauszuhalten und damit von jeder Evaluation und Rechenschaftspflicht zu befreien, das sollte er sofort und offen als demokratisch unreif zurückweisen.

P.S. Quelle zum letzten Absatz = Vorgaben de Maizières und Steinbrücks für den 2013er Wahlkampf:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

 

(2014/9) 28.1.2014
DIE WELT
Auslandseinsätze; Hans-Jürgen Papier "Recht schafft Frieden" (DIE WELT v. 25.1.2014, S. 2)

Für Recht, Berechenbarkeit und Friedensfähigkeit wäre im Sinne der EKD-Friedensdenkschrift a.d.J. 2007 sehr viel erreicht, würden wir endlich Beliebigkeit, Besinnungslosigkeit und Abgeschiedenheit unserer Einsatz-Entscheidungen nach Kräften aufarbeiten - und ja: in offener Debatte. 

Beliebigkeit: "Krise", "Konflikt" und "Vorbeugung", wie sie im Weißbuch und in den Verteidigungspolitischen Richtlinien genannt werden, das sind allgegenwärtige, hoch elastische Begrifflichkeiten. Sie taugen nicht - und sind wohl auch nicht gemeint - als Definition und Begrenzung für künftiges staatliches Gewalthandeln. Sie genügen dann auch nicht Art. 19 unseres Grundgesetzes. Anderen, zumal asiatischen Staaten würden wir ein so vages Handlungsprogramm nicht durchgehen lassen. Wir verletzen damit gleichzeitig die Goldene Regel.

Besinnungslosigkeit und Abgeschiedenheit: Ein Staatswesen, das seine jahrewährenden, Legislaturperioden überdauernden militärischen Aktivitäten nicht nüchtern und unabhängig evaluieren lässt und auch nicht lesbar für seine Wahlbürger aufbereitet, das erfüllt demokratische Ansprüche nicht. Dieser Staat kann auch nicht wirksam dazulernen, gerade aus den fernen Kriegen nicht.

P.S. Quellen zum zweiten u. dritten Absatz

-         Devise de Maizières und Steinbrücks für den 2013er Wahlkampf:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

-         Goldene Regel: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Regel oder (in der besonderen Form des kategorischen Imperativs): http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorischer_Imperativ

 

(2014/8) 22.1.2014
DIE WELT
Afghanistan-Bilanz; Jacques Schuster „Afghanistan und wir“ (DIE WELT 22.1.2014, S. 3)

Der Kardinalfehler des Westens ist m.E. nicht, dass er meint, erfolgreich Ordnungskriege führen zu können. Insbesondere die erste heiße Kriegsphase gelingt in aller Regel, siehe Afghanistan, Irak, Libyen und Mali. Des Westens Problem ist eher, dass er keinen selbsttragenden Ordnungsfrieden schafft, dass er sich zu oft nach dem Schema „rush in – declare victoryrush out“ aus der Affäre ziehen muss und dann instabile oder gar selbst destabilisierte Staaten zurücklässt.

Karl Otto Hondrich hatte Anfang der Neunziger Jahre den irritierenden Buch-Essay „Lehrmeister Krieg“ vorgelegt; und hier zeigt sich unser zweites Hauptdefizit: In Grunde können oder wollen wir gar nichts aus unseren Kriegen lernen, jedenfalls nicht in einem demokratischen Prozess: Vor der Wahl hatten der Verteidigungsminister und der Oppositionsführer die Devise ausgegeben, die Bundeswehr und ihre Auslandseinsätze aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Drum sind wir wohl verdammt, nicht nur die Fehler anderer zu wiederholen, sondern fortlaufend auch unsere eigenen Fehler.

Eine Anmerkung noch zum 11.9.2001: Natürlich ist genau das ein zentrales und wohl auch gar nicht vermeidbares Motiv. Gerade darum verlässt mich aber auch das extrem unbehagliche Gefühl nicht, alle unsere Strategien nach 2001 könnten – zum noch größeren Schaden des Westens – von den islamistischen Planern bereits genau kalkuliert gewesen sein. Und neben dem 11.9.2001 gehört schlüssig auch der 3.7.1979 genannt. Dieses Datum hatte Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski i.J. 1998 als Start der massiven strategischen Unterstützung afghanischer Mudschaheddin offenbart. Gegen eine Sowjetunion, die erst im darauffolgenden Dezember am Hindukusch aufmarschierte und die schließlich in dieser Bärenfalle verendete. Was man sicher auch der westlichen Intervention zugedacht hat.

Quelle zum 3. Absatz:
Interview des Nouvel Observateur mit Zbigniew Brzezinski in der Ausgabe v. 15./21.1.1998: http://www.voltairenet.org/article165889.html (französische Fassung) bzw. http://uliswahlblog.blogspot.de/2013/08/isaf-und-der-3-juli-1979.html (mit deutscher Übersetzung)

 

(2014/8) 21.1.2014
Kölner Stadt-Anzeiger
geplante neue Auslandseinsätze der Bundeswehr in Afrika (Holger Schmale „Wendepunkt in der Außenpolitik“, KStA v. 20.1.2014, S. 7; Peter Riesbeck „Militärisch und politisch helfen“, ebenda S. 4)

Überlegungen für ein stärkeres Engagement in Afrika gibt es offenbar schon länger. Es gab sie wohl bereits vor der Wahl, während derer die nunmehrigen Koalitionspartner CDU und SPD das Einsatzthema noch insgesamt tabuisiert hatten. Jedenfalls hatte dann der Bundespräsident unmittelbar nach unserem Urnengang etwas überraschend auf mehr internationales Engagement der Deutschen gepocht – und dabei ganz konkret Bezug auf Ermahnungen genommen, die man ihm während eines Frankreich-Besuchs ins Gebetbuch geschrieben hatte.

Mit der Solidarität unter Partnern wird hier auch das bewährte Motto ins Feld geführt, das bis heute die bei weitem meisten Bundestagsdebatten zu Auslandseinsätzen prägt. Dieses Motiv hat nur einen entscheidenden Nachteil: Es stützt sich - wie das so vertraute „Man kennt sich, man hilft sich“ - auf eine ausgesprochene Binnenmoral, nicht auf ein allseits verallgemeinerungsfähiges Konzept. Genau ein solches Konzept und dessen Debatte mit uns Bürgern, da gebe ich Margot Käßmann und auch dem früheren Bundespräsidenten Horst Köhler völlig recht, das fehlt uns völlig. Und die Chance einer breiten demokratischen Fundierung wurde leider auch bei der 2013er Wahl vertan. Sicher nicht ohne jeden Hintersinn.

Quellen:

-         Devise de Maizières und Steinbrücks für den 2013er Wahlkampf:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

-         Joachim Gaucks Rede "Die Freiheit in der Freiheit gestalten" v. 3.10.2013

-         als Kontrast: Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler am 10.10.2005:
http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/10/20051010_Rede.html

 

(2014/7) 20.1.2014
DER SPIEGEL
NSA-Affäre; Beitrag von Nikolas Blome, Hubert Gude, Horand Knaup, Ralf Neukirch, Laura Poitras, Marcel Rosenbach, Jörg Schindler, Fidelius Schmid u. Holger Stark "Keiner wird gewinnen" (DER SPIEGEL 4/2014 v. 20.1.2014, S. 18ff)

Bei Ermittlungen zu Angela Merkels Handy-Gate würde mich das Wissen oder sträfliche Nichtwissen der Spitzen der deutschen Dienste interessieren, brennend sogar! Ebenso sicher werde ich gerade davon nie etwas hören. Der Staat hat viele Geheimnisse, die Bürger aber sollen keine haben. Das ist das genaue Gegenteil von Kants Vorstellung: Dass nämlich das leitende Prinzip einer rechtsstaatlichen Republik – wie schon der Name sagt – Publizität zu sein hat.

 

(2014/6) 17.1.2014
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 23.1.2014
Aktivitäten der Geheimdienste (Udo Di Fabio „Ist das Grundrecht ein Ladenhüter?“, F.A.Z. 13.11.2013; Sascha Lobo „Die digitale Kränkung des Menschen“, F.A.S. 12.1.2014; Evgeny Morozov „“Mehr Politik!“, F.A:Z. 15.1.2014; Shoshana Zuboff „Wir stehen am Abgrund, Mr. President“, F.A.Z. 17.1.2014)

Sascha Lobos digitale Kränkung erlebt man sicher intensiver, wenn sich ein hoher Besitzstand an Wissen und Würden plötzlich enttäuscht zeigt. Wer nüchtern vermerkt, dass der Preis unserer Freiheit Marginalität ist, jedenfalls in der statistischen Menge, der kann am Rande durchaus er selbst sein und auch glücklich.

Ob – wie es Evgeny Morozov und aus einem anderen Blickwinkel Shoshana Zuboff fordern – die existenten politischen Kräfte eine Re-Revolution einleiten können? Ich bin nicht sicher. Die Umwälzung der letzten Jahrzehnte, die man auch als vitale und hochprofitable Kinder-Herrschaft deuten kann, sie war ja nicht etwa auf eine gut durchblutete, partizipationsorientierte, responsive Demokratie gestoßen. Sodass nun breiter demokratischer Entzug oder zumindest Verlustängste aktivierend wirken würden. Hand auf’s Herz: Unsere repräsentative Staatsform gilt vielen heute eher als eine bloße Erklärung von Macht, weniger als eine offenherzige Schnittstelle zum Ausleuchten und Teilen von Herrschaft. In einer grundlegend veränderten Wahrnehmungswelt mag daher die heute näher liegende Frage sein: Investieren wir nicht zu viel in ein Partei- und Delegiertensystem, das sich zunehmend als leicht irritierter wirtschafts-, sozial- und kulturpolitischer Trittbrettfahrer geriert? Das in seiner abgesonderten Geschäftigkeit vor und nach Wahlen bei näherem Hinsehen eher an Potemkinsche Dörfer oder Rommels Panzer-Attrappen erinnert?

Vielleicht aber verschafft die Debatte unseres Exekutiv-Industriellen Datenkomplexes – ich danke F.A.Z. & F.A.S. für den breiten Raum und das differenzierte Spektrum – neben dem hilfreichen bedingten Reflex beim persönlichen Datenhaushalt, wie ihn Di Fabio wünscht, auch ein wenig Demut und Gelassenheit: Gegenüber denjenigen Kulturen nämlich, denen wir „mangels eigener Aufklärung und Reformation“ gerne eine individuell lebenswerte Staatlichkeit absprechen und die wir unermüdlich ermahnen, endlich auf einen technokratischen Erfolgskurs einzuschwenken.

 

(2014/5) 16.1.2014
DIE WELT
No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA, Kommentar von Ansgar Graw "Ami-Spion, go home?" (DIE WELT v. 15.1.2014, S. 3)

Spionage und sogar die Hassliebe unter Spionen trägt sicher auch ihren Teil zum Weltfrieden bei; das nutzt dann wohl am Ende auch uns. Und das artige Händeschütteln unter Realpolitikern, mit dem Blick nicht auf das Gegenüber, sondern in die Kameras: Es ist sicher immer nur die Geste, für die es jeder hält, und kein Vertragsschluss. Da muss man ebenso wenig drum geben wie um aufgeregtes Ankündigen unter Wahl-Stress. Aber ein verschärftes globales Wettrüsten der code-maker und code-braker hilft wahrscheinlich niemandem außer den Herstellern von Exaflop-Rechnern und ihrer Kühlanlagen.

Am besten ist nüchternes Wissen der Bürger um das öffentliche oder private oder gar arbeitsteilige Datensammeln, ist persönliche Umsicht und ist der feste Wille, darüber nicht in einen schizophrenen und erosiven Zielkonflikt zu den Grundwerten westlicher Demokratien zu gelangen.

 

(2014/4) 10.1.2014
Frankfurter Allgemeine
Streckungsfonds zur Dämpfung von Verbraucherkosten i.R.d. Energiewende (Andreas Mihm "Aigners Rangierbahnhof", F.A.Z. v. 6.1.2014, S. 1), Zukunftspläne Ronald Pofallas (u.a. Kerstin Schwenn "Pofalla am Zug", F.A.Z. v. 3.1.2014, S. 11) und geplante Autobahnmaut

Absolut unerreicht sind Talent und Drang der Politiker, immer neues frisches Wasser aus dem Stein zu schlagen, genauer: aus ihren Mitwesen, aus uns. Sei es, arglosen und früher freundlich durchreisenden Nachbarn nun einen Wegezoll abzupressen, sei es, über schattige Streckungsfonds Geld aus der Zukunft unserer Kinder herbei zu beamen. Oder sei es gar, schillernde Amtsbeziehungen über die Wandelhalle in lebenslange persönliche Sonderziehungsrechte umzumünzen; man kennt sich, man hilft sich. 

Unerreicht kurz aber auch die Halbwertzeit heiliger Gelübde, wie das der ubiquitären Schuldenbremse, deren Splitter man gleichwohl noch für Jahrhunderte in einer Monstranz vor sich hertragen kann. Das Geld anderer Leute großflächig zu verrieseln, es ist kein Privileg der Sozialisten.

 

(2014/3) 8.1.2014
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 13.1.2014
Bestechung i.R.v. griechischen Rüstungsbeschaffungen; Hans Leyendecker, Klaus Ott und Tasos Telloglou "Das Geld gehört dem Volk" (Süddeutsche v. 4./.5./6.1.2014, S. 19)

Über levantinisches Gebaren sollte sich die Ponente nicht mokieren, wir haben lange aufgeholt und überholt. Es macht nicht eben stolz auf unser ach so wertegeleitetes nationales und europäisches Wirtschaftssystem: Dass wir nicht nur die alte ägäische Paranoia nutzen, um einem bereits maroden Staat sinnfreie Militaria anzudrehen. Sondern dass unser Angebot der griechischen Nachfrage noch bestechend auf die Sprünge hilft. 

Richtig, das Geld gehört dem Volk. Aber ist es erst einmal in Staatsknete verwandelt, dann liegt es häufig erschreckend schutzlos da. Um entweder in windigen Rüstungsdeals verbraten zu werden - und/oder als Rettungsmaßnahme für ein Volk, das sich genau daran verschluckt hat.

Und eine wohlfeile Illusion aus den Sonntagsreden unserer Politiker gehört gleich mit zerstört: Dass nämlich deutsche Rüstungsgeschäfte jedenfalls deutsche Arbeitsplätze sichern würden. Grundfalsch. Denn per Saldo reduzieren Verkäufe dieser hoch wertschöpfenden Produkte an ein weniger entwickeltes Land, das in aller Regel auch mit gegenläufigen Waren- und Produktströmen finanzieren muss, die Zahl der Arbeitsplätze des liefernden Staates. Trist, aber wahr: den Nutzen hat ganz partikulär derjenige, der die Waffen selbst schmiedet. Wir anderen zahlen nur.

 

(2014/2) 3.1.2014
DIE ZEIT
Initiative des Bundestagspräsidenten bzgl. einer Verlängerung der Legislaturperioden ("Lammerts Foul", DIE ZEIT Nr. 2 v. 2.1.2014, S. 9)

Gar so arg ist die Lammert'sche Spielverlängerung doch gar nicht und vielleicht sogar höchst kostensparend. Wir müssen sie nur mit weiteren taktischen Finessen verbinden, z.B. mit den seitlichen Arabesken z.B. von Ronald Pofalla, Eckard von Klaeden oder Gerhard Schröder, und dann auch konsequent zu ihrem Ende hin denken.

Dann könnten wir eine kontinuierliche Erneuerung des Parlaments in einem geschlossenen Kreislauf mit der für die Professionalität unseres Parlaments eh' so unverzichtbaren Lobby organisieren und irgendwann auf die kostentreibenden Wahlen auch ganz verzichten: Ein unbesorgtes Spiel völlig ohne An- und Abpfiff, auch ohne Schiedsrichter.

 

(2014/1) 3.1.2014
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 5.1.2014
Vorschlag des Bundestagspräsidenten, die Legislaturperiode auf fünf Jahre zu verlängern (Markus Decker "Politiker wollen länger regieren", "Mehr Zeit zum Regieren", KStA v. 28./29.12.2013, S. 1 u. 4)

Ein erfrischender Vorschlag von Norbert Lammert: Für die gleichen Wahlkosten 125% statt nur 100% Regierungszeit! 

Vielleicht ist dabei noch etwas anderes drin als Elemente der direkten Demokratie, die ja leider nach den aktuellen Absprachen der Politprofis nur geringe Realisierungschancen haben. So könnten wir etwa nach amerikanischem Vorbild die Amtszyklen des Regierungschefs begrenzen oder, wie in der Türkei, die Zahl der Legislaturperioden jedes Abgeordneten. Denn nach der neuen Lammert-Formel müsste z.B. der arme Dr. Riesenhuber, der im Alter von 40 Jahren in den 8. Bundestag eingezogen war, uns über sein 95. Jahr hinweg dienen. Schwer vorstellbar, wie man über eine solch gewaltige Spanne die notwendige Repräsentativität aufrecht erhalten könnte!

Und, da wir uns alle dann auf längere Zeit verdingen würden, käme jedenfalls dies künftig nicht mehr in Frage: Schicksalhafte Themen kurzerhand für den Wahlkampf zu tabuisieren, wie etwa grad eben noch die Auslandseinsätze und die Reform der Bundeswehr.

P.S. Quelle zum letzten Absatz:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten

 

(2013/42) 6.12.2013
DAS PARLAMENT, abgedruckt 30.12.2013
Berichterstattung / Kommentierung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr in DAS PARLAMENT v. 2.12.2013 (Alexander Heinrich „Mit doppeltem Einsatz“, S. 1; Jörg Biallas „Schwerste Entscheidung“, S. 1; Pro & Contra Abzug aus Afghanistan, S. 2; Interview mit André Wüstner, Vors. Bundeswehrverband, „Ein enormer Kraftakt“, S. 2; Eric Chauvistré „Operation Abwarten“, S. 3; Dokumentation laufender Auslandseinsätze S. 4f)

Wenn wir ehrlich sind: Bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist in den vergangenen Jahren zu wenig so gelaufen wie geplant. Die Kosten, der militärische ebenso wie der zivile Blutzoll und die Dauer der Engagements waren in praktisch jedem Einzelfall höher, einschneidender und letztlich irreversibler als prophezeit. Darum freue ich mich über die breite Abdeckung im (Periodikum) Parlament. Aber ich bin tief verärgert über den quasi nicht messbaren Stellenwert, den die Politik dem Souverän, dem lebenden Wähler zugemessen hatte. Tatsächlich hatte der amtierende Verteidigungsminister ja noch im Mai 2013 den Spitzenkandidaten der SPD darin bestärkt, die Bundeswehr einschließlich der Auslandseinsätze und der Neuaufstellung aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Das erfüllt nicht meinen Anspruch an die demokratische Behandlung von Schicksalsfragen und auch nicht an eine Politik, die den historischen Erfahrungen Deutschlands gerecht wird.

Aus meiner Sicht ist nicht nur das Für und Wider einzelner Einsätze sorgfältig abzuwägen. Wenn wir als Staat politisch gebildeter Bürger lernfähig sein wollen, dann muss die Politik vor jeder Wahl Rechenschaft ablegen über Nutzen und Lasten und über ihr daraus schlüssig abgeleitetes künftiges Programm für den Einsatz auswärtiger Gewalt – mit nachvollziehbaren Grenzen für eben dieses künftige Gewalthandeln, nicht mit Passepartouts wie „Krise“, „Konflikt“ und „Vorsorge“. Diese mögen zwar das Mit-Entscheiden in Bündnisgremien erleichtern; sie lassen aber den ersten, den aufgeklärtesten und für uns Bürger wichtigsten Abschnitt des Grundgesetzes de facto leer laufen.

P.S. Quelle zur zitierten Äußerung von Lothar de Maizière im Wahlkampf zum 18. Bundestag:
http://www.presseportal.de/pm/55903/2468313/waz-verteidigungsminister-de-maizi-re-sicherheitspolitik-aus-dem-wahlkampf-heraushalten (BM de Maizière 8.5.2013 zur WAZ).
Anmerkung: Das ist der Standard seit ca. 20 Jahren, siehe eine entsprechende Positionierung von BM Kinkel gegenüber n-tv am 10.9.1993 = http://www.vo2s.de/mi_1993_kinkel-ntv.pdf. Die Fortsetzung klandestiner Politik macht sie m.E. aber nicht demokratisch überzeugender. Sie schleift sie höchstens weiter ein.

 

 

Und ein paar Sammlerstücke aus früheren Jahren:

 

(a) Die Mutter aller [meiner] Leserbriefe:

29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (KStA. v. 29.9.1992)

Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.

Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch ausdrücklich verwahrt.

Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.

 

(b) Der Leserbrief mit dem stärksten Verzögerungszünder:

29.5.2008
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 30./31.5.2009
Wahl des Bundespräsidenten; Kandidaturen Hort Köhler / Gesine Schwan (KStA v. 27.-29.4.2008, u.a. Franz Sommerfeld "Mit Gesine Schwan nach links", KStA v. 27.5.2008, S. 4)

Entscheidend ist, so weiland ein großer Kanzler, was hinten raus kommt. Mehr Demokratie kommt raus, wenn bei einer Wahl die Wahl besteht. Das andere haben wir früher - meist nach Osten blickend - gerne als "Abnicken" verspottet und versuchen es selbst im Miniaturmaßstab der Schuldemokratie nach Kräften zu vermeiden.

Und die Gefahr durch die ewig Linken? Na ja, wenn man böse Ränke und abgekartete Spiele fürchtet oder wenn man ein barockes Theater von mehr als tausend wohlbestallten Spesenrittern von Herzen verhindern will, dann gibt es doch eine ganz natürliche Lösung: Die Wahl des obersten Bürgers durch die Bürger selbst. Wäre sicher auch die bessere Remedur gegen deren nachhaltige Verdrossenheit.

 

(c) Und der am weitesten gereiste Leserbrief:

22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995

I refer to reports on WW II and especially to two letters to the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995 (page 6). It is my impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision"). So I would like to show an alternative view:

It is certainly true, that Japanese military leaders commenced the hostilities against the USA. But the Japanese victims at Hiroshima and Nagasaki were in their vast majority civilians. And although they were victims, I am far from sure they were the real addressees of the bombs as well. There is quite a convincing hypothesis: The drop of the bombs in the first place aimed at impressing the counterparts of Truman at the Potsdam Conference of July/August 1945 - Truman, a just invested and still very uneasy-feeling American president. To add: according to now opened American files the Nagasaki bomb was also meant to test a completely redesigned ignition system.

The echoes of that demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from Iraq, from France, from China etc. So humanity will never forget those victims, even if some wanted to.

 

Weitere Leserbriefe aus 2013, 2012,  2011 / 2010 / 2009 / 2008 / 2007 / 2006 / 2005 / 2004 / 2003 / 2002 / 2001 / 2000 / 1999 / 1998 / 1997 / 1996 / 1995 / 1994 / 1993 / 1992
oder auch Briefe für Englisch-sprachige Medien.

Oder meine Leserbriefe, die zum Thema „out of areaabgedruckt worden sind.

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