Karl Ulrich Voss, Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2016
Stand:
Dezember 2016
(2016/9) 21.12.2016
Kölner Stadt-Anzeiger
Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt; Joachim Frank „Unser Trotz und
unsere Angst“ (Kölner Stadt-Anzeiger v. 21.12.2016, S. 1)
Natürlich wirken sie trotzig und
aufgetragen: Diese Sprüche von der nicht zu versprechenden „absoluten
Sicherheit“ und einer angeblich alternativlosen eigenen „Lebensart“. Das
Gefährlichste daran ist aber aus meiner Sicht die darin versteckte Hürde, selbst
gesetzte Ursachen zu analysieren und anzupacken. Ein sehr aussagekräftiges
Beispiel: Zbigniew Brzezinski, der Sicherheitsberater Jimmy Carters, bekennt im
Januar 1998: Die USA hätten die Sowjetunion durch Aufrüstung der Gotteskrieger
an deren Südflanke zur Intervention in Afghanistan provoziert, hätten
jedenfalls die Wahrscheinlichkeit des Eingreifens bewusst erhöht. Der Redakteur
fragt entgeistert zurück: „Sie bedauern auch nicht, den islamischen
Fundamentalismus gefördert zu haben, künftigen Terroristen Waffen und
strategische Information gegeben zu haben?“ Brzezinski pariert völlig unbeirrt:
„Was ist in der Weltgeschichte am wichtigsten? Die Taliban oder der
Zusammenbruch des sowjetischen Weltreichs? Ein paar erregte Islamisten oder die
Befreiung von Mitteleuropa und das Ende des Kalten Krieges?“ Zur zeitlichen
Orientierung: Das Interview lag vor dem zweiten, aber immerhin bereits nach dem
ersten massiven Anschlag auf das World Trade Center i.J. 1993.
Solange wir die Welt, ihre Menschen
und ihre Ressourcen als unser eigenes Spielobjekt sehen und für unser nicht
primär von Barmherzigkeit geleitetes ökonomisches Regelwerk öffnen wollen,
werden wir mit terroristischen Aktivitäten rechnen müssen. Wir könnten
allerdings die schneidige Äußerung Horst Seehofers vom Dienstag auch ein wenig
abwandeln: Wir sind es den Opfern schuldig, auch unsere Außen- und
Sicherheitspolitik zumindest der letzten 20 Jahre – seit UNOSOM II – zu
überdenken.
Quelle:
Brzezinski-Interview in originaler Fassung: www.voltairenet.org/article165889.html;
mit
handgeschnitzter deutscher Übersetzung: http://uliswahlblog.blogspot.de/2013/08/isaf-und-der-3-juli-1979.html
(2016/8) 11.10.2016
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 17.10.2016
Luftschlag von Kundus; Entscheidung des BGH zum Ausschluss deutscher Haftung;
Wolfgang Janisch „Deutschland mag nicht haften“ (SZ vom 7.10.2016, S. 1 u.
4)
Sehr, sehr richtig: Deutschland will
partout nicht haften. Aber nach unserer Verfassungsgeschichte und Werteordnung
dürften wir das staatliche Verletzen elementarer Menschenrechte gar nicht
ausblenden. Oder uns gar damit herausreden, solche Ansprüche mögen doch bitte
nach überkommenem Brauch auf diplomatischem Wege von einer Landesregierung
vorgetragen werden. Einer Regierung, die de facto von uns abhängig ist, ja fast
einen Satrapen-Status hat und schon auf verlorenem Posten kämpft.
Der Bundesgerichtshof argumentiert
in seiner Pressemitteilung: Bei der in wilhelminischer Zeit formulierten
Amtshaftungsvorschrift habe der Gesetzgeber nicht an Haftung für
Kriegshandlungen gedacht; auch bis zum Ende der Nazizeit wäre niemand auf eine
solche kühne Idee gekommen! Da hat er wohl Recht. Aber will ich mich denn
überhaupt an der von 1870 bis 1945 herrschenden Denke orientieren? Nein. Ich
will einen zeitgemäßen, wirksamen Schutz der Menschenrechte, von Inländern wie
Ausländern, und zwar unter Abwägung der Rechte, die durch militärische Einsätze
geschützt werden sollen und solcher, die eben dadurch geschädigt werden können.
Am besten nach Maßgabe von Art. 19 unserer Verfassung, unserer
rechtsstaatlichen Lektion nach entfesselter mörderischer Staatsgewalt. Das
hieße hier, die erlaubten Einsatztatbestände vorhersehbar, überprüfbar und
abschließend zu normieren.
Solange es das noch nicht gibt,
sollten wir mindestens für die humanitären Schäden unseres Handelns einstehen müssen.
Krieg ist teuer, Kriegsfolgen auch – wobei die Opferentschädigung noch den
allergeringsten Teil ausmacht. Das sollten wir sorgsam einplanen und
finanzieren müssen. Und wenn wir mit Kameraden, Kumpanen oder Spießgesellen aus
anderer Herren Länder ins Feld ziehen, dann sollten wir von vornherein wissen
und einkalkulieren: Wir haften auch für das mit, was diese pexieren. Denn in
der Gruppe Unrecht zu tun, das ist üblicherweise kein tauglicher
Entschuldigungsgrund.
Quelle:
BGH-PM Nr. 176/2016 zur Entscheidung v. 6.10.2016, Az. III ZR 140/15 = http://juris.
P.S.
Der Duktus der BGH-Entscheidung erinnert mit seiner „Genuss-ohne-Reue“-Anmutung
und einer flankierenden, exkulpierenden Rolle der Diplomatie verdächtig an den
von Kant karikierten Fürsten, der leichtfüßig und unbesorgt von Krieg zu Krieg
eilt:
Da hingegen in einer Verfassung,
wo der Unterthan nicht Staatsbürger, diese also nicht republikanisch ist, es
die unbedenklichste Sache von der Welt ist, weil das Oberhaupt nicht
Staatsgenosse, sondern Staatseigenthümer ist, an seinen Tafeln, Jagden,
Lustschlössern, Hoffesten u. d. gl. durch den Krieg nicht das mindeste einbüßt,
diesen also wie eine Art von Lustparthie aus unbedeutenden Ursachen
beschließen, und der Anständigkeit wegen dem dazu allezeit fertigen
diplomatischen Corps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen kann (Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 1795, Erster Definitivartikel zum
ewigen Frieden: Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch
seyn; zitiert nach http://philosophiebuch.de/
(2016/7) 11.10.2016
Kölner Stadt-Anzeiger
Luftschlag von Kundus; Entscheidung des BGH zum Ausschluss deutscher Haftung;
Christian Rath „Opfer von Kundus ohne Anspruch“ (KStA v. 7.10.2016, S. 6)
Was der Bundesgerichtshof in seiner
Presseerklärung zur aktuellen Tanklaster-Entscheidung schreibt, es vermittelt
ein höchst unbehagliches Gefühl und klingt zu sehr nach Freibrief zum Töten.
Dass eine von uns noch auf
unabsehbare Zeit abhängige und zudem stark angeschlagene afghanische Regierung
bei uns die Entschädigung von Einsatzopfern einklagen würde, das ist extrem
weltfremd. Es überzeugt mich auch nicht, ein Amtshaftungsverständnis aus
wilhelminischer Zeit – oder gar aus der Nazizeit – restriktiv auf das heute
gerade in Richtung Opferschutz weiterentwickelte überstaatliche Recht
anzuwenden. Selbst die parallele Begründung verfängt bei mir nicht, der
militärische Befehlshaber habe sich einwandfrei verhalten. Obwohl er auf den
Versuch zur Eindämmung von Opfern verzichtet hat, Menschen durch den typischen
demonstrativen Tiefflug vom erklärten Operationsziel – den Tanklastern – zu
vertreiben. Obwohl er sich auf nur eine einzige, wenn auch mehrfach repetierte
Aussage verlassen hatte, dass nämlich ausnahmslos Taliban zugegen wären und zu
Schaden kommen würden. Überdies merke ich zweifelnd an: Bei Angriff war es
später Abend und dass Taliban leicht identifizierungsfähige Uniformen trügen,
das ist weder bekannt noch auch nur naheliegend. Außerdem waren seit langem
lancierte Fehlinformationen lokaler Konkurrenten bekannt, die das Auslöschen
ganzer Hochzeitsgesellschaften ausgelöst hatten.
Und selbst wenn es nur militante
Taliban oder weit überwiegend Taliban gewesen wären – Menschen in brennendem
Treibstoff qualvoll als Fackeln sterben zu lassen, das halte ich für in
besonderer Weise unmenschlich. Das mag nun subjektiv sein und daran liegen,
dass die eine Hälfte meiner Vorfahren die Angriffe auf Wuppertal erlebt hat und
die Folgen schockierend beschreiben konnte.
Quelle:
BGH-Pressemitteilung Nr. 176/2016 zur Entscheidung v. 6.10.2016 III ZR 140/15 = http://juris.
(2016/6) 11.5.2016
Kölner Stadt-Anzeiger
Aufstocken der Bundeswehr; Thomas Kröter „Die Welt rüstet wieder auf“ bzw. zum
Artikel „Truppenstärke nach Bedarf“ (KStA v. 11.5.2016, S. 4 u. 6)
Unsere Verteidigungsministerin –
nach heutigem Selbstverständnis müssten wir sie wohl eher Befriedungs- oder Stabilisierungsministerin
nennen – braucht mehr und flexiblere Truppenstärke? Sehr ungern würde ich das
aus einem Zeitgeist oder globalen Trend ableiten, deutlich lieber aus den
konkreten Erfahrungen bei den zahlreichen Einsätzen nach 1990 bzw. nach 2001; so
sollte eine evidenzbasierte Politikentwicklung halt auch funktionieren.
Erfolgsmodelle westlicher Außen- und Sicherheitspolitik springen uns dabei
allerdings nicht ins Auge, eher Staatsleichen wie Afghanistan, Irak, Libyen,
Somalia und Syrien oder langfristig unvollendete Projekte wie der Kosovo, nun
wohl auch Mali. Schlimmer noch: Genau aus den destabilisierten Regionen fliehen
Menschen – und lösen bei uns neue Sicherheitsreflexe aus.
Vor einer Strukturreform auf der
Linie eines neuen Welt-Wettrüstens sollten wir bürgerverständlich evaluieren:
Was haben wir militärisch bewegt und was können wir bei realitätsnaher
Betrachtung in Zukunft schaffen, möglichst in abschätzbaren Zeiträumen und ohne
die gerne vernachlässigten Neben- und Spätfolgen robuster Eingriffe?
(2016/5) 3.3.2016
DIE ZEIT, veröffentlicht im Online-Angebot der ZEIT = http://blog.zeit.de/leserbriefe/2016/03/01/25-februar-2016-ausgabe-10/
Titelthema der ZEIT v. 25.2.2016 / No. 10 „Krieg in Syrien. Verstehen Sie noch,
worum es geht?“
Aufgebracht und kampfeslustig waren
Majestät, als er am 27. Juli 1900 das deutsche Kontingent zum Niederkämpfen des
chinesischen Boxeraufstandes losschickte, zur Mutter aller deutschen
militärischen Expeditionen. Und er befahl die kompromisslose Härte Attilas, auf
dass nie wieder ein Chinese einen Deutschen schief ansehen werde. Am 29.8.1914
titelte die Times, die deutschen Hunnen hätten Leuven, das belgische Oxford
verwüstet. Greuelgeschichten von abgehackten Kinderhänden, abgeschnittenen
Brüsten und vergewaltigten Nonnen machten die Runde; alles das ist noch heute
als „Rape of Belgium“ im kollektiven Bewusstsein, als Vergewaltigung eines
neutralen Landes – und seiner Bürger. Mit der Flammenhölle am Kundus, die wir
am 4. September 2009 für mehr als 100 Afghanen angerichtet haben, werden wir
das Hunnen-Image bei vielen aktualisiert haben, aus heutiger Sicht auch ohne
Sinn und realistisches Ziel.
Ob ein unbeteiligter
Dreizehnjähriger von Schergen Assads gefoltert und getötet wurde, ob das Regime
in unmittelbarer Nähe von internationalen Beobachtern Giftgas gegen Zivilisten
eingesetzt hat? Sinn hätte beides nicht gemacht und es ähnelt auch den „smoking guns“, deren mediale Wirkungen
die beiden Interventionen gegen Saddam Hussein ausgelöst hatten und
nachträglich falsifiziert wurden. Es ist aus meiner Sicht nicht Erfolg
versprechend, Konfliktgründe massiv zu personalisieren, so als ob ein „regime change“ notwendige oder gar
ausreichende Bedingung für die Konfliktlösung wäre. Sie waren es nicht beim
Kaiser, nicht bei Saddam Hussein und vermutlich auch nicht bei Baschar
al-Assad. Konsequent müssten wir hier auch Bush den Zweiten, Cheney und
Rumsfeld ins Visier nehmen.
Ein wenig mehr Erklärung der
verfahrenen Lage in Syrien scheint mir zu bieten: Die USA und andere Staaten
haben bereits in den 1980er Jahren (sic!) wirtschaftliche, finanzielle und
diplomatische Sanktionen gegen Syrien etabliert, und zwar wegen der besonderen
Verwicklung des Landes in terroristische Aktivitäten – niemals aber gegen
Saudi-Arabien oder Pakistan. Syrien ist wie die Mehrzahl der Staaten des Nahen
Ostens massiv auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln angewiesen. Die breiten
Demonstrationen 2010/2011 waren auch durch die bereits beeinträchtigte
Versorgung und durch eine Weltmarkt-bedingte sprunghafte Verteuerung gerade der
Nahrungsmittel ausgelöst. Die Perspektiven? Sie sind auch wegen des dynamischen
Klimawandels für die gesamte Region sehr negativ – damit werden es auch die
Anreize für Migration bleiben, ganz unabhängig der Politik der dortigen Regimes
in den ihnen gesetzten Leitplanken.
(2016/4) 24.2.2016
DIE ZEIT, veröffentlicht im Online-Angebot der ZEIT = http://blog.zeit.de/leserbriefe/2016/02/18/18-februar-2016-ausgabe-9/
Außen- und Sicherheitspolitik; Matthias Nass „Kein kalter Krieg“ und zum
Interview von Jörg Lau u. Bernd Ullrich mit Joschka Fischer „Jetzt reden wir
über alles“ (DIE ZEIT Nr. 9 v. 18.2.2016, S. 1, S. 6f)
Es liest sich ein wenig so, als sähen wir noch keinen Kalten
Krieg. Was fehlt denn noch? Zwischen 1945 und 1990 gab es weiß Gott stärker
entspannte Phasen als heute. Und weniger Manichäismen bzw. den naiven Glauben,
ohne X, Y und Z und insbesondere ohne den ewigen Russen wäre es um die Welt
besser bestellt.
Wenn wir nüchtern evaluieren, warum der Druck auf die Länder
des reichen Nordens nicht mehr weggehen wird, dann finden wir schnell Ursachen,
die mit uns selbst nicht weniger als mit anderen zu tun haben. Ein
bemerkenswertes Zeitzeugnis stammt recht genau von der Mitte zwischen heute und
der Zeitenwende 1990. Ein renommierter deutscher Publizist hatte i.J. 2003 ganz
ungeniert einer deutschen Beteiligung am zweiten Irak-Krieg aus gesundem
Erwerbsstreben das Wort geredet – „Der Weg ins Abseits“ hatte sein warnender,
fast drohender Beitrag gehießen und er hatte nach meiner Wahrnehmung einem sehr
großen Teil der Politik aus dem Herzen gesprochen. Sehr irritierend münkelt nun
auch Joschka Fischer über den Verlust der letzten heroischen
Einsatzbereitschaft und verweist dann resignierend auf einen hundertjährigen
inneren Sortierungsbedarf des Nahen Ostens.
Pardon: Nein! Dies sind nicht die Alternativen: Zuschlagen
und Beute machen können oder Raushalten. Was es braucht, ist eine nicht an shareholder values oder Rückflüssen
orientierte Außen- und Sicherheitspolitik, ist das faire Suchen von Verhandlung
auf einem Niveau von Ebenbürtigkeit und ist der Verzicht auf robuste Werkzeuge.
Denn diese haben sich in den letzten zwanzig Jahren – auch unter Beteiligung
des Interviewpartners Fischer – ausnahmslos als Fehlschlag auf der ganzen Linie
erwiesen: militärisch, ökonomisch und sogar beim Schutz der Menschenrechte. Die
dezidiert zivile Karte sollten wir auch und gerade in einer Phase spielen, in
der wir an aggressiver Abkühlung nicht mehr vorbeisehen können.
Im 2. Absatz zitierte Quelle:
Alfred Neven DuMont „Der Weg ins Abseits“, Kommentar v. 14.2.2003, http://www.ksta.de/debatte/
(2016/3) 16.2.2016
Frankfurter Allgemeine
Außen- und Sicherheitspolitik; Klaus-Dieter Frankenberger „Der Westen muss
zusammenstehen“ (F.A.Z. v. 15.2.2016, S. 1)
Richtig: Die Krisen scheinen nicht
mehr abzureißen. Die diesjährige Münchner Zusammenkunft verdiente daher am
ehesten den Namen Unsicherheitskonferenz. So viele lose Enden liegen herum und
fast jede mag eine Lunte sein.
Nun steht in den deutschen
militärischen Weißbüchern und verteidigungspolitischen Richtlinien der letzten
20 Jahre die zeitlich und räumlich weit vorgeschobene Krisenbehandlung ganz
zentral. Aus meiner Sicht wäre rational zu prüfen und zu debattieren: Hat nicht
gerade diese invasive Problemvorsorge unsere vielfachen Probleme mit verursacht
– Staatszerfall, Wanderungsbewegungen vom Balkan, aus Afghanistan und Irak und
durch Libyen hindurch, Abgrenzungen und Xenophobien, neue manichäische
Teilungen und wuchernden Personenkult und Populismus? Konnte man wirklich auf
eine actio ohne reactio hoffen?
Es mag ja sein, dass Putin in einer
anderen Welt operiert, in seiner Welt eben. Krasse weltanschauliche Brüche sind
aber auch von jenseits des Atlantiks bekannt; nicht mit jedem dort würde ich
beruhigt in einer Wagenburg zusammenstehen wollen. Auf alle Fälle ist Putins
Kosmos noch eher der unsere als es der von Islamisten je sein könnte. Ich
möchte auch nicht den Fehler eines Zbigniew Brzezinski wiederholen, der 1998 -
also nur knapp vor nine-eleven - in
einem aufsehenerregenden Interview mit dem Nouvel Observateur stolz offenbart
hatte: Die USA hätten bereits Mitte 1979 den islamischen Fundamentalismus
schlagkräftig gemacht; sie hätten die Sowjetunion zu der für sie schließlich
fatalen Intervention in der "Bärenfalle Afghanistan" mit provoziert.
Brzezinski hatte in einem mindestens dreidimensionalen Spiel eindimensional
gedacht und sich vorschnell auf die Schulter geklopft.
Mir scheint, wir könnten
arbeitsteilig besser vorankommen, dabei Deutschland als zivil erfolgreiche
Vermittlungsmacht. Wenn wir die außenpolitischen Wirkungen der letzten Jahre
bilanzieren, dann gab es genau dort offenkundig mehr international registrierte
Pluspunkte als bei den robusten, infiniten und mit unabsehbaren Neben- und
Nachwirkungen behafteten Einsätzen.
Quelle:
Interview des Nouvel Observateur mit Zbigniew Brzezinski v. 15.1.1998,
wiedergegeben u.a. unter http://www.voltairenet.org/
Auszug:
Brzezinski.: „Qu’est-ce qui est le plus important au regard de l’histoire du
monde? Les talibans ou la chute de l’empire soviétique?
Quelques excités islamistes où la libération de l’Europe centrale et la fin de
la guerre froide?“
(2016/2) 15.2.2016, abgedruckt 17.2.2016
DIE WELT
Außen- und Sicherheitspolitik; Clemens Wergin „Die neue
Weltunordnung“ (DIE WELT v. 15.2.2016, S. 3)
Richtig: Entfremdung und Vertrauensverlust
zwischen Eliten und Bürgern schwächen gerade die demokratische Regierung, das
Sägen an den Stuhlbeinen einer anerkannten Regierungschefin zumal. Drum braucht
es dringend eine nüchterne und mit den Bürgern debattierte Bilanz der geopolitischen
Strategie seit Beginn der Neunziger Jahre.
Dabei ist eine These zumindest nicht
von vornherein abwegig: Auch die zunehmend robuste Außen- und
Sicherheitspolitik hat die beklagte neue Weltunordnung befeuert – gescheiterte
Interventionen, die gescheiterte oder scheiternde Staaten und Regionen zur
Folge hatten, massive zivile Verluste und unabsehbare Wanderungen zudem. Irak,
Afghanistan, Libyen sind Beispiele; dazu Syrien, wenn wir eine zumindest
fahrlässig destabilisierende Diplomatie mitrechnen wollen. Ob dann ein weiter
verstärktes Auftreten im eigenen Sicherheitsumfeld das richtige Mittel ist oder
ob dies nicht mehr Desselben darstellen würde, darüber sollte man in einer
lernbereiten Demokratie debattieren.
(2016/1) 14.2.2016
Kölner Stadt-Anzeiger
Außen- und Sicherheitspolitik; Holger Schmale „Bomben besiegen den Terror
nicht“ (Kölner Stadt-Anzeiger v. 12.2.2016, S. 4)
Meine volle Zustimmung, lieber Herr
Schmale: Deutschland kann Macht offenbar am ehesten mit kluger Diplomatie
entfalten – in einer Situation, wo West und Ost in alte Rollenbilder
zurückzufallen drohen, wo sich eine robuste Außenpolitik mehr und mehr als
Fehlschlag erweist und wo mit der Migration aus Krisengebieten und aus bewusst
destabilisierten Regionen die europäische Union zu bersten droht.
Es ist allerhöchste Zeit für eine
kritische Analyse der Außen- und Sicherheitspolitik. Das gerade im Bundestag
beratene Gesetz zur Fortentwicklung der parlamentarischen Beteiligung bei
Auslandseinsätzen der Bundeswehr wäre ein hervorragender Ansatz dazu;
allerdings lässt die erste Beratung des Entwurfs am 29.1.2016 da nur wenig Raum
zur Hoffnung. Eher wurde da leider „mehr Desselben“ gepredigt oder auch: Die
bewährte Gruppendynamik von Bündnissystemen.
Quelle:
Zur Debatte über den Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des
Parlamentsbeteiligungsgesetzes (Drs. 18/7360 v. 26.1.2016) siehe Debatte
v. 29.1.2016, Plenarprot. 18/153
Und ein paar Sammlerstücke aus
früheren Jahren:
Die Mutter aller [meiner]
Leserbriefe:
29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (KStA. v.
29.9.1992)
Hätten wir am Deutschlandtag die
Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert.
Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme
legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale
Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum
Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt
worden sind.
Demgegenüber ist der vorgebliche
Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert
und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die
Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch
ausdrücklich verwahrt.
Der Vorschlag war, wenn auch der
count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine
verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und
unserer Repräsentanten im Inland.
Und
der am weitesten gereiste Leserbrief:
22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of
August 14, 1995
I refer to reports on WW II and
especially to two letters to the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August
14, 1995 (page 6). It is my impression that those two letters offer a
unilateral and quite insulting interpretation of the motives behind the drop of
atomic bombs onto Hiroshima and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a
merciful decision"). So I would like to show an alternative view:
It is certainly true, that Japanese
military leaders commenced the hostilities against the
The echoes of that demonstration of
power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from
Weitere
Leserbriefe aus 2015, 2014,
2013, 2012, 2011
/ 2010 / 2009 / 2008 / 2007 / 2006 / 2005
/ 2004
/ 2003 / 2002 / 2001 / 2000 / 1999 / 1998 / 1997 / 1996 / 1995 / 1994 / 1993 / 1992
oder auch Briefe für Englisch-sprachige
Medien.
Oder meine Leserbriefe, die zum
Thema „out of area“ abgedruckt
worden sind.
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