Karl Ulrich Voss, Burscheid: Meine Leserbriefe im Jahr 2024

Stand: November 2024; grün unterlegt: lokale/regionale Themen u. Medien

 

(2024/76) 9.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Syrien; zu den Berichten u. dem Kommentar zum Machtwechsel in Syrien in der Ausgabe v. 9.12.2014 („Syrer stürzen Diktator Assad – was bedeutet das für die Welt?“,  „Wie der Machtwechsel den Nahen Osten verändert", „Das Land darf nicht in die Hände anderer Radikaler fallen“ u. „Überschätzte Diktatur“, S. 1, 2 u. 4)

Zynisch gesprochen könnte man empfehlen: Die beträchtliche im Falle Afghanistans eingesparte Entwicklungshilfe widmen wir nun einer Theokratie in Syrien. Oder einem islamischen Gottesstaat im gesamten Vorderen Orient. Und wir aberkennen konsequent alle Flucht- oder Duldungsgründe zu dieser Region. So, wie es hier und da schon eilfertig vorgeschlagen wird.

Im Ernst: Wir sollten den Menschen helfen, nach Kräften hier ebenso wie vor Ort.

 

(2024/75) 6.12.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Afghanistan-Aufarbeitung; Markus Decker: „Merkels vernichtende Bilanz“ (Ausgabe v. 6.12.2024, S. 6)

Eine Lehrstunde in neuerer Außen- und Sicherheitspolitik – und man(n) muss neidlos zugeben: Der klügste und dabei noch lernfähigste Kanzler aller deutschen Republiken, das war eine Frau. Sehr nüchtern analysiert Angela Merkel: Die Zeitenwende vor der aktuellen Zeitenwende – damals nach 1989 der sehr ambitionierte Aufbruch auch Deutschlands zur präventiven Ordnung der Welt – das hatte die Erwartungen gerade nicht erfüllt. Es hatte sogar unerwartet destabilisierend gewirkt und zusätzliche Migration getriggert. Weswegen zwar – vielleicht – noch die eineinhalb Milliarden Europäer in unserem Boot sitzen, die unsere Außenministerin just bei der OSZE-Tagung beschworen hat. Aber der Rest der Welt eben nicht mehr gesichert.

Und speziell, was Afghanistan anbetrifft: Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat hatte ISAF bereits i.J. 2011 als gescheitert erklärt, soweit die Mission den Afghaninnen und Afghanen hätte nutzen sollen. Wenn, dann wäre dort nur die Hilfe für einen Bündnispartner geglückt, als Kameradschaftsdienst. Symbolisches und eigennütziges Handeln kostet aber immer Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Je länger, je mehr.

Quellen etwa:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-am-hindukusch-ex-general-erklaert-afghanistan-einsatz-fuer-gescheitert-a-790422.html

 

(2024/74) 30.11.2024
RGA / Volksbote
Kommunalwahlen 2025; zu Nadja Lehmanns Bericht "Kommunalwahl 2025: Die Mannschaft steht - und hat ein paar neue Gesichter" (Volksbote v. 26.11.2024, S. 21)

Die Burscheider CDU und das im Kern ebenso christdemokratische BfB könnten ab 2025 wieder unter einer Fahne marschieren. Denn das Schisma, das sich i.J. 2009 um die Kandidatur für den Bürgermeisterposten aufgetan hatte, das hat sich nun endgültig geschlossen: Beide Fraktionen wollen bei den 2025 anstehenden Kommunalwahlen auf eigene profilierte Bewerber verzichten und werden stattdessen weiter den parteilosen Bürgermeister Runge unterstützen. "Es ist gut, dass wir als CDU solchen Schulterschluss können", so hieß es ja gerade bei der Parteiversammlung der CDU in der Schützenburg, nicht ohne Stolz.

Für uns Wählerinnen und Wähler bedeutet der stolze Schulterschluss allerdings erneut sehr schmale Kost. Denn auch die SPD, noch weniger die Grünen oder gar die FDP werden nun kaum in eigene Bewerbungen für das höchste Amt der Kommune investieren. Und dann dürfte es am Wahltag schon wieder heißen: „Heute wird gewählt. Gewählt wird …“. Oder: Ewig grüßt das Murmeltier. Das duftet abschreckend nach abgekartetem Spiel, gerade für junge Wählerinnen und Wähler. Von Parteien, deren Wahlkampf auch von uns alimentiert wird, verlange ich deutlich mehr Einsatz und Profil. Wählen kann nur, wer die Wahl hat.

 

(2024/73)
Kölner Stadt-Anzeiger
Außen- und Sicherheitspolitik; Interview von Joachim Frank mit Jürgen Trittin „Die SPD hat sich der CDU ergeben“ (Ausgabe v. 25.11.2024, S. 4)

Die Chuzpe von Jürgen Trittin lässt mir die Magensäure schäumen. Die künftige Außen- und Sicherheitspolitik der EU könne nur sein, die USA bestmöglich nachzuahmen und zu ersetzen? Von den USA lernen, heißt siegen lernen? Wohl kaum, was die kümmerlichen Ergebnisse der letzten 50 Jahre angeht. Rüsten lernen? Das sicher schon eher.

Von Grünen verlange ich viel mehr – im anlaufenden Wahlkampf zu debattieren: Haben wir denn alles richtig gemacht, etwa mit Jugoslawien und der Operation OAF, mit Afghanistan und der Operation ISAF, jeweils mit Tausenden von zivilen Toten? Gibt es heute Alternativen, z.B. signifikant mehr OSZE und weniger NATO? Wie können wir eine zukunftsweisende Strategie für Minderheiten in Europa installieren? Trittin mag solche Gedanken als kindlich-harmlos abtun und vielleicht sieht er Politiker wie Brandt und Bahr als Träumer an, von der Geschichte widerlegt. Ich nicht.

 

(2024/72) 11.11.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht im Internet-Angebot der ZEIT am 14.11.2024 =
https://www.zeit.de/leserbriefe/2024/7-november-2024-ausgabe-nr-47
Ampel-Ende; Beitrag „Zeit, dass sich was dreht“ von Peter Dausend, Tina Hildebrandt und Mark Schieritz in der Ausgabe No. 47 v. 7.11.2024

Das Lindner-Papier war nun doch mehr als der Versuch, eine bestehende Koalition zu wenden – es war halt der in der Wirkung gut kalkulierte Abschiedsbrief. Den könnte man sogar mit ein wenig Respekt deuten: Denn sprengt sich ein liberaler Finanzminister nachhaltig aus der Regierung, dabei aus dem klassischsten aller klassischen Ressorts, dann mag man das als ultimatives Bekenntnis zur Herrschaftsfreiheit deuten.

Allerdings werden sich frühe Freunde entschlossener Entbürokratisierung wie Michail Bakunin oder Richard Wagner – der gerne einmal die Marseillaise in seine Kompositionen einflocht – im Grabe herumdrehen, wenn jener Minister nun unverzüglich den nämlichen Schatzmeister-Sessel für sich reklamiert, in einer neu konfigurierten und dann den powers that be tendenziell noch näher stehenden Administration. Hätte sich dann wirklich etwas gedreht? Oder hätte sich jemand wieselflink neu gewendet?

P.S./Quellen:
Zu prägenden Kontakten zwischen Bakunin und Wagner etwa
https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Wagner; zu einem Schreiben Wagners an Schumann, als beide Heinrich Heines „Die Grenadiere“ vertont hatten, und zwar unabhängig voneinander mit Versatzstücken aus der Marseillaise: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenadiere

P.P.S.
Insgesamt deutet der Ablauf, insbesondere Lindners forsch erneuerter Anspruch auf das Finanzressort m.E. auf einen signifikanten Realitätsverlust: Gerade bei einer zeitnahen Wahl und bei der dynamisch wachsenden Konkurrenz im konservativen politischen Spektrum dürfte es sehr schwerfallen, den aktuellen Eindruck zu geringer Teamfähigkeit und zu großer Chuzpe in einen Wähleranteil > 5% umzusetzen. Wermelskirchen wird sich auf einen schwindenden Einfluss auf die Bundes- und Geopolitik einrichten müssen.

 

(2024/71) 8.11.2024
RGA / Bergischer Volksbote
Wahlen 2024; Nadja Lehmann: „Burscheider Politiker sind erleichtert über das Ampel-Aus“ in der Lokalausgabe Burscheid v. 8.11.2024, S. 23

Ein Vorteil des vorzeitigen Berliner Ampel-Aus ist nicht zu übersehen: Die Bundestagswahl wird unsere Kommunalwahl im Herbst 2025 nun wohl nicht mehr überstrahlen. Oder überschatten.

Ein wahres Heimspiel dann, mit hoffentlich vielen profilierten Bewerber*innen um das Amt der besten Bürgerin bzw. des obersten Bürgers. Und mit garantiert spannenden Themen für alle: Was ist die Bilanz der bisherigen Stadtsanierung, was soll und kann noch kommen? Wird es hier grüner und nachhaltiger als hellgrün? Wie kann sich Burscheids „Neue Mitte“ rechnen? Und was wird aus der alten? Bekommen wir genug bezahlbaren stadtnahen Wohnraum? Wessen Einfluss nimmt nun zu, wessen nimmt ab? Ich bleibe sehr gespannt.

 

(2024/70) 7.11.2024
Süddeutsche
US-Wahlen; Beitrag „Geschlossen gegen Trump“ von Harald Freiberger in der Ausgabe v. 7.11.2024, S. 13

Sehr einverstanden: Ergebenheitsadressen nützen nie und am wenigsten gegen handfestes Bullying oder das Erpressen von Schutzgeldern. Europa hat Masse genug, um selbst zu definieren, wie viel Sicherheit es (a) aus Rüstung und (b) aus Diplomatie braucht. Sodann: Was es an moderner Rüstung vor Ort eigenhändig schmieden kann und was wo dazugekauft werden muss. Ferner: Was man – zum beiderseitigen atlantischen Nutzen – hier aufstellen sollte und was nicht. Bei der Diplomatie und insbesondere für die Wirtschafts-Diplomatie bliebe eine gute Prise Brandt’scher und Bahr’scher Ostpolitik intelligent und entspannend; diese Erfahrung haben wir viel zu schnell abgeschrieben.

 

(2024/69) 7.11.2024
DIE WELT
US-Wahlen; Mathias Döpfners Beitrag „Eine späte Chance für Europa“ in der Ausgabe v. 7.11.2024, S. 1

Richtig: Wir sollten nicht fragen, was Amerika für uns tun kann. Aber auch nicht – in Anlehnung an John F. Kennedy – was wir für Amerika tun können. Sich einfach ranzuschmeißen, das mag eher zu Missbrauch führen. Gefragt ist nichts weniger als ein neues transatlantisches Synallagma: Was brauchen wir an Sicherheit? Was dazu können wir im Wortsinn selbst fabrizieren und was kann Amerika schlicht besser? Ein ganz nüchterner Deal, einer, der aber auch weiß: Sicherheit besteht nicht nur aus Technik, nicht nur aus power projection und sie ist nie zu 100% definiert; sie basiert im Kern auf wechselseitigem Vertrauen.

 

(2024/68) 6.11.2024
DAS PARLAMENT
US-Wahlen; Thema der Woche im PARLAMENT Nr. 45/2024 v. 2.11.2024, speziell zu Christoph von Marschalls Artikel „Die Welt schaut auf Amerika“ (S. 1), zum Interview von Peter Stützle mit Michael Georg Link („ Unser wichtigster Verbündeter“, S. 2) und zu den Pro-/Contra-Gastkommentaren von Julia Weigelt und Stephan Hebel („Schutz durch US-Raketenschirm“, S. 8)

US-Wahlen triggern – als gäbe es einen bedingten Reflex – die Vorhaltungen, nun doch endlich mehr für eine bedrohte nationale Sicherheit zu tun, bevorzugt durch mehr militärische Hardware, auch durch Stationierung von mehr und neueren Waffensystemen.

Tatsächlich müssen wir nicht nur in Mittelstreckenraketen oder Flottenstützpunkten denken. Sondern können in Diplomatie und Koexistenz investieren; wir können Denkfiguren und Strategien eines Willy Brandt und Egon Bahr rehabilitieren und recyceln. Zumindest sollten wir als Demokratie genau darüber streiten können. Dass unsere Exportnation in einer Welt besser reüssieren kann, die nicht nach Gut und Böse segmentiert ist – das wäre ein sehr fruchtbarer Nebeneffekt. Und gerade ein Präsident Trump wird das nüchterne und selbstbewusste Behaupten eigener Interessen nachvollziehen. Besser jedenfalls als eilfertige Ergebenheitsadressen.

P.S.
Ich teile sehr die Einschätzung von Christoph von Marschall im letzten Absatz seines Beitrags: Die globalen Konflikte haben signifikant zugenommen, dies noch verschärfend auch die Bereitschaft, eigene Interessen mit einer Politik des Bullying durchzusetzen. Gleichzeitig sind vorausschauende Politiken - etwa gegen den objektiv und erfahrbar "menschenfressenden" Klimawandel und für den Abbau sozialer Risiken - aus dem öffentlichen Meinungsstreit praktisch verschwunden. Gerade diese offenbare Deformation lässt mich auf mehr und reichere, deeskalierende demokratische Debatte hoffen. Wenn nicht hier, wo dann?

 

(2024/67) 21.10.2024
Dolomiten / Zeitung der Südtiroler, abgedruckt am 23.10.2024
Nahost-Konflikt u. Blauhelme im Libanon; Stephan Kaußens Kommentar "Krieg, Waffen, Frieden?" in den Dolomiten v. 18.10.2024 auf S. 3

Meine volle Zustimmung: Wenn die Blauhelme im Libanon weiter Flagge zeigen würden, dann wäre das Eskalationsrisiko geringer und die UNO-Idee würde gestärkt. Leider aber sehen gerade die Reichen und Mächtigen dieser Welt überstaatliche Institutionen wie UNO oder auch OSZE eher im Sinkflug, wenn nicht Absturz - während bei ihnen die Interessen-geleiteten Körperschaften wie die NATO und die ihnen nahestehenden Konglomerate der "Wehrwirtschaft" immer höher im Kurs stehen. 

Recht hellsichtig hatte der scheidende Präsident Eisenhower in seiner farewell address eine solche machtvolle Netzbildung als größtes Risiko für Demokratie und Weltfrieden beschrieben.

P.S.
Ich verstehe nicht viel von der Geschichte Italiens. Aber mir scheint immer, dass die besondere Historie und der heutige große Erfolg der Kohabitation unterschiedlicher Ethnien zwischen Brenner und Salurner Klause – einem
Ettore Tolomei zum Trotz – ein hervorragendes Modell für die Lösung einiger "moderner" Konflikte sein müsste. Eisenhowers oben zitierte farewell address mit der Warnung vor einem übermächtigen militärisch-industriellen Komplex ist u.a. hier m.w.N. gut dokumentiert: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Eisenhower%27s_farewell_address .

 

(2024/66) 6.10.2014
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 10.10.2024
Schutzzölle auf E-Autos“; Ausgabe v. 5.10.2024 (Leitglosse „Protektionismus schwächt“ von Gerald Braunberger u. Berichte „Berlin scheitert mit Widerstand gegen Zölle auf E-Autos aus China“, „Das neue Zoll-Zeitalter“ und „Japanisches Menetekel“ von Hendrik Kafsack et al. und Patrick Welter auf den S. 1, 17 u. 19)

Innovation geschieht bisweilen im stillen Labor. Aber zumeist im Nutzer-orientierten Dialog zwischen Entwicklern und informierten und emanzipierten Marktteilnehmern. Schutzzölle verschaffen eine trügerische Friedhofsruhe und bewahren tendenziell unser lange Bewährtes, siehe nur das japanische Menetekel. Die Grünen können genau daraus aber noch einen allseits respektablen Punkt machen, auch auf dem demokratischen Marktplatz:

Wenn denn ein neues Zoll-Zeitalter nun unausweichlich ist, dann sollte es intelligent im Doppelpack mit entscheidend mehr Aufklärung für uns Konsumenten kommen: Wer immer in der EU künftig individuelle Mobilität verkaufen will, der liefert online und in seiner Werbung zwei Datensätze: Zum einen das CO2-Äquivalent für die Herstellung des konkreten Fahrzeugs und für das Bereitstellen am point of sale. Zum zweiten den realen Energieaufwand; die Hersteller können diesen schon seit Jahren aus Kundendaten gerade im Premium-Segment errechnen, in real time

Wie es Goethe am Ende seines Lebens gefordert haben soll: „Mehr Licht!“ Und eben das - der transparente und faire Wettbewerb ums immer bessere Produkt - das könnte den Evolutionsdruck aufrechterhalten.

 

(2024/67) 4.10.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
E-Mobilität & Konsumenten-Schutz; Bericht von Sven-Christian Schulz „Kommen Zölle auf E-Autos aus China?“ (Ausgabe v. 4.10.2024, S. 5)

Wenn die EU-Kommission und auch die Bundespolitiker nun eine anti-chinesische Mauer auftürmen wollen, so mögen sie in Gottes Namen so verfahren. Aber wir Auto-Konsumenten und Auto-Wähler müssen das Vorhaben ultimativ mit einem Mechanismus gegen energetische und ökologische Fehlsteuerung verknüpfen. 

Alle Anbieter stellen künftig diese Daten für jeden Fahrzeugtyp online bereit; sie verwenden sie auch gut wahrnehmbar in ihrer Werbung: Erstens den realen Energie-Verbrauch eines Typs. Und zwar nicht weiter nach abstrakten Testzyklen verklärt, sondern nach den nüchternen empirischen Daten des Alltags. So, wie ihn die jeweilige Zentrale heute bereits real time mit Kundendaten misst. Und das zweite verpflichtende Datum: Das CO2-Äquivalent für die Herstellung des Fahrzeugs und für das Bereitstellen am Verkaufsort.

Aufklärung ist nach Kant unser Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Oder: Mehr zu wissen, das dürfen wir zumeist riskieren. Hier würde ein „Mehr-Wissen“ einen global nützlichen Wettbewerb und die Optimierung unserer Welt nach dem Stand der Wissenschaft fördern – Ordnungspolitik vom Feinsten!

 

(2024/66) 3.10.2024
Kölner Stadtanzeiger
Naher Osten; Daniela Vates‘ Leitartikel „Der Schlüssel liegt in Teheran“ (Ausgabe v. 2.10.2024, S. 4)

Wären der Iran und Israel natürliche Personen, man könnte beide als neurotisch an der Grenze zum Psychotischen einstufen. Der Iran nach wirksamen westlichen Coups wie dem Putsch gegen Mossadegh und dem offenen Anstacheln und Aufrüsten eines Saddam Hussein - Israel seit Staatsgründung von untröstlicher Feindschaft umzingelt und mit einer albtraumhaften Historie dazu und zunehmenden internen Konflikten.

Der Schlüssel liegt m.E. bei keinem der derzeitigen Hauptkontrahenten, nicht einmal bei den eingefleischten Hardlinern beider Seiten, die auf ein Armageddon hin fiebern. Der Schlüssel liegt bei uns bzw. bei allen Industrienationen, die diese uralte Kulturlandschaft im letzten Jahrhundert nach und nach zerrüttet haben, mit zumeist Kirchturm-hafter Machtpolitik. Wir sollten nun alle unsere diplomatische und ggf. auch wirtschaftliche Kraft nutzen, den Nahen Osten wieder prosperieren zu lassen. Und sollten die vielen Staatsleichen des Morgenlandes gemeinsam sanieren. Leistungsfähige und anerkannte Staatlichkeit im Libanon, in Syrien, im Irak, auf der Westbank und in Gaza bleiben die aussichtsreichste Strategie gegen Anarchie und Terror. Und wir haben da noch sehr viel wiedergutzumachen.

 

(2024/65) 2.10.2024
DIE ZEIT
Parlamentarismus; Gespräch zwischen Dominik Hierlemann und Philipp Amthor, moderiert von Mark Schieritz und Carlotta Wald (Ausgabe No. 41 v. 26.9.2024, S. 9: „Sind Bürgerräte gut für die Demokratie?“) der nachfolgende Leserbrief:

Philipp Amthor hat sicher Recht, wenn er der orthodox repräsentativen Lebensform und ihren Wahllisten zutraut, das Bewährte besonders rein zu bewahren. Vielleicht meint er auch, Wolfgang Schäuble mit seinen bisher unerreichten 14 Legislaturperioden-Punkten im Kürschner sei Vorbild und Inbegriff des Parlamentarismus. Möglicherweise hegt er aber nur die gleiche Ochlophobie, diese Angst vor der Herrschaft des Pöbels, die bereits die vielen Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes davon abhielt, die Bürger*innen offen zu fragen: Ob sie denn genau diesen Parlamentarismus wollten? Bürger*innen übrigens, denen man 1989 noch immer kein Referendum zumuten oder zutrauen wollte.

Vielleicht können wir die Auswahl, die Perspektiven und die parlamentarische Konvektion etwas stärken, sogar ganz nah am System: Indem wir das passive Wahlrecht auf genau zwei konsekutive Perioden begrenzen. Das würde viel Berliner Verständnis ins Volk tragen und vice versa. Vor diese Wahl gestellt, würde Herr Amthor vermutlich sogar Bürgergutachten vorziehen.

 

(2024/64) 1.10.2024
RGA / Volksbote
Wahlen 2025; Interview von Nadja Lehmannn mit der der Stadträtin Frau H. „Das Land kann es sich nicht leisten, auf die Grünen zu verzichten“ (Ausgabe v. 30.9.2024, S. 21)

Eine sehr verstörende Situation für die Grünen: Warum schwindet der Zuspruch der Wähler*innen und ebenso der Zusammenhalt der Partei – obwohl wir alle unsere Umwelt doch immer härter spüren?

Auf die lokale Situation bezogen gibt es meines Erachtens nur eine Konsequenz. Nämlich im nun anlaufenden Wahlkampf ganz klar zu machen: Was konkret war der erfolgreiche Input der Grünen bei der laufenden Stadtentwicklung, von der „Alten Mitte“ bis hin zur „Neuen Mitte“? Und was werden die spezifisch grünen Themen für 2025-2030? Diesen erneuerten Wählerauftrag sollte man mit den Wähler*innen eng untergehakt aufstellen. Mit dem Ziel: Die Wähler*innen an der Urne an den Burscheider Grünen tatsächlich nicht vorbeikommen zu lassen.

P.S.
Es ist sehr ehrenwert, wenn Frau H. in spätestens zehn Jahren nicht mehr gezwungen sein will, mit Gas zu heizen. Allerdings wird dann mehr oder weniger um die Ecke, nämlich in der angrenzenden Montanusstraße, eine massive Gastherme die gesamte "Neue Mitte" anfeuern, mit allen ihren Märkten, Praxen und Wohnungen. Ich denke, wir sprechen beim Energiebedarf etwa vom Faktor 50 gegenüber dem Hentschel-Eigentum und von einer projektierten Nutzungszeit von im Minimum 20 Jahren, bei einem klimarelevanten fossilen Energieträger. Tatsächlich sollte die Bürgerschaft auch über solche Themen offen, vertrauensbildend und weiterblickend mitdebattieren, sollte lernen und sich zutrauen, Nutzen und Lasten nüchtern abzuwägen. Dann behalten nicht nur grüne Inhalte, sondern auch die Grünen ihre nachhaltige Chance.

 

(2024/63) 21.9.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Berichterstattung und Kommentierung der sich weiter zuspitzenden Situation im Nahen Osten, insbesondere zum Bericht „Walkie-Talkies im Libanon explodiert“ und zum Kommentar von Steven Geyer „Netanjahus riskantes Manöver“ (Ausgabe v. 19.9.2024, S. 1 u. 4)

»Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, An-stellung der Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats in dem bekriegten Staat etc.« Das schrieb Kant im Jahre 1795.

Hätte Kant tödliche Pager, Walkie-Talkies oder Mobiltelefone gekannt, er hätte sie eben hier aufgeführt. In dem mehr als hundert Jahre alten Konflikt um Palästina bringen sie nicht mal eine Atempause. Sie lenken die Aggression nur auf weitere weiche Ziele - auf die Zivilgesellschaft.

Quelle:
Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 1. Aufl. Königsberg 1795, Erster Abschnitt, 6. Präliminar-Artikel für einen Völkerrechtsvertrag, S. 12f; in der Ausgabe der Reclam-Universalbibliothek Nr. 1501 S. 7

 

(2024/62) 20.9.2024
Süddeutsche Zeitung
Nahost; Tomas Avenarius‘ Kommentar „Schattenkrieg, nächste Stufe“ und Moritz Baumstiegers Bericht „Bei Anruf Tod“ (Ausgabe v. 19.9.2024, S. 4 u. 9)

Schattenkrieg? Nun, diese ubiquitär letale Elektronik, die Pager & Co. mit Fernzünder, das ist schon eine disruptive Innovation, die globale Nachahmung herausfordert, gerade gegenüber den soft targets der Zivilgesellschaft. Und die Ressourcen der Gegenseite sind weder intellektuell noch finanziell unterlegen. Für Geld gibt es Hühnermilch, gerade auf der arabischen Halbinsel.

Die Zeche werden wie gesagt am ehesten wir zahlen, die soft targets, im Nahen Osten, aber auch bei den Förderern der einen oder anderen Seite weltweit. Das mag zu künftigen Existenzen in Rüstungen und Wagenburgen führen und zum langsamen Ersterben des Tourismus. 

Ein Vorteil vielleicht: Die klassischen Dystopien des letzten Jahrhunderts von Orwells „1984“ bis zu Wyndhams „Day of the Triffids“, die können wir auf Dauer vom Wunschzettel streichen – es genügt der tägliche Blick in den redaktionellen Teil unserer Medien.

P.S. zum „warum?“ bzw. „warum jetzt?“ im Kommentar:

Eine wesentliche Motivation des Mossad (als eines derzeit wahrscheinlichen Verursachers) dürfte sehr trivial die Sicherung seiner Ressourcen mittels eines frappierenden Coups gewesen sein, in einer Zeit großer politischer Unsicherheit über den mittelfristigen staatlichen Kurs. Vielleicht war es auch – aber das halte ich für weniger naheliegend – eine Art aktive Bewährung nach der breiten öffentlichen Kritik im Gefolge des brutalen Massakers in der israelischen Grenzregion. 

Weitere Anm.: Die Strategien etwa der NASA und des Mossad ähneln sich in gewisser Weise: Die NASA nutzt das höchst unrealistische Leitbild einer Marsbesiedelung, um sich kontinuierlicher öffentlicher Förderung zu versichern. Und ähnlich führt der Mossad das ebenso alte wie irrationale Bild weiter, das schon die historische zionistische Bewegung begleitet hatte: „A land without people for a people without land“. Das, indem er verspricht, die Region für alle Gegner und insbesondere für deren Eliten unbewohnbar zu machen. Was eben zu der bekannten Strategie eines „decapitating“ anleitet. Das kann endlos fortgeführt werden und kann sogar – wenn es wie hier sehr spektakulär gelingt – trotz allen Erschreckens über den dabei verbreiteten Terror noch große Bewunderung erheischen und eine nicht einmal klammheimliche Freude triggern. A sweet problem solved.

 

(2024/61) 20.9.2024
Frankfurter Allgemeine
Nah-Ost; Alexander Hanekes Leitglosse „Ein Coup, der wenig ändert“ in der Ausgabe v. 19.9.2024, S. 1

Ein Coup, der wenig ändert? Das ist etwas tiefgestapelt, vielleicht mit dem Ziel zu de-eskalieren. Tatsächlich war es eher ein kleiner Kondratieff, eine in mehreren Dimensionen disruptive Innovation. Können wir nun wirklich noch unserer Alexa trauen? Unserem Handy? Oder unserem Spurhalte-Assistenten? Und für die Region östlich des Mittelmeers war es ein Bärendienst, mit zeitlich und örtlich nicht begrenzbaren neuen Zivilisationsbrüchen.

Gewinner? Die gibt es, wie immer: Die Hardliner beider Seiten, die vom Sieg über den Endgegner träumen und sich bis dahin an den soft targets austoben. An uns.

 

(2024/60) 19.9.2024
DIE WELT
Nah-Ost; Jacques Schusters Kommentar „Netanjahus Rabauken“ in der Ausgabe v. 19.9.2024, S. 1

Da stimme ich vollständig zu: Der strategische Effekt der Pager-Attacke ist sehr begrenzt – das langfristige Risiko dagegen unabschätzbar. Oder „indiscriminate“, wie bei allen Waffen mit wahlloser Wirkung.

Das Problem ist nicht einmal unser unmittelbar induziertes Misstrauen gegenüber hochtechnisierten Informationsmitteln, dabei übrigens auch: global vernetzter KFZ-Technik. Vielmehr: Es sind die unkontrollierbaren Hass-Sprengsätze in den Köpfen von Hunderttausenden junger Menschen. Wer immer diese hochinnovativen Mechanismen ersonnen und produziert hat, er hat Israel und der ganzen Region einen Bärendienst erwiesen, auf Jahrzehnte.

Allerdings mag genau das am Ende den Hardlinern beider Seiten nutzen, wenn sie vom Armageddon oder Har-Magedon träumen.

 

(2024/59) 11.9.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 12.9.2024 im Internet-Angebot der ZEIT =
https://www.zeit.de/leserbriefe/2024/5-september-2024-ausgabe-nr-38
zum Titelthema „Angst vor dem eigenen Volk?“ in der Ausgabe No. 38 v. 5.9.2024, insbesondere zu dem von Mark Schieritz und Carlotta Wald moderierten Streitgespräch zwischen den Professoren Philip Marlow und Christoph Mölders („Müssen wir die Wähler fürchten?“, S. 9)

Dürfen Mehrheitsentscheidungen alles? Schon im Jahre 2016 hatte die ZEIT auf einer Titelseite bange Zweifel geäußert: „Was, wenn die Falschen gewinnen?“ Allerdings ging es damals um den Brexit, quasi um Übersee.

Jetzt ist alles näher gerückt. Aber ist die Frage denn wirklich richtig gestellt? Impliziert sie nicht ein bekenntnishaftes Verständnis repräsentativer Demokratie, die plötzlich fürchtet, die Geschäfte offen ohne Auftrag führen zu müssen? Weil sie ihre Auftraggeber – die im Falle der Bundesrepublik ja nicht einmal einen contrat social in Form eines Referendums gezeichnet haben – nicht mehr versteht? Wo der Wähler, dieses unbekannte Wesen, und seine potenzielle plebiszitäre Energie schon 1949 und dann wieder 1989 mit großem Argwohn beäugt wurden?

Vielleicht wären Ängste und Schisma abzubauen, wenn der kleine Vertreter dem großen Souverän – seiner plebs – systematisch erlauben und zeigen würde, wie dieser selbst politisch planen kann. Eigentlich hat der Bundestag in dieser Legislaturperiode einen hoffnungsvollen, emanzipatorischen Anfang gewagt – das erste Bürgergutachten auf Bundesebene. Wir lernen so viel in der Schule – warum nicht auch große Demokratie für alle? Je qualifizierter dieser Unterricht, umso angstfreier am Ende.

Quelle etwa:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-buergerrat-buergergutachten-989750

 

(2024/58) 31.8.2024
RGA / Volksbote
Stadtentwicklung; Informationen im Volksboten v. 31.8.2024 (S. 23: „Wie soll die Kirchenkurve aussehen? Die Bürger sind gefragt“)

Es wird kein Kinderspiel sein, unser Bauministerium im kommenden Jahr mit einem erneuten Förderantrag zur Burscheider Altstadt zu überzeugen. Dafür war ja schon sehr viel Geld – ca. drei Millionen Euro – geflossen, Geld, das nun bereits verausgabt bzw. fest verplant ist.

Einen wirksamen Unterschied könnte immerhin ein neues Verfahren machen – ab jetzt betont gemeinsam mit den Bürgern, dann bodennäher und maßvoller zu planen, vielleicht in Form eines Bürgergutachtens, wie es gerade selbst der Bundestag erprobt hat.

P.S.:
Der Projektentwickler ist, wie wir wissen, ein charismatischer Redner und Psychologe, der die Sehnsüchte und Ängste der vom Strukturwandel geplagten kleinen und mittleren Städte, ihrer Verwaltungen und Räte instinktiv aufgreift. Er kann ihnen auch den Erfolg, der nur noch wenige Schritte entfernt zu sein scheint, ähnlich betörend visualisieren wie in dem einfühlsamen „
Moon river“ aus „Breakfast at Tiffaniy’s: „... the rainbow‘s end, waiting round the bend…“. Allerdings wissen wir auch, dass dies nicht garantiert ist, nicht an der Montanusstraße, nicht an der unteren Hauptstraße. Darum: Mitsprechen ist am 5.9. quasi Bürgerpflicht. Wenn’s gut werden soll 😉

 

(2024/57) 28.8.2024
RGA / Volksbote
Stadtentwicklung; Sommerinterview mit Bürgermeister Dirk Runge in der Ausgabe v. 27.4. bzw. zum gleichlautenden Beitrag im Internet-Angebot

Es ist wohl, wie es ist: Die Entwickler sind mit dem Burscheider Entwicklungs- und Handlungskonzept krachend gescheitert. Das schöne Geld ist schon perdu. Und der Ausgangspunkt, gleichzeitig der konsequent im IEHK an allererster Stelle genannte Handlungsschwerpunkt – Sanierung der Altstadt zwischen Markt und Mittelstraße – der ist noch völlig unbearbeitet. Frische Fördermittel? Die sind heute leider sehr, sehr schwer zu ergattern; der Wind bläst wieder rauer.

Ich möchte dazu raten, auf der gerade äußerst hastig einberufenen Bürgerversammlung die Entwickler höflich wieder nach Düsseldorf zu verabschieden. Und nahe bei den Bürger*innen ganz neu aufzubauen, mit einem Bürgergutachten, genauso, wie es jetzt selbst auf Bundesebene gemacht wird. Und mit sehr viel gemeinsamer Zeit.

Quelle etwa:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-buergerrat-buergergutachten-989750

 

(2024/56) 9.9.2024
Kölner Stadt-Anzeiger / Regionalteil Leverkusen, abgedruckt 16.9.2024
Gedenkstätten in Burscheid; Bericht von Violetta Gniß über die Aufwertung des Denkmals für sowjetische Kriegsopfer in Burscheid („Vergessenes Denkmal gerät in den Fokus“, Lokalausgabe Leverkusen v. 9.9.2024, S. 23)

Sehr gut, wenn der Geschichtsverein das weithin unbekannte Kriegsopfer-Denkmal am unteren Friedhofsrand lebhaft in Erinnerung rufen will. Und sehr anerkennenswert, wenn der Vorsitzende Axel Riemscheid dies sogar persönlich fördert. Gut auch, dass die Stadt nun endlich die zum Betriebshof gehörenden Abraum-Mulden beseitigt hat, dort unmittelbar neben der neuen Besucherbank. Der entscheidende Impuls war 2021 aus dem Landesministerium für Heimat und Kommunales gekommen, als man – freilich in einem anderen Zusammenhang – unserer Stadt den gut dotierten Landes-Heimatpreis zuerkannt hatte.

Vermutlich kann man nun aber noch etwas mehr tun. Ergänzend zu einem QR-Code, mit dem gerade die Älteren und die ganz Jungen wenig anfangen können oder wollen, wäre eine niedrigschwellige, unmittelbar lesbare Informationstafel vor Ort sehr hilfreich. Man mag sogar an Übersichtstafeln an den mehreren Zugängen zum Friedhof denken, die die sehr verschiedenen kriegsbezogenen Erinnerungsstätten greifbar machen – den Soldatenfriedhof direkt an der Begräbniskapelle, das Kriegerdenkmal zu den Gefallenen von 1815, 1866 und 1870/71 in der Nähe der Altenberger Straße und eben das Denkmal für Opfer der Zwangsarbeit, am diametral entgegengesetzten Ende des Friedhofs.

Dazu würde ich – wenn nötig – gerne finanziell beitragen, andere täten es sicherlich auch. Und mittelfristig wäre m.E. sogar das  Verlegen des kleinen Obelisken an einen besser belichteten Ort wünschenswert und respektvoll, dann ohne den Betriebshof direkt nebenan. Platz genug haben wir heute und der Aufwand wäre sehr überschaubar.

P.S.:
Ich habe mir die Situation heute vor Ort angesehen, wollte eben auch den QR-Code aufrufen. Leider steht dort tatsächlich nur die im KStAnz abgebildete Bank; ein QR-Code ist dort offenbar noch nicht (dauerhaft) angebracht, auch soweit erkennbar nicht auf der Website des Vereins (
https://www.bgv-burscheid.de). 

Auch ist die heutige Friedhofs-Ausschilderung noch nicht wirklich ausgereift – sie zeigt leider nur das ganz abstrakte Symbol für Kriegsopfer-Stätten und dürfte von sehr vielen zuallererst mit dem hier viel näher gelegenen und bekannteren Soldatenfriedhof verbunden werden. Daher wäre ein sprechender und eben nicht mehr bloß anonymer Hinweis (etwa: "Gedenkstätte für Opfer von Zwangsarbeit") erforderlich, und zwar an allen Zugängen zum Friedhof, auch an dem der Innenstadt zugewandten Tor beim KulturBadehaus. 

Wenn denn Burscheid seine jahrzehntelange Scham tatsächlich tatkräftig überwinden will…

 

(2024/55) 20.8.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Russland/Ukraine; Bericht „Manchmal denke ich, es war eine Halluzination“ von Uli Kreikebaum über sein Gespräch mit German Moyzhes in der Ausgabe v. 20.8.2024, S. 3

Erwartet hätte ich so etwas nicht – der im Ost-West-Deal just ausgetauschte Jurist German Moyzhes empfiehlt uns eine Debatte über Alternativen der heutigen Osteuropa-Politik – und zwar konkret wegen des große Leides, namentlich der vielen Menschenleben, die der Krieg dort tagtäglich fordert. 

Tatsächlich mag man sich fragen: Rechtfertigen die komplexen Ursachen des Konflikts unser unbefristetes „Weiter so, wenn nicht stärker“? Wo nämlich die tausendfachen humanitären Folgen ausschließlich von anderen, von Menschen in der Ferne zu tragen sind? Zumindest ist es der Mühe wert, gut demokratisch über  Alternativen zu debattieren, auch über einen Pfadwechsel, der die wichtige russische Kultur und Zivilgesellschaft nicht wie mit einem Ruck aus Europa hinaus definiert.

 

(2024/54) 18.8.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 24.8.2024
Russland/Ukraine u. Vorfall in Köln-Wahn; Berichte und einem Gastkommentar in den Ausgaben v. 15. u. 16.8.2024 (15.8.2024: Meldung „Sabotageverdacht in Kölner Kaserne – Offenbar Angriff auf Trinkwasser des Fliegerhorsts Wahn – Beteiligung Russlands vermutet“; 16.8.2024: Meldung „Verdacht auf Sabotage nicht erhärtet“; Gastkommentar v. Winfried Böttcher „Irrglaube an die Logik der Abschreckung“)

Der Gastkommentar von Winfried Böttcher „Irrglaube an die Logik der Abschreckung“ in der Ausgabe v. 16.8.2024 ist ein wenig verstörend: Der Mainstream der öffentlichen Meinung besagt nach meinem Eindruck, nur unsere verstärkte Drohung mit Gewaltanwendung könne den aktuellen russisch-ukrainischen Konflikt lösen. Punkt. Aber Böttcher legt sehr nachvollziehbar dar, dass verstärkte Abschreckung hier keineswegs Sicherheit garantieren müsse – und dass gerade eine Demokratie Wert auf den vorherigen Diskurs über Aufrüstung und etwaige Alternativen legen muss.

Ich möchte ihm Recht geben; wir haben uns wohl festgefahren. Die zunächst ungeklärte Begebenheit am Wahner Flughafen vor wenigen Tagen zeigte eine sehr gefährliche Nervosität. Wie in einem bedingten Reflex diente sie praktisch ungefiltert als Beleg für eine neue Stufe hybrider russischer Kriegführung - und dann zum prompten Aufsatteln bei Unverständnis und Misstrauen. Verkürzt könnte es heißen: „Der Mörder ist heute im Zweifel der Russe.“ 

M.E. ist längst überfällig, die bisherige Strategie nüchtern zu debattieren und neue Pfade zu erkunden, ohne eine Eskalation von Drohungen und Risiken. Wenn ein beiläufiges Wort des Kanzlers ausreichen sollte, ggf. schicksalhafte Rüstungsentscheidungen dieser Tragweite zu triggern, dann verraten wir die Geschäftsgrundlage unserer Demokratie und damit unsere Werte.

P.S.:
Meine ausdrückliche Anerkennung, dass der Stadt-Anzeiger auch Positionen wie die von Herrn Böttcher zu Wort kommen lässt – wie schon in seinem sehr nachdenklich stimmenden Kommentar „Die Denkblockade durchbrechen“ in der Ausgabe v. 23.2.2023. Damit fördern Sie dankenswert den Diskurs und eine demokratische politische Willensbildung.

 

(2024/53) 18.8.2024
Frankfurter Allgemeine
Russland/Ukraine u. Vorfall in Köln-Wahn; Leitartikel „Im ungleichen Kampf“ von Reinhard Müller in der Ausgabe v. 16.8.2024, S. 1

Die gesprengte Northstream-Pipeline ließe sich als völkerrechtlich „legitimes Ziel“ betrachten? Ich mag nicht auf dem allerletzten Stand sein, aber das erscheint mir als eine gewagte Interpretation, ohne erkennbares Präjudiz. Das Nämliche hätte bis auf Weiteres für jedes volkswirtschaftlich relevante russische Wirtschaftsgut in internationalen Gewässern, Zonen und Räumen zu gelten – für Waren, Schiffe, Flugzeuge bis hin zu Forschungsstationen, selbst im Orbit. Und nach der „golden rule“ müsste ein solches globales Eingriffsrecht nun in prinzipiell jedem bewaffneten Konflikt weltweit aufgerufen werden können. Wollen wir in einer solchen Welt leben?

Vor wenigen Tagen gerieten ungeklärte Vorkommnisse an einer Kölner Kaserne zum medial breiten Beleg für eine neue Stufe hybrider russischer Kriegführung. Mir scheint allerdings, das hybride Denken nimmt auch von uns galoppierend Besitz. Wie ja seinerzeit die wohlfeile Theorie, Russland selbst habe die Stränge der Northstream-Pipelines gesprengt, quasi als „false-flag-operation“, als perfides Mittel zur allgemeinen Verunsicherung. 

Grob verallgemeinert: „Der Mörder ist heute immer der Russe.“ Für vertrauensbildende Maßnahmen, die wir so dringend brauchen, ist das In-die-Schuhe-Schieben aber wohl die schlechteste Ausgangsbasis.

 

(2024/52) 15.8.2024
RGA / Volksbote
zu Nadja Lehmanns Artikel „“Handel und Einkauf: Was kann Burscheid besser machen?“ (Lokalausgabe Burscheid v. 8.8.2024, S. 23)

Aktuelle Einblicke in die Konsum-Wünsche und Bedarfe am Standort Burscheid? Die wären tatsächlich Gold wert. Und sie sind eine Art konkreter Bürgerbeteiligung. Letztmals wurden die Präferenzen m.E. i.J. 2012 (!) für eine damalige Fortschreibung des Burscheider Einzelhandelskonzepts abgefragt – damals wurden in erster Linie Bekleidungs-Angebote vermisst (35% der Nennungen), mit einigem Abstand dahinter Drogeriewaren (11%) und weit abgeschlagen Lebensmittel und höherwertige Lebensmittel (jeweils 3%).

Noch nützlicher gewesen wären frische belastbare Erkenntnisse freilich schon im Rahmen der Entwurfsplanung für eine „Neue Mitte Montanusstraße“. Immerhin hat aber auch das dort eingeholte Marktgutachten – ohne Befragungen vor Ort – keine ausreichende Nachfrage im Produktbereich „Nahrung & Genussmittel“ prognostizieren können. Es wird interessant sein, im Januar 2025 die verschiedenen Daten und Prognosen untereinander abzugleichen. Für repräsentative Daten wäre nun die engagierte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sehr, sehr wünschenswert!

Anlage / Anm.:
Oben zitierte Fortschreibung des Bu. Einzelhandelskonzepts i.J. 2012; Daten zu den Stand 2012 besonders vermissten Produktgruppen finden sich auf S. 32. Auch dieses Papier gehörte zu den begründenden Unterlagen für die "Zentrumserweiterung Montanusstraße" und war u.a. Anlage der Sitzungsunterlagen für den StEA v. 23.11.2023, dort Anlage 10.

 

(2024/51) 14.8.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 15.8.2024 im Internet-Angebot der ZEIT =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/08/15/8-august-2024-ausgabe-nr-34/
Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen; Beitrag „Frieden schaffen mit Mittelstreckenwaffen“ von Peter Dausend und Tina Hildebrandt in der Ausgabe No. 34 v. 8.8.2024, S. 8

Ein etwas vage gehaltener Artikel, zur erneut geplanten Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen. Die Autoren lassen offen, ob sie denn selbst überrascht wurden: In formeller Hinsicht durch ein plötzliches, sehr dürr gehaltenes Communiqué am Rande (sic!) einer NATO-Tagung – so überrascht wie Friedrich Merz. Oder materiell betrachtet durch einschneidende geopolitische Implikationen, direkt oder später – wie Rolf Mützenich. Der Beitrag fokussiert dann auf eine offenbare Zerrissenheit der SPD. Ich meine indessen herauszuhören, in einer ähnlichen Ambivalenz fänden sich die Autoren selbst. 

Nun, bei aller exekutiven Planungs- und Entscheidungsfreiheit wird sich hoffentlich noch ein Weg finden, eine potenziell schicksalhafte Weichenstellung spätestens vor der Wahl offen zu debattieren. Denn wenn Regierungshandeln durch die stetig zitierte ununterbrochene Legitimationskette demokratisch weithin abgesichert ist, dann bleibt eben nur der Legitimationsprozess – die Wahl – als Garant der Demokratie. 

Auf einen ernstzunehmenden Diskurs hoffe ich. Schwer abfangbare Mittelstreckenwaffen gelten unabhängig vom jeweiligen Gefechtskopf als besonders destabilisierend; das Fragezeichen in der Überschrift scheint mir völlig zu Recht gesetzt.

 

(2024/50) 5.8.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Konjunktur; Sven Clausens Leitartikel „Zeit für ein neues Geschäftsmodell“ (Ausgabe No. 33 v. 3.8.2024, S. 4)

In die Hände spucken, die Bürokratie-Kruste absprengen, das Sozialprodukt boosten und die wohlverdiente Rendite einsammeln? Das mag im Kleinen stimmen, ist auch nicht so ganz neu, setzt aber in jedem Fall die passenden Leitplanken voraus. Als da wären, für eine rohstoffarme Export-Nation: 

Ein Weltmarkt – und kein Handel in zunehmend kleineren abgesicherten Zellstrukturen. Ferner: Der deutsche Goodwill als Vermittler und Makler – und nicht als zuspitzende Partei. Auch: Weniger Militaria produzieren  – sie kosten wegen der im Waffenhandel gängigen Tauschprozesse nicht nur zivile Arbeitsplätze, sondern Arbeitsplätze per saldo, entgegen wohlfeilen Sonntagsreden. Schließlich: Mut zur offenen Konkurrenz, etwa in und mit China.

China ist eben nicht nur Markt, sondern ein sehr intelligenter Benchmark für Zukunftstechnologien. Hinter selbst aufgetürmten Mauern können wir dagegen sehr schnell und dauerhaft den Anschluss verpassen. Und dann wirklich unser Geschäftsmodell einbüßen.

 

(2024/49) 2.8.2024
RGA/Volksbote, abgedruckt 3.8.2024
Zwangsarbeit in Burscheid; Nadja Lehmanns Beitrag „Gedenkstätte: Hinweisschild lenkt zu jenen, die in der Fremde starben“ (Ausgabe v. 20.7.2023, S. 23)

Es ist sehr dankenswert, wenn sich der Bergische Geschichtsverein der Erinnerung an die Opfer der Zwangsarbeit in unserer Stadt annehmen will. Dies war ein düsteres und – der sehr versteckte Standort des Mahnmals zeigt es ja bis heute – lange verdrängtes Kapitel unserer Stadtgeschichte. 

Aber es gab auch kleine Lichtblicke. Aus der Familie des ersten gewählten Nachkriegsbürgermeisters Fritz Mebus ist etwa bekannt: Für die bemitleidenswerten Fremden hat man heimlich Nahrung und Kleidung bereitgelegt, in den Kellerfenstern hinterm Haus. Auch andere haben das wohl gewagt, trotz strenger Kontaktverbote. Vielleicht eignet sich das Thema, dabei auch die wechselvolle Geschichte der mehreren Burscheider Unterkunfts-Baracken, sogar für eine neue Publikation.

Anm.:
Aus Anlass des Artikels habe ich das Mahnmal aktuell aufgesucht. Die zitierte QR-Tafel ist allerdings noch nicht vorhanden. Frau Fechner-Schulz vom Friedhofsamt sagte mir auf Nachfrage, dies werde wohl erst im kommenden Monat im Zusammenhang mit dem Aufstellen einer Sitzbank an der Gedenkstätte realisiert werden; zuständig sei hier ausschließlich der Geschichtsverein. 

Leider ist der Eindruck vor Ort auch insoweit etwas getrübt, als wieder diverse mit Planen abgedeckte Mulden keine 10 m von dem kleinen Obelisken entfernt „geparkt“ sind – Frau Fechner-Schulz will nun prüfen, ob sich dafür nicht doch ein anderer Standort finden lässt, um dem Charakter einer Gedenkstätte besser gerecht zu werden.

 

(2024/48) 30.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Populismus-Vorwurf; zu Markus Deckers Kommentar „Dreist wie immer“ und zu seinem Bericht gemeinsam mit Felix Huesmann „Widerstand gegen Wagenknecht“ in der Ausgabe v. 30.7.2024, S. 4 u. 5

Natürlich kann man Sahra Wagenknecht des dreisten Populismus zeihen. Dann konsequent aber bitte auch Immanuel Kant, wenn er zu Zeiten vieler schlecht erklärter Krieg und ohne jede Scham i.J. 1795 formulierte:

‚Wenn, wie es in dieser [der von Kant empfohlenen republikanischen] Verfassung nicht anders sein kann, die Beystimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, „ob Krieg seyn solle, oder nicht“, so ist nichts natürlicher, als daß, da sie alle Drangsale der Krieges über sich selbst beschließen müssten (als da sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Habe hinzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich läßt, kümmerlich zu verbessern; zum Übermaß des Übels endlich noch eine, den Frieden selbst verbitternde, nie (wegen immer neuer Kriege) zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen, sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen.‘

Zitiert nach Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 1. Auflage Königsberg 1795, S. 23f (Ausriss als Anlage beigefügt). In der etwas anders gegliederten 2. Auflage, die als Band 1501 der Reclam-Universalbibliothek herausgegeben ist, wären es die Seiten 12f. 

Anm.: Nicht klar ist mir, was unser Antonym bzw. die entgegengesetzte Übertreibungsform zum hier und heute gerne verwendeten Schlagwort „Populismus“ sein müsste. Möglicherweise: „Eklektizismus“, „Parlamentarismus“ oder „Elitarismus“ / „Elitismus“. Und Kant möchte sich heute vielleicht doch sehr wundern: Auch in den als Demokratie organisierten Republiken ist die Außen- und Sicherheitspolitik eine abgesonderte, stark rhetorisch geprägte Königsdisziplin geblieben, ähnlich wie bei Kant auf S. 24 beschrieben ("Da hingegen...") – und die auswärtige Gewalt der default value, trotz unerhörter Kriegserfahrungen.

 

(2024/47) 23.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
US-Wahlen; Gastbeitrag von Prof. Klaus Larres „16-Milliarden-Flut nach Deichbruch“ (Ausgabe v. 20.7.2024, S. 4)

Reichtum steuert die Wahlen der führenden westlichen Demokratie. Und normale Bürger haben dort nur minimale Chancen auf ein herausgehobenes politisches Amt. Soweit verstanden – aber wozu sollten wir das wissen?

 

(2024/46) 23.7.2024
DAS PARLAMENT, abgedruckt 10.8.2024
E-Mobilität; Themenheft „Autoland Deutschland“, Beitrag von Mirko Heinemann „Innovationskraft im Gepäck“ (Ausgabe Nr. 30-32 v. 20.7.2024, S. 3)

Trotz bester Gene in Elektrotechnik, Mobilbau und Entwicklung – bei der individuellen Elektromobilität wirken wir plötzlich wie auf dem falschen Fuß erwischt.

Wären denn nicht die Abermillionen Zweitwagen ein genialer Einstieg gewesen? Ca. 90% der jährlichen Familien-Fahrleistung völlig ohne Reichweitenangst, kleine Masse gleich kleiner Fußabdruck, ob in der CO2-Bilanz oder im Parkhaus. Und wohl für per Größenordnung 25 T€ feilzubieten. Aber, ganz im Gegensatz zur Nachkriegszeit – in die kleinen Einheiten passt wohl unser Ego nicht mehr hinein, nicht das der Entwickler, nicht das der Verbraucher. Schade für den Standort, schade für’s Klima!

P.S.
Seit 2 ½ Jahren fahre ich mit völlig ungetrübter Freude einen Dacia Spring, einen komfortabel ausgestatteten Viersitzer von ca. einer Tonne Gewicht mit ca. 200 km Reichweite, mit ausreichendem Gepäckraum und (für Nostalgiker) einem vollgültigen Ersatzrad! Nicht leicht zu bestimmen ist halt die „Nationalität“: Designed by Renault in Frankreich, Marke rumänisch, gebaut bei Dongfeng/Wuhan/China. Ginge das denn nicht auch hier? Anm.: Vielleicht bin ich aber kein ganz repräsentativer Kraftfahrer; habe mit einer Ente angefangen, 16 PS aus 421 ccm, bei 5 Litern Normalbenzin je 100 km. Und ebenfalls sehr viel Freude ;-)

 

(2024/45) 19.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 23.7.2024
Nachrüstung der NATO; Gastbeitrag „Abschreckung sichert Frieden“ von Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister in der Ausgabe v. 19.7.2024, S. 4

Selbstverständlich ist es eine vertretbare Position: Mehr Stärke verspräche mehr Abschreckung, verspräche mehr Sicherheit. Aber Adressat ist hier offenbar eher die Etappe bzw. die Heimatfront. Wir hier sollten „Eskalation“, genauer eigentlich: Eskalations-Gefahr besser nicht in den Mund nehmen. Zumal die just angekündigte Rüstung nur eine – erst durch vorherige Aggression der Gegenseite entstandene – Lücke schlösse, mehr halt nicht.

Für das Stabilisieren einer zu plastisch gewordenen Weltlage scheint mir aber der Versuch viel wichtiger zu sein, sich in das Gegenüber zu versetzen: Das kollektive und sehr vitale Gedächtnis Russlands umfasst mehrere groß angelegte Invasionen von Westen, mit jeweils Millionen Opfern, ein ungebrochenes Heranwachsen des NATO-Territoriums deutlich unter die Mittelstreckendistanz, ferner mehrere destabilisierende Expeditionen von NATO-Staaten out of area in jüngerer Vergangenheit. Und es würde etwa einen NATO-Hafen auf der Krim als Albtraum, aber als heute partout nicht mehr unwahrscheinlich qualifizieren.

In dieser Situation sollten wir ergebnisoffen debattieren und demokratisch entscheiden dürfen: Kann die angekündigte Aufstellung von besonders zielgenauen und schwer abfangbaren Mittelstreckenwaffen die wechselseitigen Besorgnisse eher dämpfen oder weiter aktualisieren? Ist die NATO oder wären nicht vielmehr UN bzw. OSZE die am wenigsten parteiischen Akteure?

 

(2024/44) 12.7.2024
Süddeutsche Zeitung
NATO-Gipfel in Washington; Kommentar „Passt schon“ von Stefan Cornelius und Bericht „Die Lücke in der Abschreckung schließen“ von Paul Anton Krüger in der Ausgabe v. 12.7.2024, S. 4 u. 6

Was mich sehr irritiert: Zwischen 1989 und 2014 habe ich die NATO nicht als Teil von Lösungen in Erinnerung, sondern zu häufig verstrickt in fehlgeschlagene Diversifizierungsversuche, nach dem ersten Ende des Kalten Krieges. Und nach dem Beginn der Osterweiterung i.J. 2002 sehe ich die Allianz eher als zunehmend selbstreferentielles Problem.

Was die Öffentlichkeit gerade sehr unvermittelt erfahren hat, das hat m.E. schon Züge des Doppelbeschlusses des Jahres 1979: Es ist eine noch sehr ungewisse Wette auf mehr oder weniger, aber jedenfalls teure Sicherheit. Und es wurde im erlesenen, nicht öffentlichen Kreis beschlossen, wie ja auch die Ressourcenfragen: 2% oder möglicherweise bald 3% des Bruttosozialprodukts, dann etwa ein Viertel des gegenwärtigen Bundeshaushalts. Gesellschaftliche Diskussion? Vermutlich Fehlanzeige – denn jedenfalls die Debattenkultur der Siebziger dürfte heute keinerlei Parallele haben; selbst Nachhaltigkeitsziele müssten sich heute als nachrangig ergeben. Da hat sich die NATO als resilienter erwiesen, ganz nach den Voraussagen von Cyril Northcote Parkinson.

Quellen zu Parkinsons Gesetz etwa:
https://en.wikipedia.org/wiki/C._Northcote_Parkinson
https://www.panarchy.org/parkinson/parkinsonlaw.html
https://www.usni.org/magazines/naval-history-magazine/1994/december-1/challenging-parkinsons-law

 

(2024/43) 12.7.2024
DIE WELT
NATO-Gipfel in Washington; Beiträge „NATO verstärkt Abschreckung gegen Russland“ von Stefanie Bolzen et al., “Zurück im Kalten Krieg“ von Clemens Wergin und „Neue US-Raketen für Deutschland“ von Gerhard Hegmann in der Ausgabe v. 12.7.2024, S. 1 u. 5

Das Argument ist wohlbekannt: Defensive Systeme sind schon aus Kostengründen durch offensive zu ergänzen, um eine flächendeckende Sicherung anzunähern. Allerdings können die jetzt angedeuteten besonders beweglichen, weiter reichenden und nur noch sehr eingeschränkt abwehrfähigen Waffen die Besorgnisse der Gegenseite maximieren. Ihre "nur konventionellen" Nutzlasten signalisieren dabei keine Entspannung, eher im Gegenteil, wegen ihrer anerkannt niedrigeren Hemmschwelle – denn ob eine Zielgruppe nun durch eine chemische oder eine thermonukleare Explosion ins Jenseits befördert würde, das könnte ihr am Ende recht egal sein.

Ich verstehe einen demokratischen Staat aber so: Ein signifikantes Eskalations-Risiko und das dabei annehmlich gemachte Mehr oder Weniger an Sicherheit sollte man nüchtern und offen diskutieren. Dies sollte nicht kleinen Kreisen von potenziell Interessierten vorbehalten bleiben. Wir bezahlen und wir haben die Folgen zu erdulden.

 

(2024/42) 12.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
NATO-Gipfel in Washington; Beitrag „Die Stärke der glorreichen 32“ von Kristina Dunz und Kommentar „Vitaler und stärker denn je“ von Matthias Koch in der Ausgabe v. 12.7.2024, S. 2 u. 4

Kein Zweifel: Die NATO triumphiert. Aber der Jubel bleibt mir im Halse stecken. Warum? Ein kleiner Rückblick: Das Bündnis hatte 1989 seine Gründungsaufgabe verloren, hatte sich sogleich „out of area“ völlig neu aufgestellt. Mit scharfem Schuss, präventiv, mit einem räumlich, sachlich und zeitlich erweiterten Verteidigungsbegriff. Danach ist der Nahe und Mittlere Osten deutlich instabiler als zuvor und der Ferne Osten – auch wegen der versehentlichen Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad – aufgestörter. Nachhaltige Aktiva stehen mir dagegen nicht vor Augen.

Nun aber hat eine noch merklich weiter vorgerückte NATO sogar ihr Feindbild im Osten zurück. Im Grunde hat sie das Gesetz von Cyril Northcote Parkinson zum zähen Überlebenswillen von Institutionen mit einer doppelten Volte doppelt bestätigt: „Was schert mich meine bisherige Aufgabe? Ich wachse auch so.“ Und ich wage einzuordnen: Die NATO ist nicht unsere – oder gar der Welt – Lösung. Sie ist das Problem.

 

(2024/41) 6.7.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wehrpflicht für Frauen; Artikel „Debatte über Frauen-Wehrpflicht“ von Hendrik Geisler und Kommentar „Wehrpflicht für Frauen? Ja, aber“ von Markus Decker in der Ausgabe v. 5.7.2024, S. 1 u. 4

Es wäre eine gewisse Pointe: Für einen künftigen Wehrdienst der Frauen würde das Grundgesetz nach allen Regeln der Kunst geändert. Aber die viel grundlegendere Frage – wofür genau soll die Bundeswehr dienen und in welche Grundrechte Dritter darf sie dabei eingreifen? – das bliebe weiterhin außerhalb des Hauptbuchs der Nation. Ein wenig dazu fände man ggf. im sogenannten Streitkräftebeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1994 oder im Parlamentsbeteiligungsgesetz 2005.

Rechtsstaat, so habe ich es jedenfalls einmal gelernt, geht allerdings anders, nämlich mit mehr Beteiligung des demokratischen Publikums und nach den Maßstäben von Artikel 19 Absatz 1 unseres Grundgesetzes. Der immerhin einmal als unsere zentrale Lehre aus dem Ermächtigungsgesetz von 1933 galt.

P.S.:
Grundsätzlich könnte der zwischenzeitliche BND-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 19.5.2020 (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/rs20200519_1bvr283517.html) ja als Maßstab für ein mit Art. 19 GG kompatibles neues Streitkräfte-Aufgaben-Gesetz dienen. Zumindest hat bisher mir noch niemand erklären können: Warum sollten Ausländer im Ausland weniger effizient gegen unseren „scharfen Schuss“ geschützt sein – und damit weniger gegen unseren Eingriff in ihr Höchstrecht – als gegen unsere Abhörmaßnahmen. Das Abhören oder Briefe-Lesen kann man immerhin gut überleben.

 

(2024/40) 5.7.2024
RGA / Volksbote, abgedruckt 6.7.2024
Konsequenzen der Unterbrechung der Balkantrasse; Beiträge „Hauptstraße: BfB will mehr Parkplätze“ (Nadja Lehmann, Volksbote v. 3.7.2024, S. 23) und „Diese Baustellen bremsen Radfahrer auf der Balkantrasse aus“ (Guido Radtke, Volksbote v. 21.6.2024, S. 25)

Die ärgerlichen Radweg-Hindernisse und die Parkraum-Not in der Mitte Burscheids haben die nämliche Ursache – die selbst für die Verwaltung wohl noch unkalkulierbare Unterbrechung der Balkantrasse zur Realisierung einer „Neuen Mitte“ an der Montanusstraße. Einiges spricht dafür, jetzt die Trasse zumindest provisorisch wieder für den Fuß- und Radverkehr gangbar zu machen. Und damit die Barrikaden und auch die Sperrung des Parkraums auf der Hauptstraßenbrücke aufzugeben.

Immerhin qualifizieren sowohl das städtische als auch das interkommunale Entwicklungskonzept (IEHK Bu. 2025 u. IKEHK Burscheid/Wermelskirchen 2030) und ebenso der brandneue Kulturentwicklungsplan für Burscheid und Wermelskirchen (KEP) die Trasse als eine sehr wichtige, ja noch weiter zu aktivierende Infrastruktur. Dieses Plus sollten wir ohne Schwellen nutzen, dürfen genau das nicht auf einen Sanktnimmerleinstag vertagen. Insbesondere sollten wir keine weiteren Besucher vergraulen, mit einer äußerst sinnwidrigen und sehr familienunfreundlichen Umleitung.

Quellen

IEHK / Integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid 2025:
https://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/IEHK/IEHK_2025_Konzept.pdf, siehe insbesondere S. 94, 118, 149

IKEHK / Interkommunales Integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid-Wermelskirchen 2030:
https://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/Bauen_und_Planen/Burscheid_2025-IEHK/IKEHK/IKEHK_Burscheid_Wermelskirchen_2030_FINAL.pdf, siehe ausführlich S. 92ff

KEP / Interkommunaler Kulturentwicklungsplan Burscheid-Wermelskirchen:
https://kulturverbunden.net/wp-content/uploads/2024/05/Kulturentwicklungsplan.pdf, siehe S. 10, 18f, 32, 44, konkrete Maßnahmen auf S. 104, 108/114 u. 118

 

(2024/39) 26.6.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 27.6.2024 im Internet-Angebot der ZEIT =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/06/27/20-juni-2024-ausgabe-nr-27/
Debatte um Wissenschaftsfreiheit; Anna-Lena Scholz und Martin Spiewak "Gefährdet diese Ministerin die Freiheit der Wissenschaft? ..." (ZEIT No. 27 v. 20.6.2024, S. 31)

Nein, für einen Nahost-Deutungsstreit oder für das vielfältige im Beitrag zitierte Grummeln, dafür kann vermutlich weder die Ministerin noch die von ihr vertretene Partei. Alles das ist eher Wetterleuchten einer größeren Wende unserer Republik, einer Wende, die nun Verteilungsängste und Verteilungskämpfe triggert. 

Noch vor wenigen Jahren konnte der einmal als BMAt gestartete, kräftigere Arm des BMBF seine nukleare Haut fast vollständig abstreifen - ohne erkennbare Folgen für das Portefeuille, für die fast noch einmal so kopfstarke Projektträger-Landschaft und sogar für das Hochgebirge der Großforschungszentren, die einmal gemeinsam für das "gute Atom" unterwegs waren. Cyril Northcote Parkinson muss sich im Himmel auf die Schulter geklopft haben!

Freudig hatte man sich zu Zeiten gerühmt: Es "komme schon schwer, einer BMFT- (später: BMBF)- Förderung zu entwischen". Das "vorwärts immer" hat sich mit neuen politischen Prioritäten aber nun nicht nur inkrementell, sondern gründlich und disruptiv geändert. Dabei wird der eher als feminin wahrgenommene Bildungsteil gegenüber dem eher maskulinen Technologen-Part - der halt auch mit sehr viel stabiler institutioneller Förderung und sogar mit ein wenig Verteidigungsforschung aufwarten kann - heute die deutlich schlechteren Karten haben. 

Die Nervosität mag daher noch zunehmen. Viel verständnisvolle Fürsprache wäre nötig, auch der Hinweis: Bildung, Lernprozesse und Übersetzung führen typischerweise schneller zum Frieden und zu mehr Handel und Wandel als mehr und bessere Technik.

 

(2024/38) 23.6.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 27.6.2024 im Internet-Angebot der ZEIT =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/06/27/20-juni-2024-ausgabe-nr-27/
EU-Wahlverhalten der Jungwähler; Beiträge "Schminken, tanzen, hassen" von Maria Mitrov, Martin Spiewak u. Carlotta Wald und "Plötzlich alt" v. Jana Hensel

Die Jugend unstet? Nicht zu orten? Na wunderbar! Vielleicht ist der parlamentarische Bezugspunkt inzwischen zu repräsentativ geworden, zu selbstgenügsam, zu stabil durchgesintert. Vielleicht ist gar nicht das Mandat, die Lobby, das Bewahren des Bewährten das Höchste der Gefühle. Sondern die Initiative ad hoc. Lass' den Nachwuchs doch politisch löten, schrauben, feilen, auch manches verbauen! Wie es die Schweizer so halten, sehr lange und sehr erfolgreich. An deren schönem Genfer See campe ich gerade. Und studiere die Schweiz-Ausgabe der ZEIT, völlig sine ira et studio.

P.S. ein Beispiel, das man sich hier erzählt. Von dem wir m.E. derzeit am besten lernen können, dass Demokratie kein Etablissement ist, sondern eine Aufführung. 

Das pädagogisch wertvolle Exempel ist die (mehrfache) Volksabstimmung über die Schweizer Bundesarmee: "Völlig zwecklos!" hieß es vorher, eher könne man "im Vatikanstaat den Papst zur Disposition stellen" als die noch tiefer geheiligte Institution Bundesarmee. Aber das Quorum wurde erreicht und der Abstimmungsprozess lief an. Über mehrere Wochen diskutierte man in Wirtshäusern, Bahnen und Zügen, am Küchentisch oder gar noch im Bett über Aufgaben und Etat des Militär. Und darüber hatte sich - bei Jung und Alt und in allen sozialen und politischen Spektren - eine breite Professionalisierung "ereignet". Man war dabei und konnte nun auch mitreden. 

Die Armee gibt's noch. Odr? Aber mit einer durchleuchteten Struktur und mit enger geschneidertem Etatansatz. "Gut, dass wir darüber geredet - und gepostet - hatten!"

 

(2024/37) 17.6.2024
Süddeutsche Zeitung
Ukraine-Gipfel in der Schweiz; Kommentar „Ein zartes Gewächs“ von Daniel Brössler (Ausgabe v. 17.6.2024, S. 4)

Das ist das Leidige an so vielen Gipfeln, die im Voraus als schicksalhaft beworben werden, ob zur Rettung der Umwelt oder gar der ganzen Welt: Es soll Bilder geben und Statements und Überschriften. Und das alles gibt es dann auch. Nur sind dies Standfotos und Textbausteine. An und in der Wirklichkeit hat sich nichts und niemand bewegt. Auch die menschenfressende Toxizität des Konflikts ist unverändert. Jeder Tote vergiftet diese von wachsenden Gezeitenkräften geprägte Überschneidungsfläche weiter – mit ihren prägenden ethnischen, sprachlichen und ökonomischen Gradienten. Was soll ein zartes Kraut da heute heilen? 

Ein Gipfel geht auseinander und Menschen, die einander äußerlich sehr ähneln, werden weiter zu Zehntausenden sterben.

 

(2024/36) 9.6.2024
Das Parlament, abgedruckt 15.6.2024
EU-Wahl 2024; zu Thomas Gutschkers Beitrag „Neue Prioritäten“ in der Ausgabe Nr. 24 v. 8.6.2024, S. 3

Rechtzeitig vor der EU-Wahl lag das aktuelle „Parlament“ im Briefkasten. Soweit, so gut. Nur Thomas Gutschkers Beitrag „Neue Prioritäten“ hätte mich dann fast noch vom Wahlgang abgehalten, insbesondere die Titel-Unterzeile: „Verteidigung und Sicherheit rücken ins Zentrum, der Green Deal soll nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit gehen“. Nichts davon entspricht für mich einem weltoffenen, nachhaltigen, zukunftsfähigen und vital vernetzten Europa. Gewählt habe ich natürlich, im Vertrauen auf einen günstigeren Verlauf.

Unbestritten stehen direkte Demokratie und insbesondere eine intensive Bürgerbeteiligung in einem Zielkonflikt zu Struktur und Historie der Union. Das erklärt auch arge Unsicherheiten der Wählerinnen und Wähler, wie sie sich in verlässlich wachsender Nutzung eines Wahl-O-Mat offenbaren. Vielleicht kann man die Ebene der Wähler*innen und den EU-Leitbildprozess künftig besser verzahnen, wenn man in gehörigem Abstand vor der Wahl eine repräsentative Befragung zum Entwurf der jeweils neuen Strategischen Agenda durchführt. Und das Ergebnis ubiquitär veröffentlicht.

Quelle etwa:
https://www.consilium.europa.eu/de/policies/strategic-agenda-2024-2029/

 

(2024/35) 25.5.2024
RGA / Volksbote
Klimaschutz; Nadja Lehmann: „So könnte Burscheid dem Hitzestress trotzen“ (Ausgabe v. 25.5.2025, S. 23):

Der erste Eindruck im Besprechungsraum dort oben im Spitzboden des Rathauses: Heiß und drämmig hier; spätestens im Juli werden dort nur besonders Hartgesottene verhandeln können. Aber die Bürgerinnen und Bürger wurden dort im Rahmen der Einwohnerfragestunde sehr offen aufgenommen. Zweierlei ist aus meiner Sicht besonders erinnernswert:

Die Stadtverwaltung hat sich am Dienstag ein wenig arg verkleinert, wenn sie sagte: „Bauherren haben Anspruch, bauen zu können“. Meines Erachtens haben die Planungen – etwa zur Zentrumserweiterung Montanusstraße“ – sehr wohl einen aktiven Gestaltungsanspruch und -beitrag der Stadt vorausgesetzt: Die Kommune hat mit großen eigenen Anstrengungen für einen Investor Quartier gemacht. Und das, wie im Ausschuss angemerkt wurde, bereits seit geraumer Zeit. Umso mehr Anlass besteht, diese ältere Idee nüchtern an den neueren Erkenntnissen zur Entwicklung unseres Stadtklimas zu messen und ggf. nachzusteuern.

Ferner wurde im Ausschuss eingeworfen: Gerade eine verdichtete Bauweise in der Innenstadt sei politisches Ziel gewesen. Dann aber steht zu prüfen an: Verträgt sich ein solches Leitbild denn noch mit den schlüssigen Empfehlungen des Gutachter-Büros, Versiegelungen zurückzuführen und anstelle kompakter Bebauung mehr Luftschneisen zu favorisieren?

Gut, dass der Ausschuss am Ende einmütig beschlossen hat, Fragen der Bürgerinnen und Bürger in einer besonderen Informationsveranstaltung zu beantworten. Denn auch die Bürgerschaft wird beim Hitzeschutz aktiv mitwirken müssen.

Wortlaut des Burscheider Klimaaktionsplans unter:
https://sessionnet.krz.de/burscheid/bi/getfile.asp?id=21158&type=do

 

(2024/34) 14.5.2024
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 18.5.2024, s. auch
https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/briefe-an-die-herausgeber-vom-18-mai-2024-19726689.html
Wehrdienst; Berthold Kohlers Leitkommentar „Die Wiedergeburt der Wehrpflicht" (Ausgabe v. 10.5.2024, S. 1)

Die Idee einer Wiedergeburt der Wehrpflicht ist sicher einem neuen Gefühl der existenziellen Bedrohung aus dem Osten geschuldet – auch das eine Renaissance. Aber das neue Denken ist hier ebenfalls Funktion großer Hoffnungen, die nach 1989 mehr und mehr enttäuscht wurden: Zu Beginn der Neunziger hat sich die Bundeswehr auftragsgemäß massiv gewandelt, zu einem weltweiten und bereits präventiv antretenden Akteur. Man mag darüber rätseln, ob wir in dieser Phase die Herausgeforderten waren oder vielleicht eher die Herausforderer. Strucks revolutionäres, aber kaum so empfundenes Diktum von der „Verteidigung auch am Hindukusch“ war jedenfalls von Anfang an kein gutes Vorbild für die weltweite Anwendung des kategorischen Imperativs oder der „golden rule“ auf unser Beispiel.

Die damals zu schützenden, räumlich und zeitlich stark erweiterten Interessen standen von Anfang an im Gegensatz zur Wehrpflicht: Die Heimat gegen einen gegenwärtigen militärischen Angriff zu verteidigen – das war die anerkannte Berufung des „Bürgers in Uniform“. Nicht etwa die robuste Vorsorge zur stetigen Versorgung mit Rohstoffen, der bewaffnete Schutz von fernen Minderheiten oder Menschenrechten. Weswegen es in einer bestimmten Phase der Republik leichter fiel und ganz schlüssig wurde, nicht auch noch mit Wehrpflichtigen planen zu müssen. Wehrpflichtigen, die sich im entscheidenden Moment absentieren könnten.

Insbesondere der Hindukusch hat die neuen Skizzen, Prioritäten und Investitionen nicht gedankt, dann mehrfach nicht Somalia oder Mali. Die frustrierenden Lerneinheiten haben gedanklich den Weg geebnet; die erneut im Osten geortete Bedrohung hat es vollendet: Wehren und sich wehren können ist das aktuelle Gebot. Kant offeriert in seinem unsterblichen „Ewigen Frieden“ sogar noch eine griffige Begründung für die Wehrpflicht: Wenn er nämlich ein wenig ironisch den „Kampf der Häuptlinge“ favorisiert, damit die Gewalt-hemmende Wirkung unmittelbarer Rückkopplung zwischen Plan und Schmerz lobt. Und damit auch das Volksheer gegenüber der Berufsarmee. 

Allerdings hat Kant an gleicher Stelle – und ebenfalls wegen des hemmenden Effekts – dringend dazu geraten, die Bürgerinnen und Bürger in den Dingen von Krieg und Frieden zu beteiligen. Diejenigen nämlich, die die kümmerlichen Lasten der Kriege zu tragen und zu ertragen hätten. Darum möchte ich den Parteien ans Herz legen, ihre Vorstellungen von den Aufgaben der Bundeswehr und ihrer besten Organisation nunmehr am demokratisch vorgesehenen Platz auszutragen - bei den Wahlen. Nicht so schnell wie möglich. Denn auch das beredte Schweigen unserer Außen- und Sicherheitspolitiker haben wir wiederholt ertragen, ohne befriedigendes Ergebnis.

Quellen etwa:

Die zitierten Kant-Stellen beziehen sich auf die Erstauflage des „Ewigen Friedens“, Königsberg 1795, dort auf S. 9 u. Fußnote daselbst („“So antwortete ein bulgarischer Fürst…“) und auf S. 23f („Wenn [wie es in dieser Verfassung nicht anders sein kann] die Beystimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, …“). In der Reclam-Universal-Bibliothek Nr. 1501 (2. Aufl. Königsberg 1796) wären es die Seiten 12f und 17; dort inhaltlich gleichlautend; lediglich ist der Text der 2. Auflage ein wenig anders angeordnet.

Eine hervorragend belegte Darstellung des Verhältnisses erweiterter Aufgaben der Bundeswehr zur Wehrpflicht findet sich etwa in der Abhandlung von Markus Winkler „Die Reichweite der allgemeinen Wehrpflicht“, NVwZ 1993, S. 1151-1157

 

(2024/33) 8.5.2024
Kölner Stadt-Anzeiger Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 13.5.2024
Behandlung des "Tages der Städtebauförderung" in den Ausgaben vom 30.4. und 6.5.2024 (Ralf Krieger, „Bürger können sich für Wiesdorf was wünschen“, Ausg. v. 30.4. S. 21; Niklas Pinner, „Was sich Leverkusener für Wiesdorf wünschen“, Ausg. v. 6.5.2024. S. 21)

Am Samstag hat die Verwaltung in Wiesdorf eine interessante Schnittstelle für die Prioritäten von Bürger*innen aufgemacht – i.R.d. bundesweiten "Tages der Städtebauförderung". Die Stehgreif-Illustration des vielfältigen Inputs hat das nochmals bereichert und einen vitalen Dialog aktiviert.

Aber da ist ein Wermutstropfen, er zeigt sich im leicht selbstanpreisenden Namen des Tages: Dahinter steht eine massive Förderstruktur und sie bedient auch sehr exklusive Ziele: Wirtschaftsförderung für den politisch gut vernetzten Bau-Sektor etwa und für die hochmoderne Spezies der Projektentwickler, sie verschafft aber auch das nötige Spielgeld für Politiker, die ohne derartige Mittel vielleicht weniger zu tun und am Ende nichts Schickes vorzuweisen hätten. Weswegen etwa der Bund der Steuerzahler diese über Jahre üppig sprudelnde Förderquelle kritisch sieht. 

Besser wäre, man würde die so smart und berechenbar zentral gesteuerten Ressourcen wieder in die Kommunen leiten, würde die dortigen Planungsstäbe entschlossen ertüchtigen und würde viele Bürger*innen in Planungszellen höchstpersönlich recherchieren und planen lassen – würde damit viele Betroffene auf Augenhöhe professionalisieren. Da käme doch nichts raus, ohne die gewöhnlich verdächtigen Experten? Ganz im Gegenteil, sagen die Erfahrungen derer, die schon mehr ortsnahe Demokratie wagen. Und diesen schönen Tag, den könnte man flugs in den „Tag des Städtebaus“ umtaufen.

Quelle etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Planungszelle

 

(2024/32) 7.5.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
China und Serbien; Matthais Koch „Xi in Europa: Teilen und herrschen“ (Ausgabe v. 6.5.2024, S. 2)

Nüchternes Gedenken an die „versehentliche Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad“ wäre unserer Mühe durchaus wert. Ob es damals nun fehlgeleitete oder durchaus gezielte, für dieses Ziel besonders geeignete und in diesem Sinne erfolgreiche Bomben war, darüber scheiden sich bis heute die Geister. Unbestritten ist, dass das stark verbunkerte Kommunikationszentrum der chinesischen Botschaft nicht von „einem“ Projektil gesprengt wurde, sondern von fünf GPS-gelenkten JDAM-Bomben von jeweils einer Tonne Gewicht.

Lassen wir die Entschuldigung mit veralteten CIA-Karten einmal gelten. Exkurs: Bitte gebt der Agency mehr Geld für die neuen Auflagen! Exkurs Ende. Dann hätte eine äußerst schludrige Handhabung sehr tödlicher Waffen hier zumindest dazu beigetragen, den heute sehr geläufigen, schulterzuckenden Begriff „collateral damage“ einzuüben. Neben den sehr vielen Opfern der Operation Allied Force unter serbischen, slawischen Zivilisten. Dies übrigens schon – und deutlich früher als in Kiew – in einer osteuropäischen Hauptstadt.

Historisch relevanter: Der einschneidende Einfluss dieses Vorfalls auf eine chinesische Sicherheitsdoktrin, die sich auf künftige Spannungen explizit vorbereitet, kann gar nicht überschätzt werden. Aus dortiger Perspektive war OAF unzweideutig ebenfalls eine konditionierende „Zeitenwende“. Auch wir, das sollten wir zähneknirschend einräumen, sind bisweilen nicht die Herausgeforderten, sondern die Herausforderer – etwa mit einer abendländischen Strategie: „Teilen und herrschen in Jugoslawien, auch robust".

Quellen etwa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bombardierung_der_chinesischen_Botschaft_in_Belgrad
https://de.wikipedia.org/wiki/US-amerikanisches_Bombardement_der_chinesischen_Botschaft_in_Belgrad
https://www.spiegel.de/politik/ausland/britische-presse-nato-griff-chinas-botschaft-in-belgrad-absichtlich-an-a-47289.html

 

(2024/31) 25.4.2024
RGA / Volksbote
Bürgermeisterwahl 2025; Artikel „Bündnis für Burscheid spricht sich für Dirk Runge aus“ u. Kommentar „Für Visionen sind die Politiker zuständig“ von Nadja Lehmann (Ausgabe v. 20.4.2024, S. 23)

Ein Hut liegt im Ring. Ein sehr respektabler Hut zudem, mit der ganzen administrativen Erfahrung des Amtsinhabers dahinter.

Kann es dabei bleiben? Keinesfalls; die Wählerinnen und Wähler dürfen von jeder Ratspartei mit demokratischem Gestaltungsanspruch eine eigene Bürgermeister-Kandidatin oder einen Kandidaten erwarten. Sonst würde es beim Urnengang im Herbst 2025 gleich wieder heißen: „Heute wird gewählt. Gewählt wird…“ Dergleichen haben wir etwa bei den Volkskammerwahlen vor 1989 noch als abgekartetes Schmierentheater kritisiert – „Blockparteien halt!“

Also: Unterscheidbare Persönlichkeiten und Programme sind gefragt und ein zünftiger Wettbewerb. Oder: ein attraktiver Wahlkampf, der i.J. 2025 mehr als 25% der Bürgerinnen und Bürger mobilisiert, gerne auch mit konkurrierenden Zielen, Prioritäten und Visionen. Das macht mehr Arbeit, klar, aber auch mehr Spaß.

 

(2024/30) 25.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 8.5.2024
Bürgermeisterwahl 2025; Artikel von Thomas Käding: „Bündnis unterstützt Dirk Runge“ (Ausgabe v. 24.4.2024, S. 24)

Gar kein Zweifel: Der Amtsinhaber wäre eine gute Wahl – sachkundig, nachdenklich, vertrauenerweckend. Aber unsere Ratsparteien schulden uns jeweils eigene profilierte Kandidatinnen und Kandidaten, für unser gutes Geld. Sonst bekämen wir nur einen schmalen Einheitsbrei. Wie bei den Blockparteien vor 1989, und viele Wählerinnen und Wähler müssten mit Gewalt zu den Urnen getrieben werden. Also: Da geht ganz sicher noch was!

 

(2024/29) 10.4.2024
Süddeutsche Zeitung, abgedruckt 30.4.2024
Kriminalstatistik; „Mehr Straftaten und mehr Gewalt“ von Ayça Balcı, Henriette Roßbach und Constanze von Bullion (Ausgabe v. 10.4.2024, S. 4)

Danke für den besonderen Hinweis: Nach den vorliegenden Daten sind die meisten Opfer der Straftaten von Nichtdeutschen wiederum Ausländer. Das macht Lösungen aktuell schwieriger denn je: Die Nähe von Migranten aus einander teils brüsk ablehnenden Ländern oder Gruppen triggert sehr effizient Diskriminierungs-, Konflikt- und Gewalt-Anlässe.

Darum werden auch wir deutlich mehr in ein aufmerksames und friedliches Zusammenleben investieren müssen, gerade in der politischen und medialen Sprache. Diese Sprache muss Feindbilder ad absurdum führen; sie darf sie nicht selbstgerecht und eigennützig verstärken.

P.S.:
Etwa das genaue Gegenteil leistete ein Mottowagen des Kölner Karnevals i.J. 2023. Er leitete besondere Aufmerksamkeit daraus ab, Putin als blutrührenden Nosferatu zu präsentieren, bezeichnenderweise mit den (bereits verlässlich negativ hinterlegten) Zeichen der Sowjetunion auf der Brust.

 

(2024/28) 10.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 23.4.2024
Ausländer-Kriminalität; afp-Meldung „Faeser will Abschiebungen beschleunigen“, Kommentar „Problem erkannt, aber nicht gelöst“ von Eva Quadbeck und Steven Geyers Bericht „Mehr Kriminalität durch Ausländer?“ (Ausgabe v. 10.4.2024, S. 1, 4 u. 6)

Der gute Teil der Nachricht: Kriminalität wird nüchtern als gesellschaftliche Erkrankung begriffen, als Problemlage aus Unterprivilegierung und gewaltsamer Teilhabe. Und nicht als quasi angeborener Makel von Fremden.

Der schlechte Teil: Die zugrundeliegende, zu einer schwierigen Anpassung zwingende Migration geht zu einem wesentlichen Anteil auf unser eigenes Konto, durch selbst verursachten Wanderungs-Sog und Wanderungs-Druck. Sei es, dass wir zum ökonomischen Nutzen in großen Zahlen „Gast“-Arbeit eingeworben haben und wieder einwerben. Sei es, dass wir in den letzten dreißig Jahren durch - zu häufig frustrierte - militärische Einsätze zur Destabilisierung ganzer Regionen beigetragen haben, im Nahen und Mittleren Osten, aber gerade auch auf dem Balkan.

Die naheliegende leichte Übung ist, die nun Auffälligen zu verjagen. Das anspruchsvollere und seit Jahrzehnten ungelöste Problem ist die brüderliche, aber aufmerksame Aufnahme einer komplexen und teilweise brisanten Mischung.

 

(2024/27) 3.4.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht 4.4.2024 im Internet-Angebot der Zeit =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/04/04/27-maerz-2024-ausgabe-nr-14/
Russland heute; Leitartikel „Sieg der Gewalt“ von Jörg Lau in der Ausgabe No. 14 v. 27.3.2024, S. 1

Bei der trefflichen Suade gegen Putins Russland und Russlands Putin fehlt m.E. noch ein winziges Detail: Dass der Westen etwa i.J. 1979 den Russen tatsächlich Tod und Teufel auf den Leib gehetzt hat. Zumindest hat sich Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski noch im Januar 1998 gegenüber dem Pariser Nouvel Observateur höchst befriedigt darüber geäußert, die Russen in die afghanische Bärenfalle gelockt zu haben. Als der Interviewer entgeistert nachhörte, ob er damit nicht den islamistischen Terror genährt habe, retournierte Brzezinski mit dem Brustton der Überzeugung:

„Qu’est-ce qui est le plus important au regard de l’histoire du monde? Les talibans ou la chute de l’empire soviétique? Quelques excités islamistes ou la libération de l’Europe centrale et la fin de la guerre froide?“

Warum sollten die Russen annehmen, die Amerikaner würden für ein vermeintlich lohnendes Ziel hier und heute weniger über die Bande spielen?

Quellen etwa:
Zum Interview des Pariser Nouvel Observateur vom Januar 1998 Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski siehe m.w.N. etwa
http://uliswahlblog.blogspot.com/2013/08/isaf-und-der-3-juli-1979.html, interessant ferner die „Operation Sommerregen“, bei der ab Mitte der Achtziger Jahre namentlich der BND vertrauensvoll mit afghanischen Gotteskämpfern kooperierte, gegen die Sowjetunion und offenbar außerhalb des GG: https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Sommerregen_(Bundesnachrichtendienst) 

 

(2024/26) 3.4.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht 4.4.2024 im Internet-Angebot der Zeit =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/04/04/27-maerz-2024-ausgabe-nr-14/
Ostern und das Ich; Titelthema „Kann der Mensch sich ändern?“, speziell Beitrag „Ich, nur besser“ von Johanna Haberer und Sabine Rückert in der Ausgabe No. 14 v. 27.3.2024, S. 11ff

Was, wenn es gar kein stabiles Ich gäbe, keine einige Seele? Sondern nur eine mühsam durch Daten aus Ausweisen, Zeugnissen und Grabsteinen zusammengeschusterte Identität? Wenn wir alle notorische Schauspieler wären, wie die Bonobos oder die Raben? Oder wenn multiple Persönlichkeiten gar nichts so Besonderes wären? Möglicherweise könnten wir viel öfter aus der Rolle fallen oder die Rollen tauschen, dürfen es aber nicht.

 

(2024/25) 2.4.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalausgabe Leverkusen
Kriegsopfer-Gedenken; Thomas Käding: „Die Gedenkstätte liegt in der Anonymität“ (Lokalausgabe Leverkusen v. 30.3.2024, S. 35)

Eine Ergänzung zu Thomas Kädings Artikel „Die Gedenkstätte liegt in der Anonymität“: Dass die Gedenkstätte für sowjetische Opfer des Zweiten Weltkriegs verwahrlost wäre, ist eigentlich nicht das Problem. Tatsächlich kümmert sich seit Jahrzehnten die Frauen-Union regelmäßig und aktiv darum, den gegebenen Stand zu erhalten. Das Problem ist allerdings, und darauf hatte das Landes-Heimatministerium i.J. 2021 unseren Geschichtsverein aufmerksam gemacht: Rein gar nichts lädt hier zum Verweilen, Nachdenken oder Gedenken ein.

Was also tun? An der sehr versteckten, selbst alten Burscheidern zumeist unbekannten Lage des kleinen schwarzen Obelisken, da wird man realistischerweise gar nichts ändern können. Aber die Aufnahme in den Burscheider Denkmalpfad läge nahe, ferner eine gut sichtbare, sprechende Wegweisung. Und, wie es der Artikel weiter vorschlägt, eine niedrigschwellige Erläuterung zu den Opfern, derer man hier gedenken kann. Denn Name, Geschlecht, Alter, Geburtsort und sogar die Todesursache waren damals penibel festgehalten worden. So könnten wir den Opfern viel mehr Gesicht und Hintergrund geben.

Vielleicht kann Burscheid die nun beschlossene Friedhofs-Arbeitsgruppe aus Rat und Verwaltung auch noch um einige per Los ermittelte Bürgerinnen und Bürger ergänzen, könnte so erste prozedurale Erfahrungen mit Bürgergutachten gewinnen – wie es gerade selbst der Bundestag erstmals wagt, dort bei Ernährungsfragen.

P.S.:
Anders als das Kriegsopfer-Denkmal ist das Krieger-Denkmal (zu 1870/71) nahe beim Friedhofs-Eingang angestammter Teil der Burscheider Denkmalliste (dort Pos. 15, siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkm%C3%A4ler_in_Burscheid), konsequent ebenso Element des Burscheider Denkmalpfades (Pos. 44, siehe https://kulturverein-burscheid.de/content/Denkmalpfad/html/denk-44.html). Nicht dokumentiert ist per Denkmalpfad übrigens der schaurige Sinn-Spruch auf der Rückseite des Krieger-Denkmals, siehe auch das unten beigefügte Bild:

DEN GEFALLENEN ZUM GEDÄCHTNIS
DEN LEBENDEN ZUR ERINNERUNG
DEN ZUKÜNFTIGEN GESCHLECHTERN ZUR NACHAHMUNG
(Hervorhebung von mir ;-)

 

(2024/24) 26.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Islamistischer Terror in Moskau; Kommentare „Für Putins Versagen soll Kiew büßen“ von Karl Doemens und „Der Terror bedroht auch uns“ von Felix Huesmann (Ausgaben v. 25. u. 26.3.2024, jeweils S. 4)

Jede Häme ist fehl am Platz; eine diplomatische Kondolenz wäre unsere mindeste Pflicht. Und wer derzeit die bizarrsten Feindbilder pflegt, darüber ließe sich noch lange streiten.

Aber gerade heute sollten wir nicht ausblenden: Der Westen hielt es einmal für ausgesprochen clever, den militanten Islamismus gegen die Sowjetunion aufzustacheln und aufzurüsten. Im Irak haben wir weitere Ursachen für globalen Terror gesetzt. Bei Licht besehen waren wir im gesamten Nahen und Mittleren Osten als Zauberlehrlinge unterwegs, bis in die jüngste Zeit. Das ist unsere Verantwortung und ist das reale heutige Risiko. Jeder Tag im aufgebrachten und verständnislosen Streit unter Industriestaaten mehrt es.

Quellen:

Zum Interview des Pariser Nouvel Observateur vom Januar 1998 mit Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski siehe etwa http://uliswahlblog.blogspot.com/2013/08/isaf-und-der-3-juli-1979.html m.w.N.; interessant ferner die noch folgende „Operation Sommerregen“, bei der ab Mitte der Achtziger Jahre namentlich der BND vertrauensvoll mit afghanischen Gotteskämpfern gegen die Sowjetunion kooperierte: https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Sommerregen_(Bundesnachrichtendienst) 

Zu den Feindbildern:
Der letztjährige Mottowagen des Kölner Karnevals nahm einen diabolisch in Blut und Grabkreuzen rührenden Putin auf's Korn. Ein psychologisch bemerkenswertes Detail war die Symbolik auf Putins Brust - Hammer und Sichel. Oder auch: nachhaltig recycelt.

Ein Bild, das Fiktive Gestalt, Fiktion, Anime, Darstellung enthält.

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(2024/23) 24.3.2024
DER SPIEGEL
Elektromobilität; Titelthema „Der Elektroschock“ der Ausgabe Nr. 13 v. 23.3.2024, insbesondere Beitrag „Kurzschluss“ von Simon Book et al., S. 8 – 15

Die Wunderwaffe gegen die deutsche Reichweitenangst? Nein, nicht der TAURUS alias Höllenhund 2.0. Unser aller Zweitwagen wäre es gewesen. Der, mit dem man Tag für Tag vielleicht 100 bis 200 km zurücklegt und ca. 90% des Jahresespensums. Der, mit dem wir den meisten Sprit sparen könnten. Nur – der Zweitwagen ist selbstverständlich nicht Premium, Masse und Marge genug. Pech, vorbei.

P.S.:
Seit zwei Jahren und ca. 22.000 km fahre ich mit stetem Glück einen
Dacia Spring, dem Anschein nach bei Dacia in Rumänien gebaut, tatsächlich aber ja bei Dongfeng in Wuhan, China. Konkurrenzfähige Qualität, sehr gute Ausstattung und ein kleiner ökologischer Rucksack, alles zusammen für < 15 T€. Verglichen mit der abschreckend düsteren Reportage von Haiko T. Prengel „Das Märchen vom soliden Elektroauto“, SPIEGEL Nr. 12 v. 16.3.2024, S. 100f, bin ich gefühlt auch fabelhaft zuverlässig unterwegs. Gut, das ist nur "Losgröße 1" und mag an prägenden Eigenschaften meines ersten Autos liegen – eines ebenso Glück spendenden Deux Chevaux mit 16 PS aus 421 ccm und 5 Litern Verbrauch, normal 😉

Anm.: China hat seine Industrialisierung u.a. mit einer pädagogisch klug gewählten, weil allseitig skalierbaren Schlüsselindustrie vorangebracht – mit Spielzeug. Mit kleinen Einstiegs-Sellern war Deutschland ja einmal ebenso erfolgreich, hat’s aber lange vergessen.

 

(2024/22) 22.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wehrkunde; Berichte bzw. Kommentar „Besuch vom Jugendoffizier“, „Besser vorbereitet auf die Katastrophe“ bzw. „Annäherung an die neue Realität“ von Alexandra Ringendahl und Gerhard Voogt (Ausgabe v. 22.3.2024, S. 3 u. 4)

Im Rahmen eines Wehrkundeunterrichts: Die Republik bis zur 1. Zeitenwende i.J. 1989 wäre sehr authentisch abzubilden durch einen Besuch der Schulklasse im Landes-Regierungsbunker Am Gillesbach 1 in Kall-Urft in der schönen Eifel, im praktisch noch betriebsfähigen Zustand. Für die folgende Epoche bis zur 2. Zeitenwende i.J. 2022 empfehle ich dem Jugendoffizier eine gemeinsam zu erarbeitende Evaluation der Auslandseinsätze und Kriege dieser Phase - auf Zielerreichung, Opfer und Folgen, etwa in Somalia, im Sudan, in Afghanistan oder in Mali. Ein markanter Schwerpunkt könnte dabei die Operation Allied Force 1999 u.a. gegen die europäische Hauptstadt Belgrad sein – in deren Kontext wurde uns der Begriff „collateral damage“ vertraut. Und für die nunmehrige 3. Phase könnte man den mutmaßlichen neuen Regierungsbunker in Berlin ins Auge fassen; allerdings läge das für uns etwas abseits und wäre wohl ohnehin verschlossen. Eine verstärkte schulische Katastrophen-Vorbereitung könnte ggf. etwas aufgelockert und psychisch entspannt verlaufen, griffe man auf das Maskottchen des US-amerikanischen Zivilschutzes der Fünfziger Jahre zurück – auf „Bert the Turtle“ und sein verschmitztes Motto „Duck & cover!“

Quellen:

Zu den Bombenangriffen der NATO auf Belgrad, deren Beginn sich in wenigen Tagen zufällig 25-fach jährt, siehe etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Allied_Force. Das soweit bekannt erste amtlich dokumentierte zivile Opfer eines Auslandseinsatzes war bereits am 21.1.1994 der junge Somali Farah Abdullahi i.R.d. Operation UNOSOM II, siehe die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bündnis-Grünen =  https://dserver.bundestag.de/btd/12/069/1206989.pdf

„Bert the Turtle“: siehe Bild-Anlage.
Anm.: Dieser damals sehr ernst gemeinte Cartoon stammt noch aus meiner jahrzehntelangen dienstlichen Befassung mit Geheim- und Zivilschutz. Den Besuch bzw. die Führung in Kall-Urft kann ich jedem dringend empfehlen, der sich mit Wehrkunde und Zivilschutz tiefer befassen will. Man sollte sich dafür im Wortsinn und im übertragenen Sinn warm anziehen.

Ein Bild, das Text, Zeichnung, Entwurf, Clipart enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

 

(2024/21) 19.3.2024
DIE WELT
Friedensaufruf von Papst Franziskus; Franz Alts Gastkommentar „Die Papst-Kritiker hören nur, was sie wollen“ (Ausgabe v. 18.3.2024, S. 7)

Herzlichen Dank an Franz Alt und an die WELT-Redaktion für den bemerkenswerten Gastkommentar vom 18. März! Ich stimme zu: Das nüchterne Bewerten (auch) eigener Verursachungsbeiträge und (auch) fremder Interessenlagen ist die erste Voraussetzung für Diplomatie. Der Papst mag alt sein. Aber ein Tor ist er nicht.

Quelle
Den Gastkommentar von Franz Alt siehe auch auf dessen Internet-Seite sonnenseite.com:
https://www.sonnenseite.com/de/franz-alt/kommentare-interviews/dieser-unmoegliche-papst/

 

(2024/20) 18.3.2024
rga / Remscheider General-Anzeiger
Wehrkundeunterricht; epd-Meldung „Schulen sollen auf Kriegsfall vorbereiten“ u. Kommentar v. Sebastian Kunigkeit “Wehrgedanke soll in Schulen einziehen“ (rga v. 18.3.2024, S. 1 u. 2)

Als Lehrplanelement eines etwaigen künftigen Wehrkundeunterrichts empfiehlt sich dringendst der Besuch der Dokumentationsstätte „Ehemaliger Ausweichsitz der Landesregierung NRW“ in Kall-Urft: Eine sehr haptische und authentische Zeitreise zurück in massive Bunkermentalität, fertig zum Einrücken.

Vielleicht aber kann unsere Bildungsministerin Feller ihrer Bundeskollegin Stark-Watzinger bei einem Ortstermin dort beibringen: Unsere Prioritäten liegen beim sicheren Vermitteln von schulischen Grundfertigkeiten, gerade für eine kritikfähige und wehrhafte Demokratie.

Quellen etwa:
www.ausweichsitz-nrw.de

 

(2024/19) 13.3.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 14.3.2024 im Internet-Angebot der ZEIT:
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/03/14/7-maerz-2024-ausgabe-nr-11/
Bundeswehr-Abhöraffäre; „Putin ist ganz Ohr“ von Yassin Musharbash (Ausgabe No. 11 v. 7.3.2024, S. 1)

Wie John le Carré kann ich keinen ethischen Vorsprung westlicher Dienste erkennen: Alle arbeiten definitionsgemäß im Schatten, sind der Staatsräson mehr verpflichtet als den Menschenrechten. Ein Konzept wie das der „Inneren Führung“ würde dort niemand anwenden wollen. Auch deutsche Dienste waren, wo erforderlich, offen außerhalb der Verfassung aktiv, etwa bei der am Ende sogar mit Orden belohnten „Operation Sommerregen“ in den Achtzigern: Der BND hatte während der sowjetischen Besatzung Afghanistans gemeinsam mit Mujaheddin und unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe moderne russische Waffen aufgesucht und außer Landes gebracht, nota bene ohne Rechtsgrundlage bzw. ohne Mitwirkung des Bundestages.

Es fällt auch schwer, sich geopolitisch folgenreichere und – in Menschenleben gerechnet – tiefer einschneidende Projekte vorzustellen als etwa die Operation AJAX: Als MI6 und CIA zum Nutzen der Öleinnahmen der Anglo-Iranian Oil Company, später BP bzw. ARAL, einen erfolgreichen Putsch gegen den gewählten iranischen Staatspräsidenten Mossadegh organisiert hatten, mit bis heute wirkenden disruptiven Folgen für eine ganze Region. Oder die später auch „bear trap“ genannte CIA-Operation CYCLONE, die die Sowjets nach Afghanistan locken sollte und mit dem dortigen militärischen Debakel das Ende der Sowjetunion einläutete.

Die Dienste gestalten unsere Sicht auf die Dinge, aber nicht selten eben auch die Dinge selbst.

Quellen

Operation (TP)AJAX: https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Ajax
Operation CYCLONE:
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Cyclone
Operation Sommerregen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Sommerregen_(Bundesnachrichtendienst)

Anm.:
Sehr interessant und aufschlussreich erschien mir in diesem Kontext die folgende Passage aus dem Bericht „Mit Sicherheit teuer“ von Jörg Lau, Anna Sauerbrey, Mark Schieritz, Heinrich Wefing und Peter Dausend in der ZEIT No. 10 v. 29.2.2024, S. 4:

Sollte die Ukraine tatsächlich verlieren, etwa weil ein künftiger Präsident Trump die Unterstützung einstellt, rechnen westliche Geheimdienste mit einem Umsturz in Kiew, einem Partisanenkrieg gegen die russischen Besatzer, Millionen Flüchtlingen, die in Westeuropa untergebracht und versorgt werden müssten.“

Ein Planspiel, gewiss, aber eines, das zeigt, wie volatil ein Szenario entwickelt bzw. gestaltet werden kann. Oder: wie ein Szenario rhetorisch einsetzbar ist. Denn käme es wie dort orakelt, dann wäre dies der vollständige Bankrott der bisherigen Ukraine-Investitionen und eine tatsächlich extrem risikoreiche ökonomische wie soziale Entwicklung. Dies mag zu einer zwanghaften Eskalation der bisherigen Anstrengungen anleiten, viel weniger wahrscheinlich zu einem Pfadwechsel.

 

(2024/18) 13.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Wahlen in Russland; Thorsten Müller „Der ewige Putin“ (Ausgabe v. 13.3.2024, S. 2)

Danke für Thorsten Müllers gut recherchierte und sehr informative Reportage „Der ewige Putin“! Sein Bericht macht wesentliche Unterschiede nachvollziehbar, aber eben auch frappierende Übereinstimmungen, so die gemeinsame Fokussierung auf Konsum oder eine beiderseitige unpolitische Grundhaltung, speziell zur Außen- und Sicherheitspolitik. Kriege - welche denn? 

Und wenn die Bundesrepublik auch sicher keine totalitären Züge zeigt, so ist doch auch bei uns die Fluktuation in der politischen Klasse betont gering. Wie in Russland prägt uns offenbar eine tiefe Sehnsucht nach Kontinuität und Stabilität, die im Zweifel zum Bewahren des Bewährten anleitet und die eine parallele Ursache vermutlich im brutalen letzten Weltkrieg hat.

 

(2024/17) 12.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Aufruf des Papstes zur Ukraine; Kommentar von Eva Quadbeck „Dem Weltfrieden geschadet“ und Bericht von Markus Decker „Pabst empfiehlt Kiew ‚weiße Fahne‘ “ (Ausgaben v. 12.3.2024, S. 4 und v. 11.3.2024, S. 6)

Schämen müsste sich Frau Strack-Zimmermann nicht nur für den Pabst, sondern für den offenbar überwiegenden Teil der Menschheit: Denn alle diese haben – auch lange vor der aktuellen Wortmeldung – wenig Verständnis für weiteres Gemetzel, mit immer mehr und stärkeren Waffen. Ein Gemetzel, aus dem wir die Finger fein heraushalten und an dem manche noch üppig verdienen.

Von ihr fordere ich ebenso wie von Frau Göring-Eckardt: Präsentieren Sie Ihren realistischen Verhandlungsvorschlag! Einen, der hilft, weitere Zehntausende Opfer zu verhüten. Dieser Vorschlag sollte nicht enthalten, dass jeder Quadratmeter der Ukraine garantiert dauerhaft von russischem Einfluss befreit wird oder dass die NATO einen Stützpunkt in Sewastopol einrichten kann.

Den Russen sollten wir auch nicht weniger Schutz wohlverstandener Interessen zubilligen, als wir es bei unserem atlantischen Partner in Gestalt der Monroe-Doktrin für völlig selbstverständlich halten. Die Gefahr eines russischen Imperialismus und eines neuen „dark age“ definieren wir auch höchstpersönlich. 

Man darf es wohl so sehen: Wir büßen heute für eine raumgreifende, auftrumpfende und völlig un-empathische Außen- und Sicherheitspolitik nach 1989. Ein gesichtswahrender Pfadwechsel ist möglich – und er ist sogar unverzüglich geboten: Tatsächlich benötigen wir alle Ressourcen, auch die der Diplomatie, um ein längst fühlbar kippendes Weltklima zu stabilisieren. Sofern wir eine to-do-Liste nach unmittelbarem Gefahrenpotenzial für unsere Zivilisation abarbeiten, dann müsste genau das ganz vorne stehen.

 

(2024/16) 9.3.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 16.3.2024
Entwicklung der Waffentechnik; Can Merey „Die tödlichen Überflieger“ (Ausgabe v. 7.3.2024, S. 29)

Die zitierte Einschätzung von Alexander Bornyakov ist m.E. ebenso schlüssig wie erschreckend: Angesichts der viel billigeren und effizienteren Drohnen ist die gerade wieder zu Ehren gekommene Panzer-Waffe schon endgültig aus der Zeit gefallen, ebenso weitere teure Großgeräte wie Kriegsschiffe oder Flugzeuge. Giga-Factories für große Artillerie-Munition? Konsequent ebenso unrentabel, lange vor ihrer Einweihung.

Das eigentlich Erschreckende ist: Drohnen sind eine besondere Herausforderung für offene Gesellschaften, weit unter der Schwelle industrieller Kriegsfähigkeit zu beschaffen und kinderleicht zu bedienen. Wir werden sehr merklich erpressbarer, auch hinsichtlich unserer Infrastruktur und stehen im Fadenkreuz eines sehr personenbezogenen Targeting. Höchste Zeit, sich unter den Industriegesellschaften vertrauensbildend zusammenzuschließen!

 

(2024/15) 5.3.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 7.3.2024 im Internet-Angebot der ZEIT =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/03/07/29-februar-2024-ausgabe-10/
Rüstungskosten; Titelthema „Was kostet Frieden?“ in der Ausgabe No. 10 v. 29.2.2024 mit Beiträgen von Jörg Lau, Anna Sauerbrey, Mark Schieritz, Heinrich Wefing, Dirk Dausend und Holger Stark

Die ZEIT No. 10 mit ihrer Titelfrage „Was kostet Frieden?“, sie triggert bei mir arge kognitive Dissonanzen. Die Titeltaube als Waffenträger: Ist das nun ironisch, sarkastisch oder polemisch und proakativ? Warum nicht gleich der Heiland im trendigen Tarnfleck? Ist das die neue Zeit? Auch die Frage selbst: Hält man Frieden für einfach geometrisch skalierbar mit den eingesetzten Rüstungs-Input? Viel hilft viel? Die massiven und überwiegend frustrierten Ausgaben seit Beginn der Expeditionen mit scharfem Schuss in den Neunzigern könnten uns eines Besseren belehren, würden wir sie einmal systematisch evaluieren wollen.

Zurück zur Taube: Sie erinnert mich ferner irritierend an George W. als Rambo-artigen Coverboy des SPIEGEL. Und an ein Gespräch mit unserem Pfarrer Anfang der Neunziger über UNOSOM II und DENY FLIIGHT. Ich hatte gefragt, wie die Kirche zu den damals gerade beginnenden Auslandsmissionen stünde. Er hatte dann – mit seiner besonderen Erfahrung in der Feldseelsorge und auch ein wenig triumphierend – einen Katechismus aus dem ersten Weltkrieg produziert und dort eine bereits eingedruckte Fußnote zum Fünften Gebot: „Gilt nicht im Kriege!

 

(2024/14) 26.2.2024
DAS PARLAMENT, abgedruckt 18.5.2024
TAURUS; zu Beiträgen in der Ausgabe v. 24.2.2024, S. 1 (Alexander Heinrich „Eine Frage der Reichweite“ u. Christian Zentner „Suche nach Antworten“)

Die „Suche nach Antworten“ signalisiert viele offene, zumindest nicht im Konsens zu beantwortende Fragen. Speziell die Causa Taurus müsste vielen Zeitgenossen auf dem Magen liegen, da der Taurus seinem legitimen Ahnherrn sehr gleicht – der designierten Wunderwaffe und Flügelbombe V1, die anfangs Höllenhund heißen sollte.

Wie die Abgeordnete Gabriela Heinrich möchte ich von dem Einsatz des Taurus keine Wunder erwarten, insbesondere keine signifikante Verkürzung der Kriegshandlungen, keine Entspannung und keine Verminderung der militärischen oder zivilen Opferzahlen in der Ukraine. Eher verspräche dies – wie es Paul Watzlawick in seiner unsterblichen „Anleitung zum Unglücklichsein“ schlüssig beschrieb – rasch „mehr desselben Elends“. Der traurige zweite Jahrestag der russischen Invasion sollte uns m.E. nicht zu einem „weiter und härter“ bewegen, sondern zu einem klugen Pfadwechsel mit fühlbar mehr OSZE-Einsatz. Ich denke, diese Erwartung wird von sehr vielen Menschen dieser Welt geteilt.

P.S. / Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fieseler_Fi_103
https://de.wikipedia.org/wiki/Taurus_(Marschflugk%C3%B6rper)
Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper / München, 4. Auflage 2023, S. 27ff (29)

 

(2024/13) 26.2.2024
Süddeutsche Zeitung
Zweiter Jahrestag d. Ukraine-Invasion; Kommentar „Die Propagandisten“ von Frank Nienhuysen (Ausgabe v. 24./25.2.2024, S. 4)

Keine Frage: Russland hat sich psychotisch entwickelt, als Ganzes und in führenden Teilen.

Tatsächlich sieht es bei uns aber wenig anders aus: Tiefe kognitive Dissonanzen anhand der Brutalitäten, die man meinte, mit kluger Politik ausgeschlossen zu haben oder zumindest vom eigenen Lebensmittelpunkt fernzuhalten. Frustrierte Versuche, Macht in die Ferne zu projizieren, wie etwa in Somalia, Afghanistan oder Mali. Und am zweiten Jahrestag der russischen Invasion allseitige verbale, teilweise reale Versuche, einfach nur mehr nach Art der bisherigen Strategie zu stemmen: Mehr Munition, zusätzlich modernste Distanzwaffen wie Taurus – immerhin ein hocheffizienter Nachfahre der Flügelbombe V1, die man anfangs Höllenhund nannte. Kurz, eine Politik der zeitlich nicht begrenzten Eskalation.

Der sehr hellsichtige Paul Watzlawick sieht mir hoffentlich aus dem Himmel nach, wenn ich aus seiner unsterblichen „Anleitung zum Unglücklichsein“, genauer aus dem Kapitel „Mehr desselben“ folgere: Genau das kann nur zu mehr desselben Elends führen. Wir sollten uns neu besinnen und das Geld u.a. für den Taurus nachhaltiger in die OSZE und in die renommierte deutsche Friedensforschung stecken, um nüchterne, realpolitische Verhandlungsansätze vorzustellen. 

Sonst mag dereinst jemand den Kanzler fragen, ob die Zigtausend toten und schwer versehrten Ukrainer – ob russisch- oder ukrainischsprachig – es denn wirklich wert waren. „Besser tot als rot“ wäre dann keine überzeugende Reaktion, auch angesichts krasser diplomatischer Versäumnisse des Westens in den letzten 20 Jahren. Ebenso wenig: „Schau’n wir mal!“

P.S. / Quelle:
Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper / München, 4. Auflage 2023, S. 27ff (29)

 

(2024/12) 23.2.2024
DIE ZEIT, veröffentlicht am 29.2.2024 im Internet-Angebot der ZEIT am =
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/02/29/22-februar-2024-ausgabe-9/
Ukraine-Konflikt; Giovanni di Lorenzos Beitrag „Vor aller Augen“ in der Ausgabe No. 9 v. 22.2.2024, S. 1

Ich habe kein Problem damit, Wladimir Putin vor aller Augen als psychotisch zu bewerten, ebenso – und einander bedingend – das heutige Russland insgesamt. Nur: Exakt das Gleiche gilt derzeit nüchtern betrachtet für mich, für uns, für Deutschland und für unsere alten und neuen Bundesgenossen. Das alles hat auch sehr wenig mit Verfassung zu tun. Sehr viel dagegen mit Angsthaltung und Abstiegsangst und aufgesetztem Stolz.

Pardon: Der viel lautere Weckruf geht von unserem Erdsystem aus; wir haben es nachaktuellem Befund des IPCC bereits bleibend um kritische 1,5 Grad geboostet, Ende offen. Und um da die Hände frei zu bekommen und Ressourcen mit Augenmaß priorisieren zu können, müssen wir besser heute als morgen einen nachhaltigen Kompromiss erarbeiten, unter Wahrung der wohlverstandenen Interessen. Neudeutsch: der vested interests der größeren Mitspieler.

 

(2024/11) 21.2.2024
RGA / Volksbote, abgedruckt am 24.2.2024
Proteste gegen Rassismus und Hetze; Beiträge von Nadja Lehmann „Gegen Rechtsextreme: Burscheids Frauen rufen zu friedlichem Protest auf“ und von Peter Klohs „Für die Demokratie: Burscheider lassen es leuchten“ in den Burscheider Lokalausgaben v. 17.2. / 20.2. (S. 23 / S. 21)

„Burscheid leuchtet“, das ist eine sehr lobenswerte und für alle lohnende neue Initiative: Gut vorbereitet, eindrucksvoll durchgeführt und dann auch völlig zu Recht gekrönt durch eine beachtliche Resonanz bei den Teilnehmer*innen und in den Medien. 

Meine Anerkennung für die vier Freundinnen und Organisatorinnen, die Burscheiderinnen Jutta Reda, Sabine Rusch-Witthohn, Barbara Sarx-Jautelat und Brigitte Thielen, auch zu dem einfühlsam gewählten Motto. Und meine guten Wünsche für die weitere Entwicklung!

 

(2024/10) 19.2.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Rüstung; zu Beiträgen von Kristina Dunz, Daniela Vates und Eva Quadbeck im Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz (Ausgabe v. 19.2.2024, S. 1, 2, 4 und 6: „Selenskyj warnt vor ‚Katastrophe‘ “, „Große Krisen, kleine Lichtblicke“, Schmerzhafter Weg zur Wehrhaftigkeit“ und „Die Bundeswehr braucht zügig Geld“)

Wir sind zurück auf dem Gipfel des Kalten Krieges. Ob Vorrüstung oder Nachrüstung – egal, Hauptsache Waffen. Gegen Gewalt hilft halt nur Gewalt, Gute sind Gute, Böse sind Böse und wo gehobelt wird, da fallen eben Späne. Selbst die im Herzen Grünen können – sollten? – heute RheinMetall zeichnen. Diplomatie? Völlige Fehlanzeige, jedenfalls keine bemerkbare. Reine TINA-Stimmung. Oder: There is no alternative.

Hand auf’s Herz: Jeder weiß, es kann, es darf so nicht weitergehen. Nur fehlt das Kind, das lauthals ruft: „Man kann ja alles sehen, ihr habt gar nichts an!“

P.S.:

Die beigefügten Cartoons drücken das Zyklische der Entwicklung m.E. sehr gut aus – der 1951er ist inzwischen wiederverwendbar.

 

1951
Ein Bild, das Text, Zeichnung, Entwurf, Clipart enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

2001
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(2024/9) 16.2.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Rüstungsausgaben; Interview „Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben“ von Eva Quadbeck und Kristina Dunz mit Boris Pistorius sowie Kommentar „Dauerhaft mehr Geld für Armee“ von Markus Decker (Ausgabe v. 15.2.2024, S. 3 u. 4)

Vielleicht bin ich ja verrückt geworden. Oder aber ein Gutteil unserer Oberen Zehntausend ist dem Wahn verfallen.

Lassen wir einmal die von Boris Pistorius mehrfach zitierten „letzten 30 Jahre“ Revue passieren: Wir haben sehr, sehr viel militärisches Geld in die Hand genommen – und unter dem Strich sehr, sehr viel Unsicherheit herausbekommen. Tatsächlich haben wir unter aktiver Mithilfe hoher und höchster Chargen aus Brüssel, die unangefochten weiter in Amt und Würden sind, den Nahen und Mittleren Osten mehr und mehr destabilisiert, haben dabei auch massiven Migrationsdruck getriggert. Außer Spesen praktisch nichts gewesen. Weiter: Wir sind mit unseren Waffensystemen ein signifikantes Stück in Richtung Moskau vorangekommen. Selbst NATO-Flugzeugträger in Sewastopol schienen schon zum Greifen nah, am weichen Bauch Russlands. Und nun könnten wir nach der Sowjetunion auch nochmal das postsowjetische Russland militärisch und wirtschaftlich in Grund und Boden rüsten? Auf dass von dort nie wieder Kriege ausgehen können? Danach endlich: Ewiger Frieden? Ist das rational?

Nur nebenbei erwähnt: Wenn wir uns bald im Wege eines intensivierten Zivilschutzes warm anziehen müssen, dann braucht es – das vergaß Boris Pistorius gleich mit aufzuführen – naturgemäß auch wieder einen gut oder sogar noch besser gehärteten Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes und der Länder, Marke „Dienststelle Marienthal plus“. Klüger und ökonomischer wäre allerdings, wir schickten die NATO auf Heimaturlaub und holten die OSZE aus dem Winterschlaf. Unser gutes Leben mag nicht zum Nulltarif zu sichern sein. Aber in jedem Fall funktioniert es nicht dauerhaft mit Aplomb, männlichem Auftrumpfen und einer Übermacht, koste sie, was sie wolle. Eher mit der Bereitschaft zum Ausgleich und dem Einschalten der Spiegelneuronen.

Vielleicht dienen dann dabei die Südtiroler als wertvolle Ratgeber: Während des Zweiten Weltkriegs hatten wir sie einmal zur Besiedlung einer vorher per Völkermord geleerten Krim ausersehen. Und heute sind sie besonders angesehen beim gewinnbringenden friedlichen Zusammenleben verschiedener Sprachen und Ethnien.

Quellen:

Zum AdVB, alias Dienststelle Marienthal, wo sich ein Besuch aktuell besonders empfiehlt: https://de.wikipedia.org/wiki/Regierungsbunker_(Deutschland), zu vergleichbarer Vorsorge der politischen Elite der DDR der Bunker Komplex 5000 sowie der Bunker Harnekop. Im letzten Betriebszustand eingemottet und daher heute besonders eindrucksvoll ist der Ausweichsitz der Landesregierung NRW = https://www.ausweichsitz-nrw.de/. Anm.: Vielleicht müsste darum unter aktuellen Vorzeichen sogar der Hauptstadtbeschluss neu gedacht werden 😉

Zu Ansiedlungsplänen für 210.000 Südtiroler, die 1939 für Deutschland optiert hatten, auf der Krim: Siehe etwa Bert Hoppe: Die Schatten der Weltkriege. Die Deutschen und die Krim, in: Aus Politik und Zeitgeschichte / APuZ (Zeitschrift d. Bundeszentrale f. politische Bildung) 6-8/2024, S. 33 (37), im Netz unter https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2024-06-08_online.pdf

 

(2024/8) 5.2.2024
Remscheider General-Anzeiger, Lokalausgabe Burscheid, abgedruckt 7.2.2024
Bürgerbeteiligung; Nadja Lehmann: „Ich schaue ganz anders auf Lebensmittel als früher“ (RGA Lokalausgabe Burscheid v. 30.1.2024, S. 21)

Eigentlich „just in time“, diese ersten Erfahrungen, die der Bundestag gerade mit dem „Bürgerrat für Ernährung“ sammelt. Dass die Koalitionsparteien ganz neue Wege der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit der Gesellschaft ausprobieren wollen, das war vor der letzten Wahl gar nicht zu erwarten. Aber wenn der demokratische Konsens plötzlich als sehr bedroht erschien – und wo nun plötzlich landauf, landab Tausende unserer Verfassungsordnung den Rücken stärken, da zeigt es sich ebenfalls: Die Bürger sind gereift und qualifizieren sich hier und heute für mehr Teilnahme und Gehör, gerade bei leidenschaftlich umstrittenen Fragen.

Dann aber ist mehr laufende Teilhabe nicht nur auf Bundesebene beiderseits nützlich, sondern gerade auf der lokalen Ebene. Hier mag sich sogar ein TOP-Thema für den bevorstehenden lokalen Wahlkampf herausschälen: Wie stehen unsere Parteien zu Bürgerräten bei der künftigen Stadtentwicklung? Als Glücksfall könnte sich erweisen, dass im Herbst 2023 die Arbeiten an der unteren Hauptstraße aus dem laufenden Entwicklungskonzept ausgekoppelt worden sind; zusammen mit dem neuen ISEK 2030 stünden sie nun grundsätzlich für einen modernen, betont bürgernahen Prozess offen.

Vielleicht kann Frau Hilbert sogar ihre motivierenden Berliner Erfahrungen einbringen, um ein Verfahren vor Ort bestmöglich vorzubereiten.

 

(2024/7) 31.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalausgabe Leverkusen, abgedruckt 6.2.2024
Proteste gegen die AfD; Reportagen in den Lokal-Ausgaben Leverkusen v. 29. u. 30.1.2024 (Violetta Gniß: „Mahnwache füllt Burscheids Markt“ und Janne Ahrenhold: „Tausende demonstrieren gegen Rechtsruck“)

Das sind bemerkenswerte Demonstrationen – diesmal als sehr vernehmliche Stütze von Politik und Parlament. Und beeindruckend tief gestaffelt, flächendeckend auch außerhalb der Metropolen. Darin liegt, wie es ein Redner am Samstag sehr erfrischend sagte, auch eine Aussage zum demokratischen Verfahren: Man könne Demokratie eben nicht einfach delegieren. Manchmal muss man sich selbst zeigen, wenn es nottut, auch zwischen den Wahlterminen.

Dann aber darf man die positiven Demonstrationen zusätzlich als einen gelungenen Reifetest werten und darf künftig etwas mehr direkte demokratische Mitwirkung wagen, etwa in Bürgergutachten oder Bürgerbegehren. Wer kontinuierlich trainiert, der erhält oder stärkt gar seine politische Leistung. Und gegen die Hass- und Abgehobenheits-Rhetorik ist man viel besser gewappnet.

 

(2024/6) 29.1.2023
Remscheider General-Anzeiger
Proteste gegen die AfD; Markus Deckers Kommentar „Darauf lässt sich bauen“ in der Ausgabe v. 29.1.2024, S. 1

In der Tat: Das Gemeinschaftsgefühl aus flächendeckenden positiven Protesten kann Fundament sein und auch Brücke – in einer Zeit, die weiß Gott festen Boden ebenso wie aufbauende Begegnung braucht. 

Den bunten Protest, der unseren demokratischen Rechtsstaat so vernehmlich bejaht, mag man aber ferner als Zeugnis der bürgerlichen Reife deuten. Das würde neue und engere Formen der politischen Beteiligung ermutigen, etwa Bürgergutachten oder Bürgerbegehren. Und könnte damit unsere etwas erstarrte und Experten-dominierte Republik mit neuen Impulsen verjüngen. Tatsächlich gibt es erfahrene Demokratien, die dies nicht nur aushalten, sondern zu schätzen gelernt haben.

 

(2024/5) 29.1.2023
Süddeutsche
Proteste gegen AfD; Kommentar von Ulrike Nimz „Schaut auf diese Dörfer“ in der Ausgabe v. 29.1.2024, S. 4

Aus der Flächendeckung und tiefen Staffelung der bunten Proteste in Ost wie West mag man eine Art kategorischen Imperativ pro Toleranz und Schutz ableiten. Und einen politischen Reifegrad, der eben neue Bündnisse zwischen Politik und Bürgerschaft nahelegt und sogar mehr regelbasierte direkte Mitwirkung, etwa in Bürgergutachten oder Bürgerbegehren. 

Im Maximum mag irgendwann der Schriftzug „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ auf dem Reichstagsgebäude durch den Schriftzug „DER BEVÖLKERUNG“ ersetzt werden, der derzeit in einem Beet in einem Innenhof des Parlaments schlummert. Gut - eine Vision.

 

(2024/4) 29.1.2024
Frankfurter Allgemeine, abgedruckt 5.2.2024
Proteste gegen die AfD; Jasper von Altenbockums Kommentar „Unbehagen in einer neuen Zeit “in der Ausgabe v. 19. Januar, S. 1

Die neue „Bewegung“, wie sie sich just sogar weit entfernt von Magistralen und Kapitalen formiert, birgt m.E. auch neue Chancen für die politischen Helden und Kärrner. Wohl zum ersten Mal seit Geburt der Republik stützen flächendeckende, bunte Demonstrationen unser gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Geschäftsmodell. Ob das Modell dieser Hilfe objektiv bedurft hätte, das mag man gerne bezweifeln. Diese neue „Bewegung“ mag aber heute die Furcht unserer Verfassungsgeber vor einer Ochlokratie relativieren, vor der Herrschaft des Pöbels. Und sie widerlegt gleichzeitig den giftigsten Universal-Quantor der AfD: Dass nämlich alle bisherigen Regierungen zu jeder Zeit civibus absolutus bzw. weit vom Volk abgehoben geplant und verfügt hätten.

Vielleicht gelangt die eher traditionelle politische Schicht sogar zu der Einschätzung, dass das Volk derzeit ein Zeugnis der Reife ablegt und sich für mehr kontinuierliche Mitwirkung qualifiziert, etwa nach Muster des gerade im Bundestag erprobten Bürgergutachtens. Die Erfahrungen schon weiter gereifter Demokratien wie der Schweiz oder der USA würden dem nicht widersprechen.

 

(2024/3) 19.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
Songs für den Frieden; „Ein bisschen Frieden“ von Christian Bos (Ausgabe v. 17.1.2024, S. 20)

Ganz oben in meiner Songliste steht Donovans „Universal Soldier“. Nach meinem Verständnis koppelt er zu Kants „Zum Ewigen Frieden“ zurück: „His orders come from far away no more“ weist auf unsere ganz praktische demokratische Mitverantwortung; eben das war Kants Ideal: Eine Mitentscheidung derer, die die Kriegslasten zu tragen hätten, würde Konflikte dämpfen helfen. Auch Kant war alles andere als ein theorielastiger Träumer, wie manch einer aus dem Titel seiner Schrift von 1795 herauslesen möchte. Einleitend schreibt Kant mit bekannt spitzer Feder: Der Titel ist schlicht abgeleitet von einem niederländischen Gasthof in der Nachbarschaft eines Friedhofs.

Ferner: „Imagine“ verstehe ich nicht als eine Zumutung an die Fantasie, auch heute nicht. Was wäre überraschend daran, wenn Menschen des 21. Jahrhunderts keinen Sinn darin sähen, sich etwa für ein umstrittenes Staatsgebilde, für willkürlich gezogene Grenzen oder auch für eine vorherrschende Glaubensrichtung ins Jenseits befördern zu lassen?

 

(2024/2) 19.1.2023
DIE ZEIT, veröffentlicht am 25.1.2024 im Internet-angebot der ZEIT:
https://blog.zeit.de/leserbriefe/2024/01/25/18-januar-2024-ausgabe-4/
Ukraine; Leitartikel „Tja“ von Anna Sauerbrey in der Ausgabe No. 4 v. 18.1.2024, S. 1

Die These ist sehr alt, wird in jüngster Zeit allerdings stark vervielfältigt: Früheres, entschlosseneres und massiveres Eingreifen und eine progressive Bewaffnung würde schlimmeres Leid verhüten. Ebenso wie der heute so beliebte Terminus „Zeitenwende“ blendet dieses Denkmodell aber das „Vorher“ und bisherige Erfahrungen als schon überholt aus. 

Die Realität mag ganz anders aussehen: Die raumgreifende und gerne präventive, bisweilen auch sehr blutige Interventionspolitik seit 1993 hat sehr wenige bleibende Erfolge, dafür aber viele Opfer gezeitigt. Und auch im Falle der Ukraine dürfte die Welt heute völlig anders aussehen, hätte man die OSZE zumindest ebenso wie die NATO wertgeschätzt und ausgestattet. Auch das Besonnene kann Stärke und muss keine Schwäche signalisieren.

 

(2024/1) 12.1.2024
Kölner Stadt-Anzeiger
weitere Waffen für die Ukraine; Leitartikel „Munition statt Strategiedebatten“ von Matthias Koch in der Ausgabe v. 11.1.2023, S. 4

Eine Niederlage der NATO ist nicht in Sicht. Denn die NATO steht zum Glück nicht im Krieg, höchstens dahinter. Umso eher können wir jede Möglichkeit des Ausgleichs der wohlverstandenen Interessen ausloten. Davon ist in den Medien sehr selten die Rede; eine dankenswerte Ausnahme war der Abdruck eines Gastbeitrages von Winfried Böttcher „Die Denkblockade durchbrechen“ im Stadt-Anzeiger vom 23. Februar 2023.

Denn eines wollen wir ganz sicher alle nicht: Diesen Konflikt mit seinen tagtäglich mehr als hundert Toten – vor allem Ukrainer, Russen und russisch sprechende Ukrainer – unseren Kindern oder gar Enkeln vererben, als einen schwärenden Stellvertreterkrieg und Ausdruck offener Völkerfeindschaft. Aus meiner Sicht: Kein Langstreckenlauf, eher ein Totenmarsch, powered by Germany.

 

Und ein paar Sammlerstücke aus früheren Jahren:

 

Die Mutter aller [meiner] Leserbriefe zur Außen- und Sicherheitspolitik:

 

29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (Kölner Stadt-Anzeiger. v. 29.9.1992)

Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.

Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch ausdrücklich verwahrt.

Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.

 

Und der am weitesten gereiste Leserbrief:

 

22.08.1995
NIKKEI WEEKLY, JAPAN; abgedruckt 28.8.1995
Militärpolitik; Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki; THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995

I refer to reports on WW II and especially to two letters to the editor printed in THE NIKKEI WEEKLY of August 14, 1995. It is my impression that those two letters offer a unilateral and quite insulting interpretation of the motives behind the drop of atomic bombs onto Hiroshima and Nagasaki fifty years ago (e.g. N. Hale: "a merciful decision"). So, I would like to show an alternative view:

It is certainly true that Japanese military leaders commenced the hostilities against the USA. But the Japanese victims at Hiroshima and Nagasaki were in their vast majority civilians. And although they were victims, I am far from sure they were the real addressees of the bombs as well. There is quite a convincing hypothesis: The drop of the bombs in the first place aimed at impressing the counterparts of Truman at the Potsdam Conference of July/August 1945 – Truman, a just invested and still very uneasy-feeling American president. To add: according to now opened American files the Nagasaki bomb was also meant to test a completely redesigned ignition system.

The echoes of that demonstration of power strongly outlived that event. We hear them over and over again – from Iraq, from France, from China etc. So, humanity will never forget those victims, even if some wanted to.

 

Weitere Leserbriefe

2023 / 2022 / 2021 / 2020 /

2019 / 2018 / 2017 / 2016 / 2015 / 2014 / 2013 / 2012 / 2011 / 2010 /

2009 / 2008 / 2007 / 2006 / 2005 / 2004 / 2003 / 2002 / 2001 / 2000 /

1999 / 1998 / 1997 / 1996 / 1995 / 1994 / 1993 / 1992


Oder auch ein paar Briefe für
Englisch-sprachige Medien.

Gerne meine >150 Leserbriefe, die zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik, Auslandseinsätze bzw. „out of area“ veröffentlicht worden sind.

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