Karl Ulrich Voss,
Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2017
Stand: November 2017
(2017/20) 9.11.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
Kraftstoffverbrauchswerte; Frank-Thomas Wenzel „Autobauer tricksen immer dreister“
(Kölner Stadt-Anzeiger v. 7.11.2017, S. 9) der nachfolgende Leserbrief:
Vermutlich
könnten die Autobauer sogar tagesaktuelle Verbrauchswerte liefern, statistisch
repräsentativ auf mindestens drei Nachkommastellen genau. Jedenfalls die
heutigen Oberklassemodelle funken standardmäßig auch ihre laufenden
Verbrauchswerte in Realzeit zum Hersteller, andere werden sich dies jedenfalls
beim nächsten Service auslesen lassen.
Warum
zum gläsernen Verbraucher nicht auch mal die gläserne Industrie? Hersteller,
die jeden Morgen die gemittelten Verbrauchsdaten, vielleicht sogar Abgaswerte
tausender Fahrzeuge sozusagen druckfrisch ins Netz stellen. Falls die Industrie
noch nicht so genau weiß, wie man so was macht, dann kann sie sicher bei
Matthias Wissmann fragen. Der war u.a. mal Forschungsminister. Geht doch!
Quelle
u.a.:
https://www.adac.de/
https://www.adac.de/infotestrat/adac-im-einsatz/motorwelt/datenkrake_auto.aspx
(2017/19) 29.9.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
Elektromobilität; Finn Mayer-Kuckuk „China drückt bei E-Autos aufs Tempo“
(Kölner Stadt-Anzeiger v. 19.9.2017, S. 2)
Verblüffend
– die Entwicklung der Elektromobilität ist wie ein industriepolitisches Remake
des starken Kinofilms „Der Flug des Phoenix“ von 1965, allerdings mit heute
ganz anderen Darstellern. Nach einer Notlandung raufen sich im Film ein
deutscher Modellbau-Ingenieur und ein amerikanischer Pilot unter wesentlicher
Vermittlung eines englischen Haudegens zusammen und retten sich und andere mit
einem improvisierten Flugzeug aus der Wüste.
Die
Parallele: Die Chinesische Nachkriegs-Wirtschaft hat sehr gezielt an Produkten
im kleinen Maßstab das Wesentliche und Nachhaltige trainiert: Materialien,
Bearbeitung, Integration, Marktdurchdringung, zuerst an Spielzeug und
Zweirädern, heute an Computern und Handys, Kugelhaufenreaktoren, Flugzeugen und
eben E-Mobilen.
Man
reibt sich die Augen: In deutschen Großstädten wie Stuttgart (!!!) werden wir
die verkehrsbedingten Umweltbelastungen mit aller Wahrscheinlichkeit nur durch
Fahrverbot abwenden. Verbote werden auch Autos treffen, die nach dem am 19.
August 2009 auf die Straßen kamen. Da hatte die Bundesregierung mit Aplomb den
Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität verabschiedet, für u.a. eine Mio.
E-Autos bis 2020. Den Plan hat die Kanzlerin im Mai nun abgehakt, mangels
Erfolgsaussichten. In einer aktuellen Neuverfilmung des „Phoenix“ würde denn auch
kein Alexander Dobrindt den Ingenieur spielen und abheben, sondern sein
chinesischer Kollege Yang Chuantang. Der unbezahlbare englische Haudegen ist
längst aus dem Skript gestrichen und der amerikanische Pilot zwitschert nur
noch unverständliches Zeug.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/
http://www.bmub.bund.de/
https://www.bmvi.de/
http://www.tagesspiegel.de/
(2017/18) 13.9.2017
Frankfurter Allgemeine
Wahl 2017 / Abschied von Norbert Lammert; Reinhard Müller und Johannes
Leithäuser „Gut für das Land“ und „Anspruchsvoll“ (F.A.Z. v. 6.9.2017, S. 1 u.
8)
Danke
für die Würdigungen! Norbert Lammert war und ist für mich – insofern nicht fern
vom gerade verstorbenen Heiner Geißler und sogar von Angela Merkel – ein Mann,
der für die Union sprach, indem er gerade nicht für sie warb: Ein
Verfassungspatriot und Stolperstein in einer Partei, die zeitweise als
Monokultur zur Kanzlerwahl galt.
Er
hat es in seinem Resümee am 5.9.2017 nicht direkt erwähnt, aber wahrscheinlich
mitgedacht, als er den Bundestag zu mehr Mut, Widerspruch und Kontrolle der
Regierung ermunterte: In seine Ägide als oberster Parlamentarier fielen 125
sogenannte „schlichte Parlamentsbeschlüsse“ der besonderen Art, nämlich
Beschlüsse über bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr. Dies waren mehr als
zwei Drittel der out-of-area-Entscheidungen insgesamt; allein in die 18.
Legislatur fielen mit 53 Einzelbeschlüssen mehr als diejenigen 48 Zustimmungen,
die noch in den Perioden 12 bis 15 zusammengekommen waren. Und es waren eben
durchgehend sehr kalkulierbare Abstimmungen, mit ebenso berechenbaren, fast
rituellen Reden und Widerreden. Wo die Regierungsfraktionen mal hörbar gemurrt
hatten, nämlich bei der Operation
Enduring Freedom i.J. 2001, brauchte der damalige Kanzler Schröder nur kurz
die Waffen in Gestalt der Vertrauensfrage nach Art. 68 der Verfassung zu zeigen
– und seine Kontrolleure parierten gleich, mit ein paar mauligen Erklärungen
nach § 31 der Geschäftsordnung. Das Verfahren, nach dem heute das Kabinett
Militäreinsätze beschließt und der Bundestag sie ausnahmslos und ohne die
Möglichkeit zu Änderungen absegnet, das hatte auch nicht etwa das Parlament erfunden
und gesellschaftlich debattieren lassen. Nein, das Bundesverfassungsgericht
hatte es dem Verfassungs- und Gesetzgeber quasi in die Feder diktiert, als sich
eine parlamentarisch gestaltende Politik i.d.J. 1993/94 vorsichtshalber
zurückgezogen und das Anfertigen der Schulaufgaben verweigert hatte.
Unsere
Verfassung wurde später noch mehrfach und eher kleinmaßstäbig angepasst - aber
gerade zu dieser epochalen, weil robusten Revolution der deutschen Außen- und
Sicherheitspolitik findet sich im Grundgesetz bis heute kein noch so kleiner
Federstrich. Im Grunde liegt auch das unter den Mindestansprüchen einer
Demokratie, ebenso wie die seit den Neunzigern im Wahlkampf praktisch fehlende
Rechenschaft zu Erträgen, Kosten und Folgen der laufenden Militäreinsätze, zu
Folgen wie auch einem etwaigen Beitrag gescheiterter Missionen zu
Wanderungsbewegungen, vom Balkan ebenso wie aus dem Nahen und Mittleren Osten.
Rede v. Norbert Lammert siehe Prot.
der 245. Sitzung am 5.9.2017 = http://dipbt.bundestag.de/doc/
Quelle zur zeitlichen Verteilung der Entsendebeschlüsse: Eigene Zählung, siehe http://www.vo2s.de/mi_
(2017/17) 11.9.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
Wahl 2017; Martin Böhmer „Wie läuft die Bundestagswahl?“ (Kölner Stadt-Anzeiger
für Kinder, Ausgabe v. 5.9.2017, S. 15) die folgende Anmerkung, nicht als
abzudruckenden Leserbrief, sondern als Anregung für eine gelegentliche
Richtigstellung, zumindest in der online-Version = http://www.duda.news/wissen/
In
der o.g. Darstellung der Bundestagswahl für Kinder – vielleicht auch für
interessierte Erwachsene – steckt ein sprachlich leichter, allerdings
verfassungsrechtlich sehr schwer wiegender Fehler; man kann ihn im Grunde mit
mehr als 100 Jahren Kampf, Blut und Tränen aufwiegen: Unter der
Zwischenüberschrift "Was ist die Erststimme?" lernen wir:
"Wer in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, darf künftig mitregieren."
Und unter "Und was ist die
Zweitstimme?“ heißt es dann weiter bekräftigend: „Zu den 299 Politikern,
die mit der Erststimme gewählt werden, kommen dann noch 331 Politiker von den
Parteien dazu. Alle Politiker bilden gemeinsam dann die Regierung – die
nennt man dann Bundestag.“
Wäre
es so, dann gäbe es bei uns heute keinerlei Gewaltenteilung. Tatsächlich aber
sind Bundestag und Bundesregierung, sind die rechtsetzende und die ausführende
Gewalt ja zwei in Aufgaben und Rechten abgrenzbare Verfassungsorgane, die das
Grundgesetz auch mit gehörigem Abstand in den Abschnitten III und VI regelt –
und das könnte sogar noch ernster genommen werden.
Oder,
wie es der scheidende Bundestagspräsident in der letzten Sitzung der 18.
Wahlperiode augenzwinkernd wie mahnend sagte: „Dass Parlamente Regierungen
nicht nur bestellen, sondern auch kontrollieren, ist im Allgemeinen
unbestritten; im konkreten parlamentarischen Alltag ist der Eifer bei der
zweiten Aufgabe nicht immer so ausgeprägt wie bei der ersten.“ Am letzteren
Effekt mag es liegen, dass uns am Parlament zumeist die „Regierungsmehrheit“
auffällt, gerade in Zeiten großer Koalitionen. Und ich räume ein: Die über die
Landeslisten vorgemerkten Zweitstimmen-Kandidaten tragen zwar von allen am
allermeisten zum Bewahren des Bewährten bei; aber sie sind uns Kindern nicht
ganz so leicht zu erklären wie die vor dem Turnier so breit und ansehnlich
plakatierten Wettbewerber um die Erststimme ;-)
Quelle zum
Zitat v. Norbert Lammert:
Prot. der 245. Sitzung am 5.9.2017 = http://dipbt.bundestag.de/doc/
(2017/16) 25.8.2017
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 7.9.2017
Innere Sicherheit; Heribert Prantls Kommentar „Der Feinstaub der
Rasterfahndung“, Stefan Brauns Bericht „Der biometrische Bahnhof“ (Süddeutsche
v. 25.8.2017, S. 4 u. 6)
„Unglaubliche“ Potenziale der Terroristenbekämpfung malt
sich unser Minister des Innern aus, als er in Berlin die mit dem
Fraunhofer-Institut IIS entwickelte Gesichtserkennung vorstellt. Prompt habe
ich ähnliche Assoziationen wie Heribert Prantl, denke ebenfalls an die dicke
Luft der Innenstädte, auch an die offenbar unvermeidbaren Fahrverbote.
Was ich aber beim besten Willen nicht übereinander bekomme:
Deutschland unterhält eine formidable, öffentlich großzügig finanzierte
Großforschung: Weit über 30.000 helle Köpfe aus Einrichtungen wie ehedem KFK,
FZJ oder GKSS, die sich spätestens nach der Beerdigung des Atomkonsenses auf
neue Herausforderungen gestürzt haben, großenteils in Richtung Umwelt und
Gesundheit. Hätte diese geballte Exzellenz und Kompetenz wirklich rein gar
nichts dazu messen können, was aus den Brennräumen deutscher Selbstzünder ganz
real in den Lungen deutscher Steuerzahler ankommt? Konnten, wollten oder
sollten die Forscher nichts erforschen? Hatte Matthias Wissmann, zeitweise
Forschungsminister, seine früheren Institutionen ganz vergessen oder verdrängt?
Hätte man nur hingeschaut: Zehntausende vor der Zeit
beendete zivile Leben, sie hätten nach jetzigem Erkenntnisstand schon seit
Jahren verschont bleiben können. Das wäre ein nun wirklich „unglaubliches“
Potenzial gewesen. Aber wohl kein angstbasierter Wahlschlager, sondern das
klassische Wahrnehmen von Verantwortung.
(2017/15) 12.7.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
Liquidieren von ausländischen IS-Kämpfern in Raqqa und Mossul: Martin Gehlen
„Was vom Kalifat übrig bleibt“ und „Einen IS 2.0 verhindern“ (Kölner
Stadt-Anzeiger v. 12.7.2017, S. 5 u. 4)
Wenn die USA und Frankreich tatsächlich daran arbeiten
sollten: Dass „alle ausländischen Kämpfer in Raqqa sterben“ bzw. dass
Spezialkräfte „französische Extremisten im Mossul aufspüren und liquidieren“,
dann haben wir den Kampf gegen den Terror schon verloren, auch bei uns. Das
wäre selbstgerechte, rohe Menschenjagd, ohne jede Basis im nationalen oder
internationalen Recht - ein paradiesisches Motiv für Legionen von Märtyrern;
Hollywood könnte diesen Plot kaum besser zusammenreimen.
Es schmerzt, daran zu erinnern: Der mörderische IS ist
nichts weniger als die Frucht einer völkerrechtswidrigen und auf Lügen
basierenden Destabilisierung des Irak, wenn nicht aus Gier, dann zumindest aus
Naivität. „Zauberlehrlinge“ ist darum die noch harmloseste Umschreibung. Die
Konsequenzen der robusten militärischen und diplomatischen Interventionen in
der ganzen Region haben durch Fluchtbewegungen und Terrorismus auch unser
politisches Innenleben stärker zerrüttet und unser moralisches und
rechtsstaatliches Koordinatensystem markanter verschoben als irgendeine andere
Initiative.
„Gefangene werden
nicht gemacht!“, das hatte vor mehr als 100 Jahren schon Wilhelm II. den
deutschen Teilnehmern einer militärischen Strafexpedition gegen den
chinesischen Boxeraufstand auf den Weg gegeben und sich dabei stark wie Attila
gefühlt. Weswegen wir heute noch als die Hunnen gelten, selbst bei unseren
nächsten – damaligen wie heutigen – Verbündeten.
Quelle:
Hunnenrede Wilhelms II. am 27.7.1900 am Bremerhavener Pier:
https://de.wikipedia.org/wiki/
(2017/14) 14.6.2017
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 19.6.2017
Demonstration gegen islamistischen Terror am 17.6.2017 in Köln; Astrid Wirtz
„Islamrat nimmt nicht an Demo teil“ (KStA v. 13.6.2017, S. 1)
Schlechter beraten könnte der
Islamrat nicht sein. Er sollte jede Gelegenheit dankbar nutzen zu
demonstrieren: Feige Bündnisse, Anschläge und Morde verstoßen gegen die
Kernaussagen des Islam, gegen die innigste Ergebenheit; Terrorismus schließt
ein ewiges Seelenheil gerade aus.
Jeder verpasste Anlass belastet
unser tagtäglich millionenfach friedlich bewiesenes gedeihliches Zusammenleben
– und stärkt mittelbar jenen mörderisch selbstgerechten Führungsanspruch, der
die frühen wie die heutigen Kalifen ausmacht, im Orient ebenso wie im Westen.
(2017/13) 27.5.2017
Rheinische Post
Trumps Vorhalte zum deutschen Außenhandelsüberschuss und Rüstungsdefizit;
Kommentar von Michael Bröcker „Trump zeigt Schwächen auf“ sowie Bericht von Jan
Drebes u. Birgit Marschall „Trump: ‚Die Deutschen sind schlecht, sehr schlecht’
(Rheinische Post 27./28.5.2017, S. 2 u. 1)
Ich sehe es just umgekehrt wie der
Kommentator: Trumps Rüge wegen des Außenhandelsüberschusses könnten wir näher
bedenken, seine Forderung nach deutlich höheren Rüstungsausgaben müssen wir
dagegen bis zum klaren Nachweis des Bedarfs unmissverständlich zurückweisen.
Rüstung ist kein Selbstzweck, auch
keine Frage abstrakter Ansätze. Sie macht Sinn nur, um eine reale Gefährdung
abzuwenden, präventiv oder auch durch Waffeneinsatz als ultima ratio. Eine
durch Rüstung zu parierende Bedrohung erkenne ich nicht – höchstens eine viel
zu lange Reihe von teils fruchtlosen, teils endlosen Auslandseinsätzen, von
sicherheitspolitischen Fehlinvestitionen, von auch selbst provozierten
Fluchtmotiven.
Beim Außenhandelsüberschuss sollten
wir immerhin erwägen, ob uns dieser nicht in falscher Sicherheit wiegt. Eines
ist unstreitig: Es könnten nicht alle Staaten dieser Welt zu allen Zeiten
Überschüsse erwirtschaften – und seien sie noch so plausibel auf seriöse
technologische Vorsprünge zurückzuführen, niemals auf unfaires Handeln.
(2017/12) 15.5.2017
SPIEGEL
rechtsextreme Aktivitäten in der Bundeswehr u. Ankündigung von Frau Ministerin
von der Leyen, nun konsequent Kasernen umzubenennen (SPIEGEL Nr. 20 v.
13.5.2017 „Zurücktreten, bitte!“; „Gewalt als probates Mittel“)
Geht wohl gar nicht – Kasernen eines
Parlamentsheeres weiter mit Generälen des Blitz-, Angriffs- und
Vernichtungskrieges zu schmücken. Was nun? Zum Glück gibt es diesseits von 1945
einen würdigen Namenspatron, sogar noch aktiv, zudem höchstrichterlich nach
allen Regeln der Kunst von Schuld rein gewaschen: General Georg Klein, Vater
der Feuerhölle am Kundus. Wer wenn nicht Klein könnte moderne, robuste deutsche
Kriegführung repräsentieren?
Zitierte Entscheidung:
BGH v. 6.10.2016, Az. III ZR 140/15
http://juris.
(2017/11) 14.5.2017
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 25.5.2017
Bundeswehrskandale und Wiedereinführung der Wehrpflicht; Daniela Vates „Falsche Überhöhung“ (Kölner
Stadt-Anzeiger v. 12.5.2017, S. 4)
Richtig: Von einer reanimierten
Wehrpflicht das Ende aller Bundeswehrskandale zu erwarten, das wäre ein
realitätsfernes Überschätzen. Das Problem liegt anders, es hat dennoch mit der
Wehrbeteiligung, eigentlich mit der Kernaufgabe „Wehren“ zu tun. Bereits 1993
warnte eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr davor:
Unsere Armee werde „zunehmend für junge Männer attraktiv, die den
demokratischen Prinzipien und Werten kaum oder gar nicht verbunden sind“. Und
da faktisch eine Situation bestehe, die für Wehrpflichtige die Wahlfreiheit
eröffne, nämlich ‚zum Bund’ oder ‚Zivi’, sei damit zu rechnen, dass „auch die
anstehenden Wehrpflichtigen ein höchst problematisches Potential in die
Bundeswehr tragen werden“. Das Problem der Attraktivität für
Modernitätsverlierer stelle sich aber nicht nur für die Wehrpflichtigen,
sondern auch und gerade für die Freiwilligen. Daher werde man bei dem damals
bereits diskutierten Übergang zum Freiwilligensystem „hier unter politischer
Perspektive besondere Umsicht walten lassen müssen.“
Tatsächlich aber verkümmerte die
Anziehungskraft für Bewerber aus der bürgerlichen Mitte schon Mitte der
Neunziger Jahre in dem Maße rapide weiter, in dem das Aufgabenspektrum und auch
das Einsatzgebiet der Bundeswehr grenzenloser und unkonturierter wurden. Dies
war auch abzulesen an den zwischenzeitlich herausgegebenen Weißbüchern und
verteidigungspolitischen Richtlinien, die im Rahmen der „inneren Führung“ immer
weniger strukturier- und vermittelbar gerieten.
Wenn wir auf dem Weg zur Bürgerarmee
weiterkommen wollen, dann müssen wir die Aufgaben der Bundeswehr endlich offen
gesellschaftlich debattieren, gerade im anstehenden Wahlkampf und mit allen
Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre, dabei auch den Zusammenhang zwischen
Auslandseinsätzen, Destabilisierung und Flucht ausleuchten. Dabei könnten wir
zu Zielen zurückfinden, mit denen sich die bürgerliche Mitte nun wieder aktiv
identifizieren kann – etwa das Wehren bzw. die Verteidigung gegen einen
gegenwärtigen militärischen Angriff im bis 1990 allgemein geltenden
Verständnis. Eine wiederbelebte Wehrpflicht kann bei einem stärkeren Verwurzeln
der Bundeswehr im Bürgertum helfen. Garantieren kann sie das nicht,
insbesondere nicht als isoliertes und symbolhaftes Projekt.
Zitate aus:
Heinz-Ulrich
Kohr, RECHTS ZUR BUNDESWEHR, LINKS ZUM ZIVILDIENST? ORIENTIERUNGSMUSTER VON
HERANWACHSENDEN IN DEN ALTEN UND NEUEN BUNDESLÄNDERN ENDE 1992
(SOWI-Arbeitspapier Nr. 77; München, März 1993) = http://www.mgfa-potsdam.de/
(2017/10) 15.4.2017
DIE ZEIT, veröffentlicht im Online-Angebot der ZEIT = http://blog.zeit.de/leserbriefe/2017/04/14/12-april-2017-ausgabe-16/
zum US-Luftschlag gegen die syrische Luftwaffenbasis al-Scheirat; Rubrik
Zeitgeist von Josef Joffe „Trump 2.0“ (DIE ZEIT v. 15.4.2017, S. 6 = http://www.zeit.de/2017/16/angriff-usa-donald-trump-syrien-zeitgeist)
Ich hätte sie so gerne, diese
Standfestigkeit – oder die beruhigte Teilhabe an diesem Zeitgeist in klaren Kontrastfarben:
In Syrien genau ein Schlächter, ein Russe sein Helfershelfer, in Amerika ein
Braver, der sich nun anschickt, die Dinge wieder zu unserem Besten zu richten.
Dem man das jedenfalls zutrauen kann.
In den mir verbleibenden ein, zwei
Jahrzehnten werde ich zu diesem Glauben wohl nicht finden können, nach der
Erfahrung der letzten sechzig Jahre.
(2017/9) 12.4.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
US-Luftschlag gegen die syrische Luftwaffenbasis al-Scheirat am 6.4.2017;
Kommentar von Christian Bommarius (Kölner Stadt-Anzeiger v. 12.4.2017, S. 4)
Nach den vielen Elogen deutscher
Medien für Trumps Entschlusskraft, nach Lob und Preis für seine Geburt als
Präsident, Feldherr und Außenpolitiker danke ich für Ihren klaren Hinweis auf
das Völkerrecht.
Eine Sondersitzung der
Hauptversammlung der VN kann nach meiner Einschätzung derzeit allerdings nur
einen ersten Beschluss fassen, um die Verantwortung für den Einsatz von Sarin
am 4. April zu beurteilen. Dass sich eine Mehrheit aller Staaten der VN fände,
die auf der Grundlage der vorliegenden Fakten Sanktionen, eine militärische
Intervention oder gar einen Regimewechsel gestatten würde, das halte ich für
höchst unwahrscheinlich, gerade nach Trumps impulsivem Vorgehen. Ähnlich wie
eine weit ausgelegte „responsibility to
protect“ würde dies als Blaupause für Eingriffe bei vielen innerstaatlichen
Konflikten verstanden, würde die Staatensouveränität und damit die ganz
persönliche Sicherheit vieler amtierender Administrationen und ihrer Clans
gefährden. Es wäre auch ein unwiderstehlicher Anreiz für false-flag-operations, also Gräueltaten, die den Regierungen von
interessierten inneren oder äußeren Gegnern geschmeidig untergeschoben werden.
Eine solche Variante ist auch hier
keineswegs vom Tisch, ebenso wenig wie sie bei dem Sarin-Angriff auf den
Damaskus-Vorort Ghouta i.J. 2013 ausgeschlossen werden konnte. Gruppierungen,
denen man Zivilisationsbrüche zutraut, gibt es in der Region heute leider
zuhauf; der Westen trägt daran Mitschuld. Das Problem für Assad ist: Semper magis haeret – der wiederholte
Wurf mit frischem Mist verdeckt die Sicht nur weiter. Und in einem weiter
destabilisierten Syrien wird die Optik nicht schöner werden.
(2017/8) 11.4.2017
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 28.4.2017
US-Luftschlag gegen die syrische Luftwaffenbasis al-Scheirat am 6.4.2017;
Kommentar von Berthold Kohler „Trumps kleiner Krieg“ (Frankfurter Allgemeine v.
8.4.2017, S. 1)
Es könnten die wichtigsten fake news im politischen Leben des
Donald Trump gewesen sein: Assad habe erneut Giftgas gegen sein Volk
eingesetzt, auch gegen Alte, Frauen und Babys. Ob der Täter nun ein vollends
durchgedrehter Assad war oder ob’s eben die Dschihadisten waren, dann weniger
verrückt und mit einem für mich viel besser nachvollziehbaren false-flag-Motiv, das spielte wohl nicht
die Hauptrolle.
Es taugte in jedem Fall und
unabhängig von näherer Überprüfung – da stimme ich Berthold Kohler völlig zu –
für ein potentes Reset. Für Trump daheim und für die USA im nahen, mittleren
und sogar fernen Osten. Über Nacht haben die Medien Trump zum Präsidenten,
Feldherrn und Geostrategen gekürt. Selbst für die Operationen unmittelbar vor
Ort fiel noch etwas ab: Denn wer will jetzt noch nach den hässlichen collateral human damages US-geführter
Luftschläge fragen, die in den vergangenen Monaten signifikant zugenommen
haben? Was für ein nützlicher kleiner Krieg!
(2017/7) 11.4.2017
Süddeutsche Zeitung
US-Luftschlag gegen die syrische Luftwaffenbasis al-Scheirat am 6.4.2017
(Moritz Baumstieger und Stefan Cornelius „Trumps Schlag gegen Assad“,
Paul-Anton Krüger „Die Spur zu Assad“, Hubert Wetzel „Es war einmal in
Amerika“, Kurt Kister „Noch nicht zu spät“, SZ v. ; 8./9.4.2017, S. 1-4)
Das Klischee passt exakt in das
Bild, das es druckt. Alle Stellungnahmen in der Ausgabe vom Wochenende beruhen
– wie fast ausnahmslos das westliche und so auch das deutsche Medienecho – auf
der gleichen Grundannahme: Genau wie bei der grässlichen Sarin-Attacke in einem
Vorort von Damaskus i.J. 2013 kann es nur einen Täter geben: Assad!
Tatsächlich ist ein ganz anderer
Hergang ebenfalls gut denkbar, für mich sogar überwiegend wahrscheinlich. Die
dschihadistische Dschabhat Fath asch-Scham alias Nusra-Front verfügt über
einflussreiche, leistungsfähige und sachkundige Gönner, auch auf Ebene von
Staaten und Diensten in der Region. Die Komponenten für das bestialische Sarin
waren für sie keineswegs außer Reichweite. Ghouta 2013: Selbst die Spitzen der
US-Dienste waren zu diesem damals unerwarteten Ergebnis gekommen: Die
Giftgas-Attacke war gerade kein „Korbleger“ im Spiel gegen Assad. Weder die
sichergestellten Bombenkörper, noch die Reichweite und Flugrichtung der Träger
oder der chemische Fingerabdruck des analysierten Kampfstoffs hatten am Ende
auf ihn gedeutet.
Und die Motivlage 2017: Assad hätte
bei der für ihn inzwischen äußerst kooperativen Geometrie der Kämpfe mit dem
sprichwörtlichen Klammerbeutel gepudert sein müssen, jetzt die Stimmung der
Weltöffentlichkeit ohne Not gegen sich aufzubringen. Auch militär-taktisch war
der Giftgas-Einsatz ohne jeden Vorteil und zu verbergen wäre nichts gewesen.
Bei der bewaffneten Opposition bestand dagegen aller Anlass, den status quo zu
manipulieren, den Trend zu brechen und auf die Siegerstraße zurück zu kehren.
Dass ein impulsiver und innenpolitisch ebenfalls gerade stark in der Defensive
operierender Trump den Weckruf aufnehmen würde, das war durchaus zu kalkulieren
und ist auch gleich geglückt. Win win win – zumal er mit einem Schlag auch die
immer anrüchigeren collateral human damages westlicher Luftschläge der letzten
Monate automatisch in den Hintergrund verbannen konnte.
Besonders schlimm, wenn wir einem
Coup aufgesessen sind: Der tosende Applaus in der besten Presse, die Trump je
hatte. Präsident, Feldherr, Außenpolitiker – all das ist er über Nacht geworden.
Der Narziss wird es bleiben wollen, Völkerrecht hin oder her.
Anm.:
Die sehr große Zahl der ähnlichen Positionierungen würde die Positionierung der
Süddeutschen bzw. die o.g. Grundannahme einer allein in Betracht kommenden
Täterschaft Assads stützen. Ich halte demgegenüber die Argumentation in diesem
Beitrag der Deutschen Welle für durchaus erwägenswert: http://www.dw.com/de/assads-gi
(2017/6) 10.4.2017
DIE ZEIT; veröffentlich im Online-Angebot
der ZEIT
Giftgas-Angriff auf die syrische Stadt Chan Scheichun am 4.4.2017; Andrea Böhm,
„Ist das unser Antiterrorkampf?“ (DIE ZEIT No. 15/2017 v. 6.4.2017, S. 4)
Die ZEIT vermerkt, das syrische
Regime habe am 4. April, „wie es aussieht“, „erneut“ einen Giftgasangriff
verübt. So mag es gewesen sein, es ist aber weit entfernt von einem
wahrscheinlichen Ablauf. Assad war gegenüber der Opposition militärisch klar in
Vorhand und ein Kriegsverbrechen konnte - ohne erkennbaren taktischen Gewinn -
allenfalls eines triggern: Den rapiden Wandel der Stimmung und Haltung in den
USA, gerade bei einem impulsiven, narzisstischen und bisher eher glücklosen
Präsidenten. Der andere Erklärungsversuch wäre: Assad sei ein Psychopath und
nutze jede noch so geringe Chance, ungestraft davon zu kommen, unverzüglich für
neue Mordzüge, auch gegen Frauen und Kinder. Aber selbst im Nahen Osten und an
der Spitze einer Oligarchie könnte sich ein solches krankhaftes
Persönlichkeitsbild nicht über Jahrzehnte halten.
Einigen Nutzen von diesem Horror,
von dem dann prompt eingetretenen Stimmungswandel des Westens und von einem
etwaigen Zusammenbruch der gegenwärtigen syrischen Administration konnten sich
immerhin diejenigen versprechen, die sich auch sonst nicht für humane Rücksicht
bekannt machen: Etwa die der Al Qaida zugewandte Nusra-Front. Es würde auch
keine besondere Herausforderung für diese oder ähnliche Gruppen bedeuten, sich
die typischen zwei Komponenten von Sarin durch interessierte, leistungsfähige
und sachkundige Dienste zuspielen zu lassen.
Klar: Ich weiß es nicht und ich
hätte Skrupel, ohne nachvollziehbaren Beweis einen mutmaßlich Schuldigen zu
benennen. Verurteilen kann ich allerdings eine Politik, die seit vielen Jahren
auf Destabilisieren und Ablösen eines Regimes wettet, ohne eine auch nur
entfernte Hoffnung auf Konsolidierung am Tage danach. Und ohne insbesondere vor
Wahlen nachvollziehbar zu evaluieren: War unser Antiterrorkampf erfolgreich?
Hat er die nach Tausenden zählenden zivilen Opfer, hat er das Traumatisieren
der am Kampf Beteiligten gerechtfertigt? Hat er eine ökonomisch gerechtere und
eine militärisch stabilere Weltordnung gefördert? Solche Fragen beruhigt zu
bejahen, das fiele mir heute sehr schwer.
(2017/5) 10.4.2017
DIE WELT
US-Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis Al-Schairat am 6.4.2017, u.a. Jacques
Schuster „Die Geburt des Außenpolitikers Trump“ (DIE WELT v. 8.4.2017,
S. 1)
Wer Täterschaft feststellen will,
forscht in aller Regel nach Motiven und Interessen, sucht Beweise, notfalls
Indizien. Führt das überzeugend zum Ziel, folgen Urteil und Strafe. Beim
allerbesten Willen kann ich in der gegenwärtigen Phase kein Motiv Assads für
einen Einsatz von Giftgas erkennen. Im Gegenteil musste er jeden Anlass
vermeiden, die Weltöffentlichkeit gegen sich zu wenden und dabei das für ihn
derzeit so nützliche strategische Setting zu gefährden – selbst die offene
Unterstützung Russlands. Bei der bewaffneten syrischen Opposition, die noch in
der letzten Woche hoffnungslos in der Defensive operierte, bestand das genau
entgegen gesetzte Interesse: Endlich neue Schwergewichte ins Spiel bringen,
bestehende Allianzen erschüttern, den Trend umkehren.
Und es lag gerade nicht so, dass
allein Assad über die Tatwaffe verfügte. Ja, Sarin ist ein bestialisches
Teufelsprodukt. Aber seine Synthese ist heute leider überhaupt kein Hexenwerk
mehr. Wer sich etwa der Mithilfe eines Dienstes erfreut, kann es sich sogar in
Komponenten zuspielen lassen, die für sich nicht einmal hochgefährlich sind.
Solche Dienste haben schon andere brandgefährliche Coups in der Region
fachmännisch unterstützt.
Nicht für wahrscheinlich halte ich
übrigens: Trump hätte einen solchen Plot eingefädelt oder auch nur davon
gewusst. Aber dass er diese Situation impulsiv für seine politische
Wiedergeburt ausbeuten würde, damit konnte jeder leicht kalkulieren. Er hatte
nie eine bessere Presse; das wird ihn weiter als pragmatischen, von Völkerrecht
und Verfassung wenig belasteten Guerillero konditionieren. Es graust mich.
(2017/4) 10.4.2017
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 18.4.2017
US-Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis Al-Schairat am 6.4.2017 (Karl
Doemens „Fehlstarter wird zum Feldherrn“, Christian Rath „Ein UN-Mandat ist
zwingend erforderlich“, KStA v. 10.4.2017, S. 2 u. 3); US-Angriff auf eine
Schule bei Al-Mansura am 20.3.2017 mit ca. 30 zivilen Toten (Thorsten Knuf
„Tödliche Hilfe aus der Luft“ und „Offen zu Fehlern bekennen“, KStA v.
31.3.2017, S. 3 u. 4)
Mit sehr wenigen Ausnahmen
unterstellen die Berichte und Kommentare nach dem 4. April: Als politischer
Verantwortlicher oder gar als persönlicher Veranlasser des Giftgas-Einsatzes
kommt ausschließlich Assad in Betracht. Aber warum ist man sich so völlig
sicher, vor irgendwelchen professionellen Untersuchungsbefunden? Gerade in
dieser Phase? Assad war auf dem Vormarsch und die militärische Opposition auf
dem Rückzug, jedenfalls in der fast verzweifelten Defensive. Why to change a
running system? Ohne einen erkennbaren taktischen Vorteil?
Assad wäre ein notorischer
Psychopath und Schlächter, der jede noch so geringe Chance auf ein Davonkommen
zu neuen Mordzügen nutzt? Eine eher unrealistische oder bewusst plakative
Darstellung; ein solches Persönlichkeitsbild kann sich nicht über Jahrzehnte in
einer führenden Position behaupten, auch und gerade nicht in Syrien. Auf der
anderen Seite – bei der militärischen Opposition – bestand dagegen ein höchst
vitales Interesse, das Kräfteverhältnis signifikant zu verändern, etwa so, wie
es nun auch gekommen ist. Selbst ein Distanzieren der Schutzmacht Russland war
und ist bei einem näheren Nachweis der Täterschaft ja keineswegs
ausgeschlossen.
Bleibt die Behauptung, allein die
syrische Administration verfüge über die Fähigkeiten, das Giftgas einzusetzen.
Auch das ist aber nicht stichhaltig. Die Herstellung von Sarin ist heute leider
kein besonderes Kunststück, setzt allerdings eine gewisse Risikobereitschaft
voraus. Selbst dies lässt sich umgehen, wenn das Gift von außen beigestellt
wird, typischerweise in zwei für sich nicht hochgefährlichen Komponenten.
Zahlungskräftige Gönner bei reichen Regierungen und fachkundige Förderer bei
den Diensten stehen auch für extremistische Gruppierungen bekanntermaßen
bereit, und die Dienste fühlen sich auch typischerweise nicht den
Menschenrechten verpflichtet, höchstens einer hochflexiblen
Zweck-Mittel-Abwägung. Ich sage nicht, dass es so war – nur, dass es mit
zumindest ebenso großer Wahrscheinlichkeit so sein konnte, ebenso im Falle der
Giftgas-Tragödie bei Ghouta i.J. 2013.
Dass Trump eine solche Chance für
ein potentes viriles Signal und für den Reset seiner völlig verpfuschten
Startphase nutzen könnte, auch das war gut kalkulierbar. Und so ist es unter
breitestem Applaus auch gekommen, Völkerrecht hin oder her; Trump bekam sogar
die beste Presse seines Lebens. Dass die USA und auch Deutschland noch vor
wenigen Tagen wegen der am 20. März bei einem Luftschlag verursachten syrischen
Zivilopfer im Fokus standen, das muss ein ganz anderes Erdzeitalter gewesen
sein; vergeben und vergessen. Am 8. April starben bei einem Luftschlag gegen
Raqqa, weithin unbeachtet, weitere Zivilisten, auch Kinder.
Anm.: Die Einschätzung des Kölner
Stadt-Anzeigers entspricht der fast ausnahmslosen Schuldzuweisung in den
deutschen Medien an die syrische Administration; eine sehr lesenswerte
kritischere Analyse präsentiert etwa die Deutsche Welle: http://www.dw.com/de/assads-giftgas/a-38326578
(2017/3) 9.4.2017
Bild
US-Angriff auf eine syrische Luftwaffenbasis am 6.4.2017, Leitartikel „Trump
rächt Syriens vergaste Kinder“ (Bild v. 8.4.2017, S. 1) sowie Kommentar
Julian Reichelt „Donald Trumps Verdienst“, (S. 4):
Rache braucht keinen Richter, sie
sucht keinen Frieden. Wenn es denn Rache war und kein Befreiungsschlag für
daheim.
(2017/2) 29.3.2017
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 4.4.2017
zur Bertelsmann-Studie zum überproportionalen Engagement von Muslimen bei der
Flüchtlingshilfe bzw. zu den Berichten „Deutschlands Brückenbauer“ und „Die
Gesellschaft braucht Muslime“ (Kölner Stadt-Anzeiger v. 28.3.2017, S. 2)
Gilt das hohe Engagement von deutschen
Muslimen für Geflüchtete primär einer eigenen Religion, so wie es der
Sozialethiker Karl Gabriel erklärt? Das greift aus meiner Sicht zu kurz.
Einigen unter uns werden noch die aufsehenerregenden Fälle in Erinnerung sein,
bei denen Muslime ohne jedes Risikokalkül versucht hatten, Ertrinkende aus dem
Rhein zu retten. Während wir eher in Kategorien von Menschenrechten denken,
Rechten also, die wir einfordern können, gehen Muslime eher von
Menschenpflichten aus - Pflichten, die ganz spontan und real einem Mitmenschen
in Not zu leisten sind. Auch der traditionelle muslimische Eigentumsbegriff ist
stärker auf die Gemeinschaft bezogen; das Eigentumsrecht gestattet dort etwa
nicht das willkürliche Zerstören eines Gegenstands, der der Gesellschaft
nützlich sein kann.
Und dem Resümee Karl Gabriels stimme
ich uneingeschränkt zu: Unsere Gesellschaft braucht für eine nachhaltige
Zukunft Muslime; sie kann von ihnen lernen. An alle Wahlkämpfer: Mehr denn je!
Quelle: Bertelsmann-Studie
„Engagement für Geflüchtete – eine Sache des Glaubens?“, veröffentlicht am
27.3.2017, https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/engagement-fuer-gefluechtete-eine-sache-des-glaubens/
(2017/2) 31.1.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
US-Immigrationspolitik unter Präsident Trump; Kommentar von Daniel Haufler
„Gefährliche Symbolpolitik“ (Kölner Stadt-Anzeiger v. 30.1.2017, S. 4)
Es ist schon sehr augenfällig: Von
den nun aus den USA ausgesperrten Nationen war oder ist die Mehrzahl – Irak,
Libyen, Syrien, Sudan und Somalia – Ziel von militärischen Einsätzen des
Westens. Von Einsätzen, die alles Mögliche bewirkt haben, nur keine
selbsttragende Stabilität. Drum sollten die USA, aber auch die Europäer
irgendwann überlegen: Gehören neben den vielen zivilen Opfern vor Ort nicht
auch die verstärkte Migration und auch ein immer aggressiverer Fundamentalismus
und Terrorismus zu den „collateral damages“ unserer seit Beginn der Neunziger
Jahre besonders raumgreifenden Außen- und Sicherheitspolitik? Macht das ewige
trotzige „Weiter so!“ denn noch Sinn?
Dass Trumps hastig herausgehauene Dekrete
die Terrorgefahr für Amerikaner in Amerika merklich erhöhen, das halte ich wie
der Kommentar für nicht sehr wahrscheinlich. Aber für weiche Ziele außerhalb
der USA – auch für amerikanische Touristen – wird wohl das Risiko deutlich
steigen, Opfer öffentlichkeitswirksamer Anschläge oder von Geiselnahmen oder
gar Geiselexekutionen zu werden.
Und ein paar Sammlerstücke aus
früheren Jahren:
Die Mutter aller [meiner]
Leserbriefe:
29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (KStA. v.
29.9.1992)
Hätten wir am Deutschlandtag die
Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert.
Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme
legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale
Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum
Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt
worden sind.
Demgegenüber ist der vorgebliche
Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun
begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu
absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne
auch ausdrücklich verwahrt.
Der Vorschlag war, wenn auch der
count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine
verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und
unserer Repräsentanten im Inland.
Und
der am weitesten gereiste Leserbrief:
22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of
August 14, 1995
I refer to reports on WW II and
especially to two letters to the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August
14, 1995 (page 6). It is my impression that those two letters offer a
unilateral and quite insulting interpretation of the motives behind the drop of
atomic bombs onto Hiroshima and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a
merciful decision"). So I would like to show an alternative view:
It is certainly true, that Japanese
military leaders commenced the hostilities against the
The echoes of that demonstration of
power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from
Weitere
Leserbriefe aus 2016, 2015, 2014,
2013, 2012, 2011
/ 2010 / 2009 / 2008 / 2007 / 2006 / 2005
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oder auch Briefe für Englisch-sprachige
Medien.
Oder meine Leserbriefe, die zum
Thema „out of area“ abgedruckt
worden sind.
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